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Ein Beitrag von www.unbekannter-bergbau.de

Online seit Mai 2017, letzte Ergänzungen im Juli 2022.

Sie können diesen Beitrag auf dem Recherchestand vom Mai 2017 vom Qucosa-Server der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden im PDF-Format herunterladen.

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-158693

  

Zum Plattendolomitabbau in der Mügelner Senke

  

Zur Lage und Regionalgeschichte
Zur Geologie
Zum Abbauverfahren
Brennofentechnik und Produktionsmengen
Montangeschichtlicher Überblick bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

Die Bergbauunternehmen östlich von Ostrau
Eulitz'sche Kalkwerke bei Pulsitz und Ostrau
Ostrauer Kalkgenossenschaft, später Krug'sches Kalkwerk
Möbius'sches Kalkwerk bei Ostrau
Kalkwerke bei Zschochau

Die Bergbauunternehmen südlich von Ostrau
Roßberg'sches Kalkwerk Münchhof
Kalkwerk Trebanitz
Kalkwerk Rittmitz

Die Entwicklung des Dolomitbergbaus bis zur Gegenwart
VEB Ostrauer Kalkwerke
Aktiver Bergbau (Ostrauer Kalkwerke GmbH)

Die Bergbauunternehmen westlich von Ostrau
Lützschera und Obersteina
Runge's Kalkwerk in Kiebitz

Die Bergbauunternehmen südlich von Mügeln
Uhlemann's Kalkwerke in Schrebitz
Wolf's Kalkwerk in Schrebitz
Lorenz' Kalkwerk in Schrebitz
Michael's Kalkwerk in Schrebitz
Weitere Kalkwerke in Schrebitz
Michael's bzw. von Ende's Kalkwerk in Paschkowitz

Weiterführende Quellen

  

 
 
 

Zur Lage und Regionalgeschichte

 

Mit diesem Thema befinden wir uns im südwestlichen Teil der Lommatzscher Pflege, einem Teil des mittelsächsischen Hügellandes westlich der Elbe; gelegen zwischen Meißen im Südosten, Riesa im Nordosten und Oschatz und Mügeln im Nordwesten.

Als charakteristisches und gegen die benachbarten Naturräume abgrenzendes Merkmal der Lommatzscher Pflege gilt die geschlossene und nahezu durchgehend mehrere Meter mächtige Verbreitung von Löss (auch die Schreibweise „Löß“ ist korrekt) als Bodensubstrat, während der geologische Untergrund nur an den Talhängen zutage tritt.

Löß ist ein homogenes, ungeschichtetes, hellgelbliches bis graues Sedimentgestein, das vorwiegend aus sehr feinkörnigem Schluff besteht. Gewöhnlich wird daneben ein gewisser Karbonatanteil als kennzeichnendes Merkmal betrachtet. Löß wird äolisch gebildet (vom Wind transportiert und abgelagert), nach der Sedimentation am Boden aber oft weiter verändert. In Sachsen haben sich vorallem in der durch Stauwetterlagen geprägten Landschaft nördlich vor dem Erzgebirge in den quartären Kaltzeiten auf über 700 km² Lößböden ausgebildet.

Die Region der Lommatzscher Pflege bildet einen Teilbereich dieses Lößhügellandes und liegt auf etwa 140 m bis 240 m Meereshöhe; ihr Relief fällt flach nach Nordosten zur Elbe hin ab. Nach Süden wird das Gelände dagegen hügelig und durch bis zu 40 m tief eingeschnittene Täler gegliedert. Einige Kilometer nordwestlich bildet der Collmberg (von sorbisch chołm - „Hügel, Kuppe“) eine markante und weithin sichtbare Landmarke und mit 312,8 m ü. NHN außerdem den höchsten Punkt des ganzen Landkreises Nordsachsen.

Der Verlauf der heutigen BAB 14 begrenzt das Gebiet nach Süden und folgt auch ungefähr einer regionalen Wasserscheide: Die Täler südwestlich der A 14 entwässern überwiegend in die Freiberger Mulde, während die Große und Kleine Jahna sowie die Döllnitz nach Nordosten abfließen und bei Riesa unmittelbar in die Elbe münden.

 


 
Übersichtskarte der Region (ergänzt aus Geoportal.Sachsen). Rot eingetragen historische und aktive Bergbaustandorte.

      


Der Collmberg ragt in der Ferne hinter dem Döllnitz-Tal aus dem Nebel, vom Rastplatz Mühlenberg an der A14 bei Leisnig aus gesehen.

 

Aufgrund der Lößböden mit hoher Bodengüte dominiert in der Lommatzscher Pflege seit alters her die landwirtschaftliche Nutzung. Deshalb wurde sie auch als „Kornkammer Sachsens“ bezeichnet. In der „Erdbeschreibung der Churfürstlich- und Herzöglich- Sächsischen Lande“ von M. F. G. Leonhardi konnte man bereits 1788 (unter III. Meißnischer Kreis, 16. Das Amt Oschatz) dazu lesen: „Dieses Amt mit den Aemtern Mügeln und Meißen machen die Lommatzscher Pflege aus, die wegen ihrer großen Fruchtbarkeit und Bevölkerung im ganzen Meißnischen den Vorzug behauptet. Nach den genauesten Volkslisten kommen in der hiesigen Gegend über 5.000 Personen auf die Quadratmeile…“  

Archäologisch ist eine Besiedlung der Lommatzscher Pflege seit der jüngeren Bronzezeit nachweisbar. Sie gehört zu den schon in vorslawischer Zeit gerodeten Offenländern nördlich des Erzgebirges und ist deshalb bis heute waldarm. Kennzeichnend für die Lommatzscher Pflege ist eine Vielzahl von kleinen Ortschaften, die manchmal nur aus wenigen Drei- und Vierseithöfen bestehen. Manche dieser Ortschaften gehen noch auf slawische Burgwarde zurück, andere wurden bereits in der ersten Siedlungsphase ab dem 10. Jahrhundert während der Ostexpansion unter den Ottonen begründet.

  


Von der frühzeitlichen Besiedlung der Region zeugt ein Menhir am Huthübel östlich von Ostrau (Richtung Steudten), Bildquelle: SLUB (Deutsche Fotothek), Foto um 1930, kein Bildautor angegeben.

Link zur Originaldatei http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/72006348 

Eine slawische Besiedlung der Lommatzscher Pflege ist wenigstens seit dem 8. Jahrhundert nachweisbar, als das Gebiet Teil des Gaus der elbslawischen Daleminzier war. Das Gau Daleminzi (pagus Daleminzi) genannte Siedlungsgebiet umfaßte das Meißener Land und die Lommatzscher Pflege zwischen der Elbe und dem Raum um Döbeln und Mügeln, reichte aber auch auf die östliche Elbseite ins Großenhainer Land hinüber. Nach Bischof Thietmar von Merseburg entstammt die Bezeichnung „Daleminzer“ dem Deutschen. Offensichtlich wurde der historische Landschaftsname „Dalmatien“ auf diesen slawischen Stamm übertragen. Sie selbst nannten sich Glomaci (oder Glumaci) nach dem zentralen Heiligtum Glomuci, einem allerdings seit 1845 verlandeten Quellteich bei Paltzschen nahe Lommatzsch.  

Erstmals werden die Daleminzier anläßlich eines Kriegszugs Karls, des Jüngeren, eines Sohnes Karls, des Großen, im Jahr 805 erwähnt. In der Beschreibung des „Bayrischen Geographen“ aus der Mitte des 9. Jahrhunderts werden die Daleminzier (hier Talaminzi) als östliche Nachbarn der (damaligen) Sorben bezeichnet, die Zahl ihrer civitates – wohl Ortschaften mit einer zentralen Burganlage – wird mit 14 angegeben. Die wichtigste daleminzische Burg Gana wurde erstmals urkundlich erwähnt, als sie während des Slawenfeldzugs von König Heinrich I. im Jahre 929 zerstört wurde. Ihre frühere Lage wird heute bei Stauchitz im Jahnatal vermutet. Auf sie soll der Name des Flüßchens Jahna zurückgehen.  

Anmerkung: Der Bayerische Geograph –auch „Ostfränkische Völkertafel“ genannt – ist laut Wikipedia eine frühmittelalterliche Handschrift in lateinischer Sprache, welche die Namen von insgesamt 59 Völkerschaften auflistet, bei denen es sich überwiegend um nördlich der Donau siedelnde, slawische Stämme handelt. Die Handschrift befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek in München und wird einer südwestdeutschen Schreibschule des 10. Jahrhunderts, möglicherweise dem Kloster Reichenau, zugeordnet.

In der Schlacht bei Oschatz wurden die Slawen im Jahr 929 n. C. durch den deutschen König Heinrich I. unterworfen. Nachdem er bis zum Jahre 932 auch die Lausitz unterworfen hatte, teilte er das Land in Marken ein, die von Markgrafen verwaltet wurden. Unser Gebiet gehörte zur Mark Meißen. Zur Sicherung des eroberten Landes wurde ein Netz aus Burgwarden eingerichtet. Dabei wurden oft das slawische Burgwardsystem und die slawischen Befestigungen auch von den fränkischen Siedlern verwendet. Das Gebiet um Mügeln gehörte zum Burgward „serebez“ (Schrebitz). In diese Zeit fallen die Ersterwähnungen solcher Orte wie Meißen (929), Wurzen (961), Magdeborn (970) und auch schon Mügeln als „ad mogelin“ im Jahre 984 (stadt-muegeln.de).

Die Bezeichnung „Lommatzscher Pflege“ geht auf die spätere Einteilung der Markgrafschaft Meißen in Vogteibezirke zurück (20012, Bestanderläuterungen). Diese Bezirke traten an die Stelle der im 10. Jh. als früheste Form der Lokalverwaltung entstandenen Burgwarde und wurden damals als „Pflegen“ bezeichnet. An der Spitze dieser Bezirke stand ein Vogt (advocatus), welcher als Vertreter des Landesherrn die Verwaltung ausübte und die jenem zustehenden Geld- und Naturalabgaben einzog. Erste schriftliche Zeugnisse über diese Tätigkeit lassen sich im 12. und 13. Jahrhundert z. B. für Döbeln und Leipzig nachweisen. Im Fall der Lommatzscher Pflege ist diese alte Bezeichnung erhalten geblieben. Mit dem ausgehenden 15. Jahrhunderts wird die Bezeichnung „Amt“ für die Vogteibezirke gebräuchlich und aus dem Vogt wurde der „Amtmann“.  

Das uns im Weiteren interessierende Gebiet umfaßt den Ausstrich des Plattendolomits am Südrand der Mügelner Senke. Er wird durch die beiden Orte Mügeln im Nordwesten und Ostrau im Südosten umgrenzt und ist rund 15 km breit.

 

Die älteste urkundliche Erwähnung der Stadt Mügeln datiert, wie oben schon erwähnt, auf das Jahr 984, als der spätere erste König von Polen, Herzog Boleslaw von Böhmen, Heinrich den Zänker nach einem Empfang mit seinem Heer durch die Gaue Nisan und Daleminzien bis nach Mügeln begleiten ließ. Der Ortsname leitet sich aus dem Sorbischen, wohl von „Mogyla“ ab, was „Erd“- oder „Grabhügel“ bedeutet. Mit dem Suffix -n- (Mogyln) resultiert die Bedeutung „Siedlung bei einem Grabhügel“.

Das Gebiet um Mügeln gehörte seit der Mitte des 13. Jahrhunderts zum Hochstift Meißen. Bei Leonhardi können wir anno 1788 dazu lesen „Das Kollegiatstift Wurzen - war ehedem eine Grafschaft und ein Privilegium, das der K. Otto I. aus dem Herzog. Sächs. Hause dem Erzbischof zu Magdeburg 961 ertheilte, erwähnt der Stadt Wurzen (Vurzine) zuerst. Im Jahre 995 erhielt das Bisthum Meißen die Grafschaft Wurzen, die bis dahin der Graf Esico besessen hatte. Sie gehörte bis zum Jahre 1004 unter dem Sprengel des Bisthums Merseburg, welches der unruhige Erzbischof Geißler zu Magdeburg in eine Abtey verwandelt und zu seinem Erzbisthume gezogen hatte. Allein da K. Heinrich II. im Jahre 1004 das Bisthum Merseburg wieder herstellte, so ward auf Befehl desselben 1015 die Grafschaft Wurzen zu dem Sprengel des Bisthums Meißen geschlagen, und ein Kollegiatstift daselbst errichtet.“  

Dieses wurde 1581 säkularisiert, worauf 1595 das Amt Mügeln entstand. Das Justizamt Mügeln bildete zusammen mit dem Klosteramt Sornzig und dem Stiftsamt Wurzen bis 1818 das Kollegiatstift Wurzen. 1827 lebten die 3.023 Einwohner des Amtes Mügeln in der Stadt Mügeln und 17 Dörfern. Hinzu kamen noch 1.154 Einwohner des ehemaligen Klosteramtes Sornzig, die in weiteren 14 Dörfern lebten.

 


Der Ausschnitt aus der Karte der Ämter Rochlitz, Colditz und Leisnig zeigt etwa in der Bildmitte rot umrandet die Gebiete des kleinen Amtes Mügeln, grün umrandet der Ämter Döbeln und Leisnig, gelb (am rechten Bildrand) des Amtes Nossen. Im Norden liegt das Amt Oschatz. Kupferstich von George Louis Le Rouge, datiert 1759, SLUB, Sammlung Adelung.

Link zur Originaldatei http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70300712

  

Der südöstliche Teil der Lommatzscher Pflege um Ostrau gehörte dagegen noch bis 1836 zum Amt Nossen (20014, Nr. 4230). Auch dieser Ortsname ist aus dem Sorbischen herzuleiten: „Ostrowa“ bedeutet: „Ort in der Aue“ oder auch „der Ort zwischen den zwei Flüssen“ (denn es liegt am Zusammenfluß der Großen und Kleinen Jahna). Unter diesem Namen wird es erstmals in einer Schenkungsurkunde des Klosters Altzella erwähnt (Wir haben bisher diese gefunden: 10001, Nr. 00204 u.a.).

Die Wurzeln des Amtes Nossen liegen in den Besitzungen des 1162 gegründeten und 1175 von Zisterziensern bezogenen Klosters Altzella, das bis 1381 Grablege der Wettiner war. Im Zuge der Reformation wurde auch dieses Kloster 1540 aufgelöst; sein Besitz ging an den damaligen, albertinischen Landesherrn Friedrich den Frommen. Dieser veranlaßte 1544 die Gründung des Amtes Nossen, das den bisherigen Klosterbesitz verwaltete. 1827 lebten hier etwa 20.000 Einwohner in den drei Städten Roßwein, Siebenlehn und Nossen, sowie in 55 Dörfern und fünf Vorwerken. Auch Ostrau selbst war Amtsdorf.

Den Ämtern waren seit der Einführung der durch Kurfürst Moritz 1547 erlassenen Kanzleiordnung die Kreishauptleute übergeordnet. Sie standen an der Spitze der damals neu gegründeten fünf Kreise (Thüringischer, Meißnischer, Kur-, Leipziger und Gebirgskreis), denen jeweils eine bestimmte Anzahl Ämter zugeordnet wurde. Seit 1764 bildeten diese „Älteren“ Amtshauptmannschaften die Regionalbehörde zwischen Ämtern und Kreishauptmannschaft. Eine weitere, 1816 neu gebildete Ältere Amtshauptmannschaft mit Sitz in Grimma umfaßte die Ämter Grimma, Mutzschen, Wurzen und Mügeln mit Sornzig.

1835 wurde die Zuordnung der Ämter noch einmal verändert; dabei wurden das Amt Nossen und die Schönburgischen Lehnsherrschaften Penig, Rochsburg und Wechselburg aus dem Erzgebirgischen Kreis herausgelöst und in die zweite Amtshauptmannschaft des Leipziger Kreises integriert. 1838 wurde dann noch eine Ältere Amtshauptmannschaft mit Sitz in Döbeln gegründet, welcher jetzt die Ämter Nossen, Mügeln und Leisnig zugewiesen wurden (20005, Bestanderläuterungen).

Bereits 1939 wurde diese Amtshauptmannschaft in „Landkreis Döbeln“ umbenannt. Im Zuge der Kreisreform der DDR wurden 1952 die Länder aufgelöst und 14 Bezirke eingerichtet. Der Kreis Döbeln wurde dabei dem Bezirk Leipzig zugeordnet. Die Stadt Mügeln gehörte jetzt zum Kreis Oschatz, die Gemeinde Ostrau zum Kreis Döbeln.

Am 1. August 1994 wurden die bisherigen Landkreise Torgau und Oschatz zum neuen Landkreis Torgau-Oschatz mit dem Verwaltungssitz in Torgau sowie die Landkreise Delitzsch und Eilenburg zum neuen Landkreis Delitzsch zusammengeschlossen. Aus diesen beiden entstand am 1. August 2008 in der bisher letzten Kreisreform der Landkreis Nordsachsen, dem auch die Stadt Mügeln angehört. Zum Stadtgebiet gehören heute u. a. auch die südlich liegenden Ortschaften Paschkowitz, Baderitz, Sornzig und Zävertitz an der Südgrenze des Landkreises Nordsachsen.

Die Gemeinde Ostrau gehört dagegen heute zum Landkreis Mittelsachsen und bildet eine Verwaltungsgemeinschaft mit den Nachbargemeinden von Zschochau im Osten bis zur Nordwestgrenze des Landkreises bei Schrebitz.

  

 

 

Zur Geologie

 

Der Plattendolomit wurde auch etwa 25 km westlich bei Geithain schon seit dem 14. Jahrhundert abgebaut. Wir interessieren uns jetzt für den Abbau des Plattendolomits in der Mügelner Senke.

Die Mügelner Senke (in der Vergangenheit auch als „Mügelner Becken“ bzw. „Mügelner Mulde“ bezeichnet) stellt eine nahezu Ost-West-streichende Senkungsstruktur mit permo-triassischer Füllung im Nordostteil des Nordwestsächsischen Synklinoriums dar. Ihre Primäranlage ist variszischer Natur, wobei die Mügelner Senke insgesamt nach heutigen Vorstellungen als vulkanische Caldera angesehen wird, welche allseitig durch tektonische Verwerfungen gegenüber den angehobenen Randblöcken begrenzt wird.

  


Ausschnitt aus der alten Geologischen Übersichtskarte der Bezirke Leipzig, Dresden und Karl-Marx-Stadt. Durch das „Abnehmen“ der känozoischen Schichten werden hier die Mulden- und Sattelstrukturen im Erzgebirgsvorland sichtbar. Die Mügelner Senke bildet zwischen Elbe- Lineament im Osten und dem Nordsächsischen Sattel im Nordwesten eine lokale, etwa 15 km breite Senke. Unterhalb der violett dargestellten, triassischen Beckenausfüllungen liegt der Zechstein-Dolomit.

  

Einen Zwischenbericht mit Datum vom 20. August 1818 zu der am Ende des 18. Jahrhunderts begonnenen, geognostischen Untersuchung des Königreiches Sachsen, namentlich über die dabei „aufgefundenen Lagerstätten gemeinnützlicher und besonders brennlicher Fossilien,“ verfaßte „auf allerhöchsten Befehl“ der damalige Obereinfahrer in Freiberg, Carl Amandus Kühn (40003, Nr. 59). Darin notierte er im zweiten Kapitel über den zwischen der Elbe und der Freiberger Mulde gelegenen Teil Sachsens (Blatt 63ff), im Abschnitt D. über Lagerstätten nicht brennlicher nutzbarer Fossilien (Blatt 98ff) seines Berichtes, über die hiesigen Vorkommen des „Flötzkalkes“ (Blatt 106):

§40.

a) Zwischen Ostrau, Gahschütz, Paschkowitz, Gaudliltz, Schrebitz, Rittmitz und Göhriß.

Von Flötzkalkstein findet sich in dem jetzt der Betrachtung unterworfenen Theile Sachsens eine ansehnliche Gebirgsparthie, zwischen den Ortschaften Ostrau, Gahschütz, Paschkowitz, Gaudlitz, Schrebitz, Rittmitz und Göhriß in dem Aemtern Oschatz, Mügeln und Leisnig, welche sich wohl auf 3 Stunden Wegs aus Morgen in Abend und ½ bis 1 Stunde Wegs aus Mitternacht in Mittag erstreckt.

Der Kalkstein findet sich hier von 13 bis wohl auf 50 Ellen mächtig, nur ist er an manchen Orten etwas thonig, auch müssen wohl viele allzu mergelige Schichten ganz ausgehalten werden, welches die Gewinnungskosten bedeutend erhöht.

An 12 (vielleicht jetzt noch mehreren) verschiedenen Orten werden zahlreiche Kalkbrüche in demselben betrieben, für deren Brennöfen nur künftig mit vielen Schwierigkeiten das erforderliche Brennmaterial zu erlangen seyn möchte, wenn man sich nicht darauf einrichtet, dieselben mit Braunkohlen aus der Gegend von Arntitz pp. zu speisen.“

Wie derselben Quelle auch zu entnehmen ist, hat es in der Region, namentlich bei Paschkowitz, auch Versuche zur Auffindung von Kohlen gegeben. Eine ergiebige Kohlenlagerstätte in unmittelbarer Nähe wäre für den Betrieb der Brennöfen natürlich von großer Bedeutung gewesen. Carl Amandus Kühn schrieb hierüber im Abschnitt C. Lagerstätten brennlicher Fossillien desselben Kapitels (Blatt 86ff):

§27.

b. zwischen dem Thümlitzwalde und den Ortschaften Scorditz, Döben, Neichen (?), Denkerwitz, Mutzschen, Radewitz, Börten, (?), Doberschwitz pp. auf der rechten Seite der Freyberger und vereinigten Freyberger und Zwickauer Mulde.

(…) „Endlich hat man zwischen Sornzig und Paschkowitz im Jahre 1796, als man, wiewohl vergeblich, Versuche nach Steinkohlen anstellte, in 24 Ellen Teufe ein 2, nach anderen Nachrichten aber gar nur ½ Elle mächtiges Lager von bituminösem Holze und Erdkohle ausgerichtet.

Hier scheint übrigens ein bedeutenderes Kohlenlager, als das bisher aufgefundene, wenigstens in solcher Teufe, welche dessen Abbau gestattet, nicht zu erwarten zu seyn, indem man noch über 20 Ellen tiefer gebohrt hat, ohne wieder Kohle zu treffen.

Letztere Data zusammengenommen möchte daher wohl hervorgehen, daß eine, sich zum bequemen Abbau eignende Lagerstätte von Braunkohlen nur im westlichen Theile der betrachteten Kohlengebirgsparthie aufzufinden seyn dürfte, denn in Paschkowitzer Flur würde man, wenn man auch in mehrerer Teufe noch ein mächtigeres Kohlenlager treffen sollte, dasselbe doch, der großen Teufe halber, nur bei sehr hohen Kohlenpreisen ohne Einbuße (schwer leserlich?) abzubauen vermögen.“

  

Tatsächlich hatten die Gebrüder Friedrich August und Carl Heinrich Bernhardt aus Kirbitz bei Mügeln im September 1803 im Amt Mügeln um Erlaubnis zur Untersuchung der Mügelner Amtswirtschaftsfluren, zunächst in einem Hohlweg bei Alt- Mügeln, auf Steinkohlen – eigentlich auf eigene Kosten – nachgesucht (40003, Nr. 177). Auf Anzeige des Amtmannes Hanns Ludwig Fischer an die königliche Kammer hin wurde dort aber entschieden, daß im Falle eines „glücklichen Erfolges der etwaige Bau am Vortheilhaftesten auf Unsere eigene Rechnung fortzustellen sey.“

Aufgrund dieses Interesses höchsten Ortes wurde vom Oberbergamt der Schichtmeister Friedrich Traugott Michael Haupt in Begleitung des Bergakademisten Carl Friedrich Franke zur genaueren Lokalerörterung nach Mügeln entsandt. Deren geognostischer Reisebericht ist in der Akte enthalten (40003, Nr. 177, Blatt 18 bis 52). Er enthält auch eine Petrographische Charte der Mügelner Senke, in welcher Franke im November 1803 seine Erkenntnisse aufzeichnete. Seine Interpretation der Ausfüllung der Mügelner Senke mit karbonischem „Steinkohlengebirge“ war allerdings eher eine Fehlinterpretation.

  


Petrographische Charte der Gegend Mügeln, Oschatz und Hubertusburg, gefertigt im Monat November des Jahres 1803 von Carl Friedrich Franke, Bergakademist. Die verblichen rötlich- gelbe Farbe kennzeichnet das Verbreitungsgebiet der Porphyr- Decken, die weißlich verblaßte, eigentlich hellblaue Farbe die oberflächennahen Ausstriche des Plattendolomits. Den Rest der Mulde hat Herr Franke braun ausgefüllt, womit er „Steinkohlengebirge“ kennzeichnen wollte – wohl der Anlaß für die Untersuchungen der Gebrüder Bernhardt ab 1803. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40003 (Geognostische Landesuntersuchung), Nr. 177, Blatt 52, Gesamtansicht.

Link zum Digitalisat: archiv.sachsen.de/archiv

   

Davon unbenommen hatte man sich im Oberbergamt für die salomonischen Empfehlung entschieden, zunächst die Ausführung mehrerer Bohrungen zu empfehlen, um sich „von der Lage, Zahl und Mächtigkeit sothaner Steinkohlenflötze zu überzeugen.“ Diese am 20. Februar 1805 gegenüber der königlichen Kammer ausgesprochene Empfehlung trägt übrigens die Unterschriften gleich mehrerer sehr bekannter Personen, u. a. ist sie von Friedrich Wilhelm von Trebra, Johann Friedrich Wilhelm von Charpentier, Ernst Friedrich Carl von Schirnding und von Abraham Gottlob Werner unterzeichnet.

Von 1805 bis 1815 wurden daraufhin offenbar tatsächlich zunächst vier Bohrungen durch den Bergschreiber Gottlob Fürchtegott Weiß ausgeführt. Ein erstes Bohrloch kam allerdings nur bis auf das „Flötzkalksteingebirge“ nieder, das zweite in der „Gölzschwiese“ wurde ebenfalls abgebrochen. In einem Bericht des Oberbergamtes vom 18. Dezember 1815, unterzeichnet von Sigismund Wolfgang Freiherr von Herder – also dem amtierenden Oberberghauptmann höchstselbst – steht dann zu lesen, daß „nach dem zum Theil mißlungenen Erfolg (welch nette Umschreibung!) dieser vier noch zwey Bohrlöcher angegeben und abgebohrt“ worden seien. Schichtmeister Haupt hatte dafür Bohrpunkte bei Scherbitz und Naundorf empfohlen, um diese Bohrungen bis „auf das Urgebirge nieder zu stoßen“ und um zu erfahren, „welches Gebirge unter dem Kalkstein liege.“ Die Bohrtabellen sind in der Akte enthalten (40003, Nr. 177, Blatt 73ff); demnach hatte man eine größte Tiefe von 49 Ellen (zirka 26 m) erreicht, nirgends jedoch bauwürdige Kohlenflöze angetroffen.

  


Eine Zeichnung des 1805 eingesetzten, mehr als nur einfachen Handbohrgerätes. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40003 (Geognostische Landesuntersuchung), Nr. 177, Blatt 73a, Gesamtansicht der Zeichnung mit Maßstab in Ellen, Seitenansicht und Draufsicht (unten).

Link zum Digitalisat: archiv.sachsen.de/archiv

   

Die für die Bohrversuche entstandenen Kosten in Höhe von 787 Thalern, 15 Groschen, 4 Pfennigen wurden auf allerhöchste Anweisung vom 16. Januar 1817 dem Amt Mügeln auferlegt. Die Akten hierzu hatte das Amt Mügeln „wegen der darin enthaltenen geognostischen Nachrichten als Beitrag zu der angeordneten allgemeinen mineralogischen Untersuchung hiesiger Lande“ an das Oberbergamt abzugeben, wo wir sie schließlich unter der oben schon angegebenen Signatur im Bestand der Landesuntersuchungskommission wiedergefunden haben.

   

Eine weitere Akte im Archivbestand der Geognostischen Landesuntersuchung (40003, Nr. 127) enthält einen genaueren Bericht über eine Revisionsreise in der Gegend zwischen Wurzen, Mutzschen, Oschatz, Mügeln und Strehla von Heinrich Schmidhuber aus dem Jahr 1833. Schmidhuber geht (40003, Nr. 127, Rückseite Blatt 249) auch noch einmal kurz auf das „Steinkohlengebirge“ ein und erwähnt, daß man bei der Schäferei Heida nahe Saalhausen sowie bei Naundorf später sogar zwei Versuchsschächte abgesenkt habe. Mit ersteren habe man etwas „Erdkohle“ (also erdige Braunkohle) angetroffen, im zweiten tatsächlich „Schieferthon und ein schwaches Lager von Schwarzkohle“ gefunden.

In diesem Bericht ist auch folgender Schnitt enthalten, der uns die Vorstellungen der Geologen vom Untergrundaufbau der Mügelner Senke zu diesem Zeitpunkt verdeutlicht.

  


Gebirgsdurchschnitt von Nord in Süd in der Linie von Cavertitz nach Rittmitz. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv
Freiberg, Bestand 40003 (Geognostische Landesuntersuchung), Nr. 127, Blatt 305, Gesamtansicht. Der „Flötzkalk“ ist blau und horizontal schraffiert dargestellt. Die Beckenstruktur der Mügelner Senke war den alten Geologen also schon bewußt.

Link zum Digitalisat: archiv.sachsen.de/archiv

  

1836 erschien schließlich das erste Heft der „Erläuterungen zur geognostischen Specialcharte des Königreichs Sachsen und der angränzenden Länderabtheilungen oder Geognostische Skizze der Gegend zwischen Zaucha, Strehla, Bräunsdorf und Altenburg“ (Section XIV: Grimma), herausgegeben von Professor C. F. Naumann. Darin beschreibt er im sechsten Kapitel gleich als ersten Abschnitt (Wir heben die Ortsangaben hervor):

  

Die Formationen des Rothliegenden, Zechsteins und bunten Sandsteins.

Zechstein in der Gegend von Mügeln.

Оestlich und südlich von Mügeln findet sich eine Kalksteinbildung*), welche allen Analogien zu Folge der Formation des Zechsteines angehört. Der Kalkstein selbst ist nahe an seiner südlichen Gränze an vielen Punkten unter der Diluvialbedeckung durch Steinbrüche aufgeschlossen, von welchen der westlichste bei Paschkowitz und der östlichste bei Zschochau liegt. Außerdem befinden sich noch Kalkbrüche zwischen Ostrau, Münchshof und Trebanitz , bei Pulsitz, zwischen Trebanitz und Noschkewitz, bei Rittmitz, Lützschera, Oberstein, Zävertitz, Schrebitz, Däbritz, Kiebitz und zwischen Ostrau und Zschochau.“  

*) Man unterschied zu dieser Zeit noch nicht explizit zwischen den Gesteinen „Kalkstein“ und „Dolomit“. Wir behalten dies im Hinterkopf und merken uns, daß im Weiteren eigentlich stets vom Plattendolomit die Rede ist. Der Plattendolomit gehört stratigraphisch an die Basis der Leine-Folge (Zechstein 3). Weitere Informationen zum Mineral Dolomit und zu der Gesteinsart finden unsere Leser auch in unserem Beitrag zum südlichen  Triebischtal.

„Doch ist auch zwischen Schlatitz und Weditz und in der Gegend von Naundorf Kalkstein erbohrt worden, woraus sich ergiebt, daß dieses Gebirge viel weiter nördlich fortsetzt, und wahrscheinlich eine mehr oder weniger zusammenhängende Ablagerung bildet, welche theils ursprünglich durch Hervorragungen des Porphyrs, wie bei Oberstein, Görlitz und Noschkewitz, theils durch spätere Zerstörungen unterbrochen wurde. Ja es dürfte wohl das ganze, zwischen Zöschau, Limbach, Mügeln, Kiebitz und Zschochau enthaltene Bassin in der Tiefe mit der Kalkbildung erfüllt sein, weil der bunte Sandstein an mehren nördlich und östlich gelegenen Punkten unter dem aufgeschwemmten Lande hervortreten soll, während bei Limbach, so wie zwischen Naundorf und Lonnewitz die dem Kalkgebirge eingelagerten merglichen Sandsteine und Schieferthone zu Tage austreten.  

Der Kalkstein ist von gelblich-grauer, stroh- bis isabellgelber, auch gelblich- und graulich-weißer Farbe, feinsplittrigem bis erdigen Bruche, dicht, hart, von einem bis 2,773 steigenden spez. Gewichte und verhält sich überhaupt wie ein magnesiahaltiger oder dolomitischer Kalkstein. Häufig umschließt er kleine unregelmäßige Höhlungen, in welchen, sowie zuweilen auf den Klüften, Bleiglanz und Spuren von Kupferkies, Fahlerz, Kupferlasur und Malachit*) ausgeschieden sind; dieselben Mineralien kommen auch hier und da, jedoch überhaupt nur in den unteren Schichten eingesprengt vor, während Mangan sehr häufig auf den Gesteinsklüften in feinen und wunderschönen dendritischen Zeichnungen aufgetragen ist.

*) Die hier schon von Naumann genannten Vorkommen von Bleiglanz, Buntmetallsulfiden und Kupferkarbonaten im Dolomit wurden in jüngeren geologischen Beschreibungen immer wieder kolportiert, ja, möglicherweise waren sie sogar das Ziel bergmännischer Untersuchungen in Geithain während des frühen 16. Jahrhunderts. Nach Auskunft der Ostrauer Kalkwerke GmbH sind die tatsächlichen Bleigehalte im Dolomit aber äußerst gering und liegen gewöhnlich im Bereich der analytischen Nachweisgrenze. Doch weiter bei Naumann:

Das Gestein ist ziemlich dünn geschichtet, und zeigt dabei oft etwas unebene, mit wulstförmigen, seltener mit zapfenförmigen Erhöhungen versehene Schichtungsflächen. Die Schichtung ist horizontal oder höchstens 10 bis 15° geneigt.

Häufig ist dieser Kalkstein von Spalten zerrissen, in denen sich zuweilen Kalkspath als Ueberzug der Wände niedergeschlagen hat, welcher theils in stalaktitischen Formen hinabhängt, theils Drusen von kleinen spitzen Rhomboedern bildet. Diese Spalten sind bald leer, bald mit rothem und grünlich-grauen Thone, noch häufiger aber mit gelber oder brauner, thoniger und bituminöser Holzerde ausgefüllt. Becker beobachtete sie im Kalkbruche bei Zschochau bis zu 2 Ellen Weite; derselbe giebt im Ostrauer Kalksteine fußmächtige Gänge von Kalkbreccie an.  

Versteinerungen finden sich äußerst selten; jedoch wird ihr Vorkommen von Pusch, Weiß und Haupt erwähnt, und unter den von Letzterem mitgebrachten Belegstücken finden sich auch Exemplare mit sehr deutlichen Steinkernen eines kleinen Bivalven, wahrscheinlich dieselben, welche Pusch als kleine ungestreifte Gryphiten bezeichnete.  

Zwischen den unteren Schichten dieses Kalksteines finden sich dünne Lagen von grauem bis bräunlich-schwarzen Schieferthon und Sandsteinschiefer ein. Doch bleibt am Südrande des Bassins, von Paschkowitz bis nach Zschochau, der Kalkstein durchaus vorherrschend. Am Nordrande dagegen, bei Limbach und Naundorf, scheint die Formation größtentheils von merglichem Sandstein, Thonmergel und Schieferthon repräsentirt zu werden, welche zum Theil Spuren verkohlter Pflanzenreste enthalten, wodurch früher die Ansicht veranlaßt wurde, daß man es hier mit einem Steinkohlengebirge zu thun habe. Indeß wechsellagern diese Massen nach unten mit Kalkstein, der auch zuletzt in ziemlicher Reinheit auftritt.

Ueber dieses Verhältniß giebt ein, im J. 1805 nördlich von Naundorf 76 Ellen tief gestoßenes Bohrloch den bestimmtesten Aufschluß, wie folgender Extract aus dem Bohrjournale nachweist; man durchbohrte

  • 12 Ellen 23 Zoll graulich-schwarzen in Schieferthon übergehenden Thon,

  •   3 Ellen   9 Zoll grauen verhärteten Thon,

  •   3 Ellen   8 Zoll schwarzen Thon und Schieferthon,

  •   2 Ellen   6 Zoll grauen Letten mit etwas Sandsteinschiefer,

  • 12 Ellen   2 Zoll schwarzen Schieferthon,

  •   2 Ellen   - Zoll grauen thonigen Kalkmergel,

  •   2 Ellen 12 Zoll schwarzen Schieferthon u. Sandsteinschiefer mit Spuren von Eisenkies und Bleiglanz,

  •   3 Ellen 21 Zoll thonigen weichen Kalkstein,

  •   2 Ellen   6 Zoll Sandsteinschiefer mit weißem und schwarzen Schieferthon und Spuren von Eisenkies und Bleiglanz,

  •   22 Zoll sandigen Thonmergel,

  •   3 Ellen   2 Zoll Sandsteinschiefer u. Schieferthon mit einer Kalkschicht,

  •   9 Ellen 12 Zoll Wechsel von grauem u. blauen Kalkstein, schwarzem Schieferthon und grauem Sandstein,

  •   8 Ellen 12 Zoll grauen und blauen Kalkstein mit etwas Gyps, Faserkalk, auch eingesprengtem und angeflogenen Bleiglanz,

  • 10 Ellen 16 Zoll Kalkstein mit einigen Thonschichten; der Kalkstein enthielt kleine, pyramidale, zum Theil von Kalkspath umgebene Quarzkrystalle.

Hierauf wurde der Versuch abgebrochen, da man die Hoffnung aufgab, ein Kohlenflötz zu erbohren.

Aus diesen und andern Versuchen, verbunden mit den durch die Steinbrüche gegebenen Aufschlüssen, und andern über Tage zu beobachtenden Verhältnissen zog G. F. Weiß, welchem die Leitung der in der Mügelner Gegend ausgeführten Bohrarbeiten übertragen war, den Schluß, daß das ganze Gebirge mehr ein Flötzkalk- als ein Steinkohlengebirge sei, und daß dieses (bereits von Haupt im J. 1803 dem Thüringischen Zechsteine verglichene) Kalkgebirge bei einer Totalmächtigkeit von ungefähr 100 Ellen eine etwa 30 Ellen mächtige Einlagerung von Sandstein und Schieferthon mit Kohlenspuren umschließe…

Da sich jedoch die bei Schrebitz unter dem Kalksteine befindlichen Sandsteine und Schieferthone wegen ihrer oft rothen Farbe und ihrer Auflagerung auf dem Porphyr als ein Aequivalent des Rothliegenden deuten lassen dürften, so möchte über die eigentliche Art und Weise der Verknüpfung des Kalksteines bei Schrebitz mit den Sandsteinen und Schieferthonen bei Naundorf und Limbach wohl eher die Ansicht aufzustellen sein, daß die ganze Formation in ihrem nördlichen Theile nur nach unten als reiner Kalkstein, nach oben aber als merglicher Sandstein, Sandsteinschiefer und Schieferthon ausgebildet worden sei...

Daß aber diese Kalksteinbildung mit ihren untergeordneten merglichen Sandsteinen und Schieferthonen als ein Aequivalent des Zechsteines zu betrachten ist, dafür spricht besonders ihre unbestreitbare Identität mit den Kalksteinen von Gera, Altenburg und Geithain. Die Gesteine des Bassins von Mügeln sind nach Farbe, Aggregation, Cavernosität und anderen Merkmalen, nach ihren metallischen Einschlüssen und Structurverhältnissen so vollkommen einerlei mit den Gesteinen von Geithain, Merane und Gera, daß man sie nicht zu unterscheiden vermag. Auch findet bei Gera, namentlich zwischen Pöppeln und Groß-Steina derselbe Wechsel von Kalkstein mit Sandstein und Schieferthon statt, welcher im nördlichen Theile der Mügelner Kalksteinbildung vorkommt; der Schieferthon ist dort ebenso bituminös, enthält auch ganz ähnliche Pflanzenabdrücke und Kohlenbröckchen, wodurch dort, wie bei Mügeln, vergebliche Versuche aus Steinkohlen veranlaßt worden sind.

Der Mügelner Kalkstein dürfte, seiner Beschaffenheit nach, dem Zechsteine im engeren Sinne und der Rauchwacke am nächsten stehen. Die ganze Ablagerung scheint in einer großen isolirten Bucht des Porphyrterrains unter Umständen erfolgt zu sein, welche zum Theil eine Abwechselung von kalkigen Meeressedimenten und sandig-thonigen Anschwemmugen des umgebenden Landes bedingten; doch scheinen nach Süden die kalkigen, nach Norden die sandigen Bildungen eine bedeutendere Entwickelung erlangt zu haben.“ 

Auch im folgenden Kapitel werden die Lagerungsverhältnisse zum Hangenden des Zechsteins an unterschiedlichen Aufschlüssen angesprochen:

  

Rothliegendes und bunter Sandstein in der Gegend von Mügeln.  

Die Bildung des Rothliegenden, welche bei Merana (heute Meerane), Altenburg und Geithain den Zechstein unterteuft, ist bei Mügeln nur stellenweise in einigen ganz schwachen Andeutungen vorhanden; sie wird gewissermaßen durch den Porphyr vertreten, und selbst ihre gänzliche Abwesenheit könnte keinen Einwurf gegen die vorliegende Deutung der Mügelner Kalksteinbildung geben, da auch in vielen andern Gegenden das Rothliegende unter dem Zechsteine vermißt wird. Allein das Rothliegende scheint, wenigstens an einigen Stellen des Mügelner Bassins, ziemlich bestimmt nachgewiesen zu sein.  

In der Sohle des Königlichen Kalkbruches zu Schrebitz wurde im J. 1805 ein 44 ½ Ellen tiefes Bohrloch gestoßen, welches anfänglich eine Abwechselung von bläulich-grauem Schieferthon, Sandstein und Kalkstein nachwies. Bei 23 Ellen Tiefe fingen rother Sandstein und rother Schieferletten an, sich zwischen den übrigen Gesteinen einzufinden, während die Kalklager immer schwächer wurden, und nach der 28sten Elle gänzlich verschwanden. Von da an wurde theils rother, theils grauer Sandstein, auch Schieferthon mit Spuren von Кohle, zuletzt aber bloß rother, sehr glimmerreicher Schieferletten erbohrt, der nach unten in rothen Thonstein überging, bis endlich nach 44 Ellen der Porphyr erreicht wurde.  

Den Resultaten dieses Bohrloches zu Folge wäre also die Kalksteinbildung bei Schrebitz nach unten durch Wechsellagerung mit einer Sandsteinbildung verbunden, welche wesentlich aus rothem und grauem Sandstein, sowie aus rothem Schieferletten zusammengesetzt, und dem Porphyr unmittelbar aufgelagert ist. Man darf wohl diese Sandsteinbildung, allen Analogien zu Folge, dem Rothliegenden vergleichen. Die in Schrebitz zunächst durchbohrten, grauen sandigen Thone sollen übrigens in mehren Kalkbrüchen als das unmittelbare Liegende des Kalksteines bekannt sein, woraus sich auch mit einiger Wahrscheinlichkeit auf das gleichmäßige Vorkommen der rothen Sandsteine in der Tiefe schließen läßt. In einem, unmittelbar auf der Porphyrgränze gelegenen Steinbruche bei Däbritz sieht man von unten nach oben

1.) weißen, sehr feinkörnigen, in starken Bänken anstehenden Sandstein, einige Ellen mächtig;

2.) Kalkstein von ähnlicher Beschaffenheit, wie der in den nahen Kalkbrüchen, doch nur 1 ½ Fuß mächtig;

3.) braunrothen und gelben, glimmerreichen und sandigen Schieferletten, mehre Ellen mächtig.  

Diese Schichten fallen insgesammt etwa 20° in NW. Unter ihnen hebt sich in der östlichen Hälfte des Steinbruches der Porphyr heraus, so daß der ganze östliche Stoß aus Porphyr besteht, während man auf ihm in der Mitte des Bruches den unteren Sandstein bestimmt aufliegen sieht, dessen tiefste Schicht viele scharfkantige, oft plattenfórmige, frische und wohlerhaltene Porphyrpartien umschließt. Die hier vorkommende Kalksteinlage ist wohl nur als eine von jenen Schichten zu betrachten, welche auch bei Schrebitz mit den erbohrten Sandsteinschichten abwechseln, und der Sandstein möchte wohl ebenfalls dem Rothliegenden angehören…“  

Werfen wir nun einen Blick auf das Blatt XIV, dann entdecken wir darauf – zu einem flachgedrückten „U“ angeordnet – die blauen Flecken der „magnesiahaltigen oder dolomitischen Kalksteine“.  

  


Ausschnitt aus der Geognostischen Charte, Blatt XIV, Section Grimma, Ausgabe 1836. Dunkelblau sind die Aufschlüsse des Plattendolomits dargestellt. Die blaue, unterbrochene Linie markiert die Südgrenze der Dolomit-Verbreitung. Hier eingetragene Standorte von Kalköfen aus dieser Zeit haben wir mit roten Punkten hervorgehoben.

 

Eine etwas jüngere, geologische Beschreibung entnehmen wir den Erläuterungen zu Blatt 46 der Geologischen Specialkarte des Königreichs Sachsen, Section Döbeln-Scheergrund, 2. Auflage aus dem Jahr 1897. Darin schrieb E. Dathe im Kapitel „VI. Dyas“ („Dyas“ ist eine heute ungebräuchlich gewordene Bezeichnung für das Perm):

  

Der obere Zechstein

a) Die Plattendolomite (zo2)

Die Plattendolomite des Mügelner Beckens greifen in das nördliche Randgebiet der Section… bis zu einer Linie über, welche mit welligen Biegungen in ungefähr ostwestlicher Richtung von Münchhof über Trebanitz nach Rittmitz und Kiebitz und von da in nördlicher Richtung zur Sectionsgrenze verläuft. Innerhalb dieses Gebietes sind die Plattendolomite meist weniger als 10 m mächtig, erreichen aber bei Rittmitz 10 m, bei Pfarrsteina 12 m, bei Münchhof und in dem auflässigen Bruche bei Oberlützschera 15 m Mächtigkeit. Andererseits sind dieselben local gänzlich oder größtentheils der Denudation und Erosion verfallen. An verschiedenen Stellen werden sie in z. Th. zeimlich großen Steinbrüchen abgebaut, um als Bau- und Düngekalk eine ausgedehnte Verwendung zu finden. 

Der Plattendolomit ist von gelblichgrauer, strohgelber, auch gelblichweisser und graulichweisser Farbe, von feinsplittrigem bis erdigem Bruche, von dichter und harter Beschaffenheit und enthält im Durchschnitte 29-30% Kalkerde und 17-18% Magnesia. In kleinen rundlichen Hohlräumen, sowie auf Klüften sind Kalkspath, zuweilen auch Bleiglanz, Kupferkies, Fahlerz, Kupferlasur und Malachit ausgeschieden, welche Erze auch wohl in der unteren Dolomitbänken selbst in kleinen Körnchen eingesprengt vorkommen. Der Plattendolomit bildet dünne, oft nur einige Centimeter, höchstens 1-3 dm starke Platten, deren Oberfläche meist uneben, oft mit wulstigen und zapfenförmigen Erhöhungen versehen und in der Regel ebenso wie diejenige der Querklüfte mit äußerst zierlichen, moos- oder baumähnlichen Dendriten bedeckt ist. Zahlreiche senkrechte Klüfte zerlegen die Platten in kurze Stücke; die Wände dieser Spalten sind nicht selten von stalaktitischem Kalksinter oder von einem dichten Incrustat von Kalkspathrhomboedern bedeckt.

Zwischen die unteren Bänke der Plattendolomite schalten sich dünne Lagen von grauem, rothstreifigem oder braunem Schieferthon und wohl auch schwache Bänke von grauem Sandstein ein. An manchen Stellen erscheinen dieses Gesteine innerhalb des untersten Horizontes der Plattendolomite in größerer Mächtigkeit (so von 5 m bei Rittmitz, von 1 m bei Pfarrsteina) und verdrängen dann die letzteren, mit welchen sie nach dem Hangenden zu durch allmählichen Übergang verknüpft sind, während in ihnen nur einige Decimeter starke Platten oder auch nur dicke Linsen und Knollen von Dolomit (stellenweise mit undeutlichen Pflanzenresten, so von Ullmannia*)) eingeschaltet vorkommen. Diese „unteren bunten Letten“ werden direct vom Rochlitzer Quarzporphyr unterteuft.“  

*) Bei den Ullmanniaceae handelt es sich um Koniferen aus dem oberen Perm, von denen relativ häufig Blattabdrücke, auch Stammreste oder Zapfen fossil gefunden werden.

  

Schauen wir aber nun auf die etwas aktuellere geologische Karte. Das Blatt 46, dem obenstehende Erläuterungen zuzuordnen sind, ist das südwestliche (links unten) in nachfolgender Montage. (Bedauerlicherweise liegt Ostrau im Zwickel von vier Kartenblättern. Die uns digital vorliegenden geologischen Karten stammen leider aus unterschiedlichen Ausgaben und lassen sich nicht ganz sauber montieren.)

 


Montage von Ausschnitten aus den Geologischen Karten No. 30, Section Oschatz-Mügeln (NW), Ausgabe 1884, Nr. 31, Blatt Stauchitz, Ausgabe 1932 (NO), No. 46, Section Döbeln-Scheergrund, Ausgabe 1897 (SW) und Nr. 47, Blatt Lommatzsch, Ausgabe 1931 (SO). Die Fläche ist überwiegend von pleistozänen Sedimenten (ockerfarben dargestellt) überdeckt, nur an den Hängen der Flußtäler ist das Grundgebirge freigelegt. Rot markiert: Kalkbrüche und Standorte von Brennöfen, blaue unterbrochene Linie: Südgrenze der Verbreitung des Plattendolomits.

  

Zu diesem Kartenblatt gehören auch die folgenden beiden Profilschnitte, die uns zum einen den westlichen Ausbiß des Lagers nördlich von Baderitz zeigen; zum anderen eine Aufragung des Porphyrs bei Görlitz, welche die Kalklager durchbricht.

 


Ausschnitt aus dem Profil auf Blatt Nr. 30, Oschatz-Mügeln, mit einer Profildarstellung des südwestlichen Ausstrichs der Dolomitlager (blau dargestellt) zwischen Neubaderitz und Paschkowitz

 


Ausschnitt aus dem Profil auf Blatt Nr. 30, Oschatz-Mügeln, mit einer Profildarstellung der Schrebitzer Dolomitlager (zo2, blau dargestellt); gelbbraun schraffiert (zo3): Obere Bunte Letten; braun (ro): Ober-Rotliegendes (Sandsteine und Schieferletten); rot (P
ρ): Rochlitzer Quarzporphyr.

 


Und so schaut er aus: Ein typisches Fundstück aus den ehemaligen Steinbrüchen an der heutigen B 169 auf Trebanitzer Flur. Die Seitenansicht zeigt die plattige Ablagerung und die Querklüftung.

  


Dasselbe Stück in der Draufsicht. Die Farbe changiert von gelbbraun bis hellgrau.

   

Da das Magnesiumkarbonat vergleichsweise schwerlöslich ist, wird durch zirkulierende Lösungen nur das Kalziumkarbonat herausgelöst und bei Veränderungen des  Lösungsgleichgewichtes wieder ausgefällt, ganz ähnlich wie in einer Tropfsteinhöhle. So entstehen kleine Auslaugungskavernen und deren Ausfüllungen mit Calzit bzw. Aragonit.

  


Hahnenkammförmige Calcit xx, CaCO
3, auf Dolomit, Kalkbruch in Ostrau, Fund aus den 1980er Jahren,
Größe der Stufe 7 x 6 cm, Sammlung und Foto: H. Pätzig.

 


Calcit, teils hahnenkammförmige xx, aus dem Plattendolomit, Kalkbruch in Ostrau, Fund aus den 1980er Jahren, Größe der Stufe 9 x 7 cm, Sammlung und Foto: H. Pätzig.

 


Calcit xx auf Dolomitmatrix, Kalkbruch in Ostrau, Fund aus den 1980er Jahren,
Größe der Stufe 9 x 6 cm, Sammlung und Foto: H. Pätzig.

 


Calcit xx mit Aragonitsinter auf Dolomitmatrix, Kalkbruch in Ostrau, Fund aus den 1980er Jahren,
Größe der Stufe 13 x 10 cm, Sammlung und Foto: H. Pätzig.

 


Angelöste Calzit xx, Kalkbruch in Rittmitz, Fund aus den 1980er Jahren, Größe der Stufe 7 x 5,5 cm,
Sammlung und Foto: H. Pätzig.

  


Sinterartiger Aragonit, CaCO
3, auf Dolomit, Kalkbruch in Ostrau, Fund aus den 1980er Jahren,
Größe der Stufe 7 x 6 cm, Sammlung und Foto: H. Pätzig.

  


Aragonitsinter auf Dolomit, Kalkbruch in Ostrau, Fund aus den 1980er Jahren,
Größe der Stufe 8 x 7 cm, Sammlung und Foto: H. Pätzig.

  

Das relativ häufige Vorkommen dendritischer Ausfällungen von Manganoxiden auf Kluftflächen erwähnte bereits C. F. Naumann. Sie werden aufgrund ihres Aussehens, das an Pflanzenabdrücke erinnert, auch als Pseudo-Fossilien  bezeichnet, weil es eben keine Fossilien sind.

  


Ein Fundstück von unserem Besuch im Steinbruch der Ostrauer Kalkwerke GmbH im September 2016.
Bildbreite etwa 15 cm.

 


In der Nahaufnahme erinnern diese schwarzen Absätze tatsächlich an Moose oder Farnblättchen.

  

Zum Blatt 31, Stauchitz, der Geologischen Karte von Sachsen, erschien die zweite Auflage der Erläuterungen erst 1932. Darin beschreibt F. Härtel den Plattendolomit noch etwas aktueller wie folgt (Wir heben wieder Ortsangaben hervor):

Die Stufe des Plattendolomits… besteht vorherrschend aus gelblichweiß bis gelblichgrau, auch bläulichgrau gefärbten, feinkörnigen bis dichten, harten, splitterig brechenden Dolomiten. Im zersetzten Zustande erscheinen diese weich bis erdig; nicht selten umschließen die unregelmäßig geformte, erbsen- bis walnußgroße, rauhwandige Hohlräume. Stellenweise, so im Clanzschwitzer (Eulitz’schen) Kalkbruche*), zeigen die obersten, sehr sandreichen, 0,5-1 m mächtigen Bänke deutliche Oolithstruktur.

*) Hier finden wir eine der wenigen Erwähnungen eines Clanzschwitzer Kalkbruches.

Akzessorisch treten Nieren von teilweise in Brauneisen umgewandeltem, tonigem Sphärosiderit, ferner auf Klüften und in Hohlräumen, seltener in feiner Verteilung Kalkspat, Bleiglanz, Zinkblende*) und Spuren von Kupferkies, Fahlerz, Kupferlasur und Malachit auf. Die obersten Bänke sind oft so reich an feinem Quarzsand, stellenweise (zumal auf Schichtflächen) auch an erbs- bis haselnußgroßen Quarzgeröllen, daß sie zum Kalkbrennen untauglich werden…“

*) Zinkblende ist in dieser Aufzählung neu; der Rest entspricht fast wörtlich dem, was schon Naumann knapp 100 Jahre früher geschrieben hat.

An organischen Resten sind die Plattendolomite des Mügelner Beckens außerordentlich arm. In den obersten, oolithischen Bänken des Eulitz’schen Bruches haben sich vereinzelte Gehäuse von Turbonilla altenburgensis Geinitz*) gefunden.“   

*) Anmerkung: Bei der Unterfamilie Turbonillinae handelt es sich um ziemlich kleine, kegelförmige, marine Schneckenarten aus der Familie der Pyramidelloidea.

Die chemische Zusammensetzung des Plattendolomits zeigt im Ganzen nur geringe Schwankungen. Nur in den untersten blätterigen Teilen der Dolomitplatte nimmt der Gehalt an Al2O3 und SiO2, letzterer auch in den obersten Lagen, meist deutlich zu. Für Vorkommen aus dem Kartenbereich ermittelte G. Wunder in Salzsäureauszügen folgende Werte:  

  

Ort / Steinbruch

CaO

MgO

CO2

Fe2O3
Al2O
3

SiO2

Pulsitz:          

- Eulitz II 

28,2

20,6

43,6

2,1

6,9

- Eulitz III

29,4

20,3

45,1

1,4

3,3

Clanzschwitz:          

  (von-bis)

28,1-30,5

18,0-20,7

42,0-45,5

0,9-2,5

2,6-9,2

Ostrau:          

- Genossenschaft II

28,7

17,3

41,4

1,0

10,6

- Eulitz (von-bis)

28,6-30,4

17,7-20,2

43,8-46,2

1,4-4,1

1,2-5,4

- Roßberg II

29,9

17,5

44,8

2,9

5,2

  

Den besten Aufschluß bietet im Kartengebiete gegenwärtig (1932) der einzige hier noch in Betrieb stehende Kalkbruch von Möbius bei Ostrau. Der Plattendolomit wird dort meistens von den oberen bunten Letten bedeckt und ist in einer Mächtigkeit von etwa 14 m, infolge Grundwasserzutritts jedoch nicht bis zu seinem Liegenden erschlossen.

In dem auf Clanzschwitzer Flur gelegenen Eulitz’schen Kalkbruche*) (am nordöstlichen Gehänge des Tälchens) wird er bis zu 22 m mächtig; dagegen ist seine Mächtigkeit in dem am weitesten nach NO vorgeschobenen Kalkwerk Tännigt durch nachträgliche Abtragung auf 9-11 m vermindert. Die Dolomitbänke liegen im allgemeinen nahezu horizontal, nur ganz schwach gegen N, NW oder W geneigt; abgesehen von lokalen Schichtverbiegungen beträgt der Fallwinkel stets weniger als 10°.

*) Anmerkung: Härtel ordnet hier den Eulitz’schen Bruch wiederholt der Clanzschwitzer Flur zu und erwähnt gleichzeitig – als ein anderes – das Kalkwerk Tännigt. Tatsächlich ist letzteres das „am weitesten nach NO vorgeschobene“, uns bekannte Kalkwerk entlang des Dolomitausstrichs. Die Gemarkung Clanzschwitz erstreckt sich dagegen links der Jahna und überwiegend noch weiter nordwestlich als dieser Bruch. Über die Lage von Steinbrüchen „auf Clanzschwitzer Flur“ ist heute nichts mehr bekannt; sie werden – außer noch einmal von  Eulitz selbst – auch nirgends sonst erwähnt. Dennoch hat sich diese, unseres Erachtens unzutreffende oder zumindest nicht anhand von Akten belegbare, räumliche Zuordnung in der Sekundärliteratur verbreitet.

Die senkrechten Klüfte im Plattendolomit wurden unter der auslaugenden Wirkung kohlensäurehaltiger Tagewässer stellenweise zu Trichtern und Schloten („geologischen Orgeln“) erweitert, die von Dolomittrümmern oder eingeschwemmtem bzw. nachgesunkenem Fremdmaterial erfüllt sind. Die über dem Dolomit liegenden oberen bunten Letten erscheinen dann oft sackartig in diese Höhlungen hinabgesenkt; ihre Schichten haben dabei geneigte, zuweilen sogar senkrechte Lage angenommen… Auch die über den bunten Letten liegenden Tertiärkiese und Tone, sowie diluviale Kiese, Sande und Lehme wurden lokal mit in die Hohlräume hineingezogen. Die Wände mancher solcher als „Rußkessel“ bezeichneter Weitungen sind mit an Eisen- und Manganoxyd reichen tonigen Krusten überzogen. Zuweilen erweitern sich diese Schlote, wie sie schematisch in Abb. 2 dargestellt sind, zu größeren Kesseln oder zu förmlichen Rinnen und Schluchten…“

 


Abbildung aus den Erläuterungen zu Blatt 31, Stauchitz, der Geologischen Karte von Sachsen, 2. Auflage 1932, von F. Härtel.

  

Das Blatt 31, zu dem diese Erläuterungen gehören, ist das rechts oben (nordöstlich) in unserer Montage oben. Den Kartenblättern 31 und 47 sind auch die folgenden Schnitte entnommen, welche die Aufschlußverhältnisse der Ostrauer Dolomitbrüche illustrieren.

 


Ausschnitt aus dem Profil auf Blatt Nr. 47, Lommatzsch, mit Profildarstellung der Münchhofer Kalkbrüche (links) im östlichen Randbereich der Mügelner Mulde, darin blau dargestellt (zo2): Dolomitlager; darunter, hellbraun (T): Porphyrtuffe des Oberen Rotliegenden; dunkelbraun (P1): Porphyrit. 

  


Ausschnitt aus dem Profil auf Blatt Nr. 31, Stauchitz, mit Profildarstellung der Ostrauer Kalkbrüche (links) im östlichen Randbereich der Mügelner Mulde, darin blau dargestellt (zo2): Dolomitlager; darunter, hellbraun (T): Porphyrtuffe des Oberen Rotliegenden; dunkelbraun (P1): Porphyrit.

  

Auch die SDAG Wismut interessierte sich in den 1960er Jahren für diese Region. Deren Interesse an der Mügelner Senke und speziell an ihren klastischen bis litoralmarinen Zechsteinablagerungen in randnaher Fazies war auf die seit 1950 im Abbau befindlichen syngenetisch- sedimentären Uranlagerstätten des Typs  Culmitzsch in analoger lithologisch- fazieller Situation zurückzuführen (Wismutchronik).

Als sich Mitte der 60er Jahre nämlich die bevorstehende Erschöpfung der Lagerstätten dieses Typs südlich von Gera abzeichnete, begann man mit einer detaillierten Bearbeitung des gesamten kontinental entwickelten Zechsteins im Südosten Thüringens und im Nordwesten Sachsens. Die diesbezüglichen Untersuchungsarbeiten wurden in den Jahren 1960 bis 1961 von der TSSE (Thüringische Such- und Schürfexpedition) vorgenommen.

Neben der Vorerzgebirgs-Senke, der Zeitz- Schmöllner Mulde, der Frohburg- Bornaer Mulde und dem Zechsteinrand am Geraer Vorsprung wurde auch die Mügelner Senke in diese Untersuchungen einbezogen. Insgesamt wurden acht Tiefbohrungen niedergebracht. Die geochemische Bearbeitung war vorrangig auf die Erfassung der potentiellen Begleitelemente einer möglichen Uranvererzung ausgerichtet und wies einen überraschenden Anstieg des Bleigehaltes speziell in der Unteren Grauen Folge des Unteren Zechsteins bis auf durchschnittlich 1.300 g/t gegenüber bedeutend geringeren Konzentrationen von ca. 100 bis 300 g/t in der Vorerzgebirgs-Senke und in den Randbecken der Thüringischen Senke aus. Auf gelegentliche Spuren von Galenit und anderen Buntmetallsulfiden im Dolomit hatten die Geologen schon früher verwiesen (s. o.).

Als Ursache dafür vermuteten die Bearbeiter damals eine dominierende Herkunft der Metallösungen aus dem Blei-Zink-Lagerstättenbezirk von Freiberg mit relativ niedrigen Gehalten von Cu, Bi, Ag und U, was durch den minimalen mittleren Kupfergehalt der Unteren Grauen Folge in der Mügelner Senke von 150 g/t untermauert wurde. Aber auch eine syngenetische Anreicherung von Sulfiden ist nicht ausgeschlossen, denn auch in anderen Regionen, wie etwa der Frohburg- Bornaer Mulde bei Geithain, sollen immer wieder einmal Buntmetallsulfide im Plattendolomit vorgekommen sein. Funde von Herrn Dr. Bartnik, Leipzig, in den 1980er Jahren, die sich heute zum Teil in der Sammlung von H. Pätzig befinden (vgl. nachfolgende Fotos), belegen das Vorkommen solcher Minerale auch im Plattendolomit der Mügelner Senke.

  


Tetraedrit, Cu
10(Fe, Zn)2Sb4S13, mit derbem Calzit als Kluftbelag im Dolomit, Kalkbruch in Ostrau, Fund aus den 1980er Jahren, Größe der Stufe 4,5 x 2,0 cm, Sammlung und Foto: H. Pätzig.

  


Galenit, PbS, derb im Dolomit, Kalkbruch in Ostrau, Fund aus den 1980er Jahren,
Größe der Stufe 5 x 4,5 cm, Sammlung und Foto: H. Pätzig.

  


Galenit, auch als „Bleispiegel“ oder „Bleischweif“ bezeichnet, im Dolomit, Kalkbruch in Ostrau, Fund aus den 1980er Jahren, Größe der Stufe 5 x 4,5 cm, Sammlung und Foto: H. Pätzig.

  


Azurit, Cu
3(CO3)2(OH)2 und Malachit, Cu2(CO3)(OH)2, als Kluftbeläge im Dolomit, Kalkbruch in Rittmitz, Fund aus den 1980er Jahren, Größe der Stufe 6 x 5 cm, Sammlung und Foto: H. Pätzig.

  


Azurit in drusigem Dolomit, Kalkbruch in Rittmitz, Fund aus den 1980er Jahren,
Größe der Stufe 6,5 x 4 cm, Sammlung und Foto: H. Pätzig.

 

Basierend vor allem auf diesen geochemischen Ergebnissen wurde der Mügelner Senke seitens der SDAG Wismut nur eine geringe Höffigkeit hinsichtlich des Auffindens von Uran-Infiltrationslagerstätten des Culmitzscher Typs in den Zechsteinablagerungen zuerkannt.

Dennoch führte die Betriebsabteilung Struppen des ZGB (Zentraler Geologischer Betrieb der SDAG Wismut) in den Jahren 1967 bis 1969 in der Mügelner Senke weitere geologische Such- und Erkundungsarbeiten mit dem Ziel der Klärung der lithofaziellen, paläogeographischen, geochemischen und tektonischen Verhältnisse der Senke und zur Einschätzung der Uranhöffigkeit der Oberrotliegend-, Zechstein- und Triasablagerungen durch. In diesem Zusammenhang wurden nochmals 119 Bohrungen mit Tiefen zwischen 40 m und 460 m und mit einem Gesamtumfang von 21.678 Bohrmetern niedergebracht.

   


Der geologische Schnitt anhand der Tiefbohrungen der SDAG Wismut aus den 1960er Jahren zeigt die Caldera-Struktur der Mügelner Senke. Nur in den Randbereichen war der Zechsteindolomit für unsere Vorfahren bergmännisch erreichbar. Grafik umgezeichnet nach: Wismutchronik, Abschnitt 2.1.7.

  

Nach den Ergebnissen der Kernbeprobung und chemischen Analyse erreichten die Urangehalte punktuell noch wesentlich höhere Werte als nach den vorherigen Bohrlochmessungen (1.370 g/t im Brl. 741/68 – Mineralisationspunkt Schwednitz; 990 g/t in den Brl. 61/69 und 67/69 – Mineralisationspunkt Naundorf), was mit einer beträchtlichen Verschiebung des radioaktiven Gleichgewichts zugunsten des Urans zu erklären ist. Allerdings wiesen die vererzten Intervalle – vorwiegend an der Basis des Zechsteins – stets nur eine geringe Mächtigkeit von einigen Zentimetern bis Dezimetern auf. Die festgestellten Anomalien bzw. Mineralisationen ordneten sich in einem etwa 3 km breiten Streifen parallel zur alten Zechsteinküste an.

Noch ungünstigere Verhältnisse lagen trotz guter Aufschlußbedingungen in der Oberen Grauen Folge und im Plattendolomit des Zechsteins sowie in den Triasablagerungen vor, die nur geringfügige Anomalien oder gar keine Erhöhung der Gamma- Strahlung aufwiesen. Insgesamt ließen diese Arbeiten den Schluß zu, daß im Zechstein und in der Trias der Mügelner Senke mit hoher Wahrscheinlichkeit keine wirtschaftlich nutzbaren Uranlagerstätten zu erwarten sind. Dennoch haben die Geologen anhand der jetzt schon deutlich tieferen Bohrungen während dieser Untersuchungen viel über den Aufbau des tieferen Untergrundes lernen können… Aus der Struktur der Einsenkungscaldera erklären sich nun auch die rund viermal so großen Mächtigkeiten des Plattendolomits in der Mügelner Senke (bis zu 22 m) gegenüber den Ausstrichen desselben Horizontes im Nordwesten bei Geithain (3 m bis 6 m).

  

 
 
 

Zum Abbauverfahren

  

In Anbetracht der langen Geschichte und der großen Ausdehnung des Abbaugebietes finden wir verschiedene Abbauverfahren vor. Naturgemäß begann der Abbau auch hier im Bereich der Ausstriche des Plattendolomits im Tagebauverfahren. Den Akten aus der Betriebsphase Ende des 19. und vom Beginn des 20. Jahrhunderts haben wir dazu folgende Verhältnisse entnommen und führen sie von West nach Ost auf.
 
Ort
 
Abraum-mächtigkeit Dolomit-mächtigkeit Abbauverfahren
 
Paschkowitz (fiskalisches Werk im Wiesengrund) ? ? nur Tagebau, vor 1850 bereits abgebaut
Paschkowitz (Michael) >20 m 10 - 16 m Tiefbau (Pfeilerbruchbau),
bis 38 m unter GOK
Schrebitz (Wolf) 9 - 16 m 8 m Tagebau, teilw. Tiefbau
bis 22 m unter GOK
Schrebitz (Lorenz) 7 m 10 m nur Tagebau
 
Schrebitz (Uhlemann) ? ? Tagebau und Tiefbau
 
Schrebitz (Michael) ? ? Tagebau und Tiefbau,
bis 14 m unter GOK
Kiebitz (Runge) ? Tagebau und Tiefbau,
bis 18 m unter GOK
Rittmitz (Junge) 8 m ? nur Tagebau
 
Münchhof (Roßberg) 10 - 20 m bis 19 m nur Tagebau
 
Ostrau (Möbius) 20 m bis 20 m Tagebau und Tiefbau
 
Ostrau (Eulitz) ? ? Tagebau und Tiefbau,
bis 30 m unter GOK
Ostrau (Kalkgenossenschaft) 11 m 20 m Tagebau, Übergang zum  Tiefbau 
Ostrau (Krug, Stolle) bis 36 m 4 - 15 m Tagebau und Tiefbau,
bis 42 m unter GOK
Pulsitz (Eulitz) 21 m 11 m  Tagebau und Tiefbau,
 bis 34 m unter GOK

 

Wie man sieht, war eine Abraummächtigkeit bis etwa 10 m für unsere Vorfahren noch zu bewältigen. Stieg sie aber auf deutlich mehr als 10 m an, ging man gewöhnlich zum Tiefbau über. Das händische Abräumen des Hangenden wurde dann einfach zu zeitraubend. Nur bei den sehr großen Dolomitmächtigkeiten südöstlich von Ostrau (Münchhof) blieb man noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts beim übertägigen Abbau.

In der Regel wurde der Abraum an der bereits abgebauten Seite des Tagebaus sofort wieder verkippt. Diese Innenkippen füllen heute einen großen Teil der meisten ehemaligen Tagebauflächen wieder aus. Ein kleiner Teil des Abraums konnte auch als Nebenrohstoff verwendet werden: Geeigneter Lehm wurde von Ziegeleien genutzt, die es allenthalben auch in dieser Region gab. Es ist zwar nicht dokumentiert, daß die Kalkgrubenbesitzer selbst eine „Nebenproduktion“ mit Ziegeleien betrieben haben, jedoch weist schon die Bauweise des Brennofenbauwerks der Kalkgenossenschaft (mit sechs Trichteröfen und einem Kammerofen) darauf hin, daß es durchaus üblich gewesen sein muß.

Eine zeitgenössische Beschreibung des Vorgehens beim Tiefbau haben wir für das Kalkwerk der Ostrauer Kalkgenossenschaft in Zusammenhang mit einem Unfall-Gutachten seitens der Berginspektion Freiberg III gefunden (40024-12, Nr. 338). In diesem, am 5. April 1905 erstellten Bericht wird uns erklärt: „Der zur Zeit auf dem Werke umgehende Pfeilerbruchbau wird in der nebenstehenden Skizze (bei uns unten) veranschaulicht. Die einzelnen, im Geviert 3 m x 3 m messenden Pfeiler werden nach Auffahrung von angenähert 2 m hohen Längs- und Querstrecken von der Feldesgrenze aus feldeinwärts abgebaut. Die Gewinnung... erfolgt durch Schießarbeit. Das Wegschießen der Pfeiler wird derart gehandhabt, daß zuerst der dem alten Mann zunächst liegende Teil des Pfeilers hereingewonnen wird. Das stehengebliebene Bein b wird von dem Zugange der nächsten Bruchstrecke aus weggeschossen. Der ganze Teil wird nur in Streckenhöhe ausgeschossen. In der Regel bricht der im Hangenden angebaute Kalkstein von selbst nach. Kommt die Firste nicht von selbst, so werden Firstlöcher gebohrt und weggetan. Zur Sicherung der Firste macht sich zuweilen das Stehenlassen von Pfeilerteilen erforderlich. Die Inangriffnahme eines neuen Pfeilers erfolgt nicht eher, als bis der alte zu Bruche gegangen ist.“ 

 


Unsere Abzeichnung der Skizze aus dem Gutachten von 1905 zeigt die Vorrichtung mit den
Längs- und Querstrecken“ im Grundriß, ein dem Alten Mann zunächst liegendes und zuerst hereingewonnenes Pfeilerteil a“ sowie das „stehengelassene Bein b“.

  

Man bezeichnet dieses Abbauverfahren auch als Pfeilerbruchbau, da aufgrund des fast kompletten Aushiebs des bauwürdigen Lagers in seiner Grundfläche das Hangende nahezu zwingend hereinbricht.

Aufgrund der Auflockerung der Bruchmassen gegenüber dem festen Gesteinsverband haben diese gewöhnlich aber ein bis zu 30% höheres Volumen als das ausgeräumte Gestein und können daher einen Hohlraum soweit ausfüllen, daß sich der Bruch nicht bis nach übertage weiter fortpflanzt. Dies wiederum setzt natürlich voraus, daß man die Bruchmassen ‒ die ja hier noch aus dem Rohstoff Dolomit bestehen ‒ nicht abzieht und ausfördert.

Da sich im aktuellen Relief über den vormals Eulitz'schen Tiefbaufeldern nur an einer Stelle (die vermutlich der letzten Abbauphase zwischen 1900 und 1922 zuzuordnen ist) ein Pingenfeld an der Geländeoberfläche gebildet hat, ist davon auszugehen, daß die meisten Abbaukammern nach ihrem Aushieb entweder wirklich nicht abgezogen wurden, wieder mit Abraum versetzt wurden oder zumindest eine hinreichend mächtige Schwebe über der Firste stehengeblieben ist.

 


Zum Verständnis des Grundrisses in der Skizze oben und der nachfolgenden Grubenrisse noch eine Schnittdarstellung zum Vorgehen beim Pfeilerbruchbau: Zuerst hat man auf dem Liegenden des Lagers die Längsstrecken vorgetrieben, danach werden sie mit Querschlägen verbunden. Damit sind dann die eigentlichen Pfeiler dazwischen aus- und vorgerichtet.
  

Wie uns der Bericht von 1905 erklärte, ließ man den im Hangenden angebauten Kalkstein von selbst nachbrechen oder man half auch mit Firstbohrungen und Sprengungen nach, bis der Pfeiler zubruchging.
  

Die Bruchmassen, die natürlich auch aus Dolomit bestehen, konnte man allerdings nur noch zu einem kleinen Teil mit hereingewinnen. Das Abfördern war natürlich saugefährlich für die Belegschaft vor Ort, denn das einmal aufgelockerte Firstgewölbe der Pfeiler kann dann jederzeit nachbrechen.
 

Liegt das Hangende nämlich nicht mehr auf den Bruchmassen auf, dann verliert es seinen Gesteinsverband und der Bruch dehnt sich nach oben aus. In Anbetracht der Art des Deckgebirges sind dann Tagesbrüche unvermeidlich. Auch die Förderstrecken zwischen den Pfeilern kann man schlußendlich nur noch abwerfen. Der Rest des Dolomits bleibt daher für den Abbau verloren.

  

Ältere Kalkwerker aus Ostrau erinnern sich noch, daß früher beim Abbau öfter „in den Himmel geschossen“ wurde, das heißt, daß das Firstgewölbe so weit als möglich noch herunter gesprengt und mit abgebaut wurde (Information von Fam. Wustmann, Ostrau). Dadurch wurden zwar die Abbauverluste minimiert, die Gefahr von Tagesbrüchen wurde jedoch erheblich vergrößert. In der Folge kam es über vielen Abbauflächen immer wieder zu Pingenbrüchen an der Oberfläche. Während jedoch auf kontinuierlich genutzten Flächen diese Pingen immer wieder verfüllt wurden, blieb in einem Waldstück am Tännigt über dem ehemals Eulitz’schen Baufeld ein ganzes Pingenfeld bis heute erhalten.

Eine Alternative zum Bruchbau bildet der Kammer- bzw. Kammerpfeilerbau. Bei diesem Verfahren bleiben zwischen den einzelnen Abbaustrecken Pfeiler stehen, welche die Last des Hangenden aufnehmen, so daß es eben nicht zu Verbrüchen in der Grube oder zu Tagesbrüchen  kommt – falls der Statiker die Pfeiler richtig dimensioniert hat und der Bergmann sie nicht unzulässig ausgedünnt hat, um die Abbauverluste zu minimieren. Durch die stehenbleibenden Pfeiler resultieren natürlich ebenfalls Abbauverluste, die je nach Gesteinsart und Gebirgsdruck mehr als 50% der bauwürdigen Lagerstätte ausmachen können. Je nach Relation zwischen Streckenbreiten und Pfeilerquerschnitten spricht man gelegentlich auch von Örterbau, wenn nur die Streckenörter nebeneinander vorgetrieben werden.

Dieses Verfahren überwog beispielsweise im Kalkstein- und Marmorabbau im  Triebischtal bei Meißen oder in Braunsdorf bei Wilsdruff und wird auch heute noch beim Dolomitabbau in Ostthüringen angewandt (dolomitwerk-wuenschendorf.de).

  


Dem Hereinbrechen des Hangenden begegnet man in gebrächem Gebirge, indem man das Lager eben nicht vollständig aushaut, sondern darinnen schachbrettartig Sicherheitspfeiler stehen läßt, welche die Last des hangenden Gebirges aufnehmen. Dabei geht man zweckmäßigerweise in zwei Ebenen vor, denn heute werden in der Firste zur Sicherheit auch ein paar Anker gesetzt, was natürlich von der oberen Strosse aus viel einfacher umzusetzen ist.
  


Auch aus den stehenbleibenden Pfeilern resultiert, daß die Lagerstätte nicht vollständig abgebaut werden kann. Gegenüber dem Bruchbau sind diese Verluste aber eher geringer ‒ der Gewinn an Sicherheit für die Tagesoberfläche wie für die Mannschaft vor Ort ist jedoch enorm.

Obwohl rund um Ostrau im Hangenden des Dolomits vorwiegend wenig tragfähige Lockergesteine (nämlich lehmige Letten, tertiäre Sande und darüber Lößlehm) anstehen, hat man dieses Verfahren hier seltsamerweise so gut wie nie angewandt (nur bei abnehmenden Dolomitmächtigkeiten von Krug und
von
Stolle 1946-1948).

  

Die Förderung in den Strecken untertage (aber auch in den Steinbrüchen) erfolgte zuerst mittels Karren, im 19. Jahrhundert dann überwiegend mit Hunten oder Loren, die zwar noch von Pferden gezogen wurden, aber bereits auf eisernen Gleisen liefen.

Die Förderung nach Übertage erfolgte in den meisten Fällen über geneigte Bremsberge, nur bei Möbius in Ostrau mittels einer Hängeseilbahn. Waren die Dolomitlager über Stollen aus früheren Steinbrüchen heraus ausgerichtet, konnte man die Hunte einfach auf den Bremsberg schieben und so auch nach Übertage ziehen.

In denjenigen Gruben, die schon länger zum Tiefbau übergegangen waren, bestanden ohnehin Tagesschächte, wie etwa bei der Kalkgenossenschaft in Ostrau oder bei Michael in Däbritz und in Paschkowitz. Aber auch Lorenz in Schrebitz hatte einen Saigerschacht neben seinem Steinbruch als Förderweg angelegt.

Als Antriebsmaschinen für die Schachtförderung dienten häufig noch bis ins 20. Jahrhundert hinein Göpelanlagen (Eulitz, Michael, Lorenz u. a.), nur die Kalkgenossenschaft verfügte auf ihrem – mit zirka 42 m auch vergleichsweise tiefen – Tagesschacht bereits über eine Dampfmaschine.

In der letzten Betriebsphase des Kalkwerkes von Michael in Paschkowitz wurde 1911 noch ein neuer Schacht angelegt und mit einer elektrischen Förderanlage ausgerüstet.

Heute erfolgt der Abbau nur noch übertägig. Nach dem Lösen des Gesteins wird es mittels Radlader und Muldenkipper zur Aufbereitungsanlage transportiert.

 

 
 
 

Brennofentechnik und Produktion

  

Bereits 1792 errichtete man in Schrebitz einen ersten Kohleofen anstelle des bisherigen, mit Holz befeuerten Brennofens (10024, Loc. 04512/18). Das Problem der Brennstoffversorgung für den naturgemäß sehr energieintensiven Brennprozeß war auch hier nicht neu, denn schon 1626 hatten die Gemeinden Hoch- und Kleinweitzschen und Westewitz „wegen verlangter Anfuhr von Holz aus dem Weitzschner Forst zum Kalkofen in Schrebitz“ beim Amt Leisnig Beschwerde eingelegt (20010, Nr. 0617). In der waldarmen Lommatzscher Pflege bildete die Beschaffung von Feuerholz natürlich a priori ein besonderes Problem, das den zeitigen Übergang zu anderen Brennstoffen in dieser Region geradezu erforderte.

Die Brennholzknappheit bestand schon länger und war bereits 1743 Anlaß für das erste der nachfolgenden  Steinkohlenmandate, mit denen das sächsische Fürstenhaus ab der Mitte des 18. Jahrhunderts versuchte, den Einsatz von Stein- und Braunkohlen (letztere damals oft noch als „Torf“ bezeichnet) für Heizzwecke zu forcieren.

 

Nach dem uns bislang vorliegenden Material hat die Brennofentechnik auch in dieser Region die bekannten Entwicklungsschritte vom Feldofen zum Niederschachtofen vollzogen. Besonders ab den 1830er Jahren und in der Gründerzeit haben die Kalkwerksbesitzer hier vorzugsweise sogenannte „Schnelleröfen“ – also kontinuierlich arbeitende Niederschachtöfen bis maximal 8 m Höhe – errichtet. Das Arbeitsprinzip dieser Brennöfen haben wir in unserem Beitrag zum  Triebischtal erläutert.

Aufgrund der Lagerstättenbedingungen mit sehr ausgedehnten Vorkommen und vergleichsweise großen Dolomit- Mächtigkeiten (bis zu 22 m) bei beherrschbaren Abraummengen war besonders in der östlichen Region um Ostrau auch die Fördermenge von Rohdolomit deutlich größer als in vergleichbaren Revieren, wie etwa in Geithain. Zudem erleichterte der bereits 1847 in Betrieb genommene Eisenbahnanschluß nach Döbeln und Riesa den Absatz, umgekehrt aber auch den Antransport von Brennstoffen (Steinkohle aus Lugau und Zwickau) enorm.

Die daraus resultierenden Unterschiede der Brennofenanlagen stellen auch die Autoren eines Berichtes über den Kalkwerksbetrieb in Sachsen (Prof. Wunder, Chemnitz sowie die Mitautoren A. Herbrig und A. Eulitz, 1867) heraus. Wir können in dieser Quelle nachlesen im Abschnitt

Der Kalkofenbetrieb

...Man unterscheidet hiernach Oefen mit großer und Oefen mit kleiner Flamme. (Es) sei zunächst auf einige wesentliche Momente hingewiesen, durch welche sich der Betrieb von Oefen... unterscheidet.

Beiderlei Oefen setzen, ..., die Anwendung verschiedenen Brennmaterials voraus, und ist daher, wo es sich um die Frage handelt, welcher Art Oefen der Vorzug zu geben sei, mit in Betracht zu ziehen, ob im concreten Falle die Benutzung des einen oder des anderen Brennstoffes gestattet, resp. geboten ist. So brennt man z. B. in der Gegend von Geithain - Frohburg einerseits und Ostrau - Mügeln andererseits Kalksteine von genau gleicher Qualität. Während man aber dort auf die Benutzung von Braunkohlenziegeln angewiesen ist, die mit leidlicher Flammenentwicklung brennen, unter einer Last von Kalksteinen aber vollständig zerdrückt werden würden, gestattet in der Ostrauer Gegend die Nähe der Eisenbahn die Herbeischaffung und Verwendung schlechter Steinkohle und Coakes (veraltet für Koks), die nur mit kleiner Flamme brennen, der Gefahr, durch aufgeschichteten Kalkstein zerdrückt zu werden, aber nicht unterliegen...“ 

Wohl aus diesen Gründen hat man sich in dieser Region auf eine hohe Branntkalk-Produktion eingerichtet und die Schnelleröfen ab den 1850er Jahren zu ganzen Ofenbatterien mit bis zu acht reihenförmig hintereinander angeordneten Brennöfen kombiniert. Je nach Förderung und Absatz konnten davon dann nur einer oder mehrere oder auch alle angefeuert werden.

In einem Bericht über das „Kalkwerk Fogel, Münchhof“ vom 17.12.1951 (40030-1, Nr. 1082, S. 59) taucht für diese Bauart die Bezeichnung „Bienenkorb-Öfen“ auf.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert begann man dann auch hier, (hohe) Schachtöfen zu errichten. Die Investition konnten sich jedoch nur die größeren Kalkwerke, wie etwa Roßberg in Münchhof oder Eulitz bei Zschochau, wirtschaftlich leisten. Um sich der Konkurrenz zu entledigen, wurde der Eulitz’sche Schachtofen allerdings sofort nach seiner Errichtung vom Schlesischen Kalksyndikat gekauft und ist nie in Betrieb gegangen.

Der von Roßberg errichtete und mittels  Generatorgas betriebene Schachtofen war noch nach dem 2. Weltkrieg bei B. Stolle in Betrieb.

  

Angaben zu Förderung und Produktionsmengen der einzelnen Bergwerke liegen uns bislang nur in äußerst begrenztem Umfang vor. In den älteren Akten finden sich nur vereinzelt Angaben zur Jahresproduktion der einzelnen Werke, welche in heutigen Maßen 3.000 Tonnen selten überschritten. Mit nur wenigen (meist fünf bis zwölf) Arbeitern lag die jährliche Rohdolomit-Förderung dieser Kalkwerke noch nach 1900 in einer Größenordnung von 2.500 bis höchstens 10.000 Tonnen; die Branntkalkerzeugung erreichte 1.500 bis 5.000 Tonnen jährlich. Diese privatwirtschaftlich geführten Einzelunternehmen des 19. Jahrhunderts sind somit hinsichtlich ihrer Produktion gleichartigen Bergbaubetrieben in dieser Zeit völlig vergleichbar.

So ist z. B. in (Wunder, Herbrig, Eulitz, 1867) angeführt, daß beim Eulitz'schen Kalkwerke in Pulsitz im Jahr 1864 „während der Brennzeit, d. i. in 8 bis 10 Monaten, pro Ofen 6.600 Scheffel Kalk aus 71 Ruthen Steinen ...mit Hülfe von 2.933 Scheffeln Kohlen und Coakes“ gebrannt worden seien (also wurden pro Ofen aus zirka 1.280 t Rohkalk zwischen 580 t und 790 t Branntkalk erzeugt). Den Fahrjournalen der Berginspektion Freiberg ist dann später zu entnehmen, daß Eulitz mit bis zu 40 Angestellten (in beiden Werken zusammengenommen) im Jahr 1899 rund 5.700 t, davon in Ostrau etwa 3.500 t und in Pulsitz etwa 2.200 t Branntkalk erzeugte. Zu den Einheiten Ruthe und Scheffel vergleiche auch unseren Beitrag über den Kalkabbau in Miltitz.

Auch das Michael'sche Kalkwerk in Paschkowitz kam 1919 nur auf eine Produktion von etwa 3.150 t Dolomit. Das kleine Lorenz'sche Kalkwerk in Schrebitz förderte ‒ ausschließlich im Tagebau ‒ im ganzen Jahr 1934 gerade einmal 2.900 t Rohdolomit.

Dagegen war das Kalkwerk der Kalkgenossenschaft AG mit etwa 12.500 t Jahresförderung im Jahr 1906 der größte Dolomitproduzent der Region.

In ihrem o. g. Gutachten vom Jahre 1867 stellten Prof. Wunder, A. Herbrig und A. Eulitz auch die Gesamtproduktion der sächsischen Kalkwerke zusammen. Demnach hätten im Zeitraum 1863 bis 1864 in „der Ostrau-Mügelner Gegend“ 20 übertägige und 5 untertägige Kalksteinbrüche bestanden, welche über insgesamt 113 Kessel- oder Schüttöfen (also Niederschachtöfen vom Schneller-Typ) verfügt hätten. Aufgrund der Bauweise der erhaltenen Öfen ist aber davon auszugehen, daß mit dieser Zahl die Gesamtzahl der Brennkammern der einzelnen Ofenbauwerke gemeint ist. Periodische Öfen waren in dieser Region schon damals nicht mehr in Betrieb, umgekehrt aber auch noch keine modernen Rumford'schen (bzw. Rüdersdorfer)  Schachtöfen.

Ferner verweisen die Autoren darauf, daß „...nur ein kleiner Theil der vorhandenen Oefen ...indessen während der ganzen Brennzeit, die im Jahre etwa 8 bis 9 Monate dauert, in Betrieb erhalten (wird); die größere Zahl wird nur zur Zeit des größten Kalkconsums, also in den Sommermonaten, je nach Bedürfniß, in Thätigkeit gesetzt.“ Auf den hier beschriebenen, schwankenden Absatz konnte man mittels der „Ofen-Batterien“ natürlich sehr gut reagieren.

Alle 1867 untersuchten Kalkwerke der Region zusammengenommen erbrachten eine jährliche Produktion von 7.025 Ruthen (zu 54 Kubik-Ellen gerechnet, also zwischen 10 t und 13 t je Ruthe) Kalkstein, wovon nur 120 Ruthen als Rohkalk an umliegende Hüttenwerke verkauft wurden. Aus den übrigen 6.905 Ruthen wurden 625.600 Scheffel Branntkalk erzeugt. Im Vergleich mit der Gesamtproduktion Sachsens in diesem Zeitraum von 27.156 Ruthen (ungefähr 270.000 t) Kalk und 2.105.100 Scheffel (etwas um  230.000 t) Branntkalk erweist sich die Region Mügeln- Ostrau somit als das wichtigste Zentrum der Kalk- und Bindemittelindustrie Sachsens, in welchem knapp 30% dieser Produktionsmenge erzeugt wurden.

Wesentliche Steigerungen machten erst die Zusammenlegung von Einzelunternehmen und der Einsatz von Großtechnik, wie etwa von Eimerkettenbaggern zur Abraumförderung, möglich. Dadurch stiegen die Fördermengen einzelner Werke die natürlich auch über eine dementsprechende Vorratslage verfügen mußten – auf über 50.000 Tonnen jährlich an.

Wir fassen die wenigen, uns vorliegenden Zahlenangaben einmal in Tabellenform zusammen:

 

Jahr Werk Fördermenge Produktion
    Rohdolomit (t) Branntkalk (t)
1900 Kalkgenossenschaft, Ostrau

zirka 12.500

zirka 7.000

  Eulitz, Ostrau

 

3.520

  Eulitz, Pulsitz (Tännigt)

 

2.200

  Gesamt

 

12.720

   

 

 

1906 Krug, Ostrau zirka 12.500 zirka 7.000
1919 Michael, Paschkowitz

3.150

 

1920 Michael, Paschkowitz

5.760

2.236

1927 Lorenz, Schrebitz

6.000

 

1934 Lorenz, Schrebitz

2.900

 

   

 

 

1943 Junge, Rittmitz

 zirka 11.000

zirka 7.600

1948 Stolle, Ostrau (ehem. Krug)

 

1.250

   

 

 

1957 VEB Kalkwerke, BT Münchhof

 

9.776

  VEB Kalkwerke, BT Pulsitz

 

21.692

  VEB Kalkwerke, Gesamt

 

31.468

   

 

 

1958 VEB Kalkwerke, BT Münchhof

 

10.121

  VEB Kalkwerke, BT Pulsitz

 

21.372

  VEB Kalkwerke, BT Rittmitz

 

12.823

  VEB Kalkwerke, Gesamt

 

44.315

   

 

 

1961 VEB Kalkwerke, BT Pulsitz

 

24.135

  VEB Kalkwerke, BT Rittmitz

 

14 145

  VEB Kalkwerke, Gesamt

92.700

38.280

   

 

 

1962 VEB Kalkwerke, BT Pulsitz

70.740

 

  VEB Kalkwerke, BT Rittmitz

35.010

 

  VEB Kalkwerke, Gesamt

105.750

41.315

   

 

 

1963 VEB Kalkwerke, Gesamt

 

42.376

   

 

 

1966 VEB Kalkwerke, Gesamt

 

44.279

1967 VEB Kalkwerke, Gesamt

 

44.692

  

Um 1960 förderte der Unternehmensverbund des VEB Ostrauer Kalkwerke insgesamt mehr als 100.000 Tonnen Rohdolomit in zunächst drei Einzelbetrieben (Münchhof, Pulsitz und Rittmitz), woraus über 40.000 Tonnen Branntkalk (und noch weitere Produkte, wie Split und Düngekalk) erzeugt wurden. Nach der Stillegung des Werks in Münchhof um 1960 übernahm das Werk in Rittmitz dessen Produktion. Das bedeutendste Werk blieb in dieser Zeit immer Pulsitz mit einer Produktion von über 20.000 t Branntkalk im Jahr.

Die Ostrauer Kalkwerke GmbH fördert heute bis zu 300.000 Tonnen Rohdolomit im Jahr und rechnet mit Vorräten, die wenigstens noch für 80 Jahre ausreichen.

 

 
 
 

Montangeschichtlicher Überblick bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

  

Irgendwo muß man immer anfangen. Wir schlagen zunächst einmal in allgemein zugänglichen, historischen Quellen nach, denn bekanntlich war der Kalk- (bzw. hier Dolomit-) Bergbau grundeigen und unterlag vor 1869 nicht dem  Bergrecht.

Seit einiger Zeit stellt auch das Sächsische Staatsarchiv einmal digitalisierte Unterlagen online bereit. Darauf greifen wir natürlich gern zurück und beginnen mit dem ersten umfassenden Kartensatz für das damalige Kurfürstentum Sachsen ‒ den Meilenblättern von Sachsen. Sie entstanden ab 1780. Es gibt im Wesentlichen drei Sätze, von denen einer in Berlin, einer in Dresden und ein dritter im Archiv des einstigen sächsischen Oberbergamtes liegt ‒ heute im Bestand 40044 (Generalrisse) des Bergarchives zu Freiberg. Das Dresdner und das Freiberger Exemplar wurden im Gegensatz zum Berliner Exemplar mehrfach ergänzt ‒ dann gewöhnlich mit rotem Zeichenstift.

   


Montage von acht Blättern der Bergamtskopie der Meilenblätter von Sachsen (Freiberger Exemplar). Wir haben darin die Anfang des 19. Jahrhunderts aktiven Kalksteinbrüche und Brennöfen markiert.

Links zu den vom Sächsischen Staatsarchiv bereitgestellten Digitalisaten der einzelnen Kartenblätter aus dem Bestand 40044 (Generalrisse) setzen wir in den folgenden Kapiteln, in denen wir auf die einzelnen Standorte eingehen.

   

Eine fast unerschöpfliche Quelle für historische Angaben stellt oftmals das „Vollständige Staats- Post- und Zeitungslexikon von Sachsen“ dar, herausgegeben ab 1814 von A. Schumann in Zwickau, aus dem wir die folgenden Zitate entnommen haben. Wir versuchen dabei einfach einmal, einige Orte entlang der Ausbißlinie von Ost nach West „abzuklappern“…

Pulsitz, Puls, ein unmittelbares Amtsdorf des Königes Sachsen, im Meißner Kreise und Erbamte Meissen, 3 Stunden nordwestl. von Lommatzsch gegen Oschatz, gelegen. Es ist nach Jahna eingepfarrt und hat 26 ½ Hufen. Zinsen und Dienste, auch Hufengelder leistet es dem Amte Oschatz seit dem 21. Sept. 1594. Auch hat es ein Beigeleite von Oschatz, welches aber nicht hier, sondern in dem an der Straße gelegnen Dorfe Ostrau eingenommen wird. Vom Dorfe gehören unter das Oschatzer Rittergut Zöschau schriftsässig 15 Hufen.“ (Band 8, 1821)

Die späteren Eulitz´schen Kalkbrüche lagen auf Pulsitzer Flur östlich der Jahna im Tännigt sowie bei Zschochau am Eichberg, ab 1875 auch auf Ostrauer Flur (nördlich des Tagebaus der Kalkgenossenschaft).

Den Ort Ostrau finden wir in Schumann‘s Postlexikon tatsächlich sechsmal! Zu dem unseren lesen wir „Ostrau, auch Ostra, in der Volkssprache Aster, in Urk. Oztrawa, Ostrowa, ein unmittelbares Amtsdorf im Königreiche Sachsen, im erzgebirgischen Amte Nossen, aber abgesondert von demselben im Amte Meißen, 2 Stunden nördlich von Döbeln entfernt gelegen. Vormals (schon 1188) gehörte das Dorf dem Kloster Altenzella; im J. 1036 wurde es mit 5 Anspännern in das Amt Oschatz gewiesen; es hat eine Mühle und ist nach Jahna eingepfarrt. Der Ort besteht aus 30 Häusern mit 160 Einwohnern, welche dem Amte Oschatz Zinsen und Dienste leisten. Im Dorfe ist die Pulsitzer Beigeleits- Einnahme, und auf den Fluren giebt es Kalkbrüche.“ (Band 8, 1821)

Sehr knapp wird es nochmals im erst 1833 und bereits von A. Schiffner herausgegebenen 18. Band (Supplemente, 5. Band) erwähnt: „Ostrau No. 2 (S. 55) liegt vielm. 2 St. v. Döbeln NNOlich u. v. Oschatz SSOlich, 2 St. westl. v. Lommatzsch, 4 ¾ St. NNWlich v. Nossen, da, wo die v. Oschatz kommende Straße sich nach Döbeln u. Nossen spaltet, NWwärts etwas erhöhet über das linke Ufer der Jahna, die nahe in S den Kybitzer od. Steinbach aufnimmt, die sanftbergige Gegend ist sehr anmuthig u. fruchtbar. Der Ort hat 1 Kalkofen, 1 Freigut (die Erbschänke), 1 Dreihüfner, u. etwa 180 Seelen. Den früher zu Strehla gehörg. Antheil gab Heinr. der Erl. 1821 dem Cl. Altzelle, welches den Rest als Oztrowa von Otto d. R. erhalten hatte. Nach Freiesl. Mag. III gäbe es hier ein Fossil, das zur Porcellanerde zu rechnen wäre.“

Hierin wird – zu dieser Zeit – gerade einmal ein Kalkofen benannt. Mit letzterem „Fossil“ mag vielleicht das später vorallem in Kemmlitz abgebaute Kaolin gemeint gewesen sein ?

Außerdem liest man ein paar Jahre früher:

Südlich davon liegt Münchshof, der; ein vererbtes, ehemaliges altzellisches Vorwerk, in dem Königr. Sachsen, im Erzgebirgischen Kreise, im Amte Nossen, mit 20 Einwohnern, welche unmittelbar unter dem Amte stehen.“ (Band 6, 1819)

Hier wird noch gar kein Kalkbergbau erwähnt.

Weiter südwestlich liegt Trebanitz, Trebitz (S. 822) l. 4 ½ St. NWlich v. Nossen, 2 westl. v. Lommatzsch, an der Döbeln-Oschatzer Straße, in anmuthg. u. fruchtb. Hügelgegend, die nach des Ortes Namen früher waldig gewesen seyn muß. Ob das Burgward Trebiste …hierher gehöre, steht dahin. Tr. hat 2 Bauern, 1 Mühle, (ins A. Meißen geh.), 2 Gärtn., u. wenige Häusl., auch eine starke Kalkbrennerei.“ (Band 18, 1833).

Immerhin – hier gab es offenbar auch vor 1833 schon eine Kalkbrennerei.

Auch bei Noschkowitz erwähnt Schumann den Kalkbergbau nicht: „Noschkowitz, ein Dorf des Königr. Sachsen, im Leipziger Kreise und in der Döbelnschen Hälfte des Amtes Leißnig gelegen, gehört zum dasigen altschriftsässigen Rittergut. Es liegt 1 ¾ Stunden nordwärts von Döbeln, 2 ¼ Stunde südlich von Oschatz, 3 Stunden von Leißnig, in der Lommatzscher Pflege, in einem angenehmen, nicht tiefen, von der noch schwachen Jahna gebildeten Thale, wo es sich ¼ Stunde lang in nordöstlicher Richtung ausdehnt. Der Ort hat 9 ½ Hufen vortrefflicher Felder (die Hufe hat hier deshalb gewöhnlich nur 12 Acker) und eine Mühle, und ist nach dem, ½ Stunde südöstlich gelegenen Zschaitz gepfarrt. Mit dem hiesigen starken Rittergute, dem Kaufmann Ruppold gehörig, sind die neuschrifts. Güter Kattnitz, nahe bei Noschkowitz, und Leuterwitz, 2 ½ Stunden westwärts gelegen, combinirt…“ (Band 7, 1820)

Weiter westwärts: „Ritthmitz, Rittmitz oder Rithmitz, ein Pfarrkirchdorf im Leipziger Kreise und Amte Leißnig (ursprünglich im Amte Döbeln) gehört mit beiderlei Gerichten zum hiesigen altschriftsässigen, der Fr. Amtsinsp. Pehsch, geb. v. Schönberg, zuständigen Rittergute. Es liegt 1 ½ St. nördlich von Döbeln, 3 ½ St. östlich von Leißnig, 2 St. südöstl. von Mügeln, 2 ¾ Stunden südl. von Oschatz, in einer etwas hohen, hügeligen, höchst fruchtbaren und gefälligen Gegend, gegen 800 Pariser Fuß über dem Meere, an der Jahna… Die hiesigen 300 Bewohner (in 60 Häusern) besitzen 7 ¼ Hufen, und treiben auch einige Weberei und Spinnerei. Es giebt hier eine geringe Wassermühle. Zur Kirche, deren Pfarrei im J. 1480 gestiftet wurde, ist nur Schlagwitz gepfarrt, welches Oertchen 1.000 Schritt nördlich von Ritthmitz liegt, und nur das Rittergutsvorwerk, die Schäferei und das Weinbergshaus enthält…“ (Band 9, 1822)

Kiebitz; Dorf in dem Königr. Sachsen, im Leipziger Kreise, im Kollegiatstift Würzen, im Amte Mügeln, 2 Stunden nördl. von Döbeln entfernt, auf der Gränze des Erbamtes Meissen gelegen. Es hat eine Pfarrkirche und Schule, die unter der Inspection Wurzen stehen und deren Collator das Stiftsmeißn. Consistorium zu Wurzen ist; ein Rittergut, Landschöppengut, 28 5/8 Hufen und 374 Einwohner. Von den Einwohnern stehen 168 mit 27 5/8 Hufen unmittelbar unter dem Amte Mügeln, 102 unter den hiesigen Pfarrgerichten und 102 unter dem hiesigen amtssässigen Rittergute. Das hiesige Landschöppengut mit einer Hufe hingegen steht unter dem Erbamte Meissen. Eingepfarrt in die hiesige Kirche sind: …(?), Oberlützschen, Niederlützschen, Ober-Zschörpitz (?), Jesenitz, Auerschütz, Zschoschwitz, Bennewitz, …(?) Obersteina und Pfarrsteina.“ (Band 4, 1817)

Schrebitz, in Urk. Serebez, Strebitz, eine Voigtei und ein Dorf in dem Königr. Sachsen, im Meißner Kreise und Schulamt Meißen, zwischen Döbeln, Mügeln, Leißnig und Wermsdorf gelegen. Diese Voigtei wurde zum Theil von Heinrich dem Erlauchten im J. 1268 dem Kloster in Seuslitz geschenkt, und jetzt besteht dieselbe aus 4 Dingstühlen mit 4 Viertelsmeistern. Schon im 10. Jahrhundert kommt Schrebitz als eine Burgwart vor, welche Agnes, Heinrichs X. Mutter, im J. 1064 dem Domstifte zu Meißen schenkte... Die Voigtei Schrebitz enthält gegenwärtig 16 Dörfer und Dorfantheile; diese sind: Schrebitz, Söldnitz, Däbritz, Graumnitz (zum Theil), Döhlen, Görlitz, Gaschütz, Gallschütz, Wollsdorf, Glossen (zum Theil), Obergrauschwitz, Gohrisch (zum Theil), Oberlütschera, Troniz, Ströhla und Sömnitz. In allen diesen Orten und Ortsantheilen, die zur Voigtei gehören, zählte man im J. 1800 1.260 Seelen; jetzt mag die Volkzahl wohl 1.500 betragen… Das Dorf Schrebitz liegt übrigens 1Stunde südl. von Mügeln und 3 Stunden nördl. von Döbeln; … hat Kirche, Schule und Pfarre, über 60 Häuser und 300 Einwohner, unter denen 3 Bauern, 10 Gärtner, 1 Wassermüller und 48 Häusler mit 20 ½  Hufen sind.“ (Band 10, 1823)

Paschkowitz, Paschwitz, Paschkewitz, ein unmittelbares Amtsdorf im Königreich Sachsen, im Meißner Kreise, im Wurzner Amte Sornzig, nahe bei Mügeln, 2 Stunden nördl. von Leißnig entfernt gelegen. Es hat mit Baderitz zusammen 10 Hufen und 160 Einwohner, und ist nach Mügeln eingepfarrt. Im J. 1254 kamen 5 Hufen von diesem Dorfe an das Kloster Marienthal zu Sornzig, und damals hieß es Baskewiz; auch wird es mit unter den Dörfern aufgeführt, welche im J. 1486 Fritz von Polenz, und im J. 1486 noch dessen Söhnen gehörten. (Band 8, 1821)

An allen diesen Stellen kein Wort vom Kalk?

Aber eins haben wir noch: „Mügeln, ein mit dem sogenannten Klosteramte Sornzig vereinigtes Amt im Königr. Sachsen, im Leipziger Kreise, im Collegiatstift Wurzen, ganz getrennt vom Stifte, jenseits der Mutzschner Heide, zwischen den Aemtern Oschatz und Leißnig, … Das Amt begreift jetzt auf  5/4 Quadratmeile gegen 4.500 Einwohner (im J. 1779 in Mügeln ohne Sornzig nur 1.000, im J. 1806 doch 3.000 Einwohner), und ist folglich sehr stark bevölkert, was umso auffallender ist, da es keine Fabriken, sondern bloßen Ackerbau hat. Der Boden ist meist eben, statt den Bergen sieht man ganz sanft abhangende Hügel, die nur beim Ort Mügeln etwas steil sind. Der wichtigste Bach ist die Delze (Döllnitz) welche noch 5 kleinere Bäche aufnimmt. Auch die Jahna berührt einen Theil des Amtes… An Mineralien sowie an Waldung ist das Amt arm. Nur der Kalkstein bei Paschkowitz und Kiebitz zeichnet sich aus. Die Mutzschner Heide liefert den Holzbedarf. Desto ergiebiger und wichtiger ist der Getreidebau, und die hiesige Pflege eine Fortsetzung der Lommatzscher. Es sind 223 1/8 Hufen Landes vorhanden; trotz der überstarken Bevölkerung verbraucht das Amt doch nur die eine Hälfte des Erbaueten, und setzt die andere auf den Märkten zu Leißnig, Döbeln usw. ab…“

Alles in allem erweist sich das Postlexikon diesmal nicht als ergiebige Quelle: Kalksteinbrüche werden nur in Ostrau, sowie bei Paschkowitz und Kiebitz benannt; auf Kalkbrennerei wird in Ostrau und Trebanitz verwiesen. Der Abbau geeigneter Kalkvorkommen muß zumindest in dieser Zeit und in dieser Region etwas derartig Normales gewesen sein, daß man es der Erwähnung nur selten für wert hielt.

Ein 1840 erschienenes Lehrbuch der rationellen Praxis der landwirthschaftlichen Gewerbe enthält die Inhaltsangabe: Die Bierbrauerei und  Branntweinbrennerei, die Hefe-, Liqueur-, Essig-, Starke-, Stärkezucker- und Runkelrübenzuckerfabrikation, die Kalk-, Gyps und Ziegelbrennerei, Potaschesiederei, Oelraffinerie, Butter- und Käsebereitung , das Brotbacken und Seifensieden umfassend“. Hier wird der Abbau und das Brennen von Kalk, Gips oder Lehm – weil diese Rohstoffe grundeigen waren und die Rittergüter und Landwirte natürlich umfangreichen Grundbesitz haben mußten – sogar direkt der Landwirtschaft zugerechnet.

  

Dabei ist der Kalkabbau bei Ostrau wenigstens schon 1555 erstmals urkundlich, wenn auch nur indirekt, erwähnt: In diesem Jahr nämlich verfügte Kurfürst August in einer Verkaufsurkunde über das Dorf Ostrau, daß ...die Anspänner zu den Gebäuden in Zella neben den anderen zugehörenden Ortschafften, wenn es die notdurfft erfordert Kalckstein führen müßen... Käufer war damals Herr Simon Juda von Schleinitz und weil er das Dorf aus dem säkularisierten Besitz des Klosters Altzella erwarb, mußte der Kurfürst zustimmen.

Kalksteinbrüche bei Schrebitz werden 1622 (10036, Loc. 33472, Nr. 0034 und 0036) urkundlich erwähnt. Unter anderem ließ Kurfürst Johann Georg, der I., am 20. April 1622 seinen Untertanen auftragen: Von Gottes Gnaden Johannes Georg Herzog zu Sachsen, Churfürst Lieber Getreuer Cammer- und Hofrat und lieber getreuer Herr Doktor David Dörings, Ihriges berichtet, daß sich in der Vogtei Schrebitz ein Kalksteinbruch ereignen soll, Begehren darauf hiermit Gesteinsproben an verschiedenen Stellen zu brechen und unter Beihilfe von Schrebitzer Unterthanen zur Probe in Wermsdorf zu brennen lassen. Wieviel Holz zum Brennen nötig ist, und zu bezahlen erbötig ist. Bericht hierüber wird erwartet...“ (Abschrift im Heimatmuseum Schrebitz)

Kalkabbau im sogenannten Kleinamerika bei Trebanitz läßt sich in der Zeit von 1618 an urkundlich belegen, als dessen damaliger Besitzer Hans Mürisch den Kalkbruch dem Fürstenhaus zum Kauf anbot (Kalkabbau im Jahnatal, S.11).

Einen Kalksteinbruch beim Gut Münchhof muß es wenigstens schon seit 1673 gegeben haben (10058, Nr. 0287). Der Legende nach soll der Ort als Mönchshof sogar schon auf die Zisterziensermönche des Klosters Altzella zurückgehen, die hier Kalk zum Bau des Klosters geholt haben sollen. Urkundlich belegbar ist dies aber bislang nicht. Eine erste ebenfalls noch indirekte Erwähnung findet der Abbau in einer Döbelner Chronik, nach der die Stadt im Jahr 1574 einen Kalkofen besaß, ...wozu man die rohen Kalksteine aus Münchhof holte, wenn man dergleichen seiten des Raths bedurfte.

Auf das Jahr 1753 (oder 1758) datiert ein Antrag auf Konzession zum Bau eines Kalkofens von Johann Georg Eulitz aus Pulsitz (10036, Loc. 33472). Diesem wurde stattgegeben, denn ...da Pulsitz von Schrebitz, wo selbst ein königlicher Kalkofen ist, eine Meile Weges entlegen sei, gegen Erlangung eines jährlichen Erbzinßes an zwen Thaler biß auf Widerrufen in Gnaden verstattet unter der Bedingung, daß der Kalck mit Steinkohlen gebrannt werde. (Kalkabbau im Jahnatal, S. 14) 

Die Auflage, Steinkohle als Brennstoff einzusetzen, ist hier hervorzuheben. Sie verweist auf die längst bestehende Holzknappheit und die Anstrengungen des sächsischen Fürstenhauses, mittels der  Steinkohlenmandate verstärkt andere Brennstoffe nutzbar zu machen.

Das vormals fiskalische Kalkwerk in Paschkowitz war seit 1761 bereits verpachtet (20012, Nr. 0497). Anno 1796 verklagte hier Anton Siegmund Justin von Böhlau, Rittergutsbesitzer, den Kalkbrenner in Paschkowitz, Gottlob Friedrich Keilhau, wegen falscher Bemessung von Kalk (20370, Nr. 1347)

Wenig später datiert auf das Jahr 1768 ebenfalls eine erste Erwähnung eines Kalkofens in Niederlützschera (20012, Nr. 0649). Aus dieser Akte erfahren wir nebenbei den Namen des derzeitigen Pächters des Paschkowitzer Kalkwerkes, nämlich ein Herr Johann Jacobi, Schankwirt in Zschaitz, sowie des Bauern aus Niederlützschera, Johann Oehmigen, der dazumal dort einen Kalkofen errichtete.

Von einem gewissen „Boom“ in der Phase des Wiederaufbaus nach dem Siebenjährigen Krieg (vgl. 10036, Loc. 33411) wollte vermutlich auch die öffentliche Hand profitieren, denn die Gemeinden Baderitz, Gaudlitz, Kemmlitz und Zävertitz suchten 1763 gemeinschaftlich beim Amt Mügeln um Genehmigung zur Anlegung eines eigenen Kalksteinbruchs und Brennofens nach (20012, Nr. 0704).  

1787 erhielt der Schankwirt Joh. Gottlieb Ehrenfried Michael aus Schrebitz die Konzession zur Anlegung eines neuen Kalkofens in Paschkowitz (10036, Loc. 33473, Nr. 0039). In der Geologischen Karte No. 30 von 1884 finden wir das ehemals fiskalische Kalkwerk sowie das Michael’sche Kalkwerk bei Schrebitz wieder (vgl. Schnitt oben). Bis 1935 gab es dieses Kalkwerk noch immer, freilich nun im Besitz eines Nachfahren, Herrn Emil Michael (40024-12, Nr. 344 und 345).

Insbesondere der Bergbau bei Schrebitz ist durch eine ganze Anzahl weiterer Akten gut belegt. Ein Kalkofen bei Schrebitz gehörte wohl vor 1665 zum „Naumann'schen Gut“ (10024, Loc. 04512/15), danach dem Amt Mügeln (10024, Loc. 04512/12).

Ein zweiter fiskalischer Steinbruch und der zugehörige Kalkofen in Schrebitz waren ab 1734 an einen Herrn Hans Arnold aus Däbritz verpachtet. 1736 ging dem Brennofen des Amts Mügeln der Rohstoff aus, so daß man sich 1737 von allerhöchster Stelle bemüßigt sah, „Allergnädigst… (die) Ausfindigmachung und Behandlung eines neuen Steinbruchs“ zu befehlen (10024, Loc. 04512/16). Durch „Erhandlung des Arnold’schen Steinbruchs“ konnte man dann 1739 die Rohkalkversorgung zugunsten des Mügelner Amtskalkofens sichern (10024, Loc. 04512/17).

Eine Erfassung der Kalkwerke in Sachsen erfolgte durch das Kgl. Bergamt im Jahr 1755. Darin werden für diese Region aufgeführt:

  • Münchhof, zum Amt Nossen gehörig, vier Kalköfen, davon drei mit Steinkohlenfeuerung, im Besitz von Hanuß Hummitzsch

  • Zschochau, zum Amt Meißen gehörig, drei Kalköfen, sämtlich mit Steinkohle gefeuert, im Besitz von Thomas Freiherr von Fritzsch

  • Trebanitz, zum Amt Nossen gehörig, zwei Kalkbrüche mit je einem Ofen mit Steinkohlenfeuerung, im Besitz von Christoph Güldner und Martin Mürisch (Von einem Hans Mürisch aus Trebanitz konnten wir bereits 1618 lesen.)

Der Grund für diese Erfassung und die Gewichtung auf die Art der Feuerung ist in der Verteuerung des Holzes als Brennmaterial zu sehen. Wie man sieht, war man hier bereits in dieser Zeit zu Kohle als Brennstoff übergegangen.

 

Eine Zeitungsmeldung in den Oschatzer gemeinnützigen Blättern im Jahr 1815 (R. Schmidt, 2005) gibt uns nicht nur einen Einblick in die Geschäftslage der zumeist noch kleinen Kalkwerke: Da unsere Nachsicht gegen diejenigen, welche den zur Düngung ihrer Felder benötigten Kalk bisher auf Credit erhielten, von vielen dazu gemißbraucht ward, daß sie sich durch hartnäckiges Abläugnen und sogar durch gerichtliche Eide von der Bezahlung ihrer Schulden zu befreyen wußten, wodurch die Kalknahrungen so herunter gebracht wurden, daß Einnahme und Ausgabe seit mehrern Jahren in größtem Mißverhältnisse standen und wir folglich bey gemachtem Ueberschlage nicht nur nichts gewannen, sondern desto mehr verlohren, so sehen wir uns genöthigt, hiermit bekannt zu machen, daß wir von nun an keinen Kalk mehr auff Credit geben, sondern selbigen nur gegen sofortige baare Bezahlung in gangbaren Münzsorten, worüber auf Verlangen quittiert wird, ablassen werden; ferner, daß diejenigen, welche Kohlen anfahren, dafür ebenfalls baares Geld, oder eine verhältnismäßige Quantität an Kalk erhalten sollen.“

Die Liste der insgesamt 18 Unterzeichner dieser Meldung gibt auch Aufschluß über die Anzahl der Kalkwerke in der Region und über ihre damaligen Besitzer. Es waren:

  • Graf von Fritsch, Zschochau (dessen Familie 60 Jahre früher noch im Freiherrenstand, aber schon auf dem Gut ansässig war),

  • Johann Adam Schmidt, Christian Gottlob Andrä und Johann Gottlieb Eulitz, Pulsitz,

  • Gottlob Lommatzsch und Gottl. Fischer, Ostrau,

  • Christian Gottlob Roßberg, Münchhof,

  • Johann Gottlob Lehmann Trebanitz und Obersteina,

  • Johann Traugott Oehmig, Trebanitz,

  • Johann Gotthelf Seifert, Niederlützschera,

  • August Burkhardt, Rittmitz,

  • Johann Christian Oehmichen und Andreas Gruhle, Kiebitz,

  • Christian Gottlieb Hanns, Däbritz,

  • Johann Gottlob Ehrenfried Michaelis und Johann Christian Wolf, Schrebitz, sowie

  • Gottlob Friedrich Keilhau, Rechnungsführer in Paschkowitz.

  

Der umfangreiche Abbau zunächst noch überwiegend im Tagebauverfahren führte schon früher zu einer entsprechenden Flächeninanspruchnahme und zu Beschwerden der Bauern: So legte 1820 Johann Leuthold, Pferdner in Wetitz, wegen Verkleinerung seines Felds durch den Kalksteinbruch in Paschkowitz, Beschwerde beim Amt Leisnig ein (20010, Nr. 0225).

Eine umfangreiche Quellenlage zu den Anfängen des Dolomitbergbaus gibt es auch im rund 50 km westlich von Ostrau liegenden Geithain.

Daß dieser umfangreiche Kalkbergbau um Ostrau und Mügeln bei Schumann kaum Erwähnung findet, ist tatsächlich verwunderlich. Aber auch in der etwa gleichzeitig ab 1829 erschienenen, mit 1:120.000 allerdings auch recht großmaßstäblichen Charte des Koenigreichs Sachsen und der angrenzenden Laenderabtheilungen, entw., gezeichn. und lithographiret bei der Koenigl. Kameralvermessung u. Graviranstalt, Blatt 14: Karte von Altenburg bis Strehla, sind sie noch nicht vermerkt.

Erst der „Oberreit´sche“ Topographische Atlas des Königreichs Sachsen auf Befehl weiland Sr. Majestät des Königs Friedrich August aus der großen topographischen Landes-Aufnahme reducirt und bearb. von Generalmajor und Kartograph Jakob Andreas Herrmann Oberreit (*1777, †1856) bei der Königlichen Militair-Plankammer stellt auf Blatt 3, Oschatz (Datierung dieses Blattes auch erst 1858), die Kalkbrüche und Öfen dar. Auf diesen Karten ist auch die – bereits 1847 erbaute – Eisenbahnlinie von Döbeln nach Riesa schon dargestellt.

 


Ausschnitt aus Blatt 3 der Oberreit`schen Karte von Sachsen im Maßstab 1:57.600, Ausgabe 1858, von Pulsitz bis Trebanitz. Die hierin eingetragenen Standorte von Kalköfen und Brüchen haben wir wie schon in der geologischen Karte rot markiert.
 


Der südwestlich anschließende Kartenausschnitt von 1858 mit den Kalkbrüchen bei Rittmitz, Niederlützschera und Kiebitz und…
 


…der Ausschnitt von Paschkowitz südlich Mügeln bis Schrebitz. Es ist uns hier nicht ganz gelungen, den Falz der Karte am Computer zu eliminieren.

 

Wir hoffen, daß wir unsere Leser mit diesem ersten Teil unseres Beitrages neugierig machen konnten. Wir haben unseren weiteren Exkurs im Wesentlichen in zwei räumliche Abschnitte untergliedert, nämlich einerseits den Ostteil mit Ostrau, Pulsitz, Zschochau, Münchhof, Trebanitz und Rittmitz und andererseits einen westlichen Teil mit Lützschera, Steina, Kiebitz, Schrebitz und Paschkowitz.

Wer also weiterlesen möchte, für den geht es hier direkt zum  zweiten Teil.

Glück Auf!

J. B.