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Ein Beitrag von www.unbekannter-bergbau.de

Erstellt Mai 2017, letzte Ergänzungen Juni 2020 .

Sie können diesen Beitrag auf dem Recherchestand vom Mai 2017 vom Qucosa-Server der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden im PDF-Format herunterladen.

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-158709

  

Zum Plattendolomitabbau in der Mügelner Senke

Der Abbau im Westteil der Lagerstätte südöstlich von Mügeln

  

Zur Lage und Regionalgeschichte
Zur Geologie
Zum Abbauverfahren
Brennofentechnik und Produktionsmengen
Montangeschichtlicher Überblick bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

Die Bergbauunternehmen östlich von Ostrau
Eulitz'sche Kalkwerke bei Pulsitz und Ostrau
Ostrauer Kalkgenossenschaft, später Krug'sches Kalkwerk
Möbius'sches Kalkwerk bei Ostrau
Kalkwerke bei Zschochau

Die Bergbauunternehmen südlich von Ostrau
Roßberg'sches Kalkwerk Münchhof
Kalkwerk Trebanitz
Kalkwerk Rittmitz

Die Entwicklung des Bergbaus in Ostrau bis zur Gegenwart
VEB Ostrauer Kalkwerke
Aktiver Bergbau (Ostrauer Kalkwerke GmbH)

Die Bergbauunternehmen westlich von Ostrau
Übersicht zur Region zwischen Mügeln und Ostrau
Lützschera und Obersteina
Runge's Kalkwerk in Kiebitz

Die Bergbauunternehmen südlich von Mügeln
Uhlemann's Kalkwerke in Schrebitz
Wolf's Kalkwerk in Schrebitz
Lorenz' Kalkwerk in Schrebitz
Michael's Kalkwerk in Schrebitz
Weitere Kalkwerke in Schrebitz
Michael's bzw. von Ende's Kalkwerk in Paschkowitz

Weiterführende Quellen

  

 
 
 

Historische Übersicht zu den Kalkwerken zwischen Mügeln und Lützschera

 

Wir setzen unseren Bericht nun mit den Kalkwerken zwischen der Kleinen Jahna im Süden und dem Tal der Döllnitz bei Mügeln im Norden und mit neuen Exkursionen in die Region fort.

  


Unser zweites Exkursionsgebiet auf der Geoportal-Karte. Das Werk in Rittmitz gehörte zuletzt zum vormaligen VEB Ostrauer Kalkwerke und wurde bereits im ersten Beitragsteil behandelt. 

  


Auch auf unserer Montage von acht Blättern der Bergamtskopie der Meilenblätter von Sachsen (Freiberger Exemplar) sind schon Anfang des 19. Jahrhunderts eine Reihe in Betrieb stehender Kalksteinbrüche und Brennöfen zu finden.

Links zu den vom Sächsischen Staatsarchiv bereitgestellten Digitalisaten der einzelnen Kartenblätter aus dem Bestand 40044 (Generalrisse) setzen wir in den folgenden Kapiteln, in denen wir auf die einzelnen Standorte eingehen.

   

Wie unsere Leser aus unseren vorangegangenen Beitragsteilen schon wissen, kamen mit dem Beginn der Industrialisierung ab den 1830er Jahren und besonders während der Gründerzeit ab 1871 noch einmal eine ganze Reihe weiterer Bergbauunternehmungen hinzu:

Nicht nur die Ostrauer Kalkgenossenschaft war wenigstens seit 1862 aktenkundig (20024, Nr. 1794). Das Kalkwerk von O. Richard Runge in Kiebitz begegnet uns in den Beständen des Staatsarchives ab 1882 (40037-1, Nr. K22801); Herr Arndt Uhlemann (40024-12, Nr. 124), Herr Carl Christian Wolf (40024-12, Nr. 371) und Herr Paul Lorenz (40024-12, Nr. 368 ff) sind mindestens seit 1892 im Kalkbergbau von Schrebitz und im benachbarten Görlitz zugange.

Für alle, die unsere Übersicht im ersten Beitragsteil noch nicht gelesen und gleich hier mit Schmökern begonnen haben, wiederholen wir zur Einführung an dieser Stelle unseren Auszug aus der Ausgabe des Jahrbuchs im Jahr 1901 mit der Übersicht über die zu dieser Zeit aktiven Bergbaubetriebe in den: Mittheilungen über die unterirdischen gewerblichen Gruben im Jahre 1900, daraus nämlich den Abschnitt:

I. Übersicht
der unterirdischen gewerblichen Gruben, ihrer Besitzer, Vertreter und Verwaltungsbeamten, nebst einem Anhang über die Gesammtbelegschaft.

Von Bedeutung ist der Zusatz „unterirdische Gruben“, denn reine Tagebaubetriebe standen – ganz im Gegensatz zur heutigen Berggesetzgebung – nicht unter Bergaufsicht. So sind die Eulitz‘schen Kalkwerke in Ostrau 1908 aus der bergbehördlichen Aufsicht ausgeschieden, während die Werke II und III in Pulsitz weiterhin der Bergaufsicht unterlagen (JB 1909). Auch das Kalkwerk von C. Wolf in Schrebitz wurde 1915 aus der bergbehördlichen Aufsicht entlassen (JB 1916).
 
 

In der genannten Auflistung werden jedenfalls die folgenden sieben, im Jahre 1900 aktiven Kalkwerke zwischen Mügeln und Ostrau aufgeführt; davon liegen nur zwei bei Ostrau, die übrigen fünf verteilen sich über den südwestlichen Ausbiß des Plattendolomits und konzentrieren sich insbesondere um den Ort Schrebitz:

  • Nr. 8. Eulitz’sche Kalkwerke in Ostrau und Pulsitz, Besitzer R. Eulitz, Gutsbesitzer auf Mohlis und Pulsitz.

  • Nr. 42. Ostrauer Kalkgenossenschaft in Ostrau, Aktiengesellschaft, Direktor K. Fr. Beyer in Ostrau.

  • Nr. 46. Runge’s Kalkwerk in Kiebitz (Betrieb allerdings bereits eingestellt), Besitzer O. R. Runge, Gutsbesitzer in Kiebitz.

  • Nr. 51. Uhlemann’s Kalkwerk in Görlitz und Schrebitz, Besitzer A. Uhlemann, Kammergutspächter in Mügeln.

  • Nr. 33. Lorenz’sches Kalkwerk in Schrebitz, Besitzer P. Lorenz, Gutsbesitzer in Schrebitz.

  • Nr. 56. Kalkwerk Carl Wolf in Schrebitz, Besitzer C. C. Wolf, Gutsbesitzer in Schrebitz

  • Nr. 38. Firma W. Michael, vormals Königliches Kalkwerk in Paschkowitz, Besitzer Emil Michael.

Andere Werke, die offenbar nie untertägig abgebaut haben oder die bereits vor 1900 den Abbau eingestellt haben, wie etwa die Roßberg‘schen Kalksteinbrüche in Münchhof und Ostrau (40024-12, Nr. 007) oder das Kalkwerk des Rittergutes Zschochau (40024-12, Nr. 440, die Akte datiert bis 1901), werden hierin von vornherein nicht aufgeführt, so daß deren Gesamtzahl noch größer gewesen sein muß.

 

Auch in den nordwestlich von Ostrau und südlich von Mügeln liegenden Gruben kommt es bereits im Gefolge des 1. Weltkrieges und später infolge der Wirtschaftskrise von 1929 sukzessive zur Einstellung des Abbaus.

Das Kalkwerk C. Lorenz in Schrebitz mußte schon 1914 kriegsbedingt außer Betrieb gehen (JB 1916) und wurde erst 1922 unter dem Erben Joh. Lorenz nochmals aufgenommen.

Bereits 1918 wechselte auch das vormals Königliche, dann Michael‘sche Kalkwerk in Paschkowitz den Besitz, der nunmehr in den Händen von K. J. E. Edler v. d. Planitz, Generaldirektor in Lobstädt (JB 1918), Gutsbesitzer in Ostpreußen, 1930 wohnhaft in Berlin, liegt. Unter diesem Eigentümer währt der Betrieb noch bis 1929 (JB 1930).

Durchgängig in Betrieb standen während des 1. Weltkrieges die Uhlemann’schen Kalkwerke in Schrebitz und Görlitz. Im März 1924 ging hier zunächst das Werk in Görlitz außer Betrieb (JB 1925); ab 1928 wird dann auch das Werk Schrebitz nicht mehr in den Jahrbüchern aufgeführt.

In diesem Jahr stehen hier nur noch die beiden Werke von J. Lorenz in Schrebitz und von v. d. Planitz in Paschkowitz in Betrieb (JB 1929).

Im Zeitraum von 1933 bis 1935 wird das Lorenz‘sche Kalkwerk in Schrebitz als letztes, in Betrieb stehendes Kalkwerk in dieser Region in den Jahrbüchern aufgeführt.

Schauen wir uns wieder die betreffenden Kartenausschnitte aus der ersten Ausgabe der Äquidistantenkarte von Sachsen aus der Zeit um 1880 an. 

  


Ausschnitte aus den Äquidistantenkarten von Sachsen, Blätter 30 und 46, Ausgaben zwischen 1875 und 1880, mit dem südwestlich an das Gebiet Ostrau angrenzenden Gebiet. Wie bereits im Teil 1 rot markiert: Kalkbrüche und Standorte von Kalköfen. Die beiden Werke auf Trebanitzer und Rittmitzer Flur wurden bereits im Teil 1 unseres Beitrages behandelt.

   


Ausschnitt aus der Äquidistantenkarte, Blatt No. 30 mit dem Gebiet südlich von Mügeln. Hervorhebungen wie oben.

  


Im Vergleich zum etwa identischen Kartenausschnitt der Äquidistantenkarten oben sieht man auf den Meßtischblättern 4744, und 4844 aus den 1930er Jahren die Flächenzunahme derjenigen Steinbrüche, in denen bis in diese Zeit noch abgebaut wurde. Hervorhebungen wie oben.

  


Kartenausschnitt aus derselben Zeit für den Nordwestabschnitt der Ausbißlinie von Schrebitz bis Paschkowitz südöstlich von Mügeln.

  

 
 
 

Kalkwerke bei Niederlützschera und Obersteina

  

Über die Bergwerke im unteren Abschnitt der Kleinen Jahna zwischen Niederlützschera und Obersteina konnten wir bisher noch kaum etwas herausfinden. Auch in den Meilenblättern von Sachsen finden sich in diesen Orten noch keine Eintragungen von Kalkwerken oder Kalksteinbrüchen.

Obersteina gehörte zum Amt Leisnig und war ein unbedeutendes, aber altschriftsässiges Rittergut (20498). 1350 wird das Dorf Obersteina als Rittergut „zcu dem Steine“ urkundlich genannt. Zum Rittergut gehörten aber nur die auf Rittergutsgrund erbauten Häuser.

Als Besitzer des Guts sind seit dem 17. Jahrhundert ausschließlich bürgerliche Familien bekannt: Im 17. Jahrhundert bildete es ein „Lehngütchen", welches einem Ganglof Marschall zu Technitz (bei Döbeln) gehört hat (10024, Loc. 01919/02). Anfang des 18. Jahrhunderts war es im Besitz von Johann Friedrich Conradi (10024, Loc. 09897/01). Von dessen Nachfahren, Adolph Gottlob Friedrich Conradi, hatte es 1743 ein Herr Peter Starcke erworben (10062, Nr. 2777). 1755 war es als Mannlehngut an Herrn Ernst Steinhäuser auf Ober- und Niederlockwitz gekommen (10047, Nr. 1310 und 20010, Nr. 2217). Mit beiden vorgenannten stritt der Müller in Oberlützschera, J. G. Schubert, von 1749 bis 1757 um die Wassernutzung (20010, Nr. 2226 und 2217). 1773 ist Herr Johann Ernst Steinhäuser, Doktor med., Erb-, Lehn- und Gerichtsherr auf Oberstein(a).

In der 1845 bereits in 2. Auflage erschienenen „Beschreibung der sächsischen und ernestinischen Lande“ erwähnt der Autor A. Schiffner den Doppelort Steina wie folgt:
Ober - und Nieder- Steina, an der Mügelner Grenze; zu Steina gehören Merschwitz, die Steinhäuser und einige Kalköfen. Alle diese Orte zählen zusammen gegen 650 Seelen.“

Am 17. April 1850 übergab die damalige Besitzerin, Helene Schulze, die dem Rittergut zustehende Gerichtsbarkeit an das Justizamt Leisnig (20498).

In der im ersten Teil unseres Beitrages erwähnten Zeitungsmeldung aus dem Jahre 1815 wird als Besitzer von Kalkwerken in Trebanitz und in Obersteina zu dieser Zeit ein Herr Johann Gottlob Lehmann genannt. Noch 1904 ist als Besitzerin des Rittergutes eine Frau Ilse Lehmann im Grundbuch eingetragen. Zum Rittergut gehörte auch ein Kalkofen, welcher noch bis 1937 betrieben worden sei (gemeinde-ostrau.de). Ein „Rittergutskalkwerk“ zu Obersteina führte auch O. Herrmann im Jahr 1899 auf.

Über die bergbaulichen Aktivitäten der genannten Gutsbesitzer geben zumindest die angeführten Aktentitel und Quellen keine Auskunft.

  

Der Ortsteil Pfarrsteina trägt seinen Namen nicht umsonst, sondern bildete zusammen mit dem benachbarten Kiebitz noch 1815 eine „Pfarrdotalgemeinde“ des Stifts Wurzen (13020, Nr. 216).

Wohl aus diesem Grund heraus gab es um 1899 ein „Pfarrkalkwerk A. Fischer“ zu Kiebitz (in O. Herrmann, 1899, angeführt). Vermutlich standen auf Kiebitz'er Flur aber nur die Brennöfen, denn der Kalksteinbruch habe sich bei Obersteina befunden.

  


Auslaugungszone in einem Plattendolomit- Steinbruch bei Obersteina, Foto: M. Nowak um 1929. Man sieht hier sehr schön eine auch als geologische Orgel bezeichnete Auslaugungsspalte im helleren und dickplattig bis bankig ausgebildeten Dolomit, die mit hineingespülten Sedimenten wieder angefüllt ist.

http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70004772

 

1937 gehörte das Gut Obersteina dann Richard Carl, Geheimrat a. D. In Kalkabbau im Jahnatal, S. 43, steht noch zu lesen, daß die Betreiber des Kalkwerkes in Obersteina noch bis zum Jahr 1939 Ehrig´s Erben gewesen seien. Wir haben den Namen Ehrig's- Ebersbach's Erben" bislang aber lediglich in Zusammenhang mit dem Steinkohlenbergbau durch die Gewerkschaft Morgenstern am Brückenberg bei Zwickau im Zeitraum 1886 bis 1937 wiedergefunden (40111, Nr. 976 u. a. sowie 40191, Nr. 521).

  


Ausschnitt aus der Geologischen Karte, Blatt 46: Döbeln-Scheergrund, 2. Auflage von 1897. Beiderseits des Tales der Kleinen Jahna findet man noch mehrere „Stbr.“ an den Aufschlüssen des Plattendolomits eingetragen, jedoch nur noch einen „K.O.“ bei Obersteina. Im unteren Teil des Bildausschnitts ist bereits das Kalkwerk von Rittmitz zu sehen.

 

Noch dünner ist die online recherchierbare Aktenlage im Staatsarchiv bezüglich des Ortes Lützschera. Immerhin jedoch wird es als Lueczerow in einer Belehnungsurkunde anno 1365 erstmals urkundlich erwähnt (10001, Nr.  03799). Die vormaligen Amtsdörfer Niederlützschera und Ostrau wurden 1836 und 1846 vom Amt Nossen an das Amt Mügeln abgegeben (20012, Nr. 4230).

Bereits 1734 wird ein Hans Georg Platz in Oberlützschera erwähnt (10036, Loc.35339). Anfangs des 19. Jahrhundert befand sich auch das benachbarte Rittergut Kiebitz im Besitz von Johann Platz (20005, Nr. 0754). In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte es dann noch immer ein Nachfahre namens Heinrich Ferdinand Platz inne.

Aus dem Jahr 1758 ist ein Konzessionsgesuch eines Herrn Andreas Mierisch aus Oberlützschera und des Herrn Christian Junghans aus Dobritz zur Errichtung eines Kalkofens erhalten geblieben. Allerdings ist noch unklar, ob dieser Kalkofen tatsächlich in Lützschera errichtet werden sollte, denn es folgten Beschwerden der Gemeinden Graumnitz (südöstlich von Schrebitz) und Göldnitz über die erteilten Konzessionen (10036, Loc. 01839/05).

Aus der Zeitungsnachricht von 1815 ist uns als Eigner eines Kalkwerks in Niederlützschera zu dieser Zeit auch noch der Herr Johann Gotthelf Seifert bekannt.

 


Auf der Oberreit’schen Karte aus den 1850er Jahren ist ein Steinbruch und Brennofen bei Niederlützschera verzeichnet.

  


Ausschnitte aus den Geologischen Karten, Blatt 30: Sektion Oschatz- Mügeln, 2. Auflage 1906 (oben) und Blatt 46: Sektion Döbeln-Scheergrund, 2. Auflage von 1897 (unten). Im unteren Teil des Tals der Kleinen Jahna finden sich am Nordhang bei Ober- und bei Niederlützschera die Eintragungen zweier Kalksteinbrüche. Brennöfen sind hier jedoch nicht mehr eingetragen.

 

Ein Bericht der Lagerstättenforschungsstelle beim Oberbergamt Freiberg aus dem Jahr 1934  (40030-1, Nr. 1082) „über die Befahrung einiger sächsischer Dolomitvorkommen“ führt noch an, daß man „auf der Heimfahrt von Ostrau nach Leipzig noch einen kurzen Blick auf einige kleinere Werke geworfen“ habe. Demnach habe der Kalkofen beim Rittergut Steina zu dieser Zeit noch saisonweise in Betrieb gestanden, während Abbau in Lützschera hier gar nicht mehr erwähnt wird.

Nach Angaben in O. Herrmann's Lehrbuch der Steinbruchindustrie waren schon damals (im Jahr 1899) „Die Werke zu Lützschera und Gaudlitz ... nicht mehr in Betrieb.“

  


Die Topographische Karte, Ausgabe für die Volkswirtschaft 1988, zeigt uns von Niederlützschera bis Kiebitz entlang des Tals der Kleinen Jana noch eine ganze Reihe ehemaliger Steinbrüche. Mit Hilfe der geologischen Karten findet man heraus, wo der Dolomit gebrochen wurde.

  

 
 
 

Erhaltene Zeugnisse

  

Fahren wir die Kleine Jahna entlang von Ostrau aus nach Westen, kommen wir zuerst nach Wutzschwitz und dann nach Nieder- und Oberlützschera.

 


Der noch bis 1980 in Betrieb gewesene Tagebau bei Rittmitz (Ortschaft südlich und nicht im Kartenausschnitt enthalten) hat ein beeindruckendes Restloch hinterlassen, das nur teilweise mit Abraum aufgefüllt ist. Bei Niederlützschera ist dagegen nur noch ein bescheidenes Restloch des Kalksteinbruchs zu finden.

 


Am nördlichen Ende der Straße Zum Kreisel in Niederlützschera führt ein Feldweg zum ehemaligen Steinbruch. Gegenüber findet man dieses Gewölbe.
  


Es könnte sich ursprünglich auch um einen Brennofen gehandelt haben, eher wahrscheinlich aber um einen alten Lagerkeller...
 


Am Ende des Feldweges hat man einen schönen Blick Richtung Wutzschwitz und Ostrau in das untere Tal der Kleinen Jahna hinab.
  


Hier findet man auch das Restloch des einstigen Tagebaus...
 


...das heute leider als wilde Deponie genutzt wird. Wie fast alle besuchten Steinbrüche in der Region ist auch dieser heute stark verwachsen und durch den alten Baumbestand schon aus der Ferne erkennbar.
 


Hier der Blick von der Straße nach Rittmitz auf Niederlützschera. Am rechten Rand des Örtchens, das im Wesentlichen aus drei alten, mächtigen Vierseithöfen besteht, markiert die Baumgruppe die Lage des früheren Steinbruchs.
 


Vom gleichen Standort aus auch noch der Blick auf das kaum größere Oberlützschera. Auch hier hat es am westlichen Ortsrand (im Foto links des großen Bauerngutes) Dolomitabbau gegeben, wir haben jedoch keine Zeugnisse mehr davon entdecken können.

  

 
 
 

Wenig weiter entlang der Kleinen Jahna talaufwärts folgt Pfarrsteina südlich und Obersteina nördlich der Kleinen Jahna. Die Mügelner Straße biegt dann nach Nordosten ab, während die Landstraße weiter talauf nach Kiebitz führt...

  


Zwischen Obersteina und Kiebitz sind im heutigen Reliefbild noch zahlreiche Restlöcher früherer Porphyr- und Kalksteinbrüche zu finden.

 


Ein seltenes Bilddokument: Kalkbruch, Zechstein-Plattendolomit von Diluvium überlagert; laut der Beschriftung der historischen Aufnahme in Obersteina. Foto: M. Nowak, um 1929. Anhand des schon zunehmenden Bewuchses auf der Abraumsohle sieht man, daß der Abbau zum Zeitpunkt dieser Aufnahme schon eingestellt war.

http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/72032563

  


Laut Beschriftung der zugehörigen Bildkarte: Plattendolomit mit geologischer Orgel in Obersteina südwestlich von Döbeln, Foto: Max Nowak, 1929.

http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70004772 

 


Gleich am Ortseingang von Obersteina findet man linkerhand einen ehemaligen Porphyrsteinbruch.
  


Nach der geologischen Karte lag dem Porphyr Plattendolomit auf. Links im Bildhintergrund könnte man noch etwas gelbliches Gestein oberhalb des Porphyrs erahnen, es könnte aber genausogut Lößlehm sein – das ist von diesem Standort aus nicht zu unterscheiden. Der westliche Teil dieses Bruches ist heute durch die Bebauung unzugänglich.
 

Im Ortskern steht noch das gegenwärtig leider stark vernachlässigte, aber immer noch beeindruckende Gebäudeensemble eines besonders großen Gutshofes. Der Schlußstein über der Vordertür weist leider keine Initialen auf, die dem Ortsfremden eine Zuordnung zu einem der oben genannten Besitzer ermöglichen würden.
  

Noch ein Stück talauf entlang der Straße Am Kalkofen findet man hinter ein paar Garagen den zweiten Kalksteinbruch von Obersteina.
  

Wie man sieht, wird der gerade aufgeforstet und ist ebenfalls nicht zugänglich.
 

Wenigstens der Straßenname bleibt erhalten.
 

Von dieser Straßenecke aus führt ein Feldweg um die Halde des Kalkwerkes herum.
 

Um diese Jahreszeit findet man unter dem noch lichten Gestrüpp auf den Haldenböschungen noch ein paar Mauerreste, die nach ihrer Lage und Ausführung zum Kalkbrennofen gehört haben könnten.
  

Auch an der Nordwestecke der Halde sind noch ein paar Mauerreste zu entdecken.
 

Weiter feldwärts sind die oberen Tagebaukonturen durch dichte Brombeerbestände sicher eingezäunt... Dahinter kann man aber immerhin über das Tal hinweg nach Pfarrsteina blicken, wo die Waldstücke wieder die Lage von Steinbrüchen markieren: Links der Ortslage die südlichen Porphyr-Steinbrüche und rechts der ehemalige Kalksteinbruch.
 

Die Hauptstraße entlang wieder zurück, erfreuen wir uns noch an diesem Blick talaufwärts entlang der Kleinen Jahna in Richtung Kiebitz. Das Tal ist hier als Hochwasserrückhaltebecken ausgebaut.
 

Dann nehmen wir diese Straße bergauf, denn der Zugang zu dem Steinbruch liegt wieder auf Privatgrund (die alten Häuser im Hintergrund).
  

Am oberen Ortsrand von Pfarrsteina gibt es einen Feldweg nach rechts, über den man die obere Tagebaukante erreichen kann.
 

Beim ersten Blick die Böschung hinab sind wir von den Schneeglöckchen-Wiesen überrascht, die sich hier ausbreiten.
 

Reichlich zu finden sind auch hier Gehäuse der Weinbergschnecke Helix pomatia, die bekanntlich kalkreiche Böden bevorzugt.
 

Auch dieser Steinbruch wurde aus dem Talgrund heraus angesetzt. Hier der Blick nach Norden in Richtung des Zugangs zur Bruchsohle und des Gehöftes an der Mügelner Straße...
 

...und andersherum Richtung Süden zur Abbaukante.
   

Bei genauem Hinsehen erkennt man auch hier am Fuß der Bruchwand ein paar noch nicht mit Hangschutt überrollte Klippen des Plattendolomits.

 

 
 
 

Runge's Kalkwerk bei Kiebitz 

  

Der Ortsname Kiebitz hat mit dem hübschen Vogel nichts zu tun. Der Name wird vielmehr von den Familien, die im 12. und 13. Jhdt. hier lebten, abgeleitet. Der Ort wird als Kywitz erstmals in einer Kaufurkunde des Kloster Altzella vom 7. März 1216 genannt. Ein Johann von Kywitz wird darin als Zeuge aufgeführt, offenbar damals Besitzer des Rittergutes.

Nach Pönicke, 1860, treten bereits 1185 ein Saxo und ein Jarus von Kyvic am markgräflichen Hofe in Erscheinung. Ein Conradus de Chewicz wird auch in einer undatierten Urkunde genannt, die aufgrund der Lebensdaten der beteiligten Zeugen auf die Zeit vor 1190 datiert werden kann und von den Historikern dem Ort Kiebitz zugeordnet wurde.

Der meißnerische Bischof Witigo kaufte am 8. November 1276 Kiebitz dem Kloster Bosau für 195 Mark Silber ab. Nach Pönicke wurden die Erbgerichte zu Kiebitz 1286 von Heinrich dem Erlauchten dann dem Kloster Buch geschenkt.

Am 16. Februar 1350 bestätigte König Karl, IV. dem Domkapitel Meißen seine Privilegien und Besitzungen, worunter auch Kiebitz (als Kywic) erneut aufgeführt wird (10001, Nr. 03222). Im Jahr 1355 verkaufte Markgraf Friedrich, III. den Ort zusammen mit Schmörren und Schlagwitz an Bischof Johann, I. zu Meißen (10001, Nr. 03394a).

Vor 1460 wurde das Gut zum Rittergut erhoben und befand sich zu dieser Zeit als bischöfliches Lehen im Besitz von Balthasar von Döhlen; später gelangte es an Heinrich von Saalhausen. Im Besitz dieser Familie ist es lange geblieben. Aus Akten des Lehnhofes erfahren wir, daß das Gut Kiebitz danach im 16. Jahrhundert an Georg von Grünroda, ab 1647 dann an Hans Georg von Auerswalde verliehen war (10080, Nr. O 03407).

Im Postlexikon von A. Schumann wird der Ort folgendermaßen beschrieben: Kiebitz; Dorf in dem Königr. Sachsen, im Leipziger Kreise, im Kollegiatstift Würzen, im Amte Mügeln, 2 Stunden nördl. von Döbeln entfernt, auf der Gränze des Erbamtes Meissen gelegen. Es hat eine Pfarrkirche und Schule, die unter der Inspection Wurzen stehen und deren Collator das Stiftsmeißn. Consistorium zu Wurzen ist; ein Rittergut, Landschöppengut, 28 5/8 Hufen und 374 Einwohner. Von den Einwohnern stehen 168 mit 27 5/8 Hufen unmittelbar unter dem Amte Mügeln, 102 unter den hiesigen Pfarrgerichten und 102 unter dem hiesigen amtssässigen Rittergute. Das hiesige Landschöppengut mit einer Hufe hingegen steht unter dem Erbamte Meissen. Eingepfarrt in die hiesige Kirche sind: …(?), Oberlützschen, Niederlützschen, Ober-Zschörpitz (?), Jesenitz, Auerschütz, Zschoschwitz, Bennewitz, …(?) Obersteina und Pfarrsteina.“ (Band 4, 1817)

Ab 1826 (nach Pönicke, 1860)  befand sich das Rittergut Kiebitz im Besitz von Johann Platz (20005, Nr. 0754). In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte es offenbar sein Nachfahre Heinrich Ferdinand Platz inne, welcher zwischen 1854 und 1857 Parzellen mit mehreren dortigen Grundstücksbesitzern tauschte; vielleicht auch schon, um Abbauflächen für einen Steinbruch zu gewinnen.

In der im ersten Teil unseres Beitrages schon erwähnten Zeitungsmeldung aus dem Jahre 1815 (Schmidt, 2005) treten als Kalkbruchbesitzer in Kiebitz die Herren Johann Christian Oehmichen und Andreas Gruhle auf (es hat also schon damals mindestens zwei Brüche zeitgleich in Kiebitz gegeben).

  


Ausschnitt aus dem Blatt 94 der Bergamtskopie der Meilenblätter von Sachsen mit Eintragungen zweier Kalkbrüche und Ofenstandorten nördlich und östlich von Kiebitz. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40044-4 (Generalrisse), Nr. I90, gedruckt 1826.

archiv.sachsen.de/archiv

  

Der Ort blieb (zusammen mit dem Nachbarort Pfarrsteina) noch bis zum Jahr 1856, als die Gerichtsbarkeit des Domkapitels endgültig an das Justizamt Mügeln abgegeben wurde, immer ein Pfarrlehen (20101). Schon im Mittelalter hatte Kiebitz eine meißnische Amtssudpanie zusammen mit sieben weiteren Orten gebildet, aus der im Laufe der Zeit eine Parochie hervorging, welche neben Kiebitz die Dörfer Obersteina, Ober- und Niederlützschera, Auerschütz, Jesnitz, Oberzschörnewitz, Tronitz, Zaschwitz, Bennewitz und Döllschütz einschloß.

A. Schiffner erwähnt in der 1845 bereits in 2. Auflage erschienenen „Beschreibung der sächsischen und ernestinischen Lande“ den Ort, nennt dabei aber nur einen Kalkofen: „Kiebitz, Kybitz (740 E.) ¼ Meilen südöstlich von Mügeln, gehört theils auch dem hiesigen Pastor und zum hiesigen Rittergute, enthält ein Landschöppengut des Amtes Meißen, 1 Mühle und 1 Kalkofen, war Stammort eines Adelsgeschlechtes und Hauptort einer Zupanie...“

Als das Album der Rittergüter und Schlösser von G. A. Pönicke um 1860 erschien, schreibt der Herausgeber über Kiebitz, daß sich das Gut jetzt im Besitz von Carl Gottlieb Köhler befände.

 


Einen Kalkbruch westlich von Kiebitz und einen weiteren Brennofen östlich des Ortes am Südhang des Tals der Kleinen Jahna weist bereits die Oberreit’sche Karte aus den 1850er Jahren aus.

  

In ihrem Gutachten von 1867 (Wunder, Herbrig, Eulitz, 1867) wird als Besitzer der Kiebitzer Kalkbrüche nur noch Herr Oehmigen genannt. Wir vermuten, daß es sich dabei nur um eine abweichende Schreibweise des Familiennamens Oehmichen handelt. Diesen Namen haben wir nämlich, zusammen mit der Jahreszahl 1855, in Kiebitz wiedergefunden. Schon 1815 war neben Johann Gottlob Lehmann auch ein Johann Traugott Oehmig einer der Kalkwerksbesitzer im Nachbarort Trebanitz.

In diesem Bericht äußern sich die Autoren auch über die bergmännische Vorgehensweise und kommen dabei zu einem ausgesprochen negativen Gesamturteil, über das wir nachlesen können im Kapitel:

Betrieb der Kalksteinbrüche

...Im Allgemeinen ist der Kalkbruchbetrieb in Sachsen mannigfacher Verbesserungen fähig. Einerseits macht man von den durch die Fortschritte der Technik in der Neuzeit vielfach verbesserten Mitteln nicht genügend Gebrauch, andererseits will man das als Raubbau zu bezeichnende Verfahren nicht verlassen, welches den auf leichte Weise und sofort zu erzielenden Gewinn ausschließlich im Auge hat.

Soll z. B. an irgend einem Punkte die Gewinnung des Steins beginnen, so begnügt man sich oft, die Dammerde nur auf einigen Quadratruthen abzuräumen, leitet den Abbau in vielfach mangelhaften Strossen ein, bricht nach Befinden sogar vom Liegenden zum Hangenden und läßt das Deckgestein hereinbrechen, um dann anderweits wieder Gelegenheit zu neuem Angriffe zu  finden ‒ eine Arbeit, die bereits vielfach Veranlassung zu Unglücksfällen gegeben hat. Soweit als es der Wasserzudrang gestattet, vertieft man den Bruch, dann aber zieht man die leichtere Arbeit, das Ausdehnen des Bruches nach der Oberfläche, vor und verstürzt den alten Theil des Bruches mit dem Abraume des in Angriff genommenen neuen Theils, ohne bis auf das Liegende des Lagers vorgedrungen zu sein. Man bedenkt dabei nicht, daß das Wasser oft leichter zu beseitigen wäre und daß die Meliorationsarbeiten oft in einer kurzen Zeit größere Kosten verursachen, als die besten mechanischen Einrichtungen zum Vordringen in die Tiefe. Man berücksichtigt ferner nicht, daß durch das Verstürzen der nicht erschöpften Brüche oft die besten Massen der Steine, deren Qualität häufig mit der Tiefe zunimmt, für die Gewinnung entweder ganz verloren gehen oder, wenn sie später wachsendem Bedürfniß doch gefördert werden sollen, nur mit Überwindung von außerordentlichen Schwierigkeiten und unter Durchdringung enormen Geldopfer gewonnen werden können, welche zur rechten Zeit leicht zu umgehen gewesen wären.

Einerseits die Scheu vor einem selbst verhältnißmäßig geringen Kostenaufwande, welche zum Theil z. B. ... durch die maßlose Concurrenz veranlaßt ist, andererseits der Wunsch, so schnell wie möglich Nutzen zu ziehen, mögen die Veranlassung sein zu einem solchen Betriebe... Diesen Mängeln unterliegen hauptsächlich die kleineren, zum großen Theil aber auch die größeren Brüche. Der unterirdische Betrieb ist mehr geordnet, jedoch sind auch unterirdische Betriebe vorhanden, in denen anstatt des regelmäßigen, rationellen Betriebes Raubbau Platz gegriffen hat... An vielen Punkten wird der schönste anstehende Kalkstein wieder verstürzt, ohne daß man fragt, ob die nächste Zukunft eine abermalige Translocation verlangt, und es dürften die Fälle wohl nicht selten sein, in denen eine Generation zu verschiedenen Malen an den von ihr verstürzten Punkten die Schuttmassen wieder gewältigen mußte...Aufgrund der großen Zahl von Kalksteinbrüchen in der Region um Ostrau und Mügeln finden wir hier dafür sowohl positive, als auch negative Beispiele.

Das Kalkwerk und – wie wir daraus erfahren, auch die außerdem betriebene Brauerei – müssen zu dieser Zeit recht einträglich gewesen sein, denn zum 200jährigen Bestehen der Kiebitzer Kirche konnte Frau Braugutsbesitzerin Oehmichen der Gemeinde drei neue Glocken spenden, die am 25.10.1874 feierlich geweiht wurden (gemeinde-ostrau.de).

  


Die Äquidistantenkarte aus den 1880er Jahren weist noch dieselben Standorte aus. Nur in Obersteina ist anstelle der früheren Ziegelei an der Straße nach Mügeln die Eintragung eines Kalkofens hinzugekommen. Der Bruch am Tollschützer Berg existiert noch nicht.

  


Ausschnitt aus der Geologischen Karte, Blatt 46: Döbeln-Scheergrund, 2. Auflage von 1897. Bei Kiebitz sind hierin beiderseits des Tals der Kleinen Jahna jetzt drei Kalksteinbrüche und drei „K.O.“ verzeichnet – links oben der von O. R. Runge. Die Zuordnung der beiden anderen haben wir noch nicht klären können.

 

In O. Herrmann's Lehrbuch der Steinbruchindustrie werden für das Ende des 19. Jahrhunderts drei Werke unter dem Ortsnamen Kiebitz angeführt:

  • das sogenannte Pfarrkalkwerk Kiebitz von A. Fischer, das über Kesselöfen und den Steinbruch bei Obersteina verfügt habe ‒ also eigentlich gar nicht Kiebitz abbaute,

  • Richard Runge's Kalkwerk bei Kiebitz, welches über Kesselöfen und sogar schon einen gasbefeuerten Brennofen verfügt habe und teils unterirdisch, teils im Tagebau abbaute, sowie

  • das Louis Lehmann- Töllschütz'sche Werk bei Kiebitz (leider ganz ohne weitere Bemerkungen).

Der Familienname Lehmann ist uns auch schon begegnet, und zwar als einer der Besitzer der micht weit entfernten Trebanitz'er Kalkwerke: 1815 nämlich waren die Herren Johann Gottlob Lehmann und Johann Traugott Oehmig Kalkwerksbesitzer in Trebanitz.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird dann der 1883 geborene Herr Osmar Richard Runge auch als Gutsbesitzer in Kiebitz genannt.

Zu dem einen, verbliebenen Kalkwerk in Kiebitz, nun im Besitz von O. Runge, gibt es in den Akten der Bergbehörde Leipzig einen Befahrungsbericht der seinerzeit zuständigen Aufsichtsbehörde des Landkreises Oschatz aus dem Jahr 1899, unterzeichnet durch Herrn von Carlowitz (40051-1, Nr. 1024). Das Kalkwerk baute den Plattendolomit zu dieser Zeit aus einem Steinbruch heraus über Stolln untertägig ab. Der Abbau erfolgte saisonal, von Neujahr bis März untertage, über die warme Jahreszeit im Steinbruch.

Die Gewinnung erfolgte durch zwei Arbeiter und einen Aufseher nur händisch und ohne Bohr- und Schießarbeit. Die Förderung erfolgte mittels Karren, aus dem Tagebau heraus mittels Hunten über eine schiefe Ebene. Zur Wasserlösung sei eine Rösche angelegt gewesen; nur der Bewetterung dienten zwei Schächte von 8,7 m und 18,0 m Teufe, in denen gar keine Fahrung eingebaut war.

Auch Herr von Carlowitz äußert sich in seinem Bericht in höchstem Maße unzufrieden über den technischen Zustand dieses Bergwerkes: „Der Tagebau und die Grube befanden sich beide in einem ganz außerordentlich verwahrlosten und liederlichen Zustande, und der unterirdische Betrieb kann nur als ein ganz wilder Raubbau bezeichnet werden. … Es wurden an ganz willkürlich gewählten Stellen Strecken angesetzt, bald steigend, bald fallend ein Stück vorgetrieben, dann natürlich ohne Ausbau verlassen, teilweise auch wieder mit Geröll zugesetzt, so daß wahrscheinlich der Besitzer selbst nicht mehr alle Strecken anzugeben weiß. Hierdurch wird einmal das Kalksteinlager entwertet, weil für die Zukunft ein geordneter Abbau sehr erschwert bzw. unmöglich gemacht wird… und schließlich können im späteren Zeitverlauf durch Verbrechen unbekannter, offen verbliebener Strecken, Tagesbrüche entstehen und dabei Menschen gefährdet werden…“

 


Grund- und Saigerriß der Runge'schen Kalkwerke in Kiebitz bei Ostrau, gefertigt 1882/83 von L. Hünich.
Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40037-1 (Deponierte Risse der Steine- und Erdenindustrie), Nr. K22801. Gesamtansicht, Norden ist rechts.

   


Ausschnitt aus obigem Riß mit dem Grundriß des Baufelds innerhalb des Runge'schen Grundstücks. Aus dem Tagebau heraus waren insgesamt vier Stollen angesetzt. Dargestellt sind die fahrbaren Strecken 1883, weitere abgebaute Bereiche wurden tatsächlich recht schlampig und nur mit Bleistift nachgetragen, eine Nachbringung durch einen Markscheider ist jedenfalls nicht erfolgt. Das Tiefbaufeld umkreiste gewissermaßen den Tagebau und hatte eine Ausdehnung von etwa 200 m in Ost-West- und 150 m in Nord-Süd-Richtung erreicht. Die im Bericht von Herrn von Carlowitz oben erwähnte Rösche muß vom Schacht
II weiter in südöstliche Richtung verlaufen sein. Neben dem Förderschacht ist auch der Kalkofen erkennbar.

     


Ausschnitt aus obigem Riß mit dem zugehörigen Saigerschnitt. Dargestellt sind die beiden erwähnten Schächte mit zirka 18,0 m (Schacht I) und zirka 8,7 m Teufe (Schacht II), von dem aus die Rösche zur Wasserlösung weiter nach Südosten verlaufen sein muß. Der Tagebau lag nördlich des Schachts I im Bereich der eingezeichneten Stollenmundlöcher und ist hierin ebenfalls nicht dargestellt.

     


Ein weiterer Ausschnitt zeigt, daß das Runge’sche Kalkwerk über ein Ofengebäude mit vier aneinandergereihten Niederschachtöfen verfügte.

 


Es gelingt uns ganz gut, den historischen Grundriß (links oben hinterlegt) anhand des eingezeichneten Grabens an der südlichen Baufeldgrenze und der Straße im Norden in die heutige Topographie einzupassen. Das Tagebaurestloch ist noch vorhanden. Herr Runge hätte nach Norden noch viel Platz gehabt, aber vermutlich war der Dolomit im Bereich des kleinen Tälchens, daß sich nördlich des Tagebaus ostwärts zu den Feldhäusern hinüberzieht, bereits der Erosion anheimgefallen. Südlich gegenüber ist noch eine „Delle“ und eine flache Halde des zweiten Kalkwerkes zu finden, während vom dritten keine Relikte im Relief mehr aufzufinden sind.

    

In der Auflistung im Jahrbuch auf das Jahr 1900 wird zu dieser Grube bereits vermerkt, daß der Abbau bereits eingestellt sei. Tatsächlich hat Runge am 27. August 1900 der Berginspektion III in Freiberg die Betriebseinstellung angezeigt. Die Bergbehörde beschränkte sich darauf, den Verschluß des Stollnmundloches und das Verfüllen der beiden Schächte anzuweisen.

  


In diesem Ausschnitt aus der Topographischen Karte aus den 1930er Jahren haben wir die drei ehemaligen Kalkwerksstandorte rund um Kiebitz noch einmal eingekringelt. Außer dem Runge´schen Restloch ist jedoch schon damals nichts mehr erhalten geblieben. Nur der Kalkofen bei Obersteina ist zu dieser Zeit noch vermerkt.

  

Nach dem 2. Weltkrieg begegnet uns der Name Osmar Runge noch einmal als Landwirt und ehemaliger Ortsbauernführer von Kiebitz in einer Entnazifizierungsakte (39074, Nr. ZD 54/3480).

Anfang der 1960er Jahre erfolgten durch den VEB Geologische Forschung und Erkundung auch rund um Kiebitz Erkundungsbohrungen auf Baurohstoffe, jedoch wurde jetzt hier nicht mehr nach Dolomit, sondern nach Kies- und Sandlagerstätten gesucht (40131, Nr. 0312).

  

 
 
 

Erhaltene Zeugnisse

  

Zum Kiebitzer Kalkwerk haben wir keine historischen Aufnahmen finden können; also müssen wir selber schauen, was wir davon heute noch wiederfinden…

 


Vom Runge´schen Kalkwerk ist ein bescheidenes Restloch nordwestlich von Kiebitz geblieben.

 


Von dem einstigen Kalkwerk am Südhang der Kleinen Jahna zwischen Obersteina und Kiebitz ist nicht einmal eine Delle im Feld übrig geblieben.
  

Auch hier in Kiebitz stehen noch immer eindrucksvolle Vierseithöfe im Ort.
  

Der Jahreszeit entsprechend können wir uns an den blühenden Märzenbechern in der Talaue freuen.
  

Hier entdecken wir noch den früheren Gasthof...
 

...von C. A. Oehmichen mit der Jahreszahl 1855 über dem Türsturz. Johann Christian Oehmichen wird 1867 als Kalkwerksbesitzer genannt.
 

Kurz vor dem Ortsausgang am Tollschützer Berg entdecken wir dieses hübsche Anwesen.
 

Beim Weg am Feldrain drumherum stellt sich heraus, daß die heutige Garage auf den Grundmauern des alten Kalkofens steht.
  

Um diese Jahreszeit bekommt man noch keinen Ärger mit den Bauern und kann mal über´s Feld laufen. Hier ist vom zweiten Kalksteinbruch noch die Abraumkante zu finden - durch eine Baumreihe markiert. Das Restloch ist längst aufgefüllt.
 

Die ebene Fläche weiter talwärts und hier links im Bild ist die Abraumhalde dieses Kalkwerkes. Am Talhang gegenüber markiert der alte Baumbestand dann das Restloch des Runge'schen Steinbruchs.
  

Nach dem Überqueren des kleinen Bächleins hat man das Restloch des Runge'schen Steinbruchs vor sich. Bauliche Reste vom Kalkwerk sind aber nicht mehr vorhanden.
  

Das Tagebaurestloch ist noch immer mehr als 10 m tief. Vom Dolomit ist hier jedoch nichts mehr zu sehen, nur ein wenig Lößlehm steht stellenweise noch an.
 

Auch hier wird leider einiger Müll hineingeschmissen...
  

Irgendwo auf dieser Brachfläche östlich neben dem Tagebau müßten auch die Lichtschächte auf Runge´s Rösche gelegen haben.
  

Im Frühjahr 2017 haben wir alles in allem vier solcher mehr oder weniger großen Pingen vorgefunden. Wie am Tännigt in Pulsitz brechen auch hier die alten Pfeilerbruchbaue offenbar langsam nach oben durch und die Bauern pflügen lieber respektvoll drumherum. Im Hintergrund die Kiebitzer Kirche.
 

Auf dem Rückweg schauen wir noch mal von unten auf die Abraumhalde des anderen Kalkwerkes...
 

...und auf die Abraumkante. Die von hier aus ganz gut sichtbare Delle im Acker davor markiert noch die Lage des einstigen Kalkbruches.

  

Einen haben wir noch: Ein letzter Beitrag über die Kalkwerke südlich von Mügeln rund um Schrebitz und bei Paschkowitz.

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Glück Auf!

J. B.