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Ein Beitrag von www.unbekannter-bergbau.de

  

Unser erster Beitrag zum Braunkohlen- Tiefbau: Tettau bei Meerane

Zur Lage und regionalen Geschichte
Zur Geologie
Zur Montangeschichte

Die Anfänge bis 1850
Zum Engelmann'schen bzw. Ulbricht'schen Braunkohlenwerk um 1851
Zu den George'schen und Gerber'schen Braunkohlenwerken um 1852
Zum Scheunert'schen bzw. Neustadt'schen Braunkohlenwerk um 1870
Zum Abbau durch Friedrich August Schippan: Die Alinen- Grube ab 1868
Einige Angaben zur Familie Schippan
Zur Alinen- Grube von der Gründerzeit bis 1905
Zum Bau des Flora- Schachtes ab 1899
Zum Bergbau durch die Ragewitzer Werke oHG von 1905 bis 1919
Zum Bergbau durch die Ragewitzer Werke oHG von 1919 bis 1930
Zum Bergbau durch die Grube Flora GmbH von 1931 bis 1945
Zum Braunkohlenbergbau in Ragewitz nach 1945
Zum „Notkohlenbetrieb“ 1947 bis 1949
Zum letzten Kapitel bis 1964
Verbliebene Zeugnisse
Die Flora- Grube
Die Alinen- Grube
Weiterführende Quellen 

  

Recherchen begonnen im April 2020, ins Netz gegangen im September 2021,
letzte Ergänzung im
 Dezember 2023.

Wir bedanken uns für die Unterstützung bei unseren Recherchen und für Hinweise und Ergänzungen unseres Textes sowie der Bilddokumentation beim Heimatverein Haubitz, Pöhsig, Ragewitz und Zaschwitz e.V., namentlich bei Herrn W. Höhne, Ragewitz.

Sie können diesen Beitrag vom Qucosa-Server der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden im PDF-Format herunterladen.

https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-774139

    

Zum Braunkohlenbergbau in Ragewitz bei Mutzschen

An dieser Stelle bin ich viele Jahre immer wieder vorbeigefahren: Von der BAB 14 kurz vor der Ausfahrt Mutzschen aus sieht man auf einem Hügel südlich der Autobahn ein ziemlich auffälliges Schachtgebäude: Dort in Ragewitz wurde Braunkohle im Tiefbau gefördert.

  


Ein Schnappschuß im Vorbeifahren von der Autobahn aus...

 

Da mich meine Wege in den letzten Jahren wieder öfter dort entlang geführt haben, habe ich beim Passieren des markanten Geländepunktes immer wieder gedacht: Wie lange wird es wohl noch da stehen?

Bevor es vielleicht doch einmal dem Abrißbagger zum Opfer fällt, haben wir uns noch einmal auf die Suche begeben, was dort umgegangen ist. Die Ergebnisse unserer Recherchen haben uns wieder einmal auf einige Querverbindungen gebracht und deshalb wollen wir sie hier auch unseren Lesern nicht vorenthalten...

  

 

 

Zur Lage und regionalen Geschichte

 

Wir befinden uns hier weit nördlich der Mittelgebirge und landschaftlich im mittelsächsischen Löß- Hügelland. Nördlich von Mutzschen sind die Teichlandschaft um Wermsdorf und die Hubertusburg sicher vielen als Ausflugsziele bekannt. Morphologisch ist die Landschaft als eine wellige Hochfläche ausgebildet, die eine tendenzielle Neigung nach Norden aufweist. Ihre Höhenlage schwankt zwischen 235 m am Rohrberg bei Ragewitz und etwa 190 m am Zusammenfluß von Mühlbach und Langgraben südwestlich von Pöhsig.

Weiter westlich hat sich die Vereinigte Mulde bei Grimma (unter der Autobahnbrücke) bis auf nur noch knapp 120 m über dem Meer tief in die känozoische Sedimentdecke eingeschnitten und dabei die unter diesen, weit jüngeren Sedimentgesteinen liegenden, zumeist dem Rotliegenden (Perm) entstammenden Porphyre und Porphyrtuffe an den Talhängen freigelegt.

Der Collmberg (slawische Bezeichnung; vgl. sorbisch: chołm - „Hügel, Kuppe“) ist die höchste Erhebung im gesamten Landkreis Nordsachsen. Bis in das 19. Jahrhundert hieß er auch Spielberg oder Oschatzer Collm. Seine Höhe wird mit 312,8 m NHN angegeben (wikipedia.de). Damit stellt er eine das Hügelland überragende und weithin sichtbare Landmarke dar.

  


 Übersichtskarte zur Lage der Braunkohlenwerke bei Ragewitz.
Quelle der Hintergrundkarte: geoportal.sachsen.de

 

Die Region gehört zum Altsiedelland im Vorland der Mittelgebirge und war wohl schon vor der slawischen Besiedlungsphase im 6. Jahrhundert von germanischen Bauern gerodet. Weiter muldeabwärts gehörte die Eilenburg im 11. Jahrhundert zu den ersten Sitzen der Familie von Wettin außerhalb ihres Stammsitzes auf der Burg Wettin nordwestlich von Halle/Saale.

Nach dem digitalen Ortsnamensverzeichnis für Sachsen (hov.isgv.de) wurde Ragewitz im Jahr 1378 als Rogewicz erstmals urkundlich genannt. Zu dieser Zeit gehörte das Dorf unter die Herrschaft des castrum Grimma.

Im 15. Jahrhundert gehörte Ragewitz der Pflege Grimma an. Dieser alte Regions- und Verwaltungsbegriff hat sich nur bei der Lommatzsch'er Pflege noch bis heute im Sprachgebrauch erhalten.

Spätestens ab 1548 war das Dorf Ragewitz im Besitz des Rittergutes Döben, das am Ostufer der Mulde bei Grimma lag. Zu dieser Zeit (1548/51) nennen die Güterverzeichnisse für Ragewitz gerade einmal 8 besessene Mann, 10 Inwohner und eine bewirtschaftete Ackerfläche von 16¼ Hufen (hov.isgv.de).

Der Name Döben dieses Rittergutes geht auch auf slawische Ursprünge zurück. Die deutsche Ansiedlung entstand wahrscheinlich in der Nähe eines schon bestehenden slawischen Dorfes an einer alten Handelsstraße von Breslau über Oschatz und Grimma nach Leipzig. Im Jahre 1046 wurde Döben im Zusammenhang mit dem Burgward Groby erstmals urkundlich genannt. 1117 eroberte Wiprecht von Groitzsch den Ort Döben und zerstörte die Burg.

Die Burggrafschaft Döben war danach eine reichsunmittelbare Herrschaft innerhalb des Pleißenlandes, kam jedoch schon vor 1286 zusammen mit der Burggrafschaft Rochlitz unter die Herrschaft der Markgrafen von Meißen. Als Lehnsleute der Wettiner führten zunächst die von Teckwitz die Burggrafschaft Döben, danach vorübergehend die Burggrafen von Meißen, also die Linie der Meinheriger, die mit dem Tod Heinrichs, des II. im Jahr 1426 erlosch. Sie blieb jedoch nicht lange in deren Besitz, sondern fiel schon bald an den Burggrafen Otto I. von Leisnig, der 1308 auch die Herrschaft Mutzschen erworben hatte. Die Burggrafen von Leisnig wiederum unterlagen schließlich den immer mehr aufstrebenden wettinischen Markgrafen von Meißen, die ihnen 1329 die Reichsunmittelbarkeit entzogen und 1365 auch deren Burg Mildenstein in Leisnig eroberten. Schließlich gelangte die Herrschaft Döben Ende des 14. Jahrhunderts an die Herren von Luppa (20370).

   


Blick vom Südhang des Mühlbachtals über die Güter von Pöhsig nach Nordosten zum Collmberg. Rechts im Hintergrund liegt Ragewitz. Foto: Max Nowak, um 1930. Bildquelle: Deutsche Fotothek.

 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/72032180

Zumindest den Berg haben auch wir  fotografiert...

  

Über das Rittergut Döben erfahren wir mehr aus dem Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen, Band 1: Leipziger Kreis, herausgegeben von G. A. Poenicke und erschienen im Jahr 1860. Dort heißt es zur Geschichte dieser Grundherrschaft:

Döben liegt eine kleine halbe Stunde von Grimma an dem rechten Muldenufer auf einem Berge, das Zettengebirge genannt, welches von Höfchen aus bis nach Schmorditz das Ufer des Flusses begränzt und mit seinen Bäumen, seinen Thälern und Höhen neben der laut dahin rauschenden Mulde der ganzen Gegend die Anmuth und den Reiz verleiht, wodurch selbst aus der Ferne Besucher herbeigeführt werden.

Döben findet man schon in den ältesten Urkunden und wird ,Dewie' benannt und soll früher ein Städtlein gewesen sein. Dewie bedeutet in wendischer Sprache die Jungfrau und deutet auf einen Ursprung dieses Ortes zu einer Zeit, wo noch die Sorben-Wenden das Meissnische Land bewohnten.

Schon im Jahre 1117 kommt das Städtlein Dewie in der Geschichte vor. Zu dieser Zeit hat Graf Wiprecht diese Stadt durch List eingenommen und soll einen solchen Vorrath an Sachen daselbst davon gebracht haben, dass alle seine Soldaten ihren Mangel dadurch abhelfen konnten.

Kaiser Heinrich V. hatte nämlich den Vater dieses Wiprecht, den berühmten Landgrafen Wieprecht von Groitzsch, gefangen und im Schlosse Dewin verwahrt, die Söhne desselben aber das kaiserliche Heer bei Dewin geschlagen, ein verschanztes Lager erbeutet und ihren Vater befreiet. Von dieser Verschanzung sind noch Spuren zu finden, welche an der Nordostseite des Dorfes bis an das in einer steilen Felswand gebildete Muldenufer laufen.

Das Schloss Döben ist auf einem steil anstrebenden Felsen erbaut, das Souterain fast gänzlich in Felsen gehauen. Von dem eigentlich alten Baustyl ist nicht viel mehr vorhanden. Ein Thurm ist noch da, der zwar noch Spuren gothischer Baukunst trägt, aber seine Bedachung ist aus der Neuzeit. Auf diesem Thurme soll dem Markgrafen Otto dem Reichen sein Aufenthalt auf einige Wochen angewiesen gewesen sein, als derselbe von seinem Sohne, Albrecht dem Stolzen, im Jahre 1188 gefangen genommen war, weil er die Erbtheilung zu Gunsten seines jungen Sohnes Dietrich ändern wollte. Albrecht musste seinen Vater auf Befehl des Kaisers Friedrich I. wieder freilassen, jedoch die Streitigkeiten selbst wurden erst später beigelegt.

Das Schloss hat gar nichts Alterthümliches mehr, als den Rittersaal, zu welchem aus dem Keller eine Wendeltreppe führt. Die Grösse des Saals beträgt 2.500 Quadratfuss und der Saal selbst hat einen Ofen von 5 Ellen lang, 2¼ Ellen breit und 6½ Ellen hoch, in welchem eine Feuerung von in Leipzig klein gemachtem Holze schwerlich an ihrem Platze sein dürfte.

Die Geschichte von Dewie erzählt uns von ihren Burggrafen. In einer Urkunde auf dem Landtage, welcher auf dem Kulmberge bei Oschatz 1185 abgehalten worden, hat ein solcher Burggraf den Rang von den Burggrafen zu Leisnig und Dohna. Ein Burggraf Albrecht von Dewin war der Beförderer des Baues des Georgen- Hospitals bei Grimma im Jahre 1241, weshalb auch Döben mit dem Rittergute Böhlen abwechselnd das Recht hat, in diesem in eine Waisen- Anstalt umgewandelten Hospitale eine Stelle mit einer männlichen oder weiblichen Waise zu besetzen. Im Jahre 1286 verschwinden die Burggrafen von Döben, bis sie ausgestorben, oder nach Abtretung der Burggrafschaft Döben an die Burggrafen von Wettin, blos den Namen Herren von Döben fortgeführt und ein adliches Geschlecht gegründet haben, welche in Meissen bis Ende des sechszehnten Jahrhunderts unter dem Namen Herren von Staucha vorkommen, ist ungewiss.

Döben ist bald von den Wettinern an die Leisniger Burggrafen gekommen, welche an 200 Jahre als Lehnsherrn über das Schloss Döben figuriren.

Seit Anfang des vierzehnten Jahrhunderts bis 1440 werden die Herren von Luppa als Lehnsherren von Döben erwähnt. Um das Jahr 1440 kam Döben an die Herren von Maltitz, und zwar durch die Vermählung des heimlichen Raths Hans von Maltitz mit einem Fräulein von Luppe. Dieser Hans von Maltitz war in den Diensten des Kurfürsten Friedrich des Sanftmüthigen und hat in dem Bruderkriege auf seinen Gütern viel Verwüstungen erleben müssen. Hans von Maltitz ist auf einer Wallfahrt nach dem heiligen Grabe, die er mit Herzog Albrecht unternommen hatte, gestorben.

Ihm folgte sein Sohn Dietrich von Maltitz, welcher mit vielen Sorgen zu kämpfen hatte und bei seinem Tode drei unmündige Kinder hinterliess. Die beiden Brüder Bernhardt und Heinrich von Maltitz sollen die Erbauer einer Capelle in Döben sein, und dürfte diese Capelle derjenige Theil der jetzigen Kirche sein, auf welchem der Altar steht.

Von Bernhardt von Maltitz kam das Gut an Christoph von Maltitz. Letzterer konnte solches nicht erhalten und überliess es seinem Schwager Wolf von Hirschfeld. Die Söhne Wolf von Hirschfelds, Georg und David, theilten das Gut. Georg kaufte 1561 in Böhlen ein Bauergut, riss die Gebäude nieder, erbaute ein Herrenhaus, vereinigte die Dienste und Zinsen damit, welche ihm in der Theilung zugefallen waren, und so entstand das Rittergut Böhlen bei Grimma. Beide Brüder waren aber gezwungen, ihre Güter zu verkaufen, und zwar Böhlen an Tamm Pflug und Döben an von Kanitz.

Letzterer verkaufte später seine Besitzung an Ernst und Georg von Schönfels. Diese beiden Brüder starben ohne Leibeserben und es kam nun Döben durch Erbschaft an Hans von Schönfels, den Bruder, welcher 1599 starb, aber sechs Söhne und fünf Töchter hinterliess, so dass Döben an Wolf von Schönfels fiel, welcher wieder fünf Söhne hatte, die durch den 30jährigen Krieg so herabkamen, dass sie Döben an den in jenem Kriege berühmten Sächsischen General von Arnheim verkaufen mussten, dessen Geschlecht Döben bis heute mit der einzigen Veränderung besitzt, dass es 1783 auf die weibliche Descendenz Marie Charlotte von Arnim überging, welche an den herzoglich Coburgischen Ober- Landjägermeister von Böhlau vermählt war, dessen Enkel, Herr Otto von Böhlau dieses Gut zugleich mit dem von seinem Grossvater erkauften, eine Viertelstunde entfernten, Rittergut Haubitz jetzt im Lehn und Besitz hat.“

Wie wir aus den Bestanderläuterungen zum Archivbestand über dieses Rittergut auch erfahren, wurde Döben ab 1640 von einem Sequestor verwaltet. Im Jahr 1661 mußte Anna von Schönfels das Gut dann endgültig verkaufen.

Poenicke schrieb hier „von Arnheim, meinte aber den sächsischen General Wolf Christoph von Arnim (20370). Unter den weiteren Besitzern aus dieser bekannten und weit verzweigten Adelsfamilie von Arnim haben wir unter anderem um 1738 Sigismund August von Arnim (20370, Nr. 1089) und um 1766 Christoph Ehrenreich von Arnim (20370, Nr. 610 und 10079, Loc. 13893/11) in den Akten des Staatsarchives gefunden.

Als letzte ihres Familienzweiges übernahm Marie Charlotte von Arnim noch zu Lebzeiten ihres Vaters von diesem das Rittergut, brachte es in die Ehe mit Anton Siegmund Justin von Böhlau, herzöglich- coburgischer Landjägermeister, ein und vererbte es schließlich an ihre Söhne Franz Christoph Ehrenreich und Karl August von Böhlau. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges blieb Döben dann im Besitz der Familie von Böhlau.

Doch noch einmal zurück zum Text von G. A. Poenicke:

Im 30jährigen Kriege hat Döben sehr gelitten. Mehrere Einwohner haben für ihre Kranken Hütten im Holze bauen müssen. Ebenso ist Döben vom Feuer heimgesucht worden. Im Jahre 1791 ist ein Feuer im Dorfe Döben durch brennenden Schwamm, welchen der Wind Bergleuten, die einen Brunnen graben wollten, entführt hat, entstanden. Im Jahre 1806 brannten die Wirthschaftsgebäude der Pfarre und im Jahr 1809 acht Bauergüter ab.

Als Merkwürdigkeit in Döben ist der Altar der Kirche zu erwähnen. Es ist eine Familiengruppe in Holz geschnitten, wovon die unverbürgte Geschichte erzählt wird: Die Gemahlin des Herrn von Schönfels sei scheintodt, dem Begraben nahe, wieder erwacht und habe hierauf noch neun Kinder geboren. Dies die Veranlassung zu der Gruppirung.

Aus Grimma und andern Orten ist Döben den Sommer über häufig besucht und die moderne Welt im Concerte hier stellt einen grossen Contrast zu den früher vielleicht hier stattgefundenen ritterlichen Uebungen dar.“

   


Historische Darstellung des Rittersitzes Döben über dem Muldental. Aus: G. A. Poenicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösse im Königreiche Sachsen, II. Section: Leipziger Kreis, Leipzig, 1860, S. 197.

    

Im Jahr 1857 zerstörte ein Großbrand das Schloßgebäude des Gutes nahezu völlig. Der Neuaufbau erfolgte im Neorenaissance-Stil.

Verwaltungsseitig gehörten das Rittergut Döben wie die ihm zugehörigen Dörfer ab dem 16. Jahrhundert dem Amt Grimma an, welches bis zur Verwaltungsreform in der Mitte des 19. Jahrhunderts bestand und dann 1856 zum Gerichtsamt Grimma umgebildet wurde. Schließlich wurde 1875 aus dem Gerichtsamt die Amtshauptmannschaft Grimma geschaffen, die bis über das Ende des Königreichs Sachsen 1919 hinaus Bestand hatte.

  

Über das kleine Dorf Ragewitz gab es zu dieser Zeit nur wenig zu berichten. Für das 18. Jahrhundert (1764) werden noch immer gerade einmal 8 besessene Mann, sowie 1 Gärtner und 2 Häusler aufgeführt, die 6 Hufen zu je 20 bis 30 Scheffel Aussaat bewirtschaftet haben. Das Ortsnamensverzeichnis (hov.isgv.de) beschreibt die Ortsanlage Ragewitz als Rundweiler mit Block- und Streifenflur und nennt eine Fläche von 242 ha.

In dem bekannten Post-, Zeitungs- und Staatslexikon von Sachsen, herausgegeben von A. Schumann, und zwar im Band 8, welcher 1821 erschienen ist, kann man auf S. 732f lesen:

Ragewitz bei Grimma, so genannt zum Unterschiede von Ragewitz bei Oschatz (von welchem das Geschlecht von Rackwitz den Namen haben soll) ist ein königl. sächs. kleines Pfarrkirchdorf des Leipziger Kreises und Amtes Grimma, und gehört schriftsässig zu dem, 1¼ Stunde davon westlich gelegenen, von Böhlau'ischen Rittergut Döben. Es liegt, umgeben von grimmaischen, leißniger und mutzschener Amtsdörfern, 1½ Stunden östlich von Grimma, an der Straße von Leißnig sowohl nach Grimma, als nach Wurzen, welche hier zugleich die Straße von Grimma nach Mügeln abgiebt, und nördlich am Dorfe vorbeizieht.

Die Gegend ist hügelig, mit kleinen Büschen besetzt, angenehm und sehr fruchtbar; das milde Klima befördert den starken Obstbau und trefflichen Kornbau sehr… Der Ort hat in 20 Häusern nur gegen 120 Bewohner… Die Flur begreift sechs Hufen, d. i. 120 bis 130 Acker Feldes, und einige Wiesen, aber nicht genug Holz.

Die hiesige Kirche gehört zum 2ten Kreis der Inspection Grimma, die Collatur aber der Gerichtsherrschaft. Hierher gepfarrt sind die westlich gelegenen Orte Groß- Böhsig (die schöne Mahd vulgo genannt), Klein- Böhsig, Haubitz und Zschaschwitz; die Parochie enthält 450 Seelen… Der Ort hat auch ein Gasthaus und eine Windmühle. In der Gegend wächst das Glaskraut (Parietaria officinalis L.) sehr häufig.“

Da schauen wir natürlich nach und finden heraus, daß das Glaskraut eine Gattung aus der Familie der Brennesselgewächse (Urticaceae) ist. Brennhaare entwickelt diese Art allerdings nicht. Den deutschen Namen Glaskraut erhielten die Arten der Gattung, weil man das Kraut früher zum Reinigen von blinden Gläsern benutzte.

Das Aufrechte Glaskraut ist ein Archäophyt und eine Ruderalpflanze, die sowohl auf nährstoffreichen Böden, wie auch auf Schutt wächst. Außerdem ist es auch ein aus früheren Kulturen verwildertes Kulturrelikt und wurde ursprünglich aus dem Mittelmeergebiet, wo die Pflanze häufig vorkommt, eingeschleppt. Als Heildroge dient die getrocknete ganze Pflanze. Als bisher wenig untersuchte Wirkstoffe werden genannt: Flavonoide, Kaffeesäure- Derivate, Bitterstoffe, sowie große Mengen an Kaliumnitrat. Der Droge wird eine gewisse harntreibende Wirkung nachgesagt. Sie ist zwar noch in einigen Teemischungen und Fertigpräparaten enthalten, hat aber darüber hinaus heute als Heilpflanze keine Bedeutung mehr (wikipedia.de).

  

Der letzte Besitzer von Döben, Carl Christian Ehrenreich von Böhlau, starb am 18. Juli 1945. Sein einziger Sohn, Carl Otto von Böhlau, war bereits ein Jahr zuvor in Polen gefallen.

Nach Kriegsende dienten das Schloß Döben und dessen Nebengebäude Flüchtlingen als Wohnungen. Die Ländereien wurden nach der Bodenreform im Herbst 1945 durch Neubauern genutzt. Der teilweise Abbruch der Gebäude lieferte Baustoffe für die Neubauernhöfe (20370).

Der Befehl 209 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) vom 9. September 1947 beinhaltete den Aufbau der Neubauernhöfe im Ergebnis der Bodenreform. Einher ging damit innerhalb der sowjetischen Besatzungszone allerdings auch die Zerstörung und Beseitigung von kleineren Adelssitzen. Zur Gewinnung von Baumaterialien für neue Wohn- und Wirtschaftsgebäude für die im Zuge der Bodenreform entstandenen Neubauernwirtschaften sollten ehemalige Herrenhäuser und Gutsgebäude abgebrochen werden. Weil das natürlich für allein rund 5.000 Neubauten im Land Sachsen nicht ausreichte, legte Befehl 209 auch fest, erforderliche Maßnahmen zur Erweiterung der Erzeugung örtlicher Baumaterialien zu ergreifen und für den Bau von Häusern in den neuen Bauernwirtschaften Ziegelsteine, Dachziegel, Kalk, Gips, Schnittholz und andere Baumaterialien auszusondern (wikipedia.de).

Darüber hinaus wurde der Schloßkomplex nicht mehr genutzt und verfiel zur Ruine, die man 1971 endgültig sprengte (20370).

  

Nach der Bezirksreform in der DDR kam Ragewitz im Jahr 1952 zum Landkreis Grimma.

Im Zuge der ersten Verwaltungsreform nach dem Ende der DDR wurde 1994 die Gemeinde Thümmlitzwalde gegründet, welche die bis dahin selbständigen Orte Böhlen, Dürrweitzschen, Leipnitz, Ragewitz und Zschoppach einschloß und dem neugeschaffenen Landkreis Muldentalkreis angehörte. Dieser wurde im Jahr 2008 dem Landkreis Leipzig zugeschlagen.

Im Ergebnis der letzten Verwaltungsreformen schloß sich die Gemeinde Thümmlitzwalde schließlich ab 1. Januar 2011 der Großen Kreisstadt Grimma an.

  

 
 
 

Zur Geologie

  

Aus regionalgeologischer Sicht befinden wir uns hier in Ragewitz bereits nördlich des Granulitgebirges im Nordwestsächsischen Vulkanitkomplex. Der geologische Untergrund setzt sich hier vor allem aus oberkarbonischen und permischen Ergußgesteinen ‒ in erster Linie Porphyre und Porphyrtuffe (teils sogenannte Schweiß-Tuffe oder Ignimbrite) ‒ zusammen. Auch am Petersberg und am Landsberg nordwestlich von Halle ragen gleichartige Gesteine aus der Ebene und bilden markante Geländeerhebungen.

Porphyr (griech. für purpurfarben) ist eigentlich ein Sammelbegriff für verschiedene magmatische Gesteine. In der geologischen Fachsprache bezeichnet der Begriff Porphyr heute allerdings nur noch das Gefüge eines Gesteins und gilt nicht mehr für eine bestimmtes Gesteinsart (mineralienatlas.de). Porphyr bezeichnet also magmatische Effusivgesteine mit einer glasig- dichten oder sehr feinkörnigen Grundmasse und mit meist größeren Einsprenglingen von oft idiomorphen Kristallen.

Die alten Geologen benannten mit diesem Begriff in der Regel den Quarzporphyr, der chemisch und mineralogisch dem Rhyolith sehr nahe steht, aber durch schnelle Abkühlung beim Austritt der Laven an der Oberfläche sein porphyrisches Gefüge erhalten hat. Die Einspringlinge sind dabei quasi „unterwegs“ beim Aufstieg des Magmas im Vulkanschlot bereits erstarrt, während der Rest der Lava nach der Eruption ohne weitere Differenzierung zu einer mehr oder weniger homogenen Masse erstarrt ist. In solchen echten Lavagesteinen findet man häufig Fließtexturen. Der Rhyolith stellt dabei das Ergußäquivalent des Granits dar.

Als Ignimbrit bezeichnet man dagegen Schichten vulkanischer Aschen, wenn sie bei der Ablagerung noch so heiß waren, daß die Mineralkörnchen noch im plastischen Zustand gewesen sind und quasi „verklebten“, so daß sich nach dem Abkühlen wieder eine kompakt erscheinende Gesteinsmasse bildete. Solche Gesteine entstehen vorrangig als Ablagerungen pyroklastischer Ströme und nur bei eruptivem Vulkanismus aus zähflüssigen, quarzreichen Magmen. Unter dem Mikroskop findet man dann oft Y- förmige Körner in der Gesteinsmatrix, deren Form von zerplatzten Blasen in der Gesteinsschmelze herrührt.

  

Die ganze Region wurde schon in den nachfolgenden Jahrmillionen durch die Erosion wieder „abgehobelt“, so daß heute von den einstigen Vulkanen morphologisch nichts mehr zu sehen ist. Nur die Lavadecken füllen frühere Becken und Mulden bis heute aus.

Die markanteste Erhebung im Nordosten ‒ der Collm ‒ bildet dagegen eine Aufwölbung sehr alten Grundgebirges: Er besteht vorwiegend aus mehr als 450 Millionen Jahre alter, ordovizischer Grauwacke sowie aus Quarziten und Konglomeraten. Wahrscheinlich ragte er selbst in den Eiszeiten wie ein „Nunatak“ aus der Eisdecke heraus.

Unter den humiden Klimabedingungen des Tertiärs verwittern die Porphyre leicht und tiefgründig und es entstehen Tone und Lehme. Sind bereits primär wenig Eisen- haltige Minerale vorhanden oder werden diese durch Grundwässer gelöst und abgeführt, so entsteht auch der weiße Kaolinit. Bei Kemmlitz und bis heute im Tagebau Göpfersdorf bei Mügeln wird er für die Porzellanherstellung abgebaut. In dieser Zeit lagerten sich in sumpfigen Becken auch die Pflanzenreste ab, aus denen später die Braunkohlen entstanden sind.

In der Elster- und nochmals in der Saale- Kalkzeit wurde Nordsachsen dann von Gletschereis überfahren und erneut „geglättet“. Seitdem bilden nun im Westen zwischen Leipzig und Grimma Endmoränen der Saale- Kaltzeit die größten Erhebungen in dem flach zur Halle- Leipziger Tieflandsbucht hin abfallenden Tafelland.

Zwischen den Gletschereis- Vorstößen in den Warmzeiten und am Ende der letzten Kaltzeit lagerten die Schmelzwasserströme Sande und Kiese ab und der Wind überdeckte die Hochflächen mit feinkörnigen Sedimenten, die oft sehr kalkhaltig sind und als Löß bezeichnet werden. Sie bilden aufgrund ihres erhöhten Kalkgehaltes meist sehr gute Böden.

  

Einige Bemerkungen aus historischen Beschreibungen der Braunkohlen ‒ beginnend beim „Torf“ bis hin zur Erkennung ihrer wirklichen geologischen Entstehung haben wir auch in unserem Beitrag zu den Braunkohlenwerken bei  Tettau schon aus verschiedenen Quellen herausgezogen.

Bis zum Beginn der Industrialisierung nach der Einführung der Gewerbefreiheit in den 1830er Jahren spielte die Braunkohle als Brennstoff keine Rolle. Schon mit der zunehmenden Verknappung von Holz als wichtigstem Brennstoff im 18. Jahrhundert (damals u. a. noch verstärkt durch die „Kleine Eiszeit“) fanden dann aber neben den Steinkohlen auch die Braunkohlen zunehmend mehr Beachtung. Auch das wettinische Fürstenhaus sah sich veranlaßt, erstmals 1743 und danach erneut in den Jahren 1822 und 1830 mit den  Kohlenmandaten“ neue Regelungen für das Aufsuchen und den Abbau der Kohlen zu erlassen. Der industrielle Abbau begann um 1830 unter anderem in Bitterfeld nordöstlich von Halle, wo besonders mächtige Flöze in sehr geringer Tiefe anstanden, die leicht zu gewinnen waren.

Bis dahin waren die Vorkommen der Braunkohle bestenfalls zufällig bekannt geworden und wurden als geologische Merkwürdigkeiten ohne wirtschaftlichen Nutzen betrachtet. Erst nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) war die Not im Lande dann so groß, daß nicht nur die Bergakademie zu Freiberg zur wissenschaftlichen Beförderung der Rohstoffsicherung der sächsischen Industrie gegründet wurde; es wurde mit der ersten geognostischen Landesuntersuchung des damaligen Königreichs Sachsen auch damit begonnen, das Land systematisch nach nutzbaren Rohstoffen ‒ darunter auch nach Kohlen ‒ abzusuchen. Die Arbeiten wurden allerdings durch die bald darauf ausgebrochenen Napoleonischen Kriege sehr erschwert.

  

Auf allerhöchsten Befehl“ verfaßte Obereinfahrer Carl Amandus Kühn mit Datum vom 20. August 1818 einen Zwischenbericht zu den Resultaten der geognostischen Landesuntersuchung, namentlich zu den „aufgefundenen Lagerstätten gemeinnützlicher und besonders brennlicher Fossilien“ (40003, Nr. 59). Über das uns hier interessierende, zwischen der Elbe und der Freiberger Mulde gelegene Gebiet Sachsens schrieb er im Abschnitt C. Lagerstätten brennlicher Fossillien dieses Kapitels (Blatt 86ff):

§27.

b. zwischen dem Thümlitzwalde und den Ortschaften Scorditz, Döben, Neichen (vielleicht Nerchau?), Denkerwitz, Mutzschen, Radewitz, Börten, (unleserlich?), Doberschwitz pp. auf der rechten Seite der Freyberger und vereinigten Freyberger und Zwickauer Mulde.

Eine zweite große Parthie von Braunkohlengebirge verbreitet sich von der Gegend des Zankflecks im Thümlitzwalde und den Ortschaften Böhsen, Zschochau, Doberschwitz pp. am rechten Ufer der Freyberger Mulde, Leisnig gegenüber, aus, in Mitternacht und Mitternacht Morgen über die ganze Gegend zwischen den Ortschaften Skorditz, Döben, (?) Dankerwitz, Mutzschen, (?) und Börtewitz. Sie ziehen sich dabei mantelförmig um den hohen Rücken von Porphir und Grauwackengebirge herum, welcher sich in der Gegend zwischen Naunitz, Grechwitz, Golzern, (?) Grottewitz und Serka heraushebt.

Wirkliche Braunkohlen sind in dieser Gegend bereits an mehrern Punkten gefunden (?) worden.

So soll man die Kohlen unter anderem zwischen Doberschwitz und Dober...(?) am westlichen Gehänge dasigen Thales auf dem Grund und Boden des Begütherten Jacob Mehner (?) von ersterem Orte gespürt haben.

Dann sind dieselben angeblich am Zankflecke im Thümlitzwalde erbohrt worden.

Weiter in Mitternacht hat man sie in Klein Böhsig, im Brunnen des Begütherten Kurt, in 4 Ellen Teufe aus fast lauter Bituminösem Holze bestehend, 3 Ellen mächtig, befunden.

Im Dorfe Groß Böhsig hat man die Kohlen fast unmittelbar unter der Gebirgsoberfläche 14 Ellen stark getroffen, doch erlaubt hier die tiefe Lage derselben ihren Abbau nicht füglich.

Etwa 5 Minuten Wegs in Mittag Morgen vom Dorfe an einem, großentheils zu des Richters Schleks (?) Grund und Boden gehörigen Hügel wurden dieselben dagegen in einer höheren Lage gefunden. Hier sind sie jedoch nur 2 ½ bis höchstens 4 ½ Ellen stark und von 2 bis 7 Ellen Abraum bedeckt.

Ferner sind dieselben in Brösen, in des Begütherten Keller Brunnen, in 25 Ellen Teufe, ebenfalls aus fast lauter bituminösem Holze bestehend, 4 Ellen mächtig ersunken worden, ohne daß man in dieser Teufe deren Sohle oder Grund erreicht hätte.

Bei Haubitz, auf dessen Mittag Morgen Seite, fand man ferner den Punkt, wo das Kohlenlager dasiger Gegend am Porphir, der dort als isolirte Kuppe hervorstößt, zu Tage aussetzt.

Bei Grottewitz, nach Grechwitz hinab, hat man dieselben auf der Mitternachtsseite des dasigen, unter dem Namen des ,Kessels‘ bekannten, flachen Thals 6 bis 8 Ellen mächtig, meistens aus Erdkohle bestehend, ausgerichtet, und hier ist auf demselben bereits ein Kohlenwerk angelegt worden.

Bei Skorditz ist das Kohlenlager kürzlich unmittelbar im Dorfe, auf des Begütherten Johann Gottlieb Haferkorns Grund und Boden, bereits 10 Ellen mächtig und außer Erdkohle, welche deren Hauptmasse ausmacht, auch viel bituminöses Holz enthaltend, ausgerichtet worden und hat man die Sohle des Lagers hier nicht erreicht.

Von Skorditz ¼ Stunde gegen Mittag Abend am östlichen Rande des (?) Holzes wurde dieses Lager aber unter etwa 2 Ellen Abraum 11 Ellen stark durchbohrt.

Von hier setzen die Kohlen unbezweifelt ohne Unterbrechung nach Grechwitz und Naunitz zu fort, indem man sie in der Nähe ersteren Ortes auch längst schon gespürt hat.

Von dieser Gegend aus ziehen sie sich endlich wahrscheinlich noch ununterbrochen jenseits des oben angegebenen Porphirrückens über Neichen (?) hinaus fort.

Wenigstens wurden deren in Zetta von dem Gärtner Arnold im Jahre 1799 bei Grabung eines Brunnens in 16 Ellen Teufe ½ Elle mächtig durchsunken, und zu Nerchau scheint man dieselben ebenfalls getroffen zu haben. Nächstdem läßt auch die Beschaffenheit des Terrains ihre ununterbrochene Continuation bis zu besagter Gegend muthmaßen, daher man auch vielleicht würde hoffen können, in mehrerer Teufe ein mächtigeres und bauwürdiges Kohlenlager auszurichten.

Die Verbreitung der jetzt betrachteten Braunkohlenparthie gegen Morgen anlangend, so zeigen sich von denselben zuerst wieder Spuren bei (?) und zwischen Liptitz und Sitten.

Ferner hat der Gärtner Dieze zu Börtewitz in 1 Ellen Teufe ein Lager von bituminösem Holze und Erdkohlen von ½ Elle Mächtigkeit getroffen.

Endlich hat man zwischen Sornzig und Paschkowitz im Jahre 1796, als man, wiewohl vergeblich, Versuche nach Steinkohlen anstellte, in 24 Ellen Teufe ein 2, nach anderen Nachrichten aber gar nur ½ Elle mächtiges Lager von bituminösem Holze und Erdkohle ausgerichtet.

Hier scheint übrigens ein bedeutenderes Kohlenlager, als das bisher aufgefundene, wenigstens in solcher Teufe, welche dessen Abbau gestattet, nicht zu erwarten zu seyn, indem man noch über 20 Ellen tiefer gebohrt hat, ohne wieder Kohle zu treffen.

Letztere Data zusammengenommen möchte daher wohl hervorgehen, daß eine, sich zum bequemen Abbau eignende Lagerstätte von Braunkohlen nur im westlichen Theile der betrachteten Kohlengebirgsparthie aufzufinden seyn dürfte, denn in Paschkowitzer Flur würde man, wenn man auch in mehrerer Teufe noch ein mächtigeres Kohlenlager treffen sollte, dasselbe doch, der großen Teufe halber, nur bei sehr hohen Kohlenpreisen ohne Einbuße (?) abzubauen vermögen.

Vorzüglich geeignet zu Etablissements von Kohlenwerken dürften die Umgebungen von Skorditz, Groß Böhsig, Grottewitz, Doberschwitz seyn, in dem jedoch auch der Thümlitzwald eine nähere Untersuchung verdient; auch lassen Ihre Hohe Majestät alle diese Punkte bereits auf allerhöchstdero Kosten näher abbohren.

Inzwischen möchte auch die Gegend zwischen Zetta und Nerchau einer weiteren Verfolgung der daselbst getroffenen Spuren von Braunkohlen gewiß ebenso würdig und bedürftig seyn.“

Wie wir hieraus erfahren, sind meist eher zufällige Funde von Braunkohle dicht unter der Oberfläche in dieser Region bereits am Ende des 18. Jahrhunderts erfolgt. Ziemlich in der ganzen, hier betrachteten Region, namentlich auch bei Klein und Groß Pöhsig, haben solche Funde damals bereits stattgefunden. Zu der Zeit, als Carl Amandus Kühn diesen Bericht verfaßte – also vor 1818 – wurden offenbar sogar auf Kosten des sächsischen Staatsfiskus Bohrungen zur Erkundung bauwürdiger Kohlenvorkommen ausgeführt.

Seine ausführliche Beschreibung und die – daraus zu schließende – gute Ortskenntnis des Herrn Kühn steht sicherlich auch mit einer  Relation in Zusammenhang, die er nur kurze Zeit vorher (im Jahr 1817) zu dieser Region selbst verfaßt hatte.

Ein Nachtrag zu diesem Bericht (40003, Nr. 97, Rückseite Blatt 39ff) aus dem Jahr 1824 und aus der Feder von Herrmann Köhler geht insbesondere auf die Aufschlüsse in der Lausitz ein, nennt uns speziell zum Stand der Erkundung und Aufsuchung von Braunkohlen bei Ragewitz aber noch keine Neuigkeiten.

  


Wie einfach ein solches Handbohrgerät Anfang des 19. Jahrhunderts ausgesehen und funktioniert hat, zeigt diese Zeichnung. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40003 (Geognostische Landesuntersuchung), Nr. 177, Blatt 73a, Gesamtansicht.

 Digitalisat: archiv.sachsen.de

    

Nach dem Wiener Kongreß 1815 hatte das Königreich Sachsen erneut große Gebiete im Norden an Preußen verloren. Schließlich wurde diese erste geologische Landesuntersuchung aber doch abgeschlossen und Carl Friedrich Naumann faßte 1836 die Ergebnisse in der Region östlich der Vereinigten Mulde in seinen Erläuterungen zum Blatt XIV der geognostischen Karten (Heft 1 ab S. 161) wie folgt zusammen:

Siebentes Capitel.
Die Braunkohlen- Ablagerungen im Gebiete
von Section
XIV.

Braunkohlen finden sich an vielen Punkten im Gebiete von Section XIV, zumal in der Gegend von Colditz und Grimma, ferner bei Frohburg, Borna, Lobstädt, Altenburg und Mittweida. Sie scheinen großentheils einer ziemlich neuen Bildung anzugehören, wie dies sowohl ihre häufige Ablagerung in Schluchten und kleineren Thälern, als auch die Beschaffenheit der sie begleitenden Grus- und Sandlager, so wie endlich die zuweilen vorkommenden, noch erkennbaren Pflanzentheile beweisen möchten.*) Aus ihren Lagerungsverhältnissen zu älteren oder jüngeren Formationen läßt sich deshalb keine genügende Bestimmung entnehmen, weil bunter Sandstein die nächst ältere, und Diluvialgeröll die nächst jüngere Bildung ist, welche man überhaupt in der Nähe dieser Braunkohlen- Ablagerungen kennt...

In der Fußnote heißt es: „*) Haselnüsse sollen sich nach den vielfaltigen Aussagen der Arbeiter bisweilen in der Braunkohle bei Mittweida vorfinden; Heidekraut und Birkenrinde kommt angeblich bei Scoplau häufig vor.

Ob es sich hier tatsächlich um die uns heute bekannten Haselnüsse handelte, sei dahingestellt. Pflanzenreste jedenfalls sind der Grundbestandteil der Braunkohlen.

  


Ausschnitt aus Blatt
XIV der geogostischen Karten Sachsens. Links liegt Grimma im Tal der Vereinigten Mulde. Die rot gekennzeichneten Flächen stellen - zumeist entlang der Talgehänge - durch die Erosion freigelegte Ausstriche der Rotliegend- Porphyre bzw. Porphyrtuffe dar, während sich auf den Hochflächen tertiäre Ablagerungen (gelb und - wenn sie Kohle führten - braun markiert) erhalten haben.

      

Zur der uns hier interessierenden Region heißt es bei Naumann weiter:

Braunkohlen bei Colditz und Grimma.

Das Braunkohlenlager von Scoplau zeichnet sich durch Mächtigkeit, Ausdehnung und besondere Güte der Kohle vor allen Lagern der Umgegend aus. Auf dem Königlichen Werke ist es bis 14 Ellen mächtig, und läßt von unten nach oben folgende Schichten unterscheiden:

a) 4 Ellen laubige Kohle (Papierkohle?); sie besteht aus Blättern und Grasstängeln, welche, innig durch einander gewebt, eine Art von blättrigem Filz bilden, der im feuchten Zustande fett und zähe, im trocknen Zustande sehr spröde und zerbrechlich ist;

b) 8 Ellen holzige Kohle, aus mehr oder weniger zerkleinten Holztheilen bestehend, unter denen jedoch auch viele größere Stammstücke vorkommen, die als bituminöses Holz besonders ausgehalten und scheffelweise verkauft werden;

c) 2 Ellen rothe Kohle, von der vorigen fast nur durch eine mehr röthlich- braune Farbe unterschieden.

Diese Sorten werden bei der Gewinnung abgesondert und bei der Verarbeitung zu Ziegeln in bestimmten Verhältnissen gemengt, weil die laubige Kohle zwar gut bindet, aber für sich allein schlecht brennt.

Kleine Gypskrystalle und Anflug von Eisenkies kommen häufig vor, selten Spuren von Bernstein. Ueber und unter dem Flötze liegt zunächst ein sehr fetter, weißer, aschgrauer oder bläulich- grauer Thon; der obere Thon wird von einer mächtigen Lehmablagerung bedeckt, der untere Thon dagegen von groben Sand- und Geröllmassen unterteuft, welche unmittelbar dem Porphyr aufliegen.

Von Scoplau zieht sich diese Braunkohlen- Ablagerung über Commichau bis gegen Podelwitz, woselbst einige Privatwerke betrieben werden. Sie wird von vielen kleinen Schluchten durchschnitten, an deren Gehängen daher das Lager ausstreicht, während in der Tiefe die Kohle fehlt, ja zuweilen selbst der Porphyr hervortritt.

Westlich von Scoplau findet sich das nicht unbedeutende, und durch mehre Baue aufgeschlossene Lager von Zschadras, welches sich nach NO. in drei schwächere Lager zerschlagen, und nahe am Podelwitzer Thale gänzlich auskeilen soll.

 


Ausschnittsvergrößerung aus der geognostischen Karte oben: Die 1836 bekannten Braunkohlenlager nordöstlich von Colditz. Braunkohlenlager innerhalb der Tertiär- Sedimente sind - wie naheliegend - mit brauner Farbe gekennzeichnet.

  

Weiter heißt es 1836:

Bei Zschirla ist neuerdings ein ziemlich mächtiges, aber in seiner Ausdehnung wahrscheinlich sehr beschränktes Braunkohlenlager erbohrt worden.

Im Thümmlitzer Walde, südlich von Leipnitz wird das jetzt verpachtete Königliche Braunkohlenwerk auf einem bis 8 Ellen mächtigen Lager betrieben, welches gleiche Beschaffenheit mit dem Scoplau'er Lager zeigt. Seine Ausdehnung ist zum Theil durch mehre Bohrlöcher ermittelt worden. Die Nachrichten über angeblich in Leipnitz und nördlich von Seidewitz vorkommende Braunkohlen scheinen zu unsicher, als daß sie in der Charte berücksichtigt werden konnten.

In und bei dem Dorfe Scorditz liegt ein, theils 8, theils auch nur 4 Ellen mächtiges Braunkohlenlager.

Eine ziemlich ausgedehnte Kohlenpartie ist die bei Bresen, welche zu den Dörfern Grottewitz, Golzern, Grechwitz und Bresen gehört, meist aus bituminösem Holze besteht, und 6 - 10, jedoch nordwestlich von Bresen nur 2 - 4 Ellen Mächtigkeit erreicht.

Endlich sollen noch, theils durch Bohrversuche, theils durch Brunnengrabungen, in Groß-Böhsig, Dürrweitzschen, bei Kadizsch, Zöhda und zwischen Doberschwitz und Korbitzsch unbedeutende Ablagerungen von Braunkohlen ermittelt worden sein.“

Mit Groß- Böhsig meinte Naumann den nördlichen Ortsteil des heutigen Dorfes Pöhsig südwestlich von Ragewitz. Der Ort Ragewitz selbst wurde dagegen von Carl Friedrich Naumann noch nicht erwähnt.

  


Ausschnitt aus der geognostischen Karte oben mit der Region zwischen Haubitz, Ragewitz, Leipnitz und Skorditz östlich von Grimma. Mit gelber Farbe sind Ausstriche von Tertiär- Ablagerungen - zumeist Sande, Lehme und Tone - markiert; braun die seinerzeit bekannten Braunkohlenlager.

      

Carl Friedrich Zincken führte 1867 in seinem Hauptwerk Die Braunkohle und ihre Verwendung, Erster Theil: Die Physiographie der Braunkohle, die ihm damals bekannten Fundorte der Braunkohle, respektive deren Gewinnungspunkte nach Ländern geordnet mehr oder weniger ausführlich beschrieben auf.

Darin finden wir beim Königreich Sachsen (Bezirk Leipzig) ab S. 566 auch die uns interessierende Gegend und ‒ wenngleich etwas ungeordnet und nur mit sehr wenigen Angaben ‒ u. a. die Orte Karditsch bei Grimma, Grottewitz, Golzern, Bröhsen, Grechwitz, Pöhsig, Döben, bei Colditz Skoplau, Commichau und Podelwitz, „Leibnitz und Keiselwitz am nördlichen Rande des Timlitzwaldes“, sowie Zschadrass, Collmen und Zschirla.

Ragewitz dagegen ist auch hier noch nicht aufgeführt.

   

Noch einige Jahrzehnte später erschienen die ersten Geologischen Karten für das Königreich Sachsen auf Basis der Äquidistantenkarten. Unsere Region liegt gerade an der Grenze der Kartenblätter No. 28: Section Grimma- Trebsen und No. 29: Section Mutzschen, wobei Pöhsig und Ragewitz auf dem Blatt 29 liegen. Die erste Auflage dieses Kartenblattes wurde 1884 gedruckt. Im zugehörigen Erläuterungsheft schrieb der Geologe Thomas Siegert über die Tertiär- Ablagerungen:

II. Das Oligocän.
(Die Braunkohlenformation.)

(Vergl. Sect. Grimma S. 41-54, Sect. Colditz S. 30-88, Sect. Leisnig S. 63-69).

Von der nordsächsischen Oligocän- oder Braunkohlenformation ist innerhalb der Section Mutzschen nur die unterste Stufe zur Entwickelung gelangt, zeigt aber hier im Vergleich zu der Nachbarsection Grimma eine viel geringere Mächtigkeit und Verbreitung.

Dass letztere früher eine viel beträchtlichere gewesen sein muss und erst in Folge einer tief eingreifenden Erosion stark reducirt worden ist, wird unter Anderem durch die Menge der weissen Quarzgerölle, sowie der Knollensteine bewiesen, welche sich in dem Diluvium vorfinden.

Am vollständigsten ausgebildet und durch die Führung eines abbauwürdigen Braunkohlenflötzes ausgezeichnet, kommt diese Formation in der südwestlichen Partie der Section, nehmlich in den Umgebungen von Ragewitz, Pöhsig, Dürrweitzschen und Ostrau vor. Ihre nächstmächtigen Ablagerungen gehören der Umgegend von Wermsdorf und Mahlis an; ein weiteres, jedoch sehr undeutliches und unbedeutendes Vorkommen von Tertiärthon ist bei Fremdiswalde nahe der Nordwestecke des Blattes vorhanden und endlich sind im südöstlichen Theile der Section, nehmlich bei Pelsen und südöstlich von Kroptewitz theils hell-, theils dunkelgraue Thone erbohrt worden, welche der Knollensteinzone angehören.

Die untere Stufe des Oligocäns gliedert sich auf Section Mutzschen von oben nach unten wie folgt:

a. Die oberen Sande und Thone (o2);

b. Das Hauptbraunkohlenflötz (ob1);

c. Die unteren Sande und Thone; Knollensteinzone (o1).“

  


Ausschnitte aus dem Blatt 28 (links) von 1884 und dem Blatt 29 (rechts) der geologischen Karten von Sachsen. Georeferenzierung durch das Virtuelle Kartenforum der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden. In dieser Kartensammlung ist leider nur die Ausgabe des Jahres 1912 vom Blatt 29 hinterlegt; die beiden Ausschnitte differieren also zeitlich um fast 30 Jahre. Die braunen Dreiecke südlich von Ragewitz markieren Bohrungen, in denen in dieser Zeitspanne Braunkohle nachgewiesen worden ist.

   

Siegert schreibt weiter:

a. Die Sande und Thone der Knollensteinzone (o1) sind am besten bei Ostrau und Motterwitz nahe an der südlichen Grenze der Section, sowie nördlich von Mahlis aufgeschlossen. Sie bestehen bei den erstgenannten Orten wesentlich aus einem fetten, hellgrau bis graubraun gefärbten, an der Luft bleichenden und fast weiss werdenden Thone, dessen Mächtigkeit bei Ostrau bis über 20 m steigt. Er wird theils zu feuerfesten Ziegeln und Drainröhren, theils zu Steingut verarbeitet. Ueber ihm liegt stellenweise ein 0,5 bis 1 m mächtiger dunkelbrauner Thon und über diesem eine 1 bis 2 m starke Schicht von weissem bis grauem Kies und Sand, von denen der erstere fast nur aus haselnussgrossen Geröllen von weissem Quarz und schwarzem Kieselschiefer besteht, während der letztere zahlreiche wohlausgebildete Quarzdihexaederchen mit meist noch glänzenden Flächen und scharfen Ecken und Kanten führt, welche aus dem benachbarten Quarzporphyr stammen…“

   


Einen solchen Knollenstein (oligozäner Braunkohlen- oder Süßwasserquarzit) vom Burgberg bei Grimma-Hohnstädt, auf der Flur des ehemaligen Rittergutes, hat Max Nowak um 1930 gefunden und fotografiert.

 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/72044972

  

Uns interessieren hier natürlich vor allem die Braunkohlenlager, über die es in dieser Quelle heißt:

b. Das Hauptbraunkohlenflötz (ob1) besteht unten vorherrschend aus Knorpel- oder Stückkohle, oben aus Mulm- oder Streichkohle. Die Stückkohle ist, zumal gegen die liegende Grenze hin, reich an Stämmen, welche nur vereinzelt noch aufrecht stehen, sondern in der Regel horizontal liegen, mehr oder weniger brettartig zusammengedrückt sind und fast nur Cupressoxylon Protolarix GÖPP. angehören, weit seltener von Palmacites Daemonorhops UNGER abstammen.

Diese Beschaffenheit des Flötzes scheint jedoch nicht überall gleich zu bleiben, denn ganz in der Nähe des östlichsten Gutes von Pöhsig wurde dasselbe am rechten Thalgehänge in 2 - 3 m Mächtigkeit aufgeschlossen, bestand aber nur aus mulmiger Kohle, deren Abbau wegen dieser ungünstigen Beschaffenheit unterblieb. Bei Dürrweitzschen, wo im Anfang des vorigen Jahrzehntes eine zeitlang Braunkohle gefördert wurde, besteht das Flötz zwar auch zumeist aus Mulmkohle, führte aber doch, wie bei Ragewitz, zu unterst viele Stämme.  

Die Mächtigkeit des Flötzes zeigt bedeutende Schwankungen.

In der einzigen, noch gangbaren, zu Ragewitz gehörigen, Schippan'schen Grube beträgt die Flötzstärke meist 7 - 8 m, kann aber durch Verdrückungen auch bis auf 4 m herabsinken. In den verlassenen Tagebauen am südlichen Gehänge des dortigen Thälchens soll das Flötz nach Süden hin an Mächtigkeit bedeutend verloren haben. Nach Westen zu ist es bei Pöhsig mit nur 2,5 m und in dem alten Schachte bei Dürrweitzschen mit kaum 2 m Mächtigkeit angetroffen worden, hat sich aber in nördlicher Richtung wieder auf etwa 5 m verstärkt.

Die Lagerung des Flötzes ist bei Ragewitz und Pöhsig eine fast horizontale, nur ganz schwach nach Westen geneigte; bei Dürrweitzschen findet ein sehr flaches Einfallen nach Süd statt.

Sein Liegendes ist nur in der Schippan'schen Grube erreicht worden und besteht hier aus einem dichten, festen Sandstein von nur geringer Mächtigkeit, welcher den ihm unterlagemden wasserreichen Schwimmsand nach oben hin vollkommen abschliesst.“

  


Ausschnitt aus dem Blatt 29: Section Mutzschen der Geologischen Karten des Königreichs Sachsen, 1. Auflage von 1884. Das Schippan'sche Braunkohlenwerk im Tal südlich von Ragewitz, die Grube Aline, ist hier verzeichnet, auch noch die vormals Gerber’schen Tagebaue westlich der Grube Aline. Die Grube Flora nördlich von Ragewitz am Rohrberg gab es 1884 noch nicht.

    


Ausschnitt aus einem Profilschnitt auf o. g. Kartenblatt. In der Sohle der Tagebaue der Ziegeltongrube hatte man das Flöz aufgeschlossen und zunächst von dort aus abgebaut. Mit d1, d2 und d3 sind die Schichten der dilluvialen (eiszeitlichen) Sedimentdecke bezeichnet.

  

Schließlich schreibt Siegert noch über den oberen Horizont der Tertiärsedimente:

c. Die hangenden Schichten über der Braunkohle bestehen in der Schippan'schen Grube von unten nach oben aus 0,5 bis 1 m mächtigem, rothbraun bis schwarzbraun gefärbtem, fettem Thon, 2 m grauem bis braunem, thonigem Sand und gegen 2 m mehr oder weniger feinem, meist schneeweissem, stellenweise grau bis braun gestreiftem oder auch wohl durchaus braun gefärbtem Sand. In der Täschner'schen Sandgrube nahe bei Pöhsig enthält der blendendweisse, feine Sand zahlreiche Glimmerblättchen und ist bis auf 2 m Tiefe aufgeschlossen.

Die oft nicht unbedeutenden Unebenheiten in der Oberfläche des Braunkohlenflötzes werden durch diese hangenden Schichten allmählich vollkommen ausgeglichen.“

   

Wie schon erwähnt, gibt es von diesem Kartenblatt eine zweite Auflage aus dem Jahr 1912. Die zugehörigen Erläuterungen erschienen 1916 und wurden von E. Danzig neu bearbeitet. Natürlich ist der geologische Aufbau derselbe geblieben und so beschreibt auch dieser Geologe die Braunkohlenvorkommen im Kapitel:

II. Das Oligocän.
(Die Braunkohlenformation)*

Ablagerungen des Oligocäns sind an verschiedenen Stellen des Blattes Mutzschen vorhanden, zeigen aber hier im Vergleich mit dem Nachbarblatt Grimma- Trebsen eine geringere Mächtigkeit und Verbreitung**…

Aufgrund der gewachsenen Erfahrungen bei der Suche nach den Braunkohlenlagern notierte Danzig jetzt in zwei Fußnoten dazu:

*) vgl. F. Etzold, Die Braunkohlenformation Nordwestsachsens, Leipzig, 1912  

**) Wenn die Erosion auch stark an den tertiären Ablagerungen gearbeitet hat, so sind die aufgezählten Vorkommnisse sowie diejenigen der Nachbarblätter doch keinesfalls als Reste einer ursprünglich einheitlichen Decke anzusehen. Insbesondere handelt es sich nach den vorhandenen Bohr- und Schachtprofilen bei diesen Braunkohlenvorkommnissen um selbständige, isolierte Bildungen in kleinen Becken. Bei dem Mangel an tierischen Resten einerseits und dem übereinstimmenden Aufbau des gesamten sächsischen Tertiärs andrerseits kann die Gleichalterigkeit des Ragewitzer Flözes und des Hauptbraunkohlenflözes Nordwestsachsens nicht mit Sicherheit erwiesen werden. ETZOLD weist darauf hin, daß jenes Flöz nach seiner Höhenlage, Beschaffenheit (mulmig in den oberen, lignitisch in den unteren Lagen) und dem Deckgebirge mit dem oberen Flöz von Haubitz und Grottewitz auf Blatt Grimma- Trebsen zusammengebracht werden und miocänes Alter haben könnte.

 

Franz Etzold, auf dessen Veröffentlichung sich Danzig hier bezog, ist der Verfasser eines zusammenfassenden Sonderheftes zur Braunkohlengeologie in Nordwestsachsen, welches innerhalb der Reihe der Erläuterungshefte zu den einzelnen geologischen Kartenblättern im Jahr 1912 erschienen ist. Darin führte Etzold Die isolierten Braunkohlenvorkommnisse im Süden und Osten der Leipzig- Borna'er Hauptbraunkohlenmulde in einem gesonderten Kapitel auf und widmete einen speziellen Abschnitt der „Braunkohle von Pöhsig und Ragewitz.“

Demnach sei Braunkohlenabbau bei Pöhsig schon von B. Geinitz und Freiesleben erwähnt worden, wobei sich allerdings „die Örtlichkeit, auf welche sich alle diese Angaben beziehen, ...sich mit absoluter Sicherheit nicht feststellen“ ließe. „Als Siegert 1883 die Sektion Mutzschen kartierte, war dicht östlich vom letzten Gute in Großpöhsig am rechten Gehänge des Pfannkuchenbaches ein 2-3 m mächtiges Braunkohlenflöz erschlossen, bestand aber nur aus mulmiger Kohle, deren Abbau wegen dieser ungünstigen Beschaffenheit unterblieb. Dieses Vorkommnis könnte wohl mit dem von Geinitz erwähnten identisch sein... Weiter aufwärts befanden sich im J. 1883 am linken Talgehänge auflässige (zurzeit völlig verfallene) Braunkohlengruben...“

Am oberen Ende des Pfannkuchentales nahe der Leisnig- Grimma'er Chaussee endlich war durch Schippan's Braunkohlenwerk (die jetzige Alinengrube) von oben nach unten aufgeschlossen:

1 - 2 m Löß
1 - 2 m brauner, sandiger Geschiebelehm
3 - 4 m rotgelber, mittelfeiner Glazialkies
2 m tertiärer, weißer Sand
2 m grauer bis brauner, toniger Sand
0,5 - 1 m rot- bis schwarzbrauner, fetter Ton
4 - 8 m Braunkohle
  schwacher Sandstein und weißer Schwimmsand.

In neuerer Zeit ist beim Bau einer Fassung für das Pöhsig'er Wasserwerk 3 m unter Tage Braunkohle angetroffen worden. Ferner haben Bohrungen gezeigt, daß nahe am Südrande des Dorfes Ragewitz die Braunkohle vollständig fehlt oder bauwürdige Mächtigkeit nicht erreicht, dagegen östlich von diesem Dorfe zu der beträchtlichen Mächtigkeit von 7-9,5 m anschwillt.

In der Gegend der Floragrube nordöstlich von Ragewitz nach Prösitz hin... wurde folgende Schichtenfolge angetroffen:

8 m Löß
4 m sandiger Geschiebelehm
2 m Letten und blauer Ton
1 m Sand und Kies
4 m Ton mit Kohlespuren 
9,5 m Braunkohle

Unter der Braunkohle lagert lokal ein durch Kohlebestandteile schwärzlich gefärbter Sand, zumeist aber ,Schamotte-Ton´, welcher nach unten rasch fest wird, also wahrscheinlich kaolinisch verwitterter Porphyr ist...

Die Höhenlage der Sohlfläche des Braunkohlenflözes schwankt dort zwischen 203 und 206 m. Auch im Pfannkuchentale steigt das Flöz kaum unter 200 m über NN. herab. Bei dieser auffällig hohen Lage des Ragewitz- Pöhsiger Braunkohlenflözes muß es als wahrscheinlich gelten, daß dasselbe zu dem oberen Braunkohlenhorizont östlich von Grimma gehört...“

  


Ausschnitt aus der Tafel
I: Verbreitung der flözführenden Braunkohlenformation, der Beilagen zu Etzold's Sonderheft zur Braunkohlengeologie in Nordwestsachsen mit der uns interessierenden Region, die ganz am östlichen Rand des Kartenblattes gerade noch enthalten ist. Die Nummern 44 und 45 bezeichnen die Schippan'schen Gruben Aline und Flora. Interessant ist, daß Etzold schon zu dieser Zeit vermutete, daß das Braunkohlenflöz sich noch weit nach Südosten in Richtung Nauberg und Dürrweitzschen erstrecke...

Link zum Digitalisat: http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90009190

    

Als ersten Einblick in die lokale Bergbaugeschichte gibt uns Etzold noch die folgenden Hinweise:

Die Ragewitzer Braunkohle ist ganz vorwiegend erdig ‒ auf 150 hl Kohle wird nur 1 hl Lignit gerechnet ‒ und deshalb zur Naßpreßsteinfabrikation wohl geeignet. Zu dauernder Blüte sind dort die Schippan'schen Braunkohlenwerke gelangt, deren südwestlich vom Dorfe gelegene Grube, die derzeitige Alinengrube, bereits 1868 bestand und fast immer ein Ausbringen von 2.000-4.000 t im Jahr gehabt hat. Noch günstiger hat sich die 1899 nordöstlich vom Dorf errichtete, demselben Besitzer gehörige Floragrube entwickelt, welche zurzeit im Jahr fast 20.000 t Braunkohle ausbringt und hauptsächlich zu Naßpreßsteinen verarbeitet.

Auf Pöhsig'er Flur ruht der Bergbau seit 1876. Die Förderung daselbst ist nie eine bedeutende gewesen, nur im Jahre 1873 sind über 1.000 t ausgebracht worden.

Letzteres können wir anhand unserer Recherchen bestätigen. Da die Alinengrube zwischenzeitlich in erster Linie den Eigenbedarf der Schippan'schen Ziegelei deckte, lag die Förderung in den ersten Jahrzehnten aber auch hier deutlich unter 1.000 t im Jahr ‒ aber darauf kommen wir noch genauer zu sprechen.

  

Von montanhistorischem Interesse ist noch, daß die „Knollensteine inzwischen auch wirtschaftlich genutzt wurden. Es heißt dazu bei E. Danzig 1916:

a) Die untere Stufe (Stufe der Knollensteine, o1) ist am besten bei Ostrau sowie in der Ziegelei nördlich von Mahlis aufgeschlossen. Bei Ostrau besteht sie wesentlich aus einem fetten, hellgrauen bis graubraunen, an der Luft ausbleichenden, in den oberen Lagen auch schwarz gefärbten Ton, dessen Mächtigkeit bis über 20 m beträgt. Diesem Ton gegenüber erscheinen sandig- kiesige Ablagerungen nur untergeordnet…

Eine bedeutende Entwickelung erlangen in dieser Stufe auf Blatt Mutzschen die unter dem Namen Braunkohlenquarzite oder Knollensteine bekannten, durch ihre Härte und Widerstandsfähigkeit gegen die Atmosphärilien ausgezeichneten und ihre oft bizarren Formen höchst auffälligen Quarzsandsteine. In ihren Dimensionen unterliegen dieselben den größten Schwankungen…

Nachdem man in neuerer Zeit den großen technischen Wert dieser Quarzite für die Herstellung der in der Eisen- und Stahlindustrie benutzten feuerfesten Ziegel, der sogenannten Dinassteine, erkannt hat, werden die Knollensteine eifrig gesammelt, in mehreren Gruben bei Wermsdorf und Mahlis durch Bruchbetrieb gewonnen und weithin versandt…

Dem mikroskopischen Befund zufolge stellen also diese Knollensteine den nachträglich durch Kieselsäure verfestigten, von Ton befreiten Schlämmrückstand kaolinisierter Quarzporphyre dar…“

   

Uns interessiert natürlich vorrangig das Braunkohlenlager, über welches im Jahr 1916 bei Danzig zu lesen steht:

b) Das Braunkohlenflöz (ob1) im südwestlichen Blattanteil ist zur Zeit nur bei Ragewitz, und zwar sowohl durch ausgedehnten Bergbau wie auch über Tage durch die dortige Ziegeleigrube aufgeschlossen. Es besteht daselbst im basalen Teil aus holziger Knorpel- oder Stückkohle, nach oben zu so vorherrschend aus Mulm- oder Streichkohle, daß auf 150 hl Kohle nur 1 hl Lignit gerechnet wird.

Die Stückkohle ist, zumal gegen die liegende Grenze hin, reich an Stämmen, welche nur vereinzelt aufrecht stehen, in der Regel vielmehr horizontal liegen, mehr oder weniger brettartig zusammengedrückt sind und fast nur Sequoia Couttsiae HEER angehören, während Reste von Palmacites Daemonorphos UNGER weit seltener sind. Ganz in der Nähe des östlichsten Gutes von Pöhsig, wo die Kohle früher am rechten Talgehänge aufgeschlossen war, unterblieb deren Abbau wegen der durchaus mulmigen, den damaligen Ansprüchen nicht genügenden Beschaffenheit.

Das Braunkohlenflöz von Ragewitz nimmt, wie die auf der Karte verzeichneten Tagebaue, Bohrungen und die durch fortschreitenden unterirdischen Abbau verursachten, durch senkrechte Schraffierung gekennzeichneten Bruchfelder dartun, ein nicht unbeträchtliches, in seinen äußersten Grenzen gegenwärtig noch nicht durchweg genau bekanntes, aber über das Dorf weg sicher 1.500 m weit von Norden nach Süden reichendes Areal ein. Von dem nordöstlich von Ragewitz gelegenenn Förderschacht aus ist es einige hundert Meter weit nach Nordosten und etwa 500 m weit nach Norden und Westen zu verfolgt worden. In der letztern Richtung sank die Mächtigkeit auf 2-3 m, gleichzeitig wurde die Kohle so unrein, daß von einer weiteren Gewinnung abgesehen werden mußte. Südwestlich vom Schacht in Ragewitz verläuft die Grenze des Flözes dicht westlich der das Dorf von Norden nach Süden durchziehenden Straße und mit dieser parallel. Die Mächtigkeit nimmt nach dieser Seite hin rasch ab. Sie beträgt am Schacht und ebenso in einem am südwestlichen Ende von Ragewitz angesetzten Bohrloch (Nr.105) gegen 10 m, 100-150 m westlich des letzteren und der Straße (Nr. 108) nur noch 1 m.

Südlich von Ragewitz setzt sich das Flöz unter einem bis 15 m mächtigen Deckgebirge (Nr. 106) zunächst bis zu dem 900 m vom Schacht entfernen Tagebau fort. Von hier aus erstreckt es sich anscheinend zungenförmig über 1 km weit nach Westen bis zum östlichen Ende von Pöhsig, wo es in dem oben genannten Aufschluß am nördlichen Talgehänge 2,5 m mächtig angetroffen und etwas östlich von dem Punkte 3 m unter der Sohle des Tales erreicht wurde. An der südlichen Talseite ist das Flöz ehemals in mehreren Gruben übertage abgebaut worden, wobei sich ebenso wie bei dem gegenwärtig südlich der Ziegeleigrube umgehenden Bergbau ergab, daß es nach Süden zu an Mächtigkeit bedeutend verliert. Während es sich nämlich in diesen Gruben 7-8 m mächtig zeigt, besitzt es bereits 200 m südlich derselben nur noch eine Mächtigkeit von 2 m und verliert damit die Bauwürdigkeit. Über die Ausdehnung und Mächtigkeit im Südosten und Osten der Floragrube liegen zur Zeit noch keine näheren Angaben vor.

Das Liegende des Ragewitzer Braunkohlenflözes besteht in der Ziegeleigrube aus einem wenig mächtigen, dichten, festen Sandstein, welcher den ihn unterlagernden wasserreichen Schwimmsand nach oben vollkommen abschließt. Dicht bei Ragewitz folgt nach den … mitgeteilten Bohrungen unter dem Flöz wasserführender Sand, unterlagert von Ton, oder auch direkt der letztere…

Außer bei Ragewitz- Pöhsig ist das Braunkohlenflöz nördlich von Dürrweitzschen nachgewiesen und im Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts (also 1870) eine Zeitlang abgebaut worden. Es bestand auch hier aus mulmiger Kohle, in der nur an der Basis viele Stämme lagen. Seine Mächtigkeit betrug in dem angelegten Schachte kaum 2 m, verstärkte sich aber in nördlicher Richtung auf etwa 5 m. Sein Einfallen war ein flach nach Süden gerichtetes.“

  


Ausschnitt aus dem Blatt 29: Section Mutzschen der Geologischen Karten des Königreichs Sachsen, 2. Auflage von 1912. Das Braunkohlenwerk im Tal südlich von Ragewitz, die Grube Aline, ist noch verzeichnet; die zwei einzelnen Tagebaue westlich der Aline sind inzwischen zu einem größeren Tagebau „zusammengewachsen“ und werden nur noch durch eine schmale Abraumhalde getrennt. Nördlich von Ragewitz ist nun auch die Grube Flora hinzugekommen. Beiderseits der Straße nach Norden (der sogenannte Cannewitzer Graben ist heute nur noch ein Wirtschaftsweg) sind durch die senkrechte Schraffur Bruchfelder und damit der damals gerade aktuelle Abbaubereich angedeutet.

   


Die nahezu horizontale Lagerung der tertiären Schichten und deren Überdeckung mit pleistozänen Sedimenten im Bereich der Grube Flora in der Profildarstellung auf der geologischen Karte. Dabei bedeuten d1v... Altdiluviale (glaziale) Kiese und Sande mit nordischem Material, d2... Geschiebelehm bzw. Geschiebemergel und alles oben überdeckt von d4... Löß bzw. Lößlehm. o1... tertiäre (oligozäne) Sande und Kiese mit dem Braunkohlenflöz.

  

Der Vollständigkeit halber zitieren wir auch noch, was Danzig über das Hangende der Kohlen des Berichtens für notwendig erachtete:

c) Die obere Stufe (o2).

Unmittelbar über dem Braunkohlenflöz folgt in der Regel ein mit kohligen Beimengungen imprägnierter, daher schwärzlicher Ton („Kohlenton“), darüber toniger oder auch reiner, weißer, stellenweise grau bis braun gestreifter oder ganz braun gefärbter, nicht selten weiße Glimmerblättchen führender Sand. Derselbe weist am südlichen Gehänge des Pöhsiger Tales eine Mächtigkeit von etwa 8 m auf und ist südlich vom „g“ in „Pöhsig“ in einer gegen 2 m mächtigen Bank zu einem fein- und gleichmäßigkörnigen, weichen Sandstein verfestigt…“

   

Hinzuzufügen bleibt noch, daß nach neueren geologisch- stratigraphischen Untersuchungen und Auswertung alter Unterlagen ‒ denn die einst zahlreichen Großtagebaue, in denen die Schichtenfolgen besonders gut aufgeschlossen und damit der Untersuchung zugänglich waren, sind ja fast alle inzwischen stillgelegt und geflutet ‒ die Braunkohlen im Raum östlich der Mulde in das Oberoligozän bis Untermiozän, genauer in die Cottbus- und Spremberg- Formation, gestellt werden (Stadke et al., 2010). Sie sind vor etwa 24 bis 29 Millionen Jahren abgelagert worden.

Trotz mehrfacher Meeresspiegelschwankungen verschob sich im Laufe des Tertiärs die Küstenlinie (und damit auch die großen, paralischen Vermoorungsareale) tendenziell immer weiter nach Norden. Außerhalb des geschlossenen Verbreitungsgebietes der oligozänen Sedimente in Nordwestsachsen bestehen jedoch eine ganze Reihe kleiner, inselartiger Reliktvorkommen; die größten davon in einem etwa 14 km langen Streifen zwischen Colditz und Mutzschen. Sie werden heute ‒ im Gegensatz zu Danzig's Meinung im Jahr  1912 ‒ doch wieder als Erosionsreste eines ehemals zusammenhängenden Verbreitungsgebietes interpretiert, die aufgrund ihrer ursprünglich im Relief abgesenkten Position in beckenartigen Eintiefungen des prätertiären Untergrundes von der nachfolgenden Erosion verschont geblieben sind. Sie liegen hier gewöhnlich dem Prätertiär direkt auf, was belegt, daß sie in diesem Gebiet die frühesten Ablagerungen des Tertiärs gewesen sind. Ältere Bildungen sind südlich von Eilenburg nur westlich der Mulde, dort aber bis nach Bitterfeld nach Norden und über Frohburg hinaus nach Süden weit und geschlossen verbreitet, zu finden. Die Braunkohlen bei Ragewitz müßten demnach dem sogenannten Breitenfelder Flözkomplex angehören.

Die Schichten des Untermiozäns (Spremberg- Formation) keilen östlich von Leipzig am ansteigenden Prätertiär gewöhnlich aus. Besonders am Ostufer der Mulde bei Grimma besteht aber auch noch ein größerer Komplex untermiozäner Schichten. In diese Schichtenfolge ist der Bitterfelder Flözkomplex mit Oberflözgruppe, Hauptflöz und Unterbank, und sind auch die Vorkommen bei Döben, Dürrweitzschen, im Thümmlitzwald und bei Colditz einzuordnen.

Nur für die noch weiter südöstlich entfernt liegenden Vorkommen ‒ etwa bei Mittweida, Dahlen und Mügeln ‒ nimmt man dagegen an, daß sie schon syngenetisch isoliert von der Hauptmulde in einzelnen limnischen Becken abgelagert worden sind.

   

 
 
 

Zur Montangeschichte

Die Anfänge bis 1850

  

Das Anwachsen der Bevölkerung einerseits, verbunden mit steigendem Bedarf ‒ durch die „Kleine Eiszeit zu dieser Zeit noch verstärkt ‒ und der zunehmende Holzmangel als immer noch vorherrschendem Brennmaterial andererseits veranlaßte das sächsische Fürstenhaus, bereits 1743 zu einem ersten Kohlenmandat“.  In der Folgezeit wurden im 18. Jahrhundert Funde von Braunkohle aufmerksamer registriert und es erfolgten auch erste sporadische Abbauversuche (vor allem im Südraum von Leipzig).

Auf den ab 1780 entstandenen Meilenblättern von Sachsen, dem ältesten weitgehend vollständigen Kartenwerk für das Kurfürstentum und spätere Königreich Sachsen, sind bei Ragewitz noch keine Kohlenwerke oder „Torfgruben“ eingezeichnet.

  


Ausschnitt aus dem Blatt 50 des Freiberger Exemplars der Sächsischen Meilenblätter, entstanden ab 1780. In der Aue östlich von Pöhsig ist zu dieser Zeit nur eine Sandgrube eingezeichnet. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40044 (Generalrisse), Nr. 4-I46, Ausschnitt, Norden ist rechts oben.

Link zum Digitalisat: archiv.sachsen.de/archiv

    

Holzmangel und die beginnende Industrialisierung führten zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu rasch wachsender Nachfrage nach Brennstoffen und in der Folge auch zu einer Forcierung der Suche nach Kohlen und ihres Abbaus.

Die Geognostische Landesuntersuchung als die erste systematische geologische Untersuchung Sachsens ging auf eine Anweisung des sächsischen Kurfürsten zur Aufsuchung und Erfassung von Erzlagerstätten, vor allem aber auch von „brennbaren Fossilien“ ‒ also Stein- und Braunkohlenvorkommen ‒ zur Ergänzung der Brennstoffvorräte, aus dem Jahre 1788 zurück. Abraham Gottlob Werner (*1749, †1817), zu dieser Zeit königlich sächsischer Bergrat und Lehrer für Geognosie an der 1765 gegründeten Bergakademie zu Freiberg, der schon 1786 eine solche landesweite Lagerstätten- Untersuchung angeregt hatte, erhielt 1791 den Auftrag zur Planung und Organisation dieses Vorhabens, den er mit Schülern der Bergakademie und dort akademisch ausgebildeten, praktischen Geologen erfüllte. Er unterteilte das sächsische Staatsgebiet in 92 (später 111) Distrikte und erarbeitete einen Kartierungsleitfaden mit der Zielstellung, über jeden Untersuchungsdistrikt ein „chronologisches Untersuchungsprotokoll“ sowie eine „systematische Beschreibung“ der Ergebnisse herstellen zu lassen.

Den Abschlußbericht über die Landesuntersuchung, dem ein Katalog über die für die einzelnen Gesteine und Lagerungsformen verwendeten Symbole und Farben (Farbtafel) beigegeben war, legten Werner und der damalige Marienberg'er Bergamtsassessor Carl Amandus Kühn (*1783, †1848) im Jahr 1811 vor. Nach Werner's Tod (1817) führte Kühn die Landesaufnahme bis 1835 weiter fort.

Zur Intensivierung der Suche nach Kohlenvorkommen hatten auch die oben im Kapitel zur Geologie schon erwähnten „Mandate über die Gewinnung der Stein-, Braun- und Erdkohlen und des Torfs“ vom 10. September 1822 und vom 2. April 1830 (für die Oberlausitz) wesentlich beigetragen. Mit diesen Erlassen wurde ab 1822 jeder Grundstücksbesitzer verpflichtet, auf seinem Grund und Boden lagernde Kohle entweder selbst abzubauen oder aber die Abbaurechte an Interessierte abzutreten (40128).

Dabei blieb die Kohle im Sinne des Bergrechts aber noch ein grundeigener Rohstoff und unterlag nicht dem höheren Bergregal. Zunächst lag daher auch die technische Aufsicht über die ersten Braunkohlengruben noch bei den örtlichen Gewerbeinspektionen, wo nicht die Kohlenwerke vom Fürstenhaus selbst auf Staatskosten betrieben wurden.

  

Aus dieser Zeit stammt die folgende

Relation
über die in der Gegend zwischen Grimma und Leisnig nördlich von der Freyberger und östlich von der vereinigten Freyberger und Schneeberger Mulde befindlichen und zu vermuthenden Braunkohlenlager, und über Zweckmäßigkeit auf solchen vorzunehmender Bohrversuche und anzulegenden Abbaue.

Der Bericht stammt aus der Feder von keinem Geringeren, als Carl Amandus Kühn selbst, und er schrieb ihn im Auftrag der Geognostischen Landesuntersuchungs- Kommission beim Oberbergamt zu Freiberg im Jahr 1817 nieder (40003, Nr. 51). Da er eine der nur wenigen Quellen aus der Zeit vor 1850 zum Braunkohlenbergbau in dieser Region ist, zitieren wir daraus die nachstehenden, umfangreichen Auszüge und das tun wir auch ganz genau so, wie sie C. A. Kühn seinerzeit niedergeschrieben hat (wobei wir schon in obigem Titel erstaunt feststellen, daß die Zwickauer, unterhalb der Einmündung der Freiberger dann Vereinigte Mulde, damals auch als „Schneeberger Mulde bezeichnet worden ist).

Herr Kühn also schrieb darin, wie in solchen Berichten üblich, zunächst über die:

Allgemeine geognostische Beschaffenheit der Gegend.

„Die vorstehend bezeichnete Gegend hat zum Grundgebirge Porphir nebst etwas weniger Grauwacke, wie aus der beygelegten petrographischen Charte zu ersehen ist. Ersterer bildet durchaus die Gehänge des Muldenthales, von denen er sich mehr und weniger weit gegen Mitternacht und Morgen verbreitet, außerdem aber auch noch einen sich Neunitz über Grechwitz, Golzern, Deditz, den Grottewitzer Galgenberg und Löbschütz bis gegen Hartha fortziehenden, hohen, wenngleich hier und da mit etwas aufgeschwemmten Gebirge bedeckten, Rücken (die Haupterhabenheit der Gegend) und nächstdem noch einige unbeträchtlichere Entblößungen von niedrigerem Niveau. Die Grauwacke ragt in der Mitte des bezeichneten Porphirrückens am Grottewitz'er Galgenberge als Kuppe über das benachbarte Porphirgebirge hervor. Auf das bezeichnete Porphir- und Grauwackengebirge ist in weiter Verbreitung, welche sich ebenfalls aus der schon angegebenen Charte ergiebt, aufgeschwemmtes Gebirge aufgelagert, aus Sand, Grus, Thon und Lehm bestehend, und abwechselnde Hügel bildend. Um den mehrgedachten Porphirrücken ist dasselbe mantelförmig herumgelagert.“

Schon früher in solcher Gegend bekannt gewordene Braunkohlenlager.

„In demselben hat man schon längst auch Braunkohlenlager aufgefunden, wie aus der geognostischen Beschreibung des Herrn Oberberghauptmanns von Ullmann über gedachte Gegend vom Jahre 1799 hervorgeht. Schon damals waren Braunkohlen zu Klein Böhsig in 4 Ellen Teufe 3 Ellen mächtig im Brunnen des Begütherten Kurt getroffen worden, zur Brösen in des begütherten Keller Brunnen hatte man dergleichen in 25 Ellen Teufe ersunken, auch 4 Ellen darin abgeteuft, ohne ihre Sohle zu erreichen, zu Haubitz auf der Mittagsmorgenseite des Dorfes hatte man die Auflagerung derselben auf den Porphir wahrgenommen, und endlich auch zu Klein Grechwitz Spuren von ihr entdeckt, und man vermuthete um so mehr, daß das ganze dortige aufgeschwemmte Gebirge mit solcher angefüllt sey, da man deren auch noch jenseits des sich von Neunitz über Golzern, Grottewitz und Löbschütz bis Hartha fortziehenden Porphir- und Grauwackengebirgs- Parthie bei Zetta und Nerchau gespürt hatte.“

Zur Erläuterung des Textes und um die Lage der genannten Orte ersehen zu können, hat Herr Kühn seinem Bericht die folgende Karte beigefügt.

   


Petrographische Karte der Gegend von Trebsen, Grimma, Coldiz, Leißnig und Mutschen, entworfen von C. A. Kühn, Obereinfahrer. Im helleren Braunton sind Ausstriche des Porphyrs, dunkelbraun bereits bekannte Braunkohlenvorkommen markiert. Der große dunkelbraune Fleck südlich der Einmündung der Freiberger in die Zwickauer Mulde markiert die bereits damals in Abbau stehenden Werke von Scoplau, Commichau und Podelwitz nordöstlich von Colditz. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40003 (Geognostische Landesuntersuchung), Nr. 51, Blatt 17 (Aktenbeilage), Gesamtansicht, Norden ist in etwa oben.

Link zum Digitalisat: archiv.sachsen.de/archiv

   


Ausschnitt aus obiger Kartenzeichnung. Im Bild rechts oben liegen auf dem dunkelbraun markierten, vermuteten Braunkohlenlager die Orte Klein- und Groß Pößig und Ragwitz. Südlich davon waren die Braunkohlenvorkommen beim später zeitweise fiskalischen Braunkohlenwerk zu Leipnitz zumindest Herrn Kühn damals noch nicht bekannt.

  

Weiter heißt es über:

Neue Fundpunkte von Braunkohlen.

„Neuerdings ist diese Vermuthung noch mehr bestätigt worden, indem man in dem aufgeschwemmten Gebirge südlich von dem zwischen Neunitz, Grottewitz und Serka gelegenen Porphir- und Grauwackengebirgsrücken noch an 4 Punkten zum Theil mächtige Braunkohlenlager ausgerichtet hat.“  

a) Bei Skortitz.

„Zuvörderst ist nehmlich der Anzeige des Herrn Amtsinspectors Petzsch zu Colditz gemäß im Dorfe Skortitz ein mächtiges Braunkohlenlager entdeckt worden. Auf solchem hat der Finder desselben, Johann Gottlieb Haferkorn in der Mitte des Dorfes eine Grube angelegt, die aber des höchst ungünstigen Lokals halber bald wieder verlassen seyn dürfte.

Der Abraum über der Kohle beträgt hier nur gegen 3 Ellen, in der Kohle selbst war aber bei meiner Anwesenheit zu Skortitz bereits 10 Ellen abgeteuft worden, ohne ihre Sohle getroffen zu haben, daher die hiesige Lagerstätte derselben sehr beträchtlich zu seyn scheint. Die Kohle selbst besteht außer Erdkohle in vielem bituminösen Holze, und ist zwar etwas thonig, aber doch nicht in dem Maße, um an Brauchbarkeit wesentlich zu verlieren, denn die dermalen verstrichene Braunkohle scheint durch die Mangelhaftigkeit des Abbaus mit fremden Theilen vermengt worden zu seyn.

Von diesem Kohlenlager sind übrigens auch bereits sowohl unterhalb des Dorfes, als oberhalb desselben Spuren bemerkt worden.

Von dem Dorfe Skortitz steigt das Terrain gegen Mitternacht Morgen ziemlich bedeutend an. Würde sich das Kohlenlager hier zugleich mit der Oberfläche des Gebirges hervorheben, so gäbe diese Stelle bei der Mächtigkeit des dasigen Kohlenlagers, der Leichtigkeit der Lösung desselben mittelst eines kurzen Stollens, und der Nähe von Grimma, einen sehr bequemen Punkt zur Anlage eines wichtigen und nützlichen Kohlenwerkes ab.

Um in Hinsicht der Verflächung des Kohlenlagers so wie auch seiner ganzen Mächtigkeit gehörigen Aufschluß zu erhalten, würden man an der von Skortitz gegen NO. aufsteigenden Anhöhe ein paar Reihen Bohrlöcher parallel mit dem Thale, die eine ziemlich vom Fuße des Berges, die andere vielleicht 40 – 50 Lachter weiter in solchem hinauf anzulegen haben. Auch könnte man vielleicht dergleichen Versuche an den Gehängen des zwischen Skortitz und Brösen nach inneliegenden Schlucht anstellen, in dem sich die Kohlen an dessen, der hohen Porphirparthie bei Grechwitz näher gelegenen Punkte vielleicht noch weiter über die Thalsohle herausheben könnten und die bei Brösen und Klein Grechwitz getroffenen Kohlenspuren auf deren ununterbrochenes Fortsetzen gegen Mitternacht schließen lassen.“

b) Bei Grottewitz.

„Zu Grottewitz hat man im dasigen, nach Grechwitz zu hinabgehenden, unter dem Namen des ,Kessels' bekannten, flachen Thale und zwar an dessen nördlichem Gehänge etwa eine starke Viertelstunde vom Galgenberge gegen SW. ein 4 Ellen mächtiges, meistens aus Erdkohle und nur wenigem bituminösen Holze bestehendes Lager von Braunkohlen ausgerichtet, auf dem bereits der Begütherte Röditz von Grottewitz ein kleines Kohlenwerk angelegt hat. Es hat dasselbe inzwischen nur deshalb mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, weil der Abraum weiter in das Gehänge hinein eine sehr bedeutende Höhe zu erhalten scheint, daher in dasigen Umgebungen nur in dem Falle ein Kohlenwerk mit Nutzen anzulegen seyn dürfte, wenn man das Kohlenlager irgendwo, als vielleicht weiter gegen Morgen, bedeutend mächtiger und vielleicht ungleich weniger hoch bedeckt ausrichten oder unter dem jetzt bekannten noch ein 2tes antreffen sollte.

Übrigens würde das Terrain daselbst die Anlage eines Stollns ziemlich leicht machen.“  

c) bei Groß Böhsig.

„Bei Groß Böhsig (oder Schöne Magd) und zwar sogleich in Mittag Morgen hinter dem Dorfe hat man auf dem Grund und Boden des Richters mit Namen Schlief (Der Name ist nicht sicher zu lesen ?) an zwei, etwa ein paar 100 Schritt auseinanderliegenden Punkten Braunkohlen ausgerichtet.

An dem einen, näher am Dorfe gelegenen, wurden dieselben mittelst eines kleinen Bohrversuches in 6 Ellen Teufe erreicht. Was man hier zunächst traf, war bituminöses Holz, man hat jedoch in solches nicht tiefer niedergebohrt. An dem 2ten östlichen Punkte stehen die Kohlen hier und da zu Tage aus. Da sie hier sehr verwittert und von hereingewaschenem Sande verunreinigt sind, kann man über ihre nähere Beschaffenheit noch nicht urtheilen.

Die Lage der Kohlen in dem Gehänge einer, sich besonders gegen SO. erhebenden Hügelkette möchte auch hier, besonders, wenn man auf einige Distanz einen Abzugsgraben herbeiführte, die Veranstaltung eines vortheilhaften Abbaus gestatten.“

d) Bei Dobernitz

„Endlich und zuletzt hat man aber auch zu Dobernitz (½ Stündchen von der Mulde, Leisnig gegenüber) 10 Minuten oberhalb des Dorfes am abendlichen Gehänge des dasigen, gegen Mitternacht ansteigenden Thals auf dem Grund und Boden des Begütherten Jacob Mehnert, Braunkohlen gespürt, und es verdiente dieser Punkt um so mehr eine nähere Untersuchung, da dem sich von hier nach Dobernitz pp. ziemlich bedeutend gegen Mitternacht erhebenden (erst nördlich hinter Dobernitz auf den Porphir wieder auflagernden) Braunkohlen- Gebirge von besagtem Punkte aus auf eine weite Verbreitung eines sehr vollkommene Stollnlösung verschafft werden könnte, die dasige Gegend ganz holzarm, dabei aber sehr bevölkert ist, und die Einwohner schon für die Kohlenfeuerung sehr günstig gestimmt zu seyn scheinen. Man würde hier eine Reihe Bohrlöcher parallel dem dasigen Thale und eine im Winkelkreutze mit solcher anzulegen haben.“

  

Aus weiter unten im Text von Herrn Kühn noch näher erläuterten Gründen widmete sich das folgende Kapitel dem Thema:

Finden sich in dem bezeichneten Distrikte Braunkohlen auf Königlichem Territorium,
und wo sind solche zu suchen ?

„Bei der oben im allgemeinen angegebenen Verbreitung erstreckt sich das aufgeschwemmte Gebirge des jetzt betrachteten Landstrichs auch zum Theil in den sogenannten Thümmlitzwald auf dem rechten Ufer der Freyberger Mulde, unterhalb Leisnig. Dies ist aber auch der einzige Bezirk in dem ganzen betrachteten Distrikte, allwo dasselbe Königliches Territorium berührt. Es ist vorzüglich der nordöstliche Theil dieser Waldung, in der das aufgeschwemmte Gebirge sich von Mächtigkeit zeigt, denn in allen übrigen Theilen derselben stößt Porphir hervor, oder ist doch anscheinend nur schwach bedeckt. In der jetzt bemerkten Parthie aufgeschwemmten Gebirges könnten nun wohl hin und wieder auch Braunkohlenlager inneliegen.

Schon früher hat man einmal innerhalb solcher, und zwar auf dem sogenannten Zankfläcke, einen flüchtigen Bohrversuch nach Braunkohlen angestellt, und mit demselben soll man auch dergleichen Kohlen wirklich getroffen haben. Angeblich ist man aber durch sehr stark im Bohrloche emporquellende Wasser an der Fortsetzung dieser Versuche behindert worden, und allerdings scheint die ganze Gegend um den Zankfleck sehr wasserreich zu seyn. Inzwischen fällt das Terrain von solchem aus sanft gegen Mittag nach der Mulde hin ab, und lägen die Kohlen nicht zu tief, so könnte man wohl einen Stolln zu deren Lösung heranbringen, allerdings würde derselbe aber schon eine nicht unbedeutende Länge erhalten. Doch würde es immer zweckmäßig seyn, auf dem Zankflecke einige fernere Bohrversuche anzustellen...

Außer diesem Punkte würde sich die unter dem Namen des Hühnerborns, des Schildner Lochs und des Krötengrundes bekannten Refierabtheilungen des betrachteten Forstes, sämtlich an dessen nordöstlichem Rande, Leipnitz und der Papstmühle gegenüber gelegen, zu dergleichen Untersuchungen qualifiziren, denn hier ist nicht allein das aufgeschwemmte Gebirge anscheinend so mächtig, daß es wohl bauwürdige Kohlenlager enthalten könnte, sondern hat auch ein ziemlich ansehnliches Ansteigen aus Mitternacht gegen Morgen, und ist überdies durch mehrere Schluchten durchschnitten, so daß man bei einer nicht sehr tiefen Lage der Kohlen dieselben mittelst eines Stollns bequem zu lösen hoffen dürfte...“

Die hier angeführten Geländepunkte hat Herr Kühn auch in seiner oben gezeigten petrographischen Karte eingezeichnet. Schließlich aber kommt er noch auf den Punkt, was denn anhand der geschilderten Kenntnisse zu tun sei:

Ohnmaßgebliches Gutachten
über die Zweckmäßigkeit, in dem überblickten Reviere auf Braunkohlen vorzunehmender Bohrversuche und anzulegender Abbaue.

Unbezweifelt  möchte es nun wohl ein Gegenstand von lebhaftem Interesse seyn, den großen Schatz von fossilen Brennmateriale in der betrachteten Gegend nicht länger unbenutzt ruhe zu lassen, zumal da besagte Gegend bei einer sehr beträchtlichen Bevölkerung zum Theil einen großen Mangel an Brennmaterial leidet, man die Braunkohle in solcher durch die zu Scoplau, Commichau und Podelwitz auf dem linken Ufer der Freiberger Mulde schon seit einer Reihe von Jahren befindlichen Kohlenwerke bereits als ein vortheilhaftes Brennmaterial hat schätzen lassen, sich auch die Asche der dortigen Kohlen als ein gutes Düngemittel bewährt hat, endlich aber jene, in der Nähe von Colditz befindlichen Kohlwerke theils für die betrachtete Gegend (besonders die Mulde von manchem Punkte aus nur mittelst großer Umwege zu passiren ist) zu entlegen, theils auch an sich nicht hinlänglich sind, das Bedürfnis der nächsten Umgebung zu befriedigen, geschweide denn, entferntere Gegenden zu versorgen.

Unter diesen Voraussetzungen möchte es daher auf jeden Fall sehr wünschenswerth seyn, daß allerhöchsten Ortes nicht allein vielleicht im Thümlitzwalde, sondern auch an denjenigen Punkten, wo bereits Kohlenlager unter anscheinend für den Abbau bequemen Verhältnissen auf Privatgrundstücken entdeckt worden sind, als bei Skortitz und von da gegen Brösen und Grechwitz hin, zu Grottewitz und Dobernitz, einige nähere Untersuchungsarbeiten angestellt würden, als zu welcher Arbeit sich der Obersteiger Krämer auf dem Königlichen Braunkohlenwerke zu Scoplau bei Colditz, nach an Ort und Stelle durch einen Sachkundigen erhaltener näherer Ausweisung, deshalb ungemein gut qualifiziren würde, da derselbe schon viel mit Bohrversuchen zu thun gehabt hat, auch einige Übung in der Markscheidekunst besitzt, und endlich in der Nähe der fraglichen Gegend wohnhaft ist, welcher Vorschlag freilich die Genehmigung der von dem Steiger Krämer erbetenen Anstellung eines Untersteigers bei dem Scoplauer Kohlenwerk voraussetzt.“

  

Wir erfahren hieraus, daß auch der sächsische Staatsfiskus bei Scoplau bereits selbst eine Braunkohlengrube betrieb. Herr Kühn erläuterte dann weiter, warum er es für richtig hielt, daß der Staat gewissermaßen mit gutem Beispiel voranginge:

Würde man dergleichen Gebirgs- Untersuchungen lediglich den Grundbesitzern überlassen wollen, so könnte sich deren Anstellung wohl noch viel länger verziehen, als es für das allgemeine Beste zulässig seyn dürfte.

Was dagegen die Entscheidung der Frage anbelangt, ob es für das allerhöchste sowohl als das Landesinteresse vortheilhaft seyn möchte, auch außerhalb der königlichen Territorii und auf gleiche Weise, wie zu Scoplau bei Colditz, Kohlenwerke auf königliche Kosten anzulegen, so glaube ich in Hinsicht solcher den concurrirenden Behörden nicht vorgreifen zu dürfen, da ich mich vielleicht nicht auf dem Standpunkt befinde, um die hiergegen sprechenden Gründe sämtlich übersehen zu können, doch halte ich es auf der anderen Seite auch für meine Schuldigkeit, einige allerdings für die bejahende Entscheidung jener Frage sich ergebende Gründe nicht unberührt zu lassen.

Was nehmlich:

1tens das Emporkommen der Privatkohlenwerke anbelangt, so steht demselben manches entgegen.

a) Erfordert ein dergleichen Werk, wenn es ins Große gehen soll, wohl ein paar 1.000 Thl. und auch mehr Anlagscapital, eine Summe, welche selten von einem Grundbesitzer verwendet werden kann, wenigstens nicht von einem kleinen, und

b) theils aus Unkenntnis der ganzen Sache, theils

c) auch deshalb selbst von Vermögenden nicht leicht auf diesen Zweck verwendet wird, weil ein dergleiches Werk gewöhnlich erst nach mehrern Jahren Überschuß giebt, wenn sie große Streichplätze, um zu einer ansehnlichen Production zu gelangen, eingerichtet haben, und eine bedeutende Kundschaft erlangt ist.

d) Ist es selten der Fall, daß in der Nähe eines zu einem großen Braunkohlenwerke schicklichen Punktes nur ein Grundbesitzer concurrire. Meistens ist das Grundeigenthum sehr vertheilt, dann wird aber einer Privatperson (abgesehen von der Herbeischaffung des nöthigen Geldes) die Akquisition der zur regelmäßigen Forststellung ihrer Baue nöthigen Grundstücke gewöhnlich, wenn auch nur aus Eigensinn oder Neid, ungleich schwieriger gemacht, als dem Fiskus, gegen welchen keine Rücksichten der Persönlichkeit statt finden können, und dem sich bei dem Abschlusse seines Handels die Autorität der Lokalbehörden fast alle Hindernisse aus dem Weg räumt.

e) Lassen es Privatpersonen gewöhnlich an Anstellung geschickter Aufseher fehlen und bauen für den momentanen Vortheil und also schlecht und im ganzen genommen unvortheilhafter.

Man findet daher auch nirgends richtige Privat- Braunkohlenwerke, wo nicht neben großem Holzmangel das langjährige Beispiel vom Fiskus betriebener dergleichen Werke endlich die Privatpersonen näher mit dem Kohlenbergbau vertraut gemacht, und ihnen den Werth gegeben hat, ein ansehnliches Capital auf dergleichen Anlagen zu verwenden. Dieser Fall findet unter anderem in Weißenfels'er und Merseburg'er Gegend statt, wo erst die Kohlenwerke der Salinen den Privatkohlenbergbau veranlaßt haben.

Beweise dieses Satzes giebt der Kohlenbergbau bei Arntitz ohnweit Mügeln ab, die Leipziger Kohlengrube, der Kohlenbergbau bei Borna und dessen Umgebungen, ingleichen bei Groitzsch, der schwunghafte Betrieb der Kohlenwerke zu Podelwitz und Commichau bei Colditz und endlich der in der betrachteten Gegend selbst, denn ob man gleich in allen diesen Gegenden schon längst Kohlenlager entdeckt und zum Theil auch bebaut hat, so ist doch dieser Bau entweder wieder liegen geblieben oder er beschränkt sich auf ein oder ein paar ärmliche Gruben.

2tens läßt sich aber auch ein schnelles Emporkommen der Kohlenfeuerung durch Privatkohlenwerke der bestehenden Erfahrung gemäß nicht verhoffen. Die Einführung einer vortheilhaften Kohlenfeuerung setzt mancherlei Änderungen in den Öfen, Kochgeschirren voraus.

Diese wird aber von einer großen Masse von Einwohnern einer Gegend nur dann erst unternommen, wenn man die Braunkohlen in genügender Quantität, zu jeder (wenigstens der dem Landmann zur Abfuhr gelegenen) Zeit und endlich überdies auch in hinlänglicher Güte erhalten kann.

Die privaten Eigner von einem oder ein paar Privatwerken in einer Gegend, die zusammen vielleicht 100 bis 200.000 Stück Doppelziegel streichen, von denen die Abnehmer oft, ohne Ladung zu erhalten, mit ihren Geschirren zurückkehren müssen und nicht selten wohl auch unreine Kohlen gefördert werden, kann daher die Kohlenfeuerung in einer Provinz keinen schnellen Eingang verschaffen.

3tens wird aber auch das Anlagskapital bei einem Kohlenwerke keineswegs riskirt, und das Interesse des Fiskus bei der Anlage von dergleichen Werken auf dessen Kosten nichts weniger als gefährdet, wenn man für dieselben nur solche Punkte aussucht, wo man gute und mächtige Kohlen hat, vermöge derer Verbreitung und Lage einen sehr nachhaltenden Bau ausführen kann, und für die Abnahme vorzüglich wichtigen Punkten, als Fabrikorten, möglichst nahe oder überhaupt in einer bevölkerten und holzarmen Gegend liegt. Zwar werden solche Werke in den ersten Jahren ihres Betriebes wegen der sogleich nöthigen kostbaren*) Ankaufs eines ziemlich ansehnlichen Territoriums, der ersten großen Beräumungs- und Stollnbetriebskosten, der Anlage von Kohlenschuppen und Huthäusern und der noch mangelnden Streichplätze und Absatze nicht sehr groß seyn könnenden Production nie mit Überschuß betrieben werden können, hat man es aber einmal so weit gebracht, daß man nur erst jährlich 1.000.000 Doppelziegel und vielleicht noch ein ansehnliches Quantum bituminösen Holzes und noch Streichkohle absetzen kann, dann bleibt auch der Vortheil gewiß nicht aus.“

In seiner Fußnote hierzu vermerkte Herr Kühn die folgenden Grundstückskosten:

*) „Bei den auf dem königlichen Werk für Scoplau geschlossenen Arronden erhalten die Grundeigenthümer für den Scheffel Aussaat á 150 Quadratruthen (die Ruthe zu 8 Ellen Länge) so wie ein Grundstück gebraucht wird, 105 Thl. als Kaufpreis, nach und nach wohl aber noch eben so viel, ja, wohl nach Befinden das Doppelte dieser Summe, als Überschußzehnden von der geförderten Kohle.“

Legen wir einmal für ein fiskalisches Kohlenwerk die Dresdner Elle zugrunde, so galten die hier genannten 105 Thaler für einen Scheffel Aussaat also für etwa 2.734 m² Fläche. Herr Kühn schrieb zwar von einem Kaufpreis, vermerkte aber zugleich, daß die Grundeigentümer auch einen „Überschuß- Zehnten“, also einen Abbauzins erhielten. Demnach blieb der Grundbesitz beim Eigentümer und die 105 Thaler waren der Preis allein für den Erwerb des Bergbaurechts unter der betreffenden Fläche !

   

Schließlich gab Herr Kühn noch einige Empfehlungen für den Betrieb der Braunkohlenwerke ab:

Da es übrigens bei Kohlenwerken häufig der Fall ist, daß ihre Production nicht durch Mangel an Absatz, sondern lediglich dadurch beschränkt wird, weil man auf denselben aus Mangel an Streichplätzen oder Schuppen oder Arbeitern oder günstiger Witterung nicht genug Kohle zu vertreiben vermag, so glaube ich am Schlusse dieser Relation noch darauf aufmerksam machen zu müssen, daß es für Braunkohlenwerke ein Gegenstand von Wichtigkeit ist, den Absatz von mehr ungestrichener Kohle und an ausgehaltenem bituminösen Holze (welches letztere gemeiniglich mit sehr großem Vortheile verkauft wird) möglichst zu bestärken, zumal dadurch zugleich das Risiko des Werkes bedeutend vermindert wird. Es ist nehmlich die auf den Streichplätzen des Trocknens halber befindliche, schon gestrichene Kohle bei schnell wechselnder Witterung großer Gefahr ausgesetzt, ganz oder zum Theil verdorben zu werden, so daß dem Werke die Gewinnungs- und Streichkosten verlohren sind. Dieser Gefahr wird aber ganz begegnet und sie fällt auf den Abnehmer (der übrigens sein kleineres Quantum wohl in Schuppen und Scheunen bergen kann), wenn man die Kohlen in rohem Zustande absetzt...“

Freiberg, den 5ten Mai 1817    
Carl Amandus Kühn, Obereinfahrer    

Den oben genannten Problemen privat betriebener Braunkohlengruben, insbesondere aber ihrer Bindung an die Flur- und Eigentumsgrenzen, werden wir später noch wiederbegegnen. Aus einem anderen Bericht Kühn's haben wir im Kapitel zur Geologie bereits zitiert.

  

In einem anderen Bericht aus demselben Aktenbestand über die Geognostische Beschreibung der östlich von Colditz und Grimma vorkommenden Braunkohlenpartien (40003, Nr. 125) vom 13. Februar 1833 notierte Heinrich Schmidhuber aus Freiberg:

Die Puncte, von welchen ich das Vorkommen von Braunkohle ausmitteln konnte, sind folgende..:“

Hier führte Schmidhuber zunächst die Orte Skorditz, Bresen mit Grettewitz, Golzern und Grechwitz auf und dann (Blatt 13 der Akte):

„3. Am östlichen Ende von Großböhsig soll in einer Bauerngrube am rechten Gehänge der dortigen, flach in West herabgehenden Schlucht im Gehöfte unter der Düngerstätte Kohle anstehen, auch soll 300 Schritt von hier in SO. am rechten Gehänge Erdkohle abgegraben worden seyn, doch wären die vor letzterer gestrichenen Ziegel bald zerfallen und hätten auch nicht gut gebrannt.

Obschon man sich an keinem von beiden Puncten durch den Augenschein von dem Vorkommen von Kohle überzeugen konnte, so halte ich die Nachrichten, welche einige ältere Bauern dieses Dorfes und der Besitzer des Gutes mir ertheilten, für glaubwürdig und habe deshalb an beiden Gehängen der gedachten Schlucht auf der Charte eine kleine Parthie Braunkohle angegeben. Über die Mächtigkeit und Extension dieser Parthien konnte ich jedoch nichts erfahren, ringsum findet sich theils thoniger Boden, theils Sand, in den Brunnen des Dorfes hat man jedoch nirgends Kohle angetroffen.“

Die von ihm gezeichnete Karte ist leider in der Akte nicht mehr enthalten. Wie wir oben aber schon gelesen haben, waren bei Großböhsig tatsächlich Funde von Braunkohle schon früher erfolgt. Nach dem rund 15 Jahre später von Herrn Schmidhuber hier Niedergeschriebenen ist aber bis dahin noch kein Abbau dauerhaft in Gang gekommen.

Der Nachbarort Ragewitz wird in keiner einzigen der Quellen aus der Zeit der Landesuntersuchung, die wir bisher einsehen konnten, erwähnt.

  

Einem Fahrbericht des ersten sächsischen Kohlenwerksinspektors Richard Friedrich Köttig aus dem Jahr 1859 zufolge habe ein Herr Sachse zu dieser Zeit tatsächlich einen Tagebau in Pöhsig betrieben (20092, Nr. 3982). Näheres darüber haben wir aber noch nicht herausfinden können.

   

Durch die schnell zunehmende Bedeutung dieses Bergwerkszweiges sah sich das Königlich Sächsische Finanzministerium (damals das für den Bergbau in Sachsen zuständige Ministerium) veranlaßt, mit Verfügung vom 18. Dezember 1850 eine spezielle Dienststelle für die Beaufsichtigung der Kohlenwerke beim Oberbergamt in Freiberg einzurichten. Ab Juni 1850 wurde auch vorgeschrieben, daß Kohlenwerke ‒ analog wie schon lange die Erzbergwerke ‒ Grubenrisse zu führen haben. Diese neue Dienststelle beim Oberbergamt wurde zuerst mit dem Bergwerkskandidaten Richard Friedrich Köttig aus Zauckerode besetzt, der gleichzeitig zum Bergamts- Assessor befördert wurde. Am 29. August des Folgejahres hat das Ministerium außerdem festgelegt, daß er die Dienstbezeichnung „Kohlenwerks- Inspektor tragen solle.

Seine Zuständigkeit umfaßte regional alle damaligen Bergämter und fachlich sowohl die Stein- als auch die Braunkohlengruben, jedoch nur dann, wenn sie nicht im Tagebau, sondern unterirdisch abbauten. Unmittelbare Weisungsbefugnis hatte er zunächst nicht, sondern mußte sich stets mit den jeweils zuständigen Bergämtern abstimmen. Das änderte man aber später für dringende Fälle, namentlich, wenn Gefahr im Verzuge war. Mit dieser Funktion war R. F. Köttig freilich zunächst auch sein einziger Mitarbeiter und dementsprechend stapelten sich gewiß schnell die Akten auf seinem Schreibtisch (40010, Nr. 3350).

Seine allererste Revisionsreise führte Herrn Köttig übrigens zum Braunkohlenwerk der Herren Patzsche und Hofmann bei Kaditz und einem weiteren des Herrn F. Schindler bei Döben. Dem können wir entnehmen, daß auch in der Region östlich der Mulde um 1850 zunehmend nach Braunkohle gesucht wurde und dort, wo man denn abbauwürdige Lager vorfand, diese auch in Abbau genommen worden sind.

Ab 1852 wurden dann auch regional zuständige Kohlenwerksinspektionen in Dresden (Plauenscher Grund) und Zwickau eingerichtet.

  

 
 
 

Zum Engelmann'schen bzw. Ulbricht'schen Braunkohlenwerk um 1851

  

Einer der ersten konkreten Hinweise auf Braunkohlenbergbau bei Ragewitz ist dann die Anzeige eines „Bauverwalters“ namens Carl Ulbricht aus Döbeln an das Bergamt in Freiberg vom 9. August 1851, daß er vom Grundbesitzer Gottlob Engelmann in Ragewitz Grund erwerben wolle, „da mit ziemlicher Gewißheit Stein- oder Braunkohlen unter den zwei Feldparzellen zu finden sind,“ und er gewillt sei, „diese auszubeuten, die nöthigen Schritte zu tun.“ (40010, Nr. 3350)

Das Bergamt teilte Herrn Ulbricht daraufhin mit, daß er auch das zuständige Gerichtsamt darüber zu informieren habe, weil Abbaurechte in das Grund- und Hypothekenbuch einzutragen seien, darüber hinaus aber „stehe dem Kohlenbauunternehmen seitens des Bergamtes nichts entgegen.“ Der Weisung kam Herr Ulbricht auch nach und wandte sich dazu an das von Böhlau'ische Gericht in Döben. Das Gericht bestätigte den Kauf und teilte dann seinerseits dem Bergamt mit, daß Herr Ulbricht unter der Parzelle No. 69 des Flurbuches von Ragewitz Braunkohlen unterirdisch abbauen wolle (40024-14, Nr. 312).

  


Aus diesem Ausschnitt einer Verleihkarte (aus dem Zeitraum um 1920) erfahren wir, daß die Ulbricht'sche - vormals Engelmann'sche - Grube nördlich der Schippan'schen Alinen- Grube gelegen hat und daß die W. F. Gerber'sche Grube westlich der Grube Aline am Talhang gebaut hat. Links und rechts von letzterer müssen also die Parzellen 261 und 263/264 liegen, auf denen schon vor 1850 das George'sche Kohlenwerk abgebaut hat. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40044-1 (Generalrisse), Nr. I20781, Ausschnitt, Norden ist oben.

  

Zu diesem Braunkohlenwerk ist ein Grubenriß erhalten geblieben, der uns auch genauer Auskunft gibt, wo das Werk gelegen hat und welchen Umfang der Betrieb gehabt hat. Der Riß wurde 1853 von Markscheider Adolph Wagner angelegt und danach noch dreimal bis zum Jahr 1856 nachgebracht. In Anbetracht der geringen Größe der Parzelle wird dies wohl auch im Wesentlichen die Betriebszeit dieser kleinen Grube umfaßt haben.

   


Grund- und Saigerriß von der Braunkohlengrube des Herrn Carl Ulbricht zu Ragewitz bei Grimjma, aufgenomman im Monat Mai 1853 von Adolph Wagner, Markscheider, zuletzt nachgebracht im Oktober 1856. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40038 (Deponierte Risse zum Braunkohlenbergbau), Nr. 1-I16465, Gesamtansicht, Norden ist links.

      


Ausschnitt aus obigem Riß mit dem Grundriß der Auffahrungen. Wir haben ihn einmal nach rechts gedreht, so daß der Nordpfeil nun ungefähr nach oben zeigt, das erleichtert uns die Orientierung. Man sieht hier gut, daß - abgesehen von der Abzugsrösche - sämtliche Baue innerhalb nur eines Grundstücks gelegen haben.

   


Zwei weitere Ausschnitte aus obigem Riß mit den beiden Saigerschnitten. Oben der Schnitt vom linken Blattrand in Nord- Süd- Richtung, darunter der vom rechten Blattrand in Süd- Nord- Richtung.

  


Wir haben hier einmal den Grubenriß eingenordet und über die Übersichtskarte gelegt, um zu sehen, wo genau das Ulbricht'sche Braunkohlenwerk gelegen hat. Die ersten Ziegelbrennerei- Gebäude gab es schon 1853, die Ziegelmeisterwohnung stand an der Straßengabelung schon auf dem Engelmann'schen Grundstück südlich der Straße nach Pöhsig, ebenso wie zwei Kohlenschuppen.

   

Der Riß und unsere Zulage oben zeigen, daß Herr Ulbricht an der Nordwestspitze des späteren Grubenfeldes der Schippan'schen Alinengrube gebaut hat. Die Grube besaß einen Wasserlösestolln (Abzugsrösche), der an der Westseite der Ziegeleigrube angesetzt war, sowie einen Förder- und Wetterschacht No. I am Westrand des Abbaufeldes. Die Schnitte zeigen uns, daß der Förderschacht gerade einmal 5,03 Lachter (rund 10 m) tief gewesen ist. Die Differenz zur angegebenen Höhe der Tagesoberfläche von weiteren rund 4 Lachtern dürfte der Abbauberme der Ziegeleigrube entsprochen haben. Die damals wohl Engelmann'sche Ziegelei hat oben an der Straße von Ragewitz nach Leisnig gestanden.

Das untertägige Kohlenbaufeld war durch mehr oder weniger regelmäßig rechtwinklig verlaufende Förderstrecken zum Abbau vorgerichtet. Dazwischen lagen die Brüche, die sukzessive ausgehauen worden sind.

Südlich des Weges von Ragewitz nach Papsdorf hatte Ulbricht bereits einen Schacht No. II angelegt. Dieser hatte nach der Aufnahme des Markscheiders zumindest bis 1856 aber die Tiefe des Kohlenflözes noch nicht erreicht. Der Schacht No. II lag ‒ wie die Übersichtskarte illustriert ‒ bereits im südöstlichen Baufeld der späteren Alinengrube.

  

Bevor wir zur Schippan’schen Grube Aline kommen, ist zum Ulbricht’schen Kohlenwerk noch zu berichten, daß R. F. Köttig in seiner Funktion als Kohlenwerksinspektor natürlich auch dieses Werk besichtigt hat. Mit Schreiben vom 12. Februar 1856 informierte er das damalige Königliche Justizamt in Grimma, er habe „bei der letzten Befahrung der Braunkohlengrube des Bauverwalters Ulbricht in Ragewitz denselben angewiesen, die Risse nachbringen zu lassen… Bei Befahrung der übrigen Kohlenwerke habe ich mich zu bergpolizeilichen Anordnungen nicht veranlaßt gefunden.“ (20092, Nr. 3982)

Daraus lernen wir schon einmal: Es gab gleichzeitig noch andere Kohlenbergwerke in der Region um Ragewitz.

Bei seiner nächsten Befahrung war Herr Köttig dann offenkundig gar nicht mehr mit dem Betrieb der Braunkohlenwerke zufrieden. Am 7. November 1856 setzte Herr Köttig ein langes Schreiben auf, in dem er dem Gerichtsamt mitteilte: „Das königliche Gerichtsamt zu Grimma wird hierdurch ergebenst benachrichtigt, daß sich bei der im Laufe der vorigen Woche vorgenommenen Revision der im Bezirke derselben gelegenen Braunkohlengruben folgende Anordnungen nothwendig gemacht haben…“

Noch war die Kohlenwerksinspektion ja nicht selbst weisungsberechtigt und benötigte die Hilfe der zuständigen Bergämter oder eben des Gerichtsamtes…

Von diesem Schriftstück ist nur eine Abschrift in der Akte enthalten, da das Original wohl bei einem der anderen betreffenden Werke in der Bergamtsakte oder in einer Akte des Gerichtsamtes gelandet ist. Das Ulbricht’sche Werk jedenfalls wird erst unter späterer Nummer aufgeführt, wo es heißt: „6. Die in Ragewitzer Flur gelegene Braunkohlengrube des Bauverwalters Ulbricht aus Döbeln anlangend, so ist dieselbe ohnstreitig die im ganzen dasigen Revier am schlechtesten betriebene. Die halbverfallene, nach allen Seiten offene Kaue übertage characterisirt schon, daß …sich in der Grube, in welcher die Fahrten mit Stricken zusammengebunden, die Strecken, welche Kohlepfeiler von allen möglichen Dimensionen durchörtern, wahllos in das Feld getrieben sind, sowie überhaupt auch allenthalben sich die größte Liederlichkeit bemerkbar machte…

Unter solchen Umständen nun halte ich es, mit Rücksicht auf die Gefahr, von welcher die Gesundheit und das Leben der Arbeiter in der in Rede stehenden Grube bedroht ist, für nothwendig, dem Bauverwalter Ulbricht den Fortbetrieb derselben so lange zu untersagen, bis zur Leitung des Baues ein sachverständiger Steiger angestellt worden ist. Ich ersuche das königliche Gerichtsamt Grimma, gemeinschaftlich mit mir obige Anordnungen an die sub. 2. bis 5. genannten Besitzer unter Androhung einer Geldstrafe von 10 Thalern, an den sub. 6. genannten Ulbricht aber unter Androhung einer Geldstrafe von 100 Thalern für den Unterlassungsfall beziehentlich für den Fall der Zuwiderhandlung zu erlassen, zugleich aber auch letzterer Grube den Rundbaum (d. i. die Welle, auf der die Haspelkette liegt) des Haspels und die Haspelkette gerichtlich abnehmen und dem Ortsrichter zu Ragewitz so lange in Verwahrung geben zu lassen, bis Ulbricht einen sachverständigen Steiger, dessen Name jedoch unter Beifügung seiner bisherigen Wirksamkeit, der unterzeichneten Inspektion vorher anzuzeigen ist, angestellt hat.“ (20092, Nr. 3982).

Ein gleichlautendes Schreiben wurde am 6. Dezember d. J. in Grimma aufgesetzt und vom Gerichtsamtsvertreter Köderitz und von Köttig unterzeichnet und wurde schließlich vom Wachtmeister Schlenker am 20. Dezember an Herrn Ulbricht persönlich ausgehändigt. Bereits am 9. Dezember d. J. fragte Köttig in Grimma nach und forderte das Amt auf, „mich gefälligst zu unterrichten, was auf die in dem Communicate vom 7. 11. 1856 gestellten Anträge angeordnet und geschehen ist.“

  


Ein Foto aus dem Braunkohlegebiet Leipnitz zeigt uns die Schachtkaue
einer „Moorkohlengrube“. Sicher haben die ersten Schachtgebäude auch in Ragewitz nicht anders ausgesehen. Foto: Paul Schulz, 1927.

 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90090229

   

Wer nun denkt, auf solche Ansage hin wurde der Braunkohlenabbau von Herrn Ulbricht erst einmal eingestellt, der irrt sich.

Volle zwei Jahre später nämlich zeigte der Ragewitzer Ortsrichter J. T. Däberitz dem Gerichtsamtmann Köderitz an, daß Ulbricht seit längerer Zeit, „jedenfalls im Laufe dieses Winters, trotz der Verfügung, den unterirdischen Bau fortbetreibe“, und daß Gefährdung der Arbeiter durch das Nachstürzen des oberen Erdreichs gegeben sei. Auch einen Steiger habe er nicht angestellt. Den gerichtlich konfiszierten Rundbaum samt Kette und drei Kübeln habe er zurückerhalten, sie seien aber nicht mehr in Gebrauch.

Daraufhin nun bestellte das Amtsgericht Herrn Ulbricht nach Grimma ein. Bei der Befragung behauptete dieser, er habe besagten Schacht sofort liegen gelassen und fördere nun an ganz anderer Stelle. Überhaupt sei die Gefährlichkeit gar nicht gegeben. Nur, weil sein Nachbar, der Gutsbesitzer Carl Wilhelm Schroth, ihm verweigert habe, die abgebaute Kohle über seinen Grund zu transportieren, habe er zwei unterirdische Gänge von 3 Ellen Tiefe, 9 Ellen Breite und 17 Ellen Länge anlegen müssen und fördere über diese nun seit vorigem Dienstag die Kohle zutage. Einen Steiger habe er tatsächlich nicht finden können, aber stattdessen Carl Julius Fischer als Rechnungsführer angestellt.

Das Gericht war nun der Meinung, man müsse sich von den Zuständen selbst ein Bild machen und setzte für den 26. Februar 1858 einen Ortstermin an, bei dem alle o. g. Beteiligten, zudem der Wachtmeister Schlenker und der Gerichtsschöffe Carl August Knobloch zugegen waren. Zunächst einmal stellte sich heraus, daß das Werk in den Besitz des Sohnes von Carl Ulbricht, Friedrich Wilhelm Ulbricht, übergegangen war. Im Protokoll steht geschrieben: „Das besagte Braunkohlenwerk liegt 10 Minuten von hier nach Leipnitz zu, rechts der nach Leipnitz führenden Chaussee. Dasselbe hat zwei Schächte No. I und No. II, der Betrieb geschah früher bei beiden unterirdisch. Schacht II wurde aufgrund der Anordnungen und der Wegnahme des Rundbaumes nicht mehr benutzt, wovon man sich überzeugte. Schacht I soll seit zwei Jahren ebenfalls still liegen. 4 Arbeiter waren oberirdisch beschäftigt…

Der (neue) Schacht bildet, von außen besehen, ein trichterförmiges Loch, am tiefsten Punkte desselben befindet sich der Eingang in die Grubengänge und ist daselbst nach Abend (Westen) zu, wo das Feld des Guthsbesitzers Schroth hier angrenzt, ein neuer Gang angelegt von 17 Ellen Länge nach Versichern Fischer’s und Ulbricht’s…“

Bei dieser Beschreibung kratzen wir uns lange am Hinterkopf, denken an die Relation des Carl Amandus Kühn zurück und glauben gern, daß auch die Gerichtsbediensteten der Sache so ganz wohl nicht trauten, als daß sie sich tatsächlich nach untertage begeben hätten.

Jedenfalls stellte sich nun heraus, daß besagter Grubengang tatsächlich auf seine westlichen 7 Ellen Länge über die Flurgrenze hinaus vorgetrieben war, daß er jedoch ausschließlich als Wasserrösche diente. Außerdem versicherten Fischer und Ulbricht, sie wollten überhaupt nicht mehr untertägig, sondern nur noch im Tagebau fördern. „Die Arbeiter schafften bereits Kohle zu Tage, doch war das für sie gefahrbringend. Dies rührte zum einen von der schlecht angelegten Fahrbrücke her, theilweise ist es Folge des Abraumes; bei nasser Witterung drohe das Erdreich nachzustürzen und die in einer Tiefe von 25 bis 30 Ellen (bis zu 16 m !!) befindlichen Arbeiter zu verletzen.“

Da der Abbau jedoch in östliche Richtung voranschreiten solle, beruhigte sich auch Nachbar Schroth wieder und dem Gericht blieb schlußendlich nichts weiter übrig, als den Besitzer auf seine Verantwortlichkeit für die Sicherheit hinzuweisen. Bezüglich der schadhaften Brücke wurde deren Instandsetzung binnen acht Tagen angeordnet, anderenfalls eine Geldstrafe von 20 Thalern angedroht.

  

In Köttig‘s nächstem Bericht über seine „diesjährige Revision der im Revier Grimma gelegenen Braunkohlenwerke“ vom 15. Dezember 1859 tauchte der Name Ulbricht dann schon gar nicht mehr auf. Entweder war tatsächlich nichts zu bemerken, oder aber es war nun doch gänzlich stillgelegt. Erst am 5. Oktober 1861 fragte Herr Köttig noch einmal beim Gerichtsamt nach, ob Herr Ulbricht noch immer im Tagebau fördere. Hierzu bestellte das Amtsgericht den Ortsrichter Däberitz ein, der am 16. Oktober d. J. vor dem Amtsgericht zu Protokoll gab, daß der Tagebau noch betrieben werde, „aber durchaus nicht schwunghaft. Gegenwärtig ruht er ganz. Gewonnen wird nur Streichkohle.“ Dies teilte man dem Kohlenwerksinspektor mit und damit schließt diese Akte (20092, Nr. 3982).

Aus Unterlagen jüngeren Datums ist zu erfahren, daß F. A. Schippan dieses Grubenfeld 1881 angekauft und seiner Grube Aline zugeschlagen hat, doch dazu kommen wir später.

  

 
 
 

Zum George'schen und Gerber'schen Braunkohlenwerk um 1852

  

Daß auf die Idee, die Braunkohle abzubauen und profitabel zu verkaufen, in dieser Zeit auch noch andere gekommen sind, ist nicht verwunderlich. H. Galle (2018) hat herausgefunden, daß ein Gutsbesitzer Haupt in Pöhsig vielleicht schon ab 1837 Braunkohle abbaute und 1842 auch Streichziegel verkaufte.

Auch das George'sche Braunkohlenwerk ist demnach wenigstens seit 1842 in Betrieb und 1847 an Friedrich August Billhardt, Hausbesitzer und Sattler in Leipnitz, verpachtet gewesen. (Im unten gleich noch ausführlich zitierten Gutachten wurde der Name ,Pöllhardt´ geschrieben.)

  

Aus einem Schreiben des von Böhlau'ischen Gerichtes zu Döben an das Bergamt in Freiberg vom 28. Januar 1852 erfahren wir, daß nach dem Ableben des Gutsbesitzers Johann Ehrenfried George aus Pöhsig am 26. April 1847 zwischen der Universalerbin, der Witwe Erna Rosine, inzwischen wieder verheiratete Naumann einerseits und dem Pflichtteilerben Johann Gottfried George andererseits „Differenzen über den Werth der auf des Verstorbenen Gute zu Pöhsig befindlichen Braunkohlenlager“ entstanden seien.

Den Familiennamen Naumann haben wir in jüngeren Unterlagen wiedergefunden und daraus erfahren, daß diese Familie u. a. Grundbesitz südlich des Papsdorfer Weges ihr Eigen nannte ‒ dort, wo in den 1890er Jahren F. A. Schippan aus der Grube Aline heraus zum untertägigen Abbau der Braunkohle überging.

Der Rechtsstreit im Jahre 1852 aber werde inzwischen vor dem Gericht in Leipzig ausgetragen, sei aber unentschieden vertagt worden, um ein „Superarbitrium (eine Oberentscheidung) über den tatsächlichen Wert der Kohlenlager vor dem endgültigen Schiedsspruch beim zuständigen Bergamt einzuholen. Das Bergamt in Freiberg beauftragte daraufhin den Berggeschworenen Traugott Friedrich Graff mit einer Taxation des Braunkohlenwerkes (40010, Nr. 3350).

  

Dieses Gutachten wurde auch erstellt und ist erhalten geblieben (40010, Nr. 3350, Blatt 170 bis 193). Herr Graff stellt darin seinem eigentlichen Wertgutachten eine sehr ausführliche Beschreibung des Braunkohlenabbaus voran, nicht ohne dabei lang und breit auf die Mängel der vorausgegangenen Taxationen hinzuweisen. Weil wir seiner Beschreibung aber sehr viel Wissenswertes darüber entnehmen können, wie in dieser Anfangsphase der Braunkohlen- Bergbau überhaupt durchgeführt worden ist, wollen wir nicht darauf verzichten, auch aus dieser Quelle ausführlich zu zitieren:

Praesentum am 13ten März 1852.

Auf Requisition des Patrimonialgerichtes zu Döben sind in Nachlaßsachen Johann Ehrenfried George zu Pöhsig bei Grimma Streitigkeiten über die Würderung des auf dem George’schen Nachlaßguthe befindlichen Braunkohlenlager entstanden und ist von dem Königlichen Spruchcollegio dahin gehend erkannt worden:

,daß in dieser Beziehung ein Superarbitrium von dem betreffenden Bergamte, als der diesfalls zuständigen öffentlichen Behörde, nach Befinden dem von selbiger auszuwählenden Sachverständigen, eingeholt werde.'

Nachdem mir in Folge dessen von dem Königlichen Bergamte zu Freiberg unter dem 4ten Februar d. J. der ehrenvolle Auftrag geworden, mich nicht nur der Taxation der betreffenden Braunkohlenlager, sondern gleichzeitig auch der Abgabe eines diesfallsigen Superarbitriums zu unterziehen, habe ich, nachdem ich nähere Kenntniß von der Sachlage aus den, in der eingangs erwähnten Nachlaßangelegenheit ergangenen 2 Stück Acten … bezüglichen Stellen genommen, am 19ten Februar d. J. die hierzu nöthige Begehung und Beaugenscheinigung der fraglichen Braunkohlenlager an Ort und Stelle, unter Begleitung des Ortsrichters von Pöhsig, vorgenommen und die erforderlichen Untersuchungen angestellt.

Die beiden Braunkohlenlager bestehen aus den Parzellen No.263 und 264, ingleichen No.261 des Pöhsiger Flurbuches, von denen die ersteren No.263 und 264, oder das sogenannte große Braunkohlenlager

784 ¨ Ruthen = 2 Acker 184 Quadratruthen,

die Parzelle No.261 aber, oder das kleine Braunkohlenlager, dem jedoch das Gerber’sche Braunkohlenwerk vorliegt, und demnach mit No.263 und 264 nicht zusammenhängt, nur

341,5 ¨ Ruthen = 1 Acker 41,5 Quadratruthen

Oberfläche, als volles Kohlenlager enthalten. Liegen nun bezüglich der Würderung dieser Grundstücke bereits drei Taxen vor, als Blatt 1 des Vol. III der bezüglichen Acten, die des von der Beklagten erwählten Taxators Karl Wilhelm Hermsdorf aus Breslau, solcher den Werth des großen Braunkohlenlagers auf

2.940 Thl. 3 Gr. 3 47/90 Pf.

gewürdert, das kleine Lager dagegen wegen seiner Productionsfähigkeit als unbauwürdig angesprochen hat, ingleichen die Blatt 6 befindliche Taxe des von dem Patrimonialgerichtes zu Döben bestellten Taxators Johann Gottfried Leipnitz zu Gergewitz, nach welchen das große Braunkohlenlager den Werth von

3.876 Thl. 19 Ngr. ⅔ Pf.

habe, das kleine dagegen gleichfalls nicht bauwürdig und nicht ertragsfähig sein soll, so sind diese beiden genannten Taxen so unmotiviert und unhaltig und stehen mit den von mir getroffenen Verhältnissen sowohl, als mit dem localen Umständen in so differenten Widerspruch, daß sie als völlig unzureichend erscheinen und da sie der Wahrheit fern stehen, gar kein Anhalten gewähren können.

Bei genauerer Vergleichung derselben muß sogar die Vermuthung Raum gewinnen, als seien sie, wenn auch nicht aus einer Feder geflossen, da letztere die erste um 930 Thl. 16 Ngr. – Pf. übersteigt, doch mindestens in einem gewissen Einverständniß angefertigt sein möchten; wenigstens ist nicht abzuleugnen, daß sie sich nach einem und demselben Schema bearbeitet worden sind.

Die dritte Taxe, welche der von der Partei des Klägers erwählten Taxator, der damals in Pöhsig wohnhaft gewesene Obersteiger Leonhardt Straubel aufgestellt wurde, nach welcher das große Braunkohlenlager einen Werth von

21.661 Thl. 28 Ngr. 7 8/10 Pf.

das kleine dagegen den Werth von

1.591 Thl. 7 Ngr. 6 ½ Pf.

haben soll, steht einerseits mit der Productionsfähigkeit sowohl, als andererseits mit der Vertriebsmöglichkeit des verkäuflichen Materials ebenso im grellen Widerspruch, daß auch sie kein richtiges Anhalten gewähren kann. Entbehren erstere beide Taxen alles sachkundige Material und haben die beiden Taxatoren Hermsdorf und Leipnitz ihre Annahmen und Berechnungen nur auf das, gegen alle Zweck- und Regelmäßigkeit stehende planlose Gebahren des derzeitigen Pächters Pöllhardt des fraglichen Braunkohlenlagers basirt und dessen Pachtgeld so wie dessen Angaben der productiven und Vertreibe- Möglichkeit zur Richtschnur genommen, wobei allerdings eine so mißverhältliche Herabsetzung des wahren Werthes gedachten Lagers möglich wird, so ist nicht zu leugnen, daß die von dem Obersteiger Straubel angestellte, sachkundig motivirte Taxe sehr viel praktischen Werth besitzt, mit großer Umsicht, in den meisten Punkten auf evidenter Wahrheit beruhenden Annahmen bearbeitet und mit ersteren beiden Taxen in keine Parallele zu stellen ist.

Während Straubel auf der einen Seite alles hervorgehoben und sachkundig beleuchtet hat, was überhaupt bei Taxation dergleichen Lagerstätten in Betracht zu ziehen und bei einem rationellen Abbau derselben in Anschlag zu bringen ist, so kann ich andererseits nur bedauern, daß er in einzelnen Punkten den wahren Standpunkt überschätzt und manche seiner Annahmen illusorisch geltend gemacht hat.“

  

Die Familie George als Grundeigentümer hat also ‒ was das Kohlenmandat ja ausdrücklich erlaubte ‒ die Braunkohle nicht selbst abgebaut, sondern den Abbau gegen einen Zins verpachtet.

Ob der hier so lobend genannte Herr Straubel aus Pöhsig auf einer der Braunkohlengruben der Umgebung als Obersteiger tätig war, haben wir noch nicht herausgefunden.

  

Nun folgt die sehr umfangreiche Beschreibung der Grube. Sie beginnt mit dem Abschnitt:

A. Beschaffenheit des Streichplanes

Wenn Straubel in der Einleitung seiner Taxe Blatt 21 Vol. III der Acten … an die Spitze gestellt hat, daß von allen Möglichkeiten des Rückbleibens, schnelleren Fortschreitens oder gänzlichen Aufgebens der George’schen Grube, in Bezug zum Betriebe auf den betreffenden Parcellen ein, für alle drei Kohlengruben bei völliger Ausbeutung der Kohlenlager gleichmäßig fortschreiten der Abbauangenommen und bestimmt festgestellt werden müßte, abzusehen sei, so geht er in sofern von einer solchen Ansicht aus, als gerade dieser Moment deshalb besonders hervorzuheben ist, weil der Nachbargrube in solcher Beziehung unter keiner Bedingung Vorschriften gemacht werden können und es lediglich in dem freien Willen des Nachbars liegen muß, wie und auf welcher Weise er mit seinem Eigenthume gebahren will. Höchstens kann eine solche Voraussetzung nur dann geltend gemacht werden, wenn freundnachbarliche Übereinkunft oder Contract vorhanden ist.  

Bei einem einseitigen schnelleren Vorschreiten im Abbaue des einen oder des anderen Lagers oder beider zugleich würde man nicht nur die Böschung allein zu halten haben und dadurch einen ansehnlichen Verlust an Kohlenmasse erleiden; sondern auch neben das, dem Pächter gewährten Erleichterung im Abbau, ihm noch Entschädigung der Oberfläche auf dem Gerber’schen Grundstücke, gewähren müssen. Straubel hat dieß, ohne weitere Constatirung, als sich gegenseitig aufhebend, als gewiß angenommen und außer Rechnung gelassen, obschon die bei seiner Taxation zu Grunde gelegte, etwas zu hoch angeschlagene Production lediglich davon abhängig ist.

Blatt 21 behauptet Straubel, daß der Streichplan von No. 263 und 264 für die von ihm zum Grunde gelegte Production von jährlich 2 Millionen Ziegel von gänzlich entsprechender Größe sei; dem muß ich allerdings widersprechen und der desfalls Blatt 80 gestellten Erinnerung der Beklagten beitreten.

Keineswegs aber ist durch diese Annahme der Beweis geliefert, was von dem ganzen Machwerke Straubel’s zu halten sei, vielmehr würde der Streichplan ansehnlich mehr, wenn auch noch nicht für 2 Millionen Ziegel Raum bieten, wenn das Huthhaus und die vorhandenen 3 Trockenscheunen zweckmäßig verlegt und an die äußeren Grenzen des Streichplans versetzt werden.

Obschon Beklagte behauptet, daß eine Vergrößerung des Streichplanes wegen des coupirten Terrains rein unmöglich und derselbe schon soweit es möglich gewesen erweitert sei, ja der gegenwärtige Pächter denselben zum offenbaren Schaden vergrößert habe, so kann ich dem nicht beipflichten und wäre bei planmäßigerem Verfahren noch Raum zu erzielen.

Ebenso irrig ist die Annahme… dass bei der Production von 2 Millionen Stück Ziegel 18 Trockenscheunen erforderlich sind, die allerdings keinen Platz zum Streichen und trocknen übrig lassen würden. Allein da bei einer derartigen Production eben Abnahme und Abfuhr nicht fehlen darf, die allerdings erst erzielt werden müßte, so ist wohl unbedingt vorauszusetzen, dass nicht jeder Ziegel unter Dach zu stellen ist, sondern nur der zu haltende Vorrath für die ungünstige Jahreszeit Berücksichtigung finden kann.

Wenn der Pächter Pöllhardt angegeben, daß auf dem jetzigen Plan mehr nicht als 600.000 Stück Ziegel gestrichen und getrocknet werden können, so wird es dem ohnerachtet unter der bereits erwähnten Verlegung der desfallsigen Gebäude, so wie Einebnung und gehörige Ausgleichung des Planes möglich werden, 1.600.000 Ziegel zu streichen und zu trocknen, wobei nicht oder höchstens 2 Trockenscheunnen anzubringen sind, und ohne den Luftzug zu beschränken, unter obigen Voraussetzungen angebracht werden können. Rationell würde man überhaupt zu Werke gehen, wenn man beide Lager, das Große und Kleine zugleich in Abbau nähme, um die fettere Masse des kleinen Lagers mit der etwas magereren Kohle des großen Lagers vermengen und gleichzeitig den geräumigen Streichplan der Parzelle No. 261 zum Streichen und Trocknen der Ziegel benützen zu können.

In diesem Falle wird dann auch eine Steigerung der Production, nach Befinden selbst bis zu 2 Millionen Ziegel zu ermöglichen und der Nutzen in der Folge sich mindernder Abbauzeit zu erhöhen sein.

Daß, wie Blatt 81 und 81b angeführt, noch mehrere andere Gruben in naher Umgebung und die Gerber’sche Grube unmittelbar daneben liegen, ist in Wahrheit begründet, dagegen hat sich die Sachlage wegen Gangbarmachung zweier neuer, in der Nähe liegenden Kohlenlager, wobei jedenfalls auf die Blatt 132 genannten Engelmann’sche und Röber’schen Gruben Bezug genommen ist, insofern geändert, als die Letztere bereits wieder eingestellt ist und wegen des Abschneidens der Kohle nicht wieder in Betrieb genommen werden kann, die Engelmann’sche Grube dagegen wird unterirdisch betrieben und ist von solcher noch kein schlagender Beweis vorhanden, daß sie für die Folge, bezüglich eintretender Concurrenz, namhaften Schaden mit sich bringen wird.

Hat die Beklagte ferner geltend zu machen gesucht, daß jetzt durchschnittlich mehr nicht, als 500.000 Stück Ziegel abgesetzt werden können, so hat dieß einzig und allein seinen Grund in der planlosen Bewirtschaftung und Bebauung des Lagers, so wie im mangelnden, vielleicht auch systematische unterlassenen Speculationsgeist des dermaligen Pächters, keineswegs aber kann ich den Grund in der (unleserlich ...?) am schlechtesten und tiefsten angesprochenen Lage der Grube finden. Sie hat ganz dieselbe Lage wie die Gerber’sche Grube, der nach ihr führende Berg ist keinesfalls steil und groß, wohl aber war der Weg auf der oberen Hälfte desselben so schlecht gehalten, daß die Schuld, wenn die Anfahrenden Klage führen, einzig und allein den Pächter trifft, während der Weg auf der unteren Hälfte des kleinen Lagers, obschon ich denselben in der ungünstigsten Jahreszeit, nach vorausgegangenen anhaltenden Regen- und Schneewetter betreten habe, in sehr gutem Zustande war und die Besitzer der Gerber’schen Nachbargrube auf die Instandhaltung ihres Kohlenweges stets ein besonderes Augenmerk richten.

Ben dem ungeheuren Bedarf und Nachfrage von Kohle in dasiger Gegend und bei der auf allen Gruben für solchen unzureichenden Production kann unter obiger Voraussetzung eines rationellen Betriebes der Grube die Production und der Vertrieb ohne alles Risico bis zu 1.600.000 Stück Ziegel gesteigert werden.“

 

Von der hier erwähnten Engelmann'schen Kohlengrube wissen wir bereits, daß diese der Herr Ulbricht 1851 gekauft hat. Da die urkundliche Erwähnung auf ein Jahr früher datiert, sind wir auf diese Grube oben schon zuerst eingegangen. Die Gerber'sche Grube hingegen lag tatsächlich zwischen den bereits mehrfach genannten Parzellen Nr. 263 und 264 einerseits und der Parzelle Nr. 261 andererseits. Über den Versuchsbau des Herrn Röber haben wir dagegen noch nichts in Erfahrung bringen können.

Es zeigt sich aber auch hieraus, daß ‒ wo immer sich die Ertragsfähigkeit eines solchen Bergwerkes herumspricht ‒ es die Nachbarn dem ersten schnell gleich zu tun versuchen.

  

Der nächste Abschnitt des Wertgutachtens ist auch unter geologischen Gesichtspunkten interessant:

B. Resultate der Vermessung und Abbohren.

Bei den Resultaten der Vermessung und Abbohrung zur Ermittlung der Abraumhöhe und des Kohlenbestandes ist von keiner Seite Ausstellung gemacht worden und haben beide Theile ihr Einverständnis erklärt.

Die Parcelle No. 263 und 264 enthält

784 Quadratruthen

Oberfläche alles voller Kohlenlager.

Der zur Schützung des Fahrweges stehen zu lassende Kohlenpfeiler von 24 Ruthen Länge und 12 ½ Ellen Breite enthält

37,5 Quadratruthen

und beträgt daher das in Rechnung zu stellende Kohlenlagerareal, nach Abzug der Kohlenpfeilerfläche

746,5 Quadratruthen.

Nach den angestellten Bohrversuchen auf beredten Parzellen beträgt die durchschnittliche Abraumhöhe

24 Ellen 23 ½ Zoll

und die durchschnittliche Kohlenlagermächtigkeit

11 Ellen 7 ⅛ Zoll.

Die Parzelle No. 261 bietet

341,5 Quadratruthen

Oberfläche als volles Kohlenlager. Zum Schutze des Communweges muß ein Kohlenpfeiler von 5 Ruthen 9 Ellen Länge und 22,5 Ellen Breite, demnach

15,6 Quadratruthen

Oberfläche enthaltend, stehen bleiben, es beträgt demnach das in Rechnung kommende Kohlenlagerareal, nach Abzug des Kohlenpfeilers

325,9 Quadratruthen,

während der Abraumlagerbestand

297,5 Quadratruthen

gewährt.

Die angestellten Bohrversuche haben eine mittlere Abraumhöhe von

22 Ellen 8 4/7 Zoll

und eine mittlere Kohlenmächtigkeit von

5 Ellen 22 1/7 Zoll

ergeben.“

 

Hiernach hatte das Kohlenflöz im Durchschnitt also eine Mächtigkeit von etwas mehr als 3 m und der hangende Abraum von etwa 12 m.

Die hier aufgeführten Flächengrößen haben wir unter Zugrundelegung einer sächsischen Ackerruthe zu 3,398 m Länge (wikipedia.de) einmal umgerechnet und kommen dabei auf 8.620 m² (oder nicht einmal einen Hektar) für das größere und von nur 3.764 m² für das kleinere Flurstück. Das frühere Desinteresse der Bergbehörde an Tagebauen solcher Dimensionen wird damit sicher etwas verständlicher. Doch nun waren die Bergämter halt auch für solche kleinen Kohlengruben zuständig.

Dem Gutachten hat Herr Graff freundlicherweise eine Croquis (eine Grubenfeldkarte) beigefügt, die uns über die Größe und Lage der Baufelder und auch über den Bezug zur schon erwähnten, unmittelbar angrenzenden Gerber'schen Kohlengrube näheren Aufschluß gibt.

   


Gut zu erkennen sind das „Kleine“ rechts und das „Große Lager“ links; das erstere ist eigentlich nur ein „Handtuch“. Da der Pfeil auf dieser Karte links herum „nach Ragewitz“ weist, ist Norden offenbar unten und die Abbaufelder lagen südlich des Bachlaufs. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40010 (Bergamt Freiberg), Nr. 3350, Blatt 193, Gesamtansicht.

   

Für die Ermittlung des Wertes einer solchen Grube war natürlich auch zu berücksichtigen:

C. Jährliche Production

„Die Annahme einer jährlichen Production von 2 Millionen Stück Ziegel ist allerdings illusorisch zu nennen und ist unter Berücksichtigung oben erwähnter Umstände wohl möglich, aber nicht räthlich. Sucht Straubel, diese Annahme unter Bezugnahme des alljährlichen Absatzes auf dem Gerber’schen Kohlenwerke, den er mit 2 ½ bis 3 Millionen Ziegel angibt, zu begründen, so weicht dieß von dem Tathbestande ab.  

Wenn allerdings bei dem regelrechten Betriebe der Gerber’schen Grube eine ansehnlich höhere Production als auf der dießseitigen Grube stattfindet und in der Regel zum Frühjahr aller Vorrath verkauft ist, während bei dem zeitherigen planlosen Betriebe und geringen Production von jährlich 500.000 Stück Ziegel auf der George’schen Grube der Vorrath viel eher vergriffen ist und Gerber dann erst den meisten Absatz macht, zuweilen auch in diesem Falle bei sehr starker Nachfrage das 1.000 Stück Ziegel mit 2 Thl. 25 Gr. – Pf., ja selbst mit 3 Thl. – Gr. – Pf. verkauft hat, so muß sich eine erhöhte Production bis zu

1.600.000 Stück Ziegel

um so eher rechtfertigen und ermöglichen lassen, wenn wie schon erwähnt, die zweckmäßigere Einrichtung des Streichplatzes getroffen, die Bebauung beider Lager gemeinschaftlich in Werk gestellt und der zur Zeit ganz unbenutzt liegende Streichplan der Parzelle No. 261 in Mitbenutzung genommen wird.

Unter dieser Voraussetzung sind

1.300.000 Stück Ziegel vom großen und

300.000 Stück Ziegel vom kleinen Lager

in Ansatz zu bringen.

Höher kann die Production bei Letzterem nicht angenommen werden, weil der Abbau desselben durch das Vorschreiten der Gerber’schen Grube bedingt ist; es ist daher nicht nöthig, auf die von Straubel Blatt 29b angedeutete und Blatt 81 als unausführbar angesprochene Acquisition eines über dem Bache liegenden Wiesengrundstücks zur Vergrößerung des Streichplanes Bedacht zu nehmen.

Wenn ferner Blatt 82 von der Beklagten der Erfahrungssatz, daß 1 Schachtruthe zu 64 Kubikellen 4.000 Stück Ziegel giebt, angesprochen und als unrichtig hingestellt ist, so steht sie im großen Irrthume, da das, was langjährige Praxis bei regelrechtem Betriebe und strenger Controlle der Arbeiter nachgewiesen, nicht abgeleugnet werden kann; sollten daher dennoch bei dem derzeitigen Pächter der Grube, welcher seine Pacht nach den Schachtruthen entrichtet, weniger Ziegel aus einer Schachtruthe erzielt worden sein, so kann dieß nur auf unrichtigen Annahmen beruhen.

Eben so unrichtig ist die Behauptung, daß aus frisch gestochener Kohle mehr als aus gelegener Kohle gefertigt werden könne. Gelegene Kohle bläht sich auf, wird voluminöser und giebt 1 Schachtruthe mindestens 4.000 Ziegel, ja auf der Gerber’schen Grube müssen aus einer Schachtruthe von 8 Ellen Länge und Breite und 1 Elle Höhe 4.070 Ziegel, wovon 70 Ziegel auf Bruch gerechnet, im Gedinge gestrichen werden. Als thatsächlicher Beweis dieser Annahme spricht übrigens die Prozedur, welche bei Anfertigung der Ziegel stattfindet.

Die frischgestochene Kohle wird vorher auf große Haufen aufgestürzt und der Einwirkung der atmosphärischen Luft ausgesetzt, um vor dem Einsümpfen ein Aufblähen derselben zu erzielen, nur im Nothfalle wird deshalb frisch gestochene Kohle eingesümpft und verstrichen werden. Es ist somit der von Straubel'n … aufgestellten, …als wahrheitswidrig und der practischen Erfahrung entgegen, widersprochenen Behauptung keineswegs entgegen zu treten, sondern solche als practischer Erfahrungssatz in Geltung zu lassen.“

  

Die Eigentümer wurden also vom Pächter mit einem Förderzins für den Nutzungsausfall der Grundstücke entschädigt, dessen Umfang sich nach der Menge ‒ genauer gesagt: weil die Kohle dazumal noch abgemessen und noch nicht abgewogen wurde, nach dem Volumen der ausgebrachten Kohle ‒ richtete.

Nebenbei lernen wir hieraus wieder einmal eine andere Bemessung der „Schachtruthe“ kennen, die hier nämlich zu 8 Ellen im Quadrat bei einer Elle Höhe gerechnet wurde. Unter Zugrundelegung der Dresdner Elle von etwa 0,5336 m ergibt sich für eine Schachtruthe im Ragewitz'er Braunkohlenbergbau also ein Volumen von rund 9,72 m³, was ungefähr 10 t Rohkohle entsprochen haben dürfte.

Das Streichen“ der Kohlenziegel hatte man von der Ziegelherstellung übernommen. Dafür wurde auch der Streichplan“ ‒ im Prinzip nur ein freier Platz ‒ benötigt, auf welchem man die Rohkohle abmaß, auf Vorrat stürzte, zerkleinerte und durch Anfeuchten formbar machte und dann auf Arbeitstischen in Holzrahmen füllte. Nach dem Stürzen wurden die Rohlinge auf Regalen in den Trockenscheunen aufgestapelt, je nach Witterung für ein bis zwei Wochen getrocknet und konnten dann in den Verkauf gehen.

Daß man die Kohle allerdings zunächst einige Zeit im Freien lagerte, um deren „Aufblähen“ zu bewirken, ist selbst uns noch neu...

Doch weiter im Text:

  

D. Preis der Ziegel

„Wenn von den beiden Taxatoren Hermsdorf und Leipnitz der Verkaufspreis von 1.000 Stück Ziegel nur zu 2 Thl. 13 Gr. – Pf. in Rechnung gestellt; von Straubel aber derselbe zu 2 Thl. 18 Ngr. – Pf. angenommen wurde, so steht allerdings der letztere Preis der Wahrheit am nächsten.

Nur in dem ungünstigsten, den Betrieb und Absatz hindernden Fällen kommt es zuweilen vor, daß 1.000 Stück Ziegel um den Preis von 2 Thl. 13 Gr. – Pf. verkauft werden, dagegen steigert sich auch der Preis nunmehr, wie ich schon sub. C erwähnte, bis zu 3 Thl. – Gr. – Pf. und ist der Preis von 2 Thl. 18 Ngr. – Pf. zeither der durchschnittliche Minimalpreis gewesen, es ist sonach der Blatt 83 gemachte Einwand nicht zu berücksichtigen. Selbst wenn, wie zu erwarten steht, sich in der Folge auch an anderen Orten neue Gruben eröffnen sollten, Concurrenz herbeigeführt wird, ist bei geregelten Betriebe und Beobachtung aller practischen Vortheile dieser Preis zu halten, da der Bedarf an Kohle sich fast täglich steigern und lange noch nicht gedeckt werden wird.“

  

Für die Abbauführung sind natürlich auch die Bewältigung des Abraums einerseits und die an den Grenzen des Feldes zu haltenden Abstände andererseits von großer Bedeutung:

E. Böschung

Setzt man bei der zu haltenden Böschung oder Abflachung den Abbaugrenzen nach … auf das Kohlenlager nieder voraus, daß der künftige Abbau der questionirten Lager auf den Parzellen No. 263 und 264, sowie No. 261 mit der Gerber’schen Grube gleichen Schritt hält, was für eine geregelte Bewirtschaftung das erste und unbedingte Erfordernis ist, so wird sich diese Böschung bei den Parzellen No. 263 und 264 nur auf den stehen zu lassenden Kohlenpfeiler, der auf der Croquis mit H bezeichnet ist, beschränken und 37,3 Quadratruthen Oberflächeninhalt bis an den Grubenfahrweg hinan fassen; so daß der Cubikinhalt der zum Kohlenpfeiler gehörigen Böschung oder Abraumhöhe sich bei 24 Ruthen Länge und 12,5 Ellen halber Breite, die für diesen Fall nur in Rechnung kommen kann,

56,1 Cubikruthen

beträgt.

Für die Parcelle No. 261 dagegen sind für die auf der Gerber#schen Seite anzulegende Böschung, nach dem Croquis K

134,5 Cubikruthen

in Anschlag zu bringen.

Es erledigt sich somit der Blatt 83b gemachte Einwand ad. H.

  

Wieder von eher kaufmännischem Interesse sind die nun folgenden Abschnitte:

F. Grundentschädigung

Für die Parcelle No. 263 und 264 beträgt das Areal der zu entschädigenden Oberfläche:

192,3 Quadratruthen

und für die Parcelle No. 261:

171,5 Quadratruthen,

wobei der Werth eines Ackers = 300 Quadratruthen höher nicht als

400 Thl. – Gr. – Pf.

anzuschlagen ist. 

G. Gewinnungskosten als
a) Kohlen und
b) Abraumförderungskosten

Auf Grund der zeitherigen Preise betragen

a) die Kohlenförderungskosten für 1 Schachtruthe = 64 Cubikellen

1 Thl. – Gr. – Pf.

Was jedoch

b) die Abraumförderungskosten anlangt, so sind solche von Straubel'n (unleserlich… ?) zu – Thl. 20 Ngr. – Pf. pro Schachtruthe angenommen und von der Beklagten insoweit für zu niedrig angesprochen, als dieselben im Durchschnitt wenigstens zu 1 Thl. – Gr. – Pf. anzunehmen wären.

Bei dem gleichzeitigen Angriffe beider Lager und daraus zu erzielenden rationellem Betriebe müssen die Abraumförderungskosten wegen Entfernung beider Streichpläne von einem, allerdings im Durchschnitt zu

1 Thl. – Ngr. – Pf.

berechnet werden.“

H. Streich-, Einfahr-, Aufsetz- und sonstige Kosten

Nach den auf den meisten Gruben üblichen Lohnpreisen betragen die Löhne für 1.000 Stück Ziegel zu streichen – Thl. 15 Ngr. – Pf. und sind deshalb die Kosten für Streichen, Einfahren, Aufsetzen und sonst pro 1.000 Stück Ziegel auf – Thl. 25 Ngr. – Pf. zu stellen.

J. Ziegelbruch

Die Blatt 84 aufgestellte Behauptung, daß die Annahme von 10% auf Ziegelbruch falsch und wenigstens auf 15% zu veranschlagen sei, setzt allerdings einen so schwunghaften Betrieb der Grube, wie der derzeitige ist, voraus. Selbst unter Berücksichtigung der angedeuteten Verwitterung an der frisch stehenden Kohlenwand durch Frost, Regengüsse und Sonnenhitze kann dieser Verlust nicht höher als 10 % angeschlagen werden.

Es sind demnach von 1.000 Stück 100 Stück Ziegel als Bruch und  – Thl. 25 Ngr. – Pf. in Rechnung zu bringen.

K. Betriebscapital

Wenn mit der jährlichen Production und dem Betriebe die Einnahme selten gleichen Schritt geht und insbesondere für Verlohnung der Abraumarbeiten ein Betriebscapital erforderlich ist, worauf gleichzeitig die Zinsen von 5% zu schlagen sind, so muß dieß bei einer Production von 1 ½ Millionen Ziegel auf mindestens

800 Thl. – Ngr. – Pf.

pro Jahr angeschlagen werden.

L. Verwaltungskosten  

Mit der derzeitigen Bewirtschaftung steht der Blatt 84 gemachte Einwand im grellen Widerspruche.

Bei einer derartigen projectirten Ausdehnung der Grube und einer Production von 1 3/5 Millionen Ziegel bedarf es durchaus eines besonderen Werksführers oder Inspekteurs mit 150 Thl. bis 200 Thl. Gehalt. Eben so wie dies auf anderen Gruben der Fall ist, kann die Aufsichtsführung über den Betrieb sowohl, als das Verladungs- und Verkaufsgeschäft einem zuverlässigen Accordarbeiter mit übertragen werden, der in der Regel gleichzeitig als Huthmann angestellt ist.

Da ein solcher Huthmann gewöhnlich den Genuß des Schankes hat, so sind bei einer Production von 1.600.000 Stück Ziegel mehr nicht als höchstens

60 Thl. – Ngr. – Pf.

als Verwaltungskosten anzunehmen. 

M. Creditsumme

Wie bei jedem anderen Geschäfte Verluste durch Außenstände und Prozesskosten behufs Einziehung voriger, anwachsen, so wird dieß auch hier der Fall sein, es kann aber eine solche jährliche Creditsumme bei dem vielfachen Kohlenbedarfe im Verhältniß der zu Grunde gelegten Production allerhöchstens

30 Thl. – Gr. – Pf.

in Rechnung gestellt werden, wobei

25 Thl. – Gr. – Pf.

für Verluste und Außenstände im Jahr und

5 Thl. – Gr. – Pf.

für Prozesskosten anzusetzen sind. 

 

Hinsichtlich der technischen Ausstattung der Grube und der Ausrüstung der Arbeiter sind auch noch die folgenden Abschnitte von besonderem Interesse:

N. Wegebaukosten

Hängt die gute Beschaffenheit des Abfahrweges mit der Möglichkeit eines gesteigerten Absatzes zusammen und bedingt das eine in der Regel das andere, so muß ich allerdings der … gemachten Erinnerung insoweit beitreten, dass die Wegebaukosten auf jährlich

10 Thl. – Gr. – Pf.

angenommen werden müssen.

O. Schleusenkosten

Die Annahme von 20 Thl. – Ngr. – Pf. jährliche Unterhaltungskosten der bereits vorhandenen und in gutem Zustande sich befindlichen Schleuse ist vollkommen ausreichend.“

P. Inventarium  

Das zu haltende Inventarium beschränkt sich nur auf Anschaffung neuer Karren und Laufpfosten, so wie Reparaturen derselben, da alles übrige Gezähe ein jeder Arbeiter selbst zu halten hat.

Außerdem sind noch die wenigen Reparaturen an den Trockenscheunen und dem Huthhause zu berücksichtigen, eine Vermehrung der Fahrbrücken aber, wie Blatt 86 behauptet wird, ist nicht in Betracht zu ziehen.

Für alle diese Vorkommnisse genügt es vollkommen, wenn jährlich 

15 Thl. – Ngr. – Pf.

gerechnet werden, außerdem aber müssten noch

15 Thl. – Ngr. – Pf.

jährlich für Beschaffung neuer Laufpfosten in Ansatz kommen.

Ist übrigens Blatt 85b behauptet, daß bei einer jährlichen Production von 2 Millionen Ziegel wenigstens der 50 Menschen erforderlich sind, so ist dieß eine irrige Annahme.

Unter Voraussetzung von 15 Mann kann unter gehöriger Aufsicht 1 Million Ziegel producirt werden, es sind daher bei der hier angenommenen Production von 1 3/5 Million Ziegel allerhöchstens 24 Mann erforderlich.“

Q. Bau und Einebnungskosten

Auf Bau und Einebnungskosten der Wege und Streichpläne unter Berücksichtigung der zweckmäßigen Verlegung des Huthhauses und der Trockenscheunen genügt es, wenn jährlich

12 Thl. – Ngr. – Pf.

in Ansatz kommen.“

 

Mit der „Schleuse sub. O dürfte hier wohl eine Entwässerungsleitung des Tagebaus gemeint gewesen sein.

Wie wir hieraus nebenbei aber auch erfahren, hatten die Arbeiter ‒ mit Ausnahme der Transportkarren und dem Laufwerk ‒ für sämtliches benötigtes Werkzeug selbst zu sorgen. Der Betreiber der Grube (hier also der Pächter Pöllhardt) kümmerte sich darüber hinaus nur um die Errichtung und Instandhaltung der erforderlichen Gebäude und der Anlagen, wie der Herrichtung der Streichplätze.

  

Nachdem der Berggeschworene Graff also alles erläutert hatte, was ihm in Hinblick auf das zu bewertende Bergwerk und die vorausgegangenen Bewertungen desselben wichtig erschienen war, kam er nun endlich zum Kern der Sache:

Taxation
des Kohlenberges unter den Parzellen No. 263 & 264

Schlägt man die Mächtigkeit des Kohlenlagers im Durchschnitt zu 11 Ellen an und legt die jährliche Production von

1 Million 300.000 Stück Ziegel

zu Grunde, so wird man aus 1 Quadratruthe Oberfläche und gesammte Kohlenlagerhöhe im Durchschnitt 44.000 Stück Ziegel erhalten und somit in einem Jahr

29,845 Quadratruthen

in Abbau nehmen können.

Der abzubauende Kohlenlagervorrat beträgt nach den Resultaten der Vermessung 746,5 Quadratruthen, es wird daher solches bei einem jährlichen Bedarfe von 29,545 Quadratruthen in

25,27 Jahren

abgebaut und erschöpft werden, und die Ausgabe sich wie folgt berechnen…“

  

Wir erlauben uns, auf die komplizierte Einnahme- und Ausgabe- Berechnung zu verzichten und kommen gleich zum Schluß:

…so gewährt diese Rechnung den Kaufpreis des Werkes von

12.845 Thl. 12 Ngr. ‒ Pf.

 

Das war das eine Lager und dasselbe wird nun noch für das kleinere wiederholt:

Taxation
des Kohlenberges unter der Parcellen No. 261

Was nun den Werth des Kohlenlagers unter der Parcelle No. 261 anlangt, so steht derselbe bezüglich der Größe des Lagers sowohl, als der beschränkten Terrainverhältnisse und den zu erwartenden Ergiebigkeit auf Grund der Bohr- und Vermessungs- Resultate mit dem sogenannten großen Kohlenlager in keinem Verhältnisse.

Besonders betrachtenswerth aber tritt dasselbe insofern hervor, wenn, wie bereits erwähnt wurde, es in gleichzeitigen Abbau mit den Parcellen No. 263 und 264 gewonnen und die in ihm lagernde, von fettigerer Beschaffenheit seiende Masse in gemeinschaftliche Verwendung mit der Kohle oben genannten Lagers verwerthet wird. Es kann deshalb auch im Hinblick auf die Größe desselben ein gleichmäßig fortschreitender Betrieb mit dem Gerber’schen Kohlenwerk sowohl, als mit den Parcellen No- 263 und 264 nicht zum Maaßstab dienen und muß daher die mögliche Production als Verhältnißzahl betrachtet werden, mit der Ausbeutung des großen Lagers aber auch dieses bis an den Kohlenpfeiler hin gleicher Zeit abgebaut sein.

Wenn in Erwägung der geringen Länge und Breite, sowie der Mächtigkeit des Kohlenlagers von circa 5,75 Ellen der Abbau zur Zeit von der eigentlichen Abbaulinie des Gerber’schen Kohlenwerkes zurück steht, so kann unter den obwaltenden Umständen und den vorauszusetzenden Bedingungen dieß nicht in Betracht kommen und eine Abminderung des eigentlichen Werthes des Lagers nicht bedingen, wie denn auch eine besondere Veranschlagung der Böschung und der Grundentschädigung längst der Gerber’schen Grenze an der Oberfläche nicht in Rechnung kommen kann, wohl aber muß eine solche längs des (unleserlich…?) Grundstückes unter einer Länge von 61 Quadratruthen und 22,3 Ellen nach Breite und Höhe Beachtung finden und in Ansatz gebracht werden.

Unter der Voraussetzung, dass das betr. Lager für sich allein nicht, sondern nur in Gemeinschaft mit dem Lager No. 263 und 264 in nutzbaren und vortheilhaften Abbau genommen werden kann, werden sich allerdings mehrere Ansätze, welche bei der Taxation des großen Lagers gemacht wurden, hier compliciren und somit bei der Werthabschätzung außer Ansatz bleiben müssen, da die dort veranschlagten Kosten sich theilweise auf diese Abbauung extertiren.

Bei einer Production von jährlich

300.000 Stück Ziegel

und der Durchschnittsmächtigkeit des Lagers von 5,75 Ellen wird 1 Quadratruthe Oberfläche in der gesamten Kohlenlagerhöhe im Durchschnitt 23.000 Stück Ziegel gewähren, und man wird daher in 1 Jahr

13,043 Quadratruthen

in Abbau nehmen können, während ein jährlicher Abraumabbau von

11,903 Quadratruthen

eintreten wird.

Nach den Vermessungsresultaten beträgt das abzubauende Kohlenlagervorrat 325,9 Quadratruthen; werden daher jährlich 13,043 Quadratruthen in Aushieb gebracht, so wird das Lager in

24,99 oder circa 25 Jahren

völlig abgebaut und erschöpft sein. Da dieser Zeitraum mit der angenommenen Abbauzeit des großen Lagers von 25,27 Jahren in gutem Einklange steht und somit bei geregelter Bewirthschaftung sich ein gemeinschaftlicher Betrieb und Abbau beider Lager umso mehr rechtfertigen und als zweckmäßig herausstellen muß, desto sichererer kann nunmehr bei solcher Basis und den gemachten Voraussetzungen die Taxation dieses Lagers erfolgen…“

  

Auch hier verzichten wir darauf, die gesamte Berechnung nachzuvollziehen und kommen gleich zum Ergebnis:

„…Es erlangen daher die in einem Jahre abzubauenden 13,045 Quadratruthen Kohlenmasse einen Kostenaufwand von

74 Thl. 29 Ngr. 9,1 Pf.

(...) Der Kaufwerth ist daher

600 Thl. 16 Ngr. 8 Pf.“ 

  

Für uns ist bei dieser Berechnung noch von Interesse, daß der Abbau der ja eigentlich nur winzigen Flächen damals doch auf immerhin 25 Jahre ausgelegt worden ist.

Bei folgender Aufstellung interessiert uns die Verteilung der Kosten auf die einzelnen Positionen (die Prozentzahlen hat nicht Herr Graff berechnet, sondern wurden von uns ergänzt) und das, was für die Besitzer unter'm Strich pro Jahr denn eigentlich herausgekommen sein dürfte:

Recapitulation
sämmtlicher Ausgaben für 1 Jahr

  96 Thl. 28 Ngr. 9,8 Pf. Böschungskosten 13,0%
  11 16 5,3 Grundentschädigungskosten 1,5%
267 25 8,6 Abraumförderkosten 36,2%
  74 29 9,1 Kohlenförderungskosten 10,0%
250 Streich-, Einfahr- und Aufsetzkosten 33,9%
  25 Ziegelbruchkosten 3,4%
    5 Wegebaukosten 0,7%
    6 Bau- und Einebnungskosten 0,8%
         
737 11 2,8 Hauptsumme der pro Jahr nöthigen Ausgaben  

  

Bei einer jährlichen Production von 300.000 Stück Ziegel und dem Verkaufswerthe von 2 Thl. 18 Ngr. ‒ Pf. pro 1.000 Stück Ziegel wird die jährliche Einnahme

780 Thl. ‒ Ngr. ‒ Pf.

betragen. Stellt man daher diese Einnahme mit der erwachsenden jährlichen Ausgabe in Bilanc, so ergiebt sich ein jährlicher Reingewinn von

42 Thl. 18 Ngr. 7,2 Pf.

und berechnen sich die Gestehungskosten von 1.000 Stück Ziegel auf

2 Thl. 13 Ngr. 7,37 Pf.

  

Bei einem Kostenaufwand von rund 737 Thalern ergab sich für die Besitzer aus dieser Rechnung also ein Gewinn von knapp 5,7 %. Nicht überraschend ist daran, daß die Kosten für die Abraumbewegung ‒ allein schon des bei weitem größeren Volumens halber ‒ den größten Einzelposten ausmachen. Gleich danach folgen die Verarbeitungskosten, während der Abbau der Kohle für sich genommen gerade einmal 10 % der Gesamtkosten ausmachte.

   

Stellt man nun beide Kaufwerthe zusammen, so ergiebt sich die Hauptsumme des Werthes beider Lager zu

13.425 Thl. 28 Ngr. 8 Pf.

Freiberg, am 13ten März 1852
Traugott Friedrich Graff
Königl. Sächs. Berggeschworener

  

Dieses Gutachten hat übrigens der beigefügten „Liquidation“ des Herrn Graff zufolge genau 80 Thaler gekostet.

Wie sich die George'schen Erben am Ende geeinigt haben, geht aus den Unterlagen der Bergbehörde nicht mehr hervor.

  

Über das Gerber'sche Kohlenwerk haben wir noch eine Notiz in den Befahrungsnachweisen des Bergamtsreferendars Kirsch aus dem Jahr 1905 gefunden (40051, Nr. 103). Dieser hatte in jener Zeit auch das Braunkohlenwerk von W. F. Gerber zu Pöhsig zu befahren, welches jedoch spätestens zu dieser Zeit auflässig gewesen ist. Der betreffende Fahrbericht ist leider in dieser Akte nicht enthalten.

  

 
 
 

Zum Scheunert'schen bzw. Neustadt'schen Braunkohlenwerk um 1870

  

Ab der Ausgabe auf das Jahr 1863 des damaligen Jahrbuchs für den Berg- und Hüttenmann wurden erstmals auch die Braunkohlen- Gewinnungsbetriebe in eine separate Statistik aufgenommen. Damals verzeichnete man 105 Betriebe mit zusammengenommen 1.285 Arbeitern. Als erster Großbetrieb kann die 1864 gegründete Braunkohlenabbaugesellschaft Grube Mansfeld, die Vorläuferin der Leipziger Braunkohlenwerke AG Kulkwitz, gelten.

Mit dem Allgemeinen Berggesetz von 1868, das durch die Trennung von Abbaurecht und Grundeigentum an der Erdoberfläche die rechtlichen Voraussetzungen dafür schuf, begann eine schnelle Expansion des Braunkohlenbergbaus vor allem südlich von Leipzig, der durch die französischen Reparationsgelder nach 1871, das Ansteigen der Preise für Steinkohle und die Eröffnung der Eisenbahnstrecke Leipzig- Borna- Chemnitz zusätzlichen Auftrieb erhielt und im Jahr 1872 mit 131 Betrieben einen Höchststand erreichte. Die bald wieder abflauende Konjunktur am Ende der Gründerzeit bewirkte jedoch auch wieder einen Rückgang der Betriebszahl im Revier und förderte die Tendenz zur Konzentration (40128).

  

Infolge der Umstrukturierungen nach dem Inkrafttreten des ersten Allgemeinen Berggesetzes für das Königreich Sachsen 1869 wurde zunächst die damals neugeschaffene Berginspektion Chemnitz und noch später die erst 1898 gebildete Berginspektion Leipzig für die Region zuständig. Wie lange vor der ersten aktenkundigen Inspektion durch das dazumal gerade noch zuständige Bergamt Freiberg dieses Kohlenwerk in Ragewitz schon existiert hat und ob es vielleicht auf das George'sche oder auf noch ein anderes zurückgeht, wissen wir noch nicht – sicherlich aber ist auch dieses nicht vor 1850 aufgenommen worden, sonst hätten wir es in den Akten anderer Institutionen oder des Kohlenwerksinspektors R. F. Köttig irgendwo finden müssen. Auch rissliche Unterlagen zu diesem Werk sind nicht mehr zu finden; es ist nicht einmal mehr auf der Verleihkarte verzeichnet.

Der Berginspektor L. Förster aus Chemnitz jedenfalls hat uns ein erstes Fahrjournal vom April 1871 hinterlassen (40024-7, Nr. 207). Dieser Bericht ist ziemlich knapp gehalten und im Wesentlichen ist darin nur festgehalten, daß Herr Scheunert auf eigenem Grund und Boden im Tagebau fördere. Zu bergpolizeilichen Ermahnungen fand Herr Förster keinen Anlaß.

Die nächste bergbehördliche Inspektion fand erst im Dezember 1873 statt und ist von Inspektor C. W. Schulze aus Chemnitz unterzeichnet. Er fand zu bemängeln, daß die „Auslaufbrücke“ mit gerade einmal 1,13 m zu schmal sei und daß obendrein daran Geländer fehlten. Die Bemerkung weist darauf hin, daß Herr Scheunert bereits eine Art Förderbrücke errichtet hatte, über die die Arbeiter ihre Karren vom Tagebau zum Streichplatz schieben konnten.

Bis zum Jahr 1879 blieb Herr Schulze für die Braunkohlenwerke in Ragewitz zuständig. Seinen Fahrjournalen vom Dezember 1874 und September 1876 ist jedoch nur zu entnehmen, daß das Werk regelmäßig im Herbst nicht in Betrieb gestanden habe. Im Bericht zur Befahrung vom Dezember 1877 heißt es, es sei in diesem Jahr „fast gänzlich außer Betrieb“ gewesen und im Januar 1879 schrieb er sogar, es würde „schon seit mehreren Jahren nicht mehr betrieben.“

  

Dieses Braunkohlenwerk ist auch in den Ausgaben von 1870 bis 1878 der Jahrbücher für das Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen aufgeführt. Mit 10 Mann Belegschaft wurden hier im Jahr 1869 insgesamt 2.816 Scheffel Rohkohle gefördert; das entspricht etwa 300 t.

Während der Gründerzeit, aus der die oben zitierten Befahrungsberichte stammen, stieg die Belegschaft zeitweise bis auf 18 Mann an. Die Förderung erreichte dabei schon im Jahr 1872 mit 4.040 Scheffeln (rund 430 t Jahresförderung) ihren Höhepunkt und fiel dann schnell wieder ab. Nach einer mit Bleistift vorgenommenen Ergänzung im Fahrbericht vom Januar 1879 seien im Jahr 1876 noch einmal 2.020 Hektoliter (dieses etwa volumengleiche Hohlmaß hatte um diese Zeit den alten Scheffel abgelöst) gefördert worden seien. Von 1871 bis 1876 hat das Werk auch Naßpreßsteine produziert und zwar zwischen 21.000 und maximal 65.000 Stück im Jahr. F. Etzold meinte 1912, daß dieses Werk zeitweise bis zu 1.000 t pro Jahr ausgebracht habe, aber diese Zahl erscheint uns ‒ allen Ungenauigkeiten beim Umrechnen alter Maßeinheiten unbenommen ‒ doch als zu hoch gegriffen.

  

Der letzte Fahrbericht von C. W. Schulze in der Landesbergamtsakte zu diesem Braunkohlenwerk (40024-7, Nr. 207) datiert auf den 16. Juni 1879. Darin hielt der Inspektor fest, daß das Werk 1879 wieder aufgenommen worden sei – wahrscheinlich aber nicht mehr von Herrn Scheunert senior, denn Friedrich Wilhelm Scheunert ist 1879 verstorben. Am 19. Februar 1880 teilte dies nämlich der Sohn, Bruno Scheunert, auch der Berginspektion in Chemnitz schriftlich mit. In seinem Brief heißt es, daß die Ziegelei – wahrscheinlich ging also auch hier damals der Großteil der Förderung in die eigenen Brennöfen – und die Feldwirtschaft vorläufig von seiner Mutter und Wittwe des Verstorbenen, Theresie Scheunert, fortbetrieben werden, während im Tagebau „keinerleiweise Betrieb stattfindet, selbiger vielmehr bis zu der nächstens erbtheilungshalber stattfindenden Subhastation liegen bleibt.“

Die Stelle des Herrn Schulze in Chemnitz hatte inzwischen Berginspektor Neukirch übernommen. Der befuhr am 18. Dezember 1880 das Werk und notierte, er habe „niemanden vor Ort entdecken können, obwohl das Braunkohlenwerk augenscheinlich nicht ganz außer Betrieb stand.“

Klärung brachte dann fast ein Jahr darauf die Mitteilung von B. Scheunert, daß der Braunkohlentagebau am 26. November 1880 an einen Herrn Ernst Louis Neustadt verkauft worden sei, welcher den Abbau „in derselben Weise, wie früher fortbetreiben wolle.“

Das Bergamt in Freiberg ließ sich vom Amtsgericht in Grimma den Besitzwechsel bestätigen, und als dies erfolgt war, bestätigte es auch dem neuen Besitzer, daß vonseiten der Bergbehörde keine Einwände gegen die Wiederaufnahme bestünden. Zugleich forderte es aber auch die Einstellung eines „qualifizierten Betriebsführers.“

Leider endet damit auch hier der Akteninhalt.

  

1877 wird diese Braunkohlengrube auch in den statistischen Angaben zum Kohlenbergbau Sachsens in den Jahrbüchern letztmalig aufgeführt. Im Vorjahr 1876 wurden demnach mit 7 Arbeitern noch einmal die auch oben von Schulze schon genannten 2.020 Scheffel ausgebracht. Da keine Angabe zur Preßsteinerzeugung aus diesem Jahr vorliegt, hat der neue Besitzer diese Menge entweder als Rohkohle an Abnehmer oder zur Preßsteinherstellung an andere Braunkohlenwerke verkauft.

Einer anderen Akte des Landesbergamtes (40024-7, Nr. 194) ist dann zu entnehmen, daß Herr F. A. Schippan auch das vormals Scheunert’sche Werk 1881 übernommen und seiner Alinengrube zugeschlagen habe. Damit kommen wir nun zum nächsten Kapitel…

   

 
 
 

Zum Abbau durch F. A. Schippan: Die Alinen- Grube ab 1868

  

Wann genau Friedrich August Schippan mit seiner Familie nach Ragewitz gezogen ist, haben wir noch nicht herausgefunden. Dem Jahr 1868 jedenfalls entstammt eine erste Nennung des Familiennamens in einer Akte des damaligen Königlichen Amtsgerichts in Grimma, in der Herr Schippan als „Begütherter“ – also Besitzer eines Bauerngutes – in Ragewitz bezeichnet wird. Dem Akteninhalt zufolge habe Herr Schippan besagtes Bauerngut schon im Jahr 1861 gekauft und es habe auf der Parzelle No. 9 der Altgemeinde Ragewitz gestanden. Ein Nebengebäude dieses von Schippan erworbenen Gutes war jedoch so errichtet, daß es zum Teil bereits auf dem Nachbargrundstück No. 12 zu stehen gekommen war. Damit Ordnung herrsche, wurde nun die Nummer 12 geteilt und das abgetrennte Teilstück 12a mit einer Größe von 9 Quadratruthen wurde von Herrn Schippan gekauft.

Der Verkauf mußte außerdem erst noch mit Schreiben vom 15. August 1868 von der Kreisdirektion Leipzig genehmigt werden, weil wohl eines (oder beide) der Grundstücke „geistliches Lehen“ gewesen sind – also vermutlich der Kirche gehört haben. So ganz klar ist aber auch das nicht, denn die Steuereinheitenabtheilung der Bezirkssteuereinnahme zu Grimma teilte dazu mit, daß ein „Besitzthum der sogenannten Altgemeinde und Landrenten auf dieses“ im Grund- und Hypothekenbuch nicht eingetragen seien (20092, Nr. 129).

Hätte Friedrich August Schippan das Gut nun bereits 1861 gekauft, wäre er damals gerade einmal 16 Jahre alt gewesen, was uns fraglich erscheint. Ein Umzug nach seiner 1867 noch in Langenleuba- Oberhain stattgefunden Heirat erscheint uns stattdessen wahrscheinlicher, denn nun war er immerhin 21 Jahre alt, also volljährig und wäre damit auch in vollem Umfang rechtsfähig gewesen, um tatsächlich selbst ein Bauerngut kaufen zu können. Wahrscheinlich also war die Familie von F. A. Schippan seit 1867 oder 1868 in Ragewitz ansässig.

   


Carl Hübner, Feldmesser: Parzellen der Flur Ragewitz, nach der Natur aufgenommen. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20092, Nr. 129, Blatt 2 der Akte.

   

Der kleine Kartenausschnitt oben zeigt wahrscheinlich nur orts- und geschichtskundigen Einwohnern aus Ragewitz, wo das Schippan'sche Bauerngut um diese Zeit gestanden hat, zumal auch die alten Flurstücksnummern inzwischen größtenteils nicht mehr dieselben sind. Die aneinandergrenzenden Flurstücke 9 und 12 suchen wir heute auf aktuellen Flurkarten vergebens...  In einer Akte des Landesbergamtes (40024-7, Nr. 194, Blatt 105) haben wir ‒ eigentlich schon fast am Ende unserer montanhistorischen Recherchen ‒ dann aber die folgende Flurkarte gefunden, aus der hervorgeht, welche Flächen der Familie Schippan ‒ allerdings erst um 1885 ‒ eigentlich alle gehört haben. Sie zeigt uns auch, welches das Schippan'sche Gut 1868 gewesen ist.

   


Flurcroquis, um 1890. Darin rot markiert: das Schippan'sche Gut im Ortskern der Altgemeinde und die 1882 errichtete Villa an der Straße nach Leipnitz (weiter unten). Vermutlich waren alle hellgrau hinterlegten Flächen im Besitz der Familie Schippan; nur ein Teil dieser Flächen ist aber explizit mit dem Namen beschriftet. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40024, Nr. 7-194, Blatt 105 der Akte, Handyfoto, fast die Gesamtansicht, wir haben sie bereits gedreht, so daß Norden annähernd oben ist.

 

Das Zentrum von Ragewitz rund um den Dorfplatz ist inzwischen stark umgebaut und das Schippan'sche Gut als solches besteht nicht mehr. Am wahrscheinlichsten dürfte es sich um die heutige Hausnummer 6 am Dorfplatz gehandelt haben.

Genauso interessant ist aber die Angabe zum Flächenbesitz der Schippan's in Ragewitz. Man erkennt auf folgender Karte auf den ersten Blick, daß die Familie in den 1880er Jahren doch ziemlich bedeutenden Grundbesitz in Ragewitz ihr Eigen nannte. Den Begriff „Begütherter“, den man in alten Akten häufig für Landbesitzer findet, kann man hier durchaus doppelsinnig verstehen... Jedenfalls waren die Schippan's keine armen Leute.

   


Wenn wir solche Unterlagen schon finden, versuchen wir natürlich auch, sie zuzulegen. Wir haben hier die obige Flurcroquis, so gut es halt geht, in die heutige Topographie eingepaßt und alle Flächen, welche darin um 1890 definitiv mit dem Namen der Familie gekennzeichnet waren, durch die rote Schraffur hervorgehoben.

  

   
 
 

Einige Angaben zur Familie Schippan

  

Da uns der Familienname Schippan schon einige Male begegnet ist, sei uns an dieser Stelle ein kleiner Exkurs gestattet: Möglich machen uns diesen Exkurs die akribischen Archivrecherchen der Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher e. V., namentlich von Herrn Joachim Hugo Kurt Schippan (*1913 in Leipzig), veröffentlicht ab 1983. Ohne diese umfangreichen Forschungen auch nur ansatzweise nachvollziehen zu können, wollen wir doch auf deren Grundlage in aller Kürze auf die Herkunft der Familie Schippan und auf ihren Weg bis nach Ragewitz eingehen.

Die Familie Schippan umfaßt demnach wenigstens sechs Familienzweige, u. a. in der früher brandenburgischen Neumark im heutigen Polen (Ast Züllichau / Sulechów), bei Spremberg in der Niederlausitz (Ast Zschorno), in Weißenfels an der Saale, in Reinsberg bei Freiberg sowie in Flöha bei Chemnitz. Je nach Lebensmittelpunkt und Sprachgebrauch änderte sich über die Zeiten dabei auch die Schreibweise des Namens.

Am weitesten kann man die Familiengeschichte in Westpolen zurückverfolgen, wo Andreas Christoph Cschieban bis 1559 als Stadtrichter und Rektor in der Stadt Züllichau (heute Sulechów) tätig gewesen ist (AOFF, 1983). Ein Hannus Schyban ist aber auch schon 1361 als Bürgermeister in Bautzen aktenkundig (AOFF,1986) und ein Ritter Siban taucht sogar schon ab 1287 als Zeuge in Urkunden auf ! (AOFF, 1987)

Der Name Schippan, wie auch seine zahllosen weiteren Abwandlungen, werden von Sprachforschern auf den Heiligen bzw. auf den Vornamen Stephan (slaw. Czepan) zurückgeführt (Bahlow, 1953).

Ein Urenkel von o. g. Andreas Christoph Cschieban war Hans Tschepan, der um 1670 als Richter in Zschorno (Kreis Spremberg) nachweisbar ist. Aus dem Ast Zschorno der Familie stammte auch der erste des Namens Johann George Schippan (*1741, †1774), welcher die Stelle des Försters in Merzdorf (Kreis Hoyerswerda) inne hatte.

Eines seiner drei Kinder war Johann Georg Schippan (*1760 in Merzdorf, †1846 in Flöha), der uns aus unserem Beitrag über den Steinkohlenbergbau im Gückelsberg bei  Flöha als  Lehnrichter daselbst (von 1795 bis 1828), Besitzer einer Steinkohlengrube allda, eines Kalkwerkes in der Schweddey sowie zweier Eisenhütten in Chemnitz bekannt geworden ist.

Bevor er von Merzdorf nach Flöha zog, war er um 1787 als Brauer in Reinsberg tätig. Aus dieser Zeit und erster Ehe stammten insgesamt acht Kinder. Am bekanntesten ist darunter sein dritter Sohn Adolph Leberecht Schippan (*1795, †1837) geworden, der sich selbst Heinrich Adolph Schippan nannte und uns als in Freiberg tätiger Markscheider wohlbekannt ist. Aus seiner Hand stammt u. a. jener Grundriß der Stadt Freiberg, der heute als rund 4 m² große Kopie im Foyer des Sächsischen Oberbergamtes in der Kirchgasse in Freiberg zu sehen ist.

Bereits aus zweiter Ehe von Johann Georg Schippan stammte ‒ neben weiteren sieben Kindern ‒ Gustav Moritz Schippan (*1800 in Flöha, †1842), der 1828 vom Vater das Lehnrichtergut in Flöha übernahm. Sein jüngerer Bruder Eduard Schippan (*1805, †1870) führte dieses Amt von 1835 bis 1843 fort. Gustav Moritz Schippan wiederum hatte fünf Kinder, darunter Moritz Theodor Schippan (*1829, †1857), der später das Erbrichteramt in Ebersdorf (heute ein Stadtteil von Chemnitz) inne hatte. Diese Nachfahren bilden den Ast Flöha der Familie Schippan.

Adolph Leberecht Schippan's älterer Bruder Friedrich August Schippan (*1794, †1846) aus der Reinsberger Linie der Familie war dagegen Guts- und Gasthofs- Mitbesitzer in Langenleuba- Oberhain geworden. Er hatte nur einen spät geborenen Sohn, dem die Witwe den Namen des Vaters gab. Dieser Friedrich August Schippan (*1845, †1905) wiederum hatte 1867 noch in Langenleuba- Niederhain Marie Therese Selma geheiratet. Wir kennen die verwandtschaftlichen Verhältnisse noch nicht ‒ es ist auch für die Geschichte der Ragewitz'er Braunkohlenbergwerke ziemlich unerheblich ‒ doch steht in einigen Unterlagen und auf der Namenstafel der  Grablege der Familie Schippan in Ragewitz, daß Marie Therese Selma eine geborene Schippan gewesen sei. Es kann sich vielleicht um eine Cousine aus der ja weit verzweigten Familie gehandelt haben... Danach kam Friedrich August Schippan ‒ wie oben schon gesagt ‒ wahrscheinlich um 1868 nach Ragewitz (AOFF, 1983 sowie 20092, Nr. 129).

Dabei wundern wir uns eigentlich schon gar nicht mehr, daß auch dieser Schippan neben seinem Bauerngut in Ragewitz auch eine Ziegelei und zwei Braunkohlengruben betrieben hat. Die Familie hatte einfach eine gewisse Affinität zum Bergbau und zur Kohle im Besonderen entwickelt... Außerdem ist Friedrich August Schippan auch als Friedensrichter in Ragewitz tätig gewesen (AOFF, 1983).

Wo wir einmal nachsuchen, finden wir doch im Kapitel 3. Im Bereiche des Berg- und Hüttenwesens tätige Ärzte. der Jahrbuchausgaben zwischen 1907 und 1911 einen in Marienberg tätigen Dr. med. Schippan. Von 1909 bis 1911 praktizierte dieser Dr. med. Schippan, jetzt Stabsarzt a. D., dann doch ausgerechnet in Ragewitz. Bei ihm handelte es sich um Friedrich August Schippan's ältesten Sohn Albert August Schippan. Außerdem wurden noch fünf weitere Kinder in Ragewitz geboren und wir zählen sie hier einmal auf:

  1. Albert August Schippan (*25.11.1868, †17.12.1934), Dr. med. und Stabsarzt.

  2. Robert August Schippan (*13.4.1870, †21.11.1948), Gutsbesitzer in Göttwitz bei Grimma.

  3. Aline Selma Schippan (*8.11.1871, †22.6.1955)

  4. Hugo August Schippan (*8.11.1872, †7.10.1944), Rechtsanwalt in Leipzig und Dresden.

  5. Flora Selma Schippan (*19.4.1876, †26.12.1945).

  6. Arthur August Schippan (*22.1.1881, †13.7.1931), Rittmeister und Fabrikant in Dresden.

Es machte die Familienforschung vielleicht etwas leichter, daß Friedrich August Schippan seinen Söhnen stets als zweiten Vornamen seinen eigenen und seinen Töchtern den ihrer Mutter gegeben hat (AOFF, 1983). Nach seinen beiden Töchtern hat Friedrich August Schippan später auch seine beiden Braunkohlengruben in Ragewitz benannt (40024-7, Nr. 194.).

Tochter Aline Selma ehelichte 1908 den Reinhard Oskar Hessel (*11.2.1867, †16.12.1929) aus Brösen (AOFF, 1983). Dieser führte nach dem Tod von Friedrich August Schippan am 1. November 1905 die Braunkohlenwerke in Ragewitz bis zu seinem eigenen Ableben weiter. Mit der Familie Hessel war man übrigens gleich doppelt verschwägert, denn Robert August's Sohn Werner Robert Schippan, also ein Enkel Friedrich August's und Neffe von Aline Selma Schippan ehelichte ebenfalls im Jahr 1908 Reinhard Oskar Hessel's Schwester Gerda Elfriede Hessel.

Auch den Anwalt dieses Namens haben wir in den Jahrbüchern für das Berg- und Hüttenwesen wiedergefunden: Im Jahr 1907 nämlich wurde in Kömmlitz die Braunkohlengrube Marie eröffnet. Geschäftsführer dieser GmbH mit Sitz in Leipzig war neben Herrn G. Wilke, Kaufmann aus Großzschocher bei Leipzig, Herr H. Schippan, Rechtsanwalt in Leipzig. Bei diesem nun handelte es sich um Hugo August Schippan, einen der Brüder von Albert, Aline und Flora, der sich als Rechtsanwalt in Leipzig und später in Dresden niedergelassen hatte. Dessen zweiter Sohn ist der eingangs genannte Joachim Hugo Kurt Schippan, der Erforscher der Familienbiographie, auf die wir hier zurückgreifen durften. 1945 war er selbst noch Bürgermeister in Ragewitz; ist jedoch später wieder nach Leipzig und dann nach Frankfurt/Main gezogen (AOFF, 1983).

Auf den Flöha'er Ast der Familie gehen ferner auch die Besitzer einer Düngemittelfabrik in Freiberg zurück. Weitere Nachfahren aus der Flöha'er Linie besaßen ein Jagdutensilien- Geschäft in Dresden, dem um 1893 sogar das Prädikat eines Hoflieferanten verliehen worden ist... Wir wollen unseren Exkurs zur Familie Schippan an dieser Stelle aber nicht weiter ausdehnen, verneigen uns voll Hochachtung vor der Arbeit, die in dieser Biographie einer bürgerlichen Familie steckt und kehren zu unserem Thema zurück.

  


Da wir die früher brandenburgisch- preußischen Orte in der einstigen Neumark auch nicht mehr kennen, haben wir bei wikipedia und auf der Earth- Kugel mal nachgeschaut, auf welchem Weg die Familie Schippan denn eigentlich nach Ragewitz gekommen ist...

   

   
 
 

Die Alinen- Grube von der Gründerzeit bis 1905

  

Nachdem wir aus obenstehendem Abschnitt nun wissen, wie die beiden Schippan'schen Braunkohlengruben in Ragewitz eigentlich zu ihren Namen gekommen sind, kehren wir wieder zur Bergbaugeschichte und zunächst zur Grube Aline zurück.

1869 war im Königreich Sachsen das erste allgemeine Berggesetz in Kraft getreten. Aus dem vormaligen Oberbergamt in Freiberg wurde damals das Landesbergamt gebildet und die bis dahin noch bestehenden Bergämter wurden aufgelöst. An ihre Stelle traten nun zunächst drei Berginspektionen in Zwickau, in Chemnitz und in Dresden. Im Zuge weiterer Umstrukturierungen wurde nach 1898 außerdem ‒ der schnell wachsenden Bedeutung des mitteldeutschen Braunkohlenreviers geschuldet ‒ die Berginspektion in Leipzig gegründet. Die Berginspektion in Chemnitz wurde aufgelöst. Zugleich wurde mit der Berginspektion III beim Landesbergamt in Freiberg eine zentrale Aufsichtsbehörde für die gewerblichen Gruben, wie Kalk- und Kohlenwerke, Steinbrüche und andere Gewinnungsbetriebe, gebildet.

Um die Jahrhundertwende übernahm man auch im Königreich Sachsen eine Art fortlaufende Nummerierung der Bergwerke ‒ wohl, um die Aktenhaltung, der großen Anzahl der Kohlenwerke halber, zu erleichtern ‒ wie sie im damals preußischen Herzogtum Sachsen- Altenburg schon früher üblich geworden ist. Einer Aktennotiz zufolge (40051, Nr. 597) erhielt die neue Flora- Grube die Nummer L.93; der Alinengrube war die Nummer L.54 zugeteilt (das ,L.' stand nun wohl für den Regierungsbezirk Leipzig). In älteren Akten wurde die Alinengrube auch unter der Nummer C.54 geführt ‒ wobei das ,C.´ dann wohl noch für die ältere Berginspektion zu Chemnitz gestanden hat (40024-7, Nr. 194).

  

Das erste Fahrjournal aus dieser Zeit entstammt der Feder des uns schon bekannten Berginspektors Förster aus Chemnitz und datiert auf den April 1871 (40024-7, Nr. 194). Auch hier notierte der Inspektor nur, daß Schippan auf eigenem Grund und Boden abbaue und daß er keine Veranlassung zu bergpolizeilichen Erinnerungen gefunden habe.

Wie wir auch schon wissen, übernahm in den Folgejahren Inspektor Schulze die bergbehördliche Aufsicht in dieser Region. Dieser besuchte das Werk erstmals im August 1872 und fand hier nun zu bemängeln, daß die Auslaufbrücke mit einer festen Barriere (einem Geländer) zu versehen sei.

Nach seiner Befahrung im Dezember 1873 notierte Schulze in seinem Bericht, daß ein Herr Friedrich Ehregott Zschocke als Betriebsführer angestellt worden ist und: „derselbe qualifiziert sich für diesen Dienst.“

  

In seinem Bericht vom 26. September 1876 schließlich hielt Schulze fest, daß es nun bei Aline einen „neuerbauten Wasserhaltungsschacht“ gäbe und bemängelte zugleich, daß seine Tagesöffnung „gehörig zu verwahren“ sei. Außerdem fand er zu bemerken, daß die Stellung des Betriebsleiters nunmehr ein Herr Friedrich Wilhelm Gerber übernommen habe und daß Schippan versäumt habe, Anstellung und Abgang der Aufsichtsperson bei der Bergbehörde anzuzeigen. Herr Gerber stammte aus Pöhsig, wo er „zeither seinen Betrieb selbständig führte; sein Braunkohlenwerk war jedoch bis auf weiteres außer Betrieb gesetzt.“ Ob es sich bei diesem um das vormals dem Herrn Sachse gehörende Braunkohlenwerk in Pöhsig oder um noch ein anderes gehandelt hat, haben wir noch nicht herausgefunden (40024-7, Nr. 194). Vielleicht handelte es sich bei diesem Herrn Gerber ja auch um einen Nachfahren der uns schon bekannt gewordenen Besitzer des  Gerber'schen Kohlenwerkes...

Von 1873 bis 1875 wurde auch in den statistischen Angaben der Jahrbücher für das Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen ein Herr F. E. Zschocke als Aufseher in der Braunkohlengrube genannt, danach bis 1878 ein Herr W. Gerber aus Pöhsig. Ab 1879 ist letzterer als „Schichtmeister“ aufgeführt.

 

Zu dieser Zeit entfaltete Friedrich August Schippan in Ragewitz eine rege Bautätigkeit und erweiterte zunächst seine Ziegelei sukzessive immer mehr. Zuerst sollte 1876 ein neuer Brennofen errichtet werden, der den bis dahin noch bestehenden „Erdofen“ ablösen sollte. Bei diesem neuen Ofen handelte es sich dem Bauantrag vom 11. Juni 1876 zufolge um einen „Kasseler Brennofen“. Der Rauch sollte über die 21 m hohe Esse der – offenbar also bereits bestehenden – Dampfkesselanlage abgeführt werden (20027, Nr. 2166).

Zu der Dampfkesselanlage liegen noch Revisionsprotokolle aus dem Zeitraum ab 1887 vor, denen zufolge der Dampfkessel 1870 von der Firma Jean Affalter in Schloßchemnitz gebaut worden ist. Es handelte sich um einen liegenden, zylindrischen Kessel mit obenliegendem Dampfdom. Er war aus Eisenblech gefertigt und an den Stirnseiten mit gußeisernen Deckeln versehen. Der Kessel wurde mit Grubenwasser gespeist, mit durchschnittlich 18 hl Braunkohle „vom eigenen Werke“ täglich befeuert und lieferte 5 atü Dampfdruck.

Mit dem erzeugten Dampf wurde eine Dampfmaschine gespeist, welche die Wasserhaltung der Braunkohlengrube und die „Hilfsmaschine“ der Ziegelei antrieb. Sie besaß nur einen liegenden Zylinder und leistete 6 PS. Erbaut hatte sie 1876 die Firma R. Teller in Tragnitz bei Leisnig (20027, Nr. 2679).

Die Amtshauptmannschaft Grimma als zuständige Bauaufsicht korrigierte die Angabe des Flurstücks von der im oben erwähnten Bauantrag genannten Nummer XV auf die Parzellennummern 74 und 75 und forderte, die Nachbarn bezüglich der Einhaltung der Abstände zu befragen. Daraufhin gab der mit der Ausführung beauftragte Maurermeister Lange aus Mutzschen nähere Erläuterungen ab und fügte auch die folgende Bauzeichnung bei (20027, Nr. 2166).

   


Zeichnung zu einem neu zu erbauenden Ziegel- Brennofen für den Guths- und Braunkohlenwerksbesitzer Herrn Friedrich August Schippan in Ragewitz bei Grimma, Gesamtansicht. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 3 der Akte.

  


Situationsplan zum neu zu erbauenden Ziegel- Brennofen für den Guths- und Braunkohlenwerksbesitzer Herrn Friedrich August Schippan in Ragewitz bei Grimma, Gesamtansicht, Norden ist links. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 4 der Akte.

   

An dem zum Bauantrag gehörenden „Situationsplan“ ist von Interesse, daß der nach Pöhsig führende Weg als „Schippan’s Braunkohlenweg“ bezeichnet, vermutlich also ursprünglich von Schippan selbst zum Zweck der Abfuhr der produzierten Ziegel und Kohle angelegt worden ist. Direkt östlich hinter dem neuen (im Lageplan rot markierten) Ofen stand bereits das Maschinenhaus mit der Dampfmaschine.

Weiter südwestlich im Tal Richtung Pöhsig stand außerdem schon eine „Kretzschmar’sche Ziegelei“ (20027, Nr. 2166).

   


Ausriß aus dem Grimmaischen Wochen- und Anzeigeblatt No. 77 vom 4. Juli 1876: Heute würde ein Planfeststellungsverfahren die öffentliche Auslage der Planunterlagen zwecks Einsichtnahme und ggf. Widerspruch durch Betroffene fordern – damals reichte noch die Bekanntmachung in der Zeitung aus. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 11 der Akte.

  

Bei seiner nächsten Befahrung vom Dezember 1878 fand sich Berginspektor Schulze dann veranlaßt, Schippan durch Zechenbucheintrag an die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften zu erinnern. Bei seiner Befahrung vom Dezember 1880 legte er auch fest, daß die Gewinnung der Kohle „durch Unterschrämen“ nicht zulässig und ab sofort zu unterlassen sei (40024-7, Nr. 194). Diese Abbauweise müssen wir uns wahrscheinlich so vorstellen, daß im Niveau der Sohle der Brüche ein Einschlag vorgenommen worden ist, der so weit ausgelängt wurde, bis die darüber anstehende Kohle „von selbst“ herunterbrach. Natürlich erleichterte solches Vorgehen das Lösen der Kohle aus dem Gebirgsverband; gleichzeitig aber erscheint es auch uns heute als eine ziemlich riskante Abbaumethode.

Im gleichen Jahr stellte Schippan erneut einen Bauantrag, diesmal zur Errichtung eines weiteren Doppelkammerofens. In seiner Ausführung mit drei seitlich angeordneten Feuerungen und untenliegendem Fuchs steht dieser Ofen in seiner Bauart dem Typ der Geithainer Kammeröfen sehr nahe. Die Baugenehmigung erteilte die Amtshauptmannschaft am 4. April 1878 (20027, Nr. 2166).

   


Zeichnung eines neu zu erbauenden Ziegel- Brennofen für den Guths- und Braunkohlenwerksbesitzer Herrn Aug. Schippan in Ragewitz, Gesamtansicht. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 15 der Akte. Die große Öffnung in der Schnittdarstellung rechts unten ist der Zugang zum Beschicken des Ofens und zum Ausfahren der fertig gebrannten Steine. Er war während des Brennens zugemauert. Die Brandgase wurden von der Feuerung links über das Ofengewölbe in die Brennkammer geleitet, durchströmten die in der Brennkammer gestapelten Ziegelrohlinge und zogen dann über den unten liegenden „Fuchs“ zum Schornstein ab.

   


Situationsplan des Schippan’schen Braunkohlenwerks und Ziegeleigrundstücks zu Ragewitz, Gesamtansicht, Norden ist links. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 16 der Akte.

   

Die nächste Grubenbefahrung im November 1881 nahm auch hier der Berginspektions- Assistent Neukirch vor. Der hielt diesmal fest, daß Schippanden früher Scheunert´s Erben gehörigen Tagebau gekauft und mit dem seinen vereinigt“ habe (40024-7, Nr. 194).

Von 1883 an führte F. A. Schippan das Braunkohlenwerk wieder selbst. Da er schon einmal bergbehördlicherseits auf seine Anzeigepflicht beim Wechsel des Aufsichtspersonals aufmerksam gemacht worden ist, zeigte Schippan dies am 13. Januar 1884 der Behörde auch ordnungsgemäß an (40024-7, Nr. 194). In seinem Brief bat er zugleich um Dispens hinsichtlich der Einstellung anderer Leitungsbeamter und begründete dies damit, daß er schließlich das Werk als Besitzer desselben seit 17 Jahren leite und seit einem Jahr nun auch beim Werk wohne.

Anhand dieser Sätze können wir nun noch einmal nachrechnen und lernen, daß F. A. Schippan das Braunkohlenwerk also im Jahr 1867 erworben haben müßte. Demzufolge ist im Jahr 1882 auch das Wohnhaus an der von Ragewitz nach Leipnitz führenden Straße erbaut worden.

Das paßt zu den oben im Anschnitt zur Familie Schippan schon angeführten Angaben, daß Friedrich August Schippan im Jahr 1845 geboren wurde und 1867 noch in Langenleuba- Niederhain Marie Therese Selma geheiratet hat (AOFF, 1983), folglich nicht vor 1867 nach Ragewitz umgezogen sein dürfte.

   

Bezüglich des erbetenen Dispenses befand sich die Berginspektion in Chemnitz nicht als entscheidungsbefugt und verwies die Anfrage zwecks weiterer Entschließung an das Königliche Landesbergamt in Freiberg. Dort aber fehlte es an der nötigen Lokalkenntnis und man verwies die Angelegenheit an die Berginspektion wieder zurück mit der Aufforderung, es zu prüfen und sich „gutachtlich darüber zu äußern, ob Schippan ausreichend qualifiziert“ sei.

Am 13. Februar 1884 schrieb die Berginspektion daraufhin an das Landesbergamt, man habe „gelegentlich einer vorgenommenen Revision des Braunkohlenwerks den Besitzer bezüglich seiner Qualifikation eingehend befragt und ist zu der Meinung gekommen, daß Schippan die zur Leitung des Tagebruchs erforderliche Qualifikation in ganz vorzüglicher Weise besitzt, überhaupt ein höchst gebildeter und intelligenter Mann ist, der zudem eine bedeutende Thonwaaren- und Ziegel- Fabrikation sowie die zugehörigen Gewinnungsbetriebe selbstständig leitet.“ Auch der Tagebau „befand sich in sehr gutem Zustande.“

Bei so viel Lob verweigerte denn auch das Landesbergamt seine Zustimmung nicht und stimmte der Übernahme der Betriebsleitung durch Schippan selbst am 19. Februar 1884 zu.

Das Fahrjournal zu dieser Revision liegt ebenfalls noch vor (40024-7, Nr. 194). Dieses enthält auch einige nähere Angaben zum Werk selbst: Noch immer wurde die Kohle ausschließlich im Übertagebetrieb abgebaut. Die Tagebauböschungen hatte Schippan in etwa 2,0 m bis 2,5 m Höhenabstand mit wenigstens 0,5 m breiten Bermen versehen lassen. Der Abraum über der Kohle bestand aus etwa 1 m Sand, 2 m bis 2,5 m mächtigem Lehm und bis zu 9 m mächtigem „plastischem Thon“ – der wurde natürlich nicht auf Halde geschoben, sondern in der Ziegelei verarbeitet. Darunter – also in etwa 12 m Tiefe – stand die Braunkohle zwischen 5,5 m und 7,0 m mächtig an. Die geförderte Kohle werde „meist vom Besitzer zum Betriebe seiner Thonwaarenfabrik und Ziegelei selbst verbraucht.“

  

In der Zeit zwischen 1868 (als erstmals statistische Angaben zu den sächsischen Kohlenwerken in den Jahrbüchern abgedruckt worden sind) bis 1880 brachte die Grube Aline jeweils zwischen 10.000 und 20.000 Scheffel (zirka 1.000 t bis 2.000 t) pro Jahr aus. Aus der über den Eigenbedarf der Ziegelöfen hinausgehenden Fördermenge wurden zwischen 420.000 und 700.000 Stück Braunkohlenziegel im Jahr erzeugt.

Zwischen 1881 und 1893 sank die Förderung auf nur noch 500 t bis maximal 1.000 t jährlich ab. Die Produktion an Naßpreßsteinen lag um 400.000 Stück pro Jahr. Die Belegschaft der Grube schwankte in dieser Zeit nur wenig und lag zwischen gerade einmal 6 und 12 Mann.

Die in diesem Zeitraum zwar gesunkenen, jedoch über die folgenden Jahre sehr konstant gebliebenen Fördermengen dürften nach dem oben Gelesenen also im Wesentlichen dem Eigenbedarf des Ziegeleibetriebes entsprochen haben. Jedoch gab Schippan gestrichene Kohlenziegel auch stets an Käufer aus der Umgebung ab.

Einem weiteren Fahrjournal vom Juli 1883 nämlich ist zu entnehmen, daß die Lohnverhältnisse im Schippan’schen Kohlenwerk „gedrückter als bei den Tagebauen im Lausitzer Revier“ seien, „während die Torfziegel so hoch bezahlt werden, als dort.“ Der Lohnsatz läge hier bei maximal 2,- Mark pro Schicht, allerdings gab es noch keine Akkordarbeit. Das Tausend Stück Torfziegel kostete dazumal bei Schippan 9,- Mark (40024-7, Nr. 194).

  


Eine ganz seltene Aufnahme der Braunkohlengrube Aline. Hauptbraunkohlenflöz und Obere Sande und Tone im Tagebauaufschluß unter Geschiebelehm und Löß. Den Lehm nutzte Schippan in seiner Ziegelei. Ganz rechts oben schaut im Bildhintergrund auch die Turmspitze der Ragewitz'er Kirche herüber. Wahrscheinlich ist dies auch jene Stelle, an der 1947 der „Notkohlenbetrieb“ der Stadt Mutzschen den Tagebau noch einmal aufnahm.
Foto: Max Nowak, um 1930, Bildquelle: Deutsche Fotothek.

 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/72044975

    


Dem oben schon einmal gezeigten Ausschnitt aus der Verleihkarte ist zu entnehmen, daß die Schippan'sche Alinen- Grube im Tal südwestlich von Ragewitz Kohle abgebaut hat. Das Abbaufeld zog sich von der heutigen Straße ,Aline' nach Süden unter der Straße nach Papsdorf hindurch noch weit nach Süden und grenzte im Nordosten an das vormals Ulbricht'sche Baufeld. Ob das Flöz in östliche Richtung nicht bauwürdig war oder ob Schippan einfach die Landstraße von Ragewitz nach Leisnig nicht unterfahren wollte oder durfte, ist uns noch unklar... Die Straße scheint jedenfalls eine Grenze der Schippan'schen Abbauberechtigungen gebildet zu haben. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40044-1 (Generalrisse), Nr. I20781, Ausschnitt, Norden ist oben.

  

Im Oktober 1884 war Herr Neukirch schon zum Berginspektor befördert worden und sandte zur Revision den neuen Berginspektions- Assistenten A. Fr. Wappler nach Ragewitz. Der notierte lediglich, daß Schippan selbst abwesend war und ein Herr Carl Hempel die Aufsicht führte. Offenbar wurde der Bergbaubetrieb in diesen Jahren von Schippan tatsächlich sehr vorbildlich geführt, denn auch in den Fahrberichten aus den folgenden Jahren fand sich regelmäßig in bergpolizeilicher Hinsicht nichts zu erinnern.

Wieder zwei Jahre später führte die Revision der Berginspektions- Assistent G. Tittel durch und auch der fand nichts zu bemängeln; notierte nur, daß die Förderung nach wie vor hauptsächlich dem Eigenbedarf der Ziegelei diene und daß die derzeit sechs Arbeiter saisonweise im Tagebau oder in der Ziegelei beschäftigt wurden.

In den Folgejahren wechselten zwar auch weiter die Assistenten bei der Berginspektion, die die Befahrungen durchführten; die Bewertung des Grubenbetriebes hingegen blieb gleichermaßen gut. Im April 1888 etwa schrieb Assistent Anshelm nieder, man gewinne nur soviel Kohle, als zum Betrieb der Ziegelei nötig ist. Derzeit aber ruhe der Abbau, da die Arbeiter mit der Erbauung eines neuen Ringofens beschäftigt waren (40024-7, Nr. 194).

Auch die Konstruktionszeichnungen dieses Ringbrandofens sind in den Akten der Amtshauptmannschaft Grimma erhalten geblieben. Nach Prüfung durch die Königliche Gewerbeinspektion in Leipzig wurde die Baugenehmigung von der Amtshauptmannschaft in Grimma am 5. März 1888 ausgestellt. Die Gebühr für die Baugenehmigung kostete Herrn Schippan damals übrigens 8,40 Mark. Bereits im August 1888 zeigte Schippan die Baufertigstellung an (20027, Nr. 2166).

Dieser Ofen ist dahingehend interessant, weil es sich zwar im eigentlichen Sinne richtigerweise um einen Ringbrandofen, genauer – nach der Führung der Brandgase – betrachtet, aber um einen sogenannten „Zick- Zack Ofen“ handelt…

  


Zeichnung zum Neubau eines Ziegelbrennofens für Herrn A. Schippan, Ragewitz, Gesamtansicht. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 22 der Akte. 

  


Ausschnitt aus obiger Bauzeichnung: Längsschnitt des Brennofens: Die Füchse zur Lenkung der abziehenden Brenngase unterhalb der Brennkammern und die vom Schürboden aus bedienbaren Rauchglocken über deren Einmündungen in den zentralen Rauchkanal sind hier gut zu erkennen.

    


Ausschnitt aus obiger Bauzeichnung: Querschnitt des Brennofens: In der Mitte der Schornstein, oberhalb der Brennkammern der Schürboden. Über die abgedeckten Öffnungen im Boden des Schürbodens erfolgte auch die Aufgabe des Brennstoffs in die Brennkammern des Ofens.

   


Ein weiterer Ausschnitt aus obiger Bauzeichnung mit dem Grundriß des Brennofens. Durch die „verschachtelte“ Anordnung der Brennkammern war bei den sogenannten „Zick- Zack- Öfen“ eine platzsparendere Bauweise, als bei den „richtigen“ Ringöfen möglich…

   


Hier haben wir einmal die Strömungsrichtung der Brandgase durch die einzelnen Kammern des Ofens dargestellt, um deren „Zick- Zack- förmigen“ Weg zu veranschaulichen.

   


Schließlich hier auch noch der zu diesem Bauantrag gehörige „Situationsplan“, aus dem der Standort des neuen Bauwerks innerhalb der Schippan’schen Werksanlagen zu ersehen ist, Gesamtansicht. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 24 der Akte. 

   

Nebenbei haben wir in einem Lehrbuch für die Steinbruchindustrie (O. Herrmann, 1899) herausgefunden, daß A. Schippan nicht nur Lehm und Ton und Braunkohle in der eigenen Ziegelei verarbeitet hat. Der findige Unternehmer mit geologischem Hintergrundwissen entdeckte nämlich auch ein Kalktuff- Vorkommen auf seinem Grund und versuchte es zu nutzen. In dem genannten Lehrbuch wird darüber im Kapitel zur Kalksteingewinnung in Sachsen berichtet:

Der Wiesenmergel von Ragewitz im SW. von Mutzschen.

Bei Ragewitz lagert in einem 7 ha umfassenden Thalkessel nach Th. Siegert 1 m – 1,5 m, nach anderen Angaben bis 4 m mächtiger, gelblichbrauner, lockerer, kalkreicher Wiesenmergel auf Schottern auf und enthält Partien von feinerdigem bis mehligem Kalktuff, der bis zu 80% kohlensauren Kalk aufweist.

Das Material wird seit ca. 20 Jahren (also seit 1880 ?) in dem Werke von A. Schippan in bescheidenem Maße zugleich mit Mauerziegeln etc. gebrannt und ergiebt Grau- wie Weißkalk, die sich zur Cementbereitung eignen. Eine Vergrößerung der Produktion durch Anlage kontinuierlich zu betreibender Öfen ist geplant.“

In diesem Lehrbuch sind ‒ ganz ähnlich, wie rund 30 Jahre früher von Wunder, Herbrig und Eulitz in ihrer Schrift zum Kalkwerksbetrieb in Sachsen auch ‒ Analysen der in den einzelnen Gruben geförderten Gesteine angeführt. Wie für Süßwasser- Kalksteine typisch, handelte es sich demnach bei den bei Ragewitz vorkommenden Quelltuffen um einen fast reinen Kalkstein mit 53,8% CaO, nur 0,44% MgO, weniger als 0,7% Eisen-, Aluminium- und Manganoxyden und 0,35% im Säureaufschluß Unlöslichem, wie etwa Quarz.

  

Da hier der Geologe Thomas Siegert als Quelle benannt ist, welcher 1884 die erste Auflage des Erläuterungsheftes zur Geologischen Specialkarte des Königreiches Sachsen, Blatt 29: Section Mutzschen, verfaßt hat, schauen wir natürlich auch dort nach, ob nicht noch nähere Angaben dazu enthalten sind. Tatsächlich findet man im Abschnitt

IV. Das Alluvium.

die folgenden Angaben: „Die Sohlen der Thäler sind von einem gelb- bis dunkelbraunen, thonigen bis feinsandigen, selten kiesigen oder moorigen Lehme, dem Wiesenlehme (a2) bedeckt. In den kleinen Thälchen des Lössgebietes unterscheiden sich die Thalalluvionen kaum von dem die Gehänge bekleidenden Löss, aus dessen Abschwemmung sie ihren Ursprung herleiten...

In dem Thälchen unterhalb der Schippan'schen Braunkohlengrube bei Ragewitz findet sich fast dicht unter dem Rasen ein weißer bis schwach gelblicher, lockerer, kalkreicher Wiesenmergel (ak), welcher eine Mächtigkeit von 1 m bis 1,5 m besitzt, auf Schotter auflagert und zu Kalk gebrannt wird. An manchen Stellen reichert sich der Kalkgehalt bis zu 98% an, so daß ein feinerdiger bis mehliger Kalktuff entsteht. Augenscheinlich verdankt er seine Entstehung der Auslaugung des benachbarten Lösses und der Ausscheidung des extrahirten Kalkes aus den Sickerwässern, welche dort auf der von undurchlässigem Oligocänthon gebildeten Thalsohle stagnirten.“

Demnach hat sich das beschriebene Vorkommen also im Tal westlich der Braunkohlengrube (zu dieser Zeit natürlich noch der Grube ,Aline´) in Richtung Großpöhsig befunden.

  


Schauen wir noch einmal genau auf das zugehörige Blatt der geologischen Karte aus dem Jahr 1884, so entdecken wir nun auch die Signatur ,
ak' und die unterbrochene horizontale Schraffur auf dem hellblauen Grund und wissen sie nun auch zu deuten. Eine Ziegelei ist hierin noch oben an der Straße eingetragen.

   

Im Erläuterungsheft schließt sich noch eine tabellarische Aufstellung von Aufschlüssen der diluvialen Sedimentschichten an, in der an erster Stelle erneut die Schippan'sche Braunkohlengrube genannt wird. Daneben sind hier „Auflässige Braunkohlengruben bei Großpöhsig“ und eine „Sandgrube am Wege von Großpöhsig nach Ragewitz“ aufgeführt. Schippan's Vorgänger hatten also zu dieser Zeit (das Heft ist 1884 erschienen) den Braunkohlenabbau bereits aufgegeben oder sich zwischenzeitlich auch auf die Gewinnung anderer Rohstoffe verlegt.

In der von E. Danzig bearbeiteten Neuauflage des Erläuterungsheftes von 1912 sind diese Aufschlüsse alphabetisch sortiert, so daß Pöhsig und Ragewitz jetzt in der Tabelle nach hinten rutschen. Dafür sind die Ortsangaben etwas genauer: Die ehemalige Sandgrube bei Pöhsig habe sich demnach „am Wege nach Ragewitz, 100 - 150 m ONO der östlichsten Güter“ befunden. Unter dem Ortsnamen Ragewitz sind nun auch „Bruchfelder im N. von Ragewitz“, der Flora- Schacht selbst sowie neun Bohrungen in dessen Umfeld angeführt. Bei der Alinengrube sind hier die „Grube der Ziegelei S. von Ragewitz“ und ebenfalls „ehemalige Tagebaue 300 - 400 m W. von der Ziegelei am linken Talgehänge“ genannt.

Hinsichtlich des Kalktuffvorkommens wird von Danzig gegenüber seinem Vorgänger nur zusätzlich vermerkt, der Kalktuff sei „in manchen Lagen durch Eisenhydroxyd gelbbraun oder durch humose Substanz schwärzlich gefärbt“ und, er könne „zu Kalk gebrannt und als Düngemittel verwendet werden.“ Daß Danzig hier den Konjunktiv verwendet, weist darauf hin, daß Schippan die Produktion dann doch nicht ‒ wie noch 1899 bei O. Herrmann formuliert ‒ vergrößert hatte. Das Vorkommen war wohl einfach zu klein.

  


Auch in der Neuauflage des Geologischen Kartenblattes von 1912 ist das Kalktuff- bzw. Wiesenmergel- Vorkommen (hier aber nur mit ,
k' bezeichnet) noch vermerkt. Die Gebäude der Schippan'schen Ziegelei sind jetzt am Weg nach Pöhsig beim Braunkohlenwerk Aline eingezeichnet und haben sich gegenüber der rund 30 Jahre älteren Darstellung oben auch ganz erheblich vergrößert. Die o. g. Bohrungen sind hier als Dreiecke auf den Feldern nördlich der Alinengrube und südlich von Ragewitz vermerkt.

   

Beim Braunkohlenabbau ging alles den gewohnten Gang: Aus dem Fahrbericht eines Bergamts- Referendars namens Krieger vom Dezember 1889 kann man entnehmen, daß nach wie vor nur oberirdischer Abbau erfolge. Der Tagebau bewege sich nun auf den Ragewitz- Papsdorfer Weg zu, vor dem man einen 5 m breiten Pfeiler stehen ließe (40024-7, Nr. 194). Zugleich aber habe Schippan nun angezeigt, daß er erste Versuchsstrecken untertage nach benachbarten Grundstücken vortreiben lassen wolle, um dort die Abbauwürdigkeit zu untersuchen. Zu diesen Grundstücken heißt es, daß auf diesen Flächen „vor 20 Jahren unter Ulbricht und Scheunert schon Abbau umgegangen“ sei. Herr Schippan nahm also nun auch die ja schon 1881 hinzugekauften Flächen in Angriff.

Vonseiten des Bergamtsreferendars wurde Schippan diesbezüglich darauf hingewiesen, daß er wegen der dazu erforderlichen Unterfahrung des Papsdorfer Weges zunächst bei der zuständigen Amtshauptmannschaft in Grimma Anzeige zu erstatten habe.

Da man in Chemnitz offenbar nichts von früherem Bergbau neben dem Schippan’schen wußte, fragte man beim Landesbergamt nach. Von dort kam die Auskunft zurück, daß man nur zum Ulbricht’schen Werk einen Grubenriß im Rißarchiv habe (der war oben im Text schon zu sehen), nichts dergleichen jedoch zum Scheunert’schen Abbaubetrieb. Hinsichtlich des anderen Werkes sind wir heute auch nicht schlauer, als die Bergbehörde damals…

Auch im Fahrjournal des Referendars M. Herold aus Chemnitz vom April 1890 liest man wieder, daß der Kohlenabbau nur im Winter stattfinde, während die Arbeiter im Sommerhalbjahr in der Ziegelei bzw. bei der Herstellung vom Kohlenziegeln beschäftigt seien. Im April war der Abbau daher bereits wieder eingestellt und der Tagebau einschließlich des Pumpenschachtes 6 m tief abgesoffen.

Außerdem schrieb Herr Herold: „Schippan, der ein sehr begüterter Mann zu sein scheint, äußerte die Absicht, den Pumpenschacht zur Förderung einzurichten und eine Dampffördermaschine, ein Pulsometer und eine Naßpresse aufzustellen. Bei der jetzigen Betriebsweise wird die Kohle mittels Karren aus dem Tagebau gefördert…“ Der Besitzer war folglich nicht nur ein begüterter Mann, er wollte es auch bleiben, hatte schon die Zeichen der Zeit erkannt und begann, sich auf modernere Produktion und größere Produktionsmengen einzustellen (40024-7, Nr. 194).

Zunächst plante Schippan aber für die Ziegelei wieder neue Erweiterungen: 1891 stellte er den Bauantrag für einen weiteren Ziegelofen, der diesmal vom Typ der „englischen Drucköfen“ sein sollte (20027, Nr. 2166). Die Baugenehmigung übersandte die Amtshauptmannschaft am 9. Mai 1891 nach Ragewitz. Außerdem machte sich 1892 ein Neubau des Schornsteins erforderlich.

   


Zeichnung zum Bau eines doppelten Druckofens für Herrn Guts- und Ziegeleibesitzer A. Schippan, Ragewitz Gesamtansicht. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 41 der Akte.

   


Ausschnitt aus obiger Bauzeichnung mit dem Grundriß des Ofens. Im Gegensatz zu früheren Kammeröfen besitzt dieser auf beiden Seiten der zwei Brennkammern je drei Feuerungen.

  


Ausschnitt aus obiger Bauzeichnung mit dem Querschnitt des Ofens. Der Rauchsammler liegt auch bei diesem Ofen unten, ähnlich wie bei dem ersten Neubau vom „Kasseler Typ“.

  


Ausschnitt aus obiger Bauzeichnung mit einem Detail des Längsschnittes des Ofens. Der Rauchsammler führt über den Schürboden des daneben stehenden Zick-zack-Ofen hinweg zum Schornstein.

  

Bevor es jedoch zu den neuen Erweiterungen bei der Kohlengrube, wie bei der Ziegelei kam, ereignete sich 1891 ein ziemlich schlimmer Böschungsbruch im Tagebau. Am 7. Juni 1891 mußte Schippan der Berginspektion anzeigen, daß eine „Erdrutschung“ stattgefunden und den Ragewitz- Leipnitzer Communicationsweg auf 11 m Länge und 1 ½ m Breite weggerissen habe. So etwas sei erstmalig aufgetreten und wohl auf das besonders regenreiche Frühjahr zurückzuführen. „Es war ein Aufhalten der Massen trotz aller Mühen nicht ausführbar,“ schrieb Schippan an die Berginspektion. An der Abbruchstelle habe man seit drei Jahren gar nicht mehr gearbeitet und die Kohlenabbaulinie sei noch rund 20 m von der Straße entfernt gewesen. Die Wiederherstellung des Weges und die Anfüllung der Böschung hatte Schippan bereits auf eigene Kosten durchführen lassen, was freilich auch ohnehin seine Pflicht als Bergwerksbetreiber und mutmaßlicher Schadensverursacher gewesen ist.

Anlaß seines Schreibens allerdings war eher weniger die Anzeige des Unglücksfalles, bei dem glücklicherweise niemand zu persönlichem Schaden gekommen war, sondern vielmehr die Forderung der Amtshauptmannschaft Grimma nach einer Kaution in Höhe von 300,- Mark für die Wiederherstellung der Straße und für den Zeitraum der geplanten untertägigen Untersuchungsarbeiten, was Schippan für unverhältnismäßig hielt und deshalb das Bergamt um Unterstützung bat.

Die Berginspektion Chemnitz führte dazu am 18. Juni 1891 eine Befahrung durch und kam zu der Einschätzung, daß tatsächlich die Abbaulinie (sogar noch etwa 30 m) weit von der Straße entfernt sei, was bei einer Böschungshöhe von 8 m bis 10 m völlig genügen würde, um die Sicherheit der Straße zu gewährleisten. Das Aufweichen des Abraums und letztlich sein Abrutschen könnte jedoch durch die allgemein sehr feuchten Witterungsverhältnisse bedingt und durch zusätzlichen Wassereintrag über den Straßengraben befördert worden sein. Man empfehle daher, dem Vorschlag Schippan’s zu folgen und den Graben im gefährdeten Bereich in Tonröhren zu fassen.

Insgesamt sei dem Besitzer jedenfalls kein Vorwurf unvorschriftsmäßigen Betriebes zu machen, was daraufhin auch das Landesbergamt in Freiberg gegenüber der Amtshauptmannschaft Grimma am 24. Juni 1891 bestätigte.

Die Sache wiederholte sich noch einmal im Winter 1894: Am 10. Dezember d. J. zeigte der Amtsstraßenmeister Friedrich Schilling der Amtshauptmannschaft an, daß es diesmal einen sogar 45 m langen Abschnitt der Straße betroffen habe. Auch diesmal war es zum Glück nicht zu Personenschäden gekommen. Am 15. März 1895 berichtete dann der Straßenmeister Albin Anger an die Amtshauptmannschaft, daß Schippan die Maßnahmen zur Wegsicherung „witterungsbedingt zwar noch nicht abgeschlossen, aber immerhin so weit befördert habe, daß sie bei Eintritt besseren Wetters bald abgeschlossen sein dürften.“ Rechtzeitig sei auch ein  „Interimsweg“ angelegt worden, so daß der Verkehr kaum behindert worden sei. Zur weiteren Gewinnung in Richtung zur Straße solle Schippan aber gesonderten Antrag stellen (40024-7, Nr. 194).

  


Skizze des Amtsstraßenmeisters Friedrich Schilling aus seiner Anzeige der Böschungsrutschung am Papsdorfer Weg vom 10.12.1894, Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40024, Nr. 7-194, Blatt 70b.

  

Von einem weiteren Unglücksfall war das Werk im Jahr 1892 betroffen: Dem Fahrbericht vom (inzwischen zu solchem beförderten) Berginspektor Tittel vom Oktober 1893 nämlich ist zu entnehmen, daß die früheren Werksanlagen im Vorjahr durch Brand zerstört worden seien (40024-7, Nr. 194). Nach einer anderen Angabe in der Akte der Amtshauptmannschaft sei dagegen erst im Frühjahr 1893 nur das Kesselhaus abgebrannt (20027, Nr. 2166).

Auch das Kessel- und Maschinenhaus mußte nach diesem Brand wiedererrichtet werden. Dazu stellte Herr Schippan am 17. Mai 1893 den Bauantrag. Um die Feuergefahr zukünftig zu verringern, sollte das neue Gebäude in Ziegelmauerung und nicht mehr in Fachwerkbauweise errichtet werden. Die Baugenehmigung dafür wurde am 27. Mai 1893 ausgestellt.

Die Gewerbeinspektion bescheinigte zwar, daß der Dampfkessel selbst durch den Brand nicht gelitten zu haben scheine; dennoch plante Schippan in dem Zusammenhang, auch einen neuen Dampfkessel anzuschaffen – diesmal von der Maschinenbaufirma Otto Hentschel in Grimma. Der neue Kessel sollte ein Doppel- Flammrohrkessel sein und bei einem täglichen Brennstoffbedarf von etwa 2,2 t Rohbraunkohle mit 6 atü Dampfdruck auch etwas mehr leisten, als der alte. Dafür erhielt Schippan am 21. September 1893 die Baugenehmigung.

  


Zeichnung zum Neubau der Dampfziegelei mit Trockenschuppen und Erneuerung der Brennofenüberdachung für Hrn. Guts- und Fabrikbesitzer A. Schippan in Ragewitz, Gesamtansicht, aus der Baugenehmigung der Amtshauptmannscchaft Grimma. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 60. Die aufgeklebten Pergamentpapier- Stücken kennzeichnen nachträgliche Änderungen.

   


Einmauerungs- Zeichnung zum Dampfkessel für die Tonwarenfabrik des Hrn. A. Schippan in Ragewitz, Gesamtansicht, aus der Baugenehmigung der Amtshauptmannschaft Grimma. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 67.

   


Ausschnitt aus obiger Bauzeichnung mit dem Querschnitt des Doppel- Flammrohr- Dampfkessels.

  

Schippan wollte nun ein ganz neues Braunkohlenziegelwerk errichten und „die Produktion bedeutend erhöhen.“ Dazu zeigte Schippan am 3. Februar 1894 der Bergbehörde unter anderem auch an, daß er nun doch nicht den Pumpenschacht zur Förderung einrichten, sondern stattdessen eine „Fallstrecke“ – eine Rampe – erbauen wolle.

In seinem Befahrungsbericht vom Februar 1894 äußerte Tittel keine Bedenken, daß Schippan auch den angedachten untertägigen Abbau selbst leite und legte nur fest, daß ein gewisser Obersteiger Scharf den Betrieb wenigstens 14tägig kontrollieren solle (40024-7, Nr. 194).

   


Skizze Schippan’s in seiner Anzeige vom 3. Februar 1894 zur geplanten Förderrampe in der Grube Aline. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40024, Nr. 7-194, Blatt 58.

  

Die Sache mit dem Böschungsbruch war derweil aber noch nicht ausgestanden. Die Akte enthält noch so einigen Schriftverkehr zu den beiden Böschungsbrüchen, wobei jedoch Berginspektor Tittel auch im Oktober 1895 erneut bestätigte, daß Schippan seinen diesbezüglichen Anweisungen entsprochen habe (40024-7, Nr. 194). In seinem Fahrbericht vom Januar 1896 bestätigte auch der neue Bergamts- Referendar von Alberti, daß der Böschungsbruch ordnungsgemäß verwahrt und die Straße wieder hergestellt sei.

Zum laufenden Betrieb heißt es darin, es seien acht Arbeiter im Tagebau beschäftigt und „ein neuer Tagebau talwärts Richtung Kleinpöhsig“ in Angriff genommen. Bei letzterem kann es sich doch eigentlich nur um Restpfeiler des vormals Gerber’schen Kohlenwerks gehandelt haben… Schließlich teilte von Alberti auch noch mit: „Ferner beabsichtigt der Besitzer, ein größeres, unterirdisch betriebenes Werk mit Brikettfabrik an der Ragewitz- Prösitzer Straße in etwa zwei Jahren zu errichten…“ Damit kommen wir erstmals auf den späteren Flora- Schacht auf der Anhöhe nördlich der Ortslage Ragewitz zu sprechen, wollen dieses Thema aber auf das folgende Kapitel verschieben und zunächst noch zurückstellen.

  

In diesem Fahrbericht ist ferner noch festgehalten, daß Schippan beabsichtige, den Sicherheitspfeiler zur Straße hin um 10 m Breite zu schwächen, um dort noch rund 3.500 m³ Kohle abbauen zu können. Der Bergbeamte wies darauf hin, daß Schippan dazu wieder gesonderten Antrag zu stellen habe. Natürlich wollte Schippan die in der Nähe des Weges am Südrand seines Tagebaus noch anstehende Kohle gern gewinnen und beantragte daher am 1. Februar 1896 bei der Bergbehörde die Erlaubnis. Inspektor Tittel befürwortete dies auch gegenüber dem Oberbergamt, jedoch unter den Bedingungen, daß dabei ein wenigstens 15 m breiter Sicherheitspfeiler zur Straße hin stehen bliebe, immer nur ein 4 m breiten Streifen ausgekohlt und dieser anschließend sofort wieder mit Abraum aufgefüllt werde und außerdem sollte der Abbau dort nur „in der trockenen Jahreszeit“ erlaubt sein.

Dieser Vorgehensweise stimmte das Oberbergamt zu und bescheinigte dies am 9. März des Jahres auch gegenüber der Amtshauptmannschaft in Grimma als der für die Sicherheit der öffentlichen Straßen zuständigen Behörde. Herr Schippan erhielt dafür am 20. April 1896 den „Abbauschein“.

Bei der Amtshauptmannschaft sah man deren Bedenken dagegen nicht als ausgeräumt an. Es kam daher noch einmal zu einer Lokalerörterung und zu einer weiteren Stellungnahme der Berginspektion Chemnitz, in der Herr Tittel seine Befürwortung des Abbauantrages aufrecht erhielt, da im fraglichen Abschnitt nicht wieder angefüllter, humoser und daher sehr gut wasserdurchlässiger Abraum anstehe, sondern unverritzter, kaum wasserdurchlässiger und daher nicht zu Rutschungen neigender Lehm.

Dennoch ging die Amtshauptmannschaft am 23. April 1896 zur bereits erteilten Abbaugenehmigung erneut in Widerspruch. Da also nicht alle Beteiligten dem Abbau zustimmten, war das Oberbergamt gezwungen, die bereits erteilte Genehmigung für den weiteren Kohlenabbau im Tagebau am 8. Mai 1896 wieder zurückzuziehen ‒ ein ziemlich ungewöhnlicher Vorgang, aber so ist es nach Aussage der Akten tatsächlich abgelaufen (40024-7, Nr. 194).

  

Wahrscheinlich trug diese Geschichte wesentlich dazu bei, daß Schippan seine Bemühungen sehr verstärkte, zukünftig zum untertägigen Abbau überzugehen. Kaum ein Jahr nach seiner ersten Idee dazu nämlich liest man im Fahrbericht des Berginspektions- Assistenten Leonhardt vom Mai 1894, daß die Förderrampe bereits fertiggestellt war – Herr Schippan erwies sich wieder einmal als äußerst tatkräftiger Unternehmer.

Diese „Fallstrecke“ diente zu dieser Zeit noch ausschließlich der Förderung aus dem Tagebau. Sie besaß 40 m untertägiger Länge und war dort komplett ausgemauert. Übertage schloß sich noch eine 25 m lange schiefe Ebene an. Beide wiesen eine einheitliche Steigung von 14,5° auf. Die Bewegung der Hunte erfolgte mittels eines umlaufenden Kettenzuges, in den die Hunte mittels einer gabelförmigen „Klinke“ eingehängt wurden. Vom untertägigen Ende dieser Förderstrecke aus führten dann rechtwinklig Feldstrecken in den Tagebau. Dort waren zu diesem Zeitpunkt vier Arbeiter beschäftigt (40024-7, Nr. 194).

  

Nach seiner Fabrikrevision am 17. April 1894 berichtete auch der Inspektionsassistent E. Rechenberger von der Gewerbeinspektion in Wurzen, daß nach dem Brand von 1892 alle Anlagen nun „wieder aufgerichtet“ seien. Allerdings stellte sich heraus, daß auch für die Huntebahn und die Förderrampe eine Baugenehmigung vonseiten der Amtshauptmannschaft und nicht nur die bergbehördliche Zulassung erforderlich gewesen wäre. Nach Einreichung der nachstehenden Planunterlagen wurde die Genehmigung aber am 23. Februar 1895 durch die Amtshauptmannschaft noch nachträglich ausgestellt (20027, Nr. 2166).

Auch die (Braunkohlen-) Ziegelpresse für einen täglichen Ausstoß von bis zu 25.000 Stück Preßsteinen war bereits fertig und „ihre Inbetriebstellung zufriedenstellend“ verlaufen. Zu bergpolizeilichen Ausstellungen fand der Berginspektions- Assistent Leonhardt ansonsten keine Veranlassung (40024-7, Nr. 194).

  


Otto Hentschel Maschinenfabrik, Eisengießerei und Kesselschmiede, Grimma in Sachsen: Plan der Ketten- Förderanlage der Ragewitzer Thonwerke des Herrn A. Schippan in Ragewitz, Gesamtansicht, aus der Baugenehmigung der Amtshauptmannscchaft Grimma. Oben und unten links im Lageplan sind die Umlenkräder des Kettenzuges gut zu sehen. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 83, dat. 1895.

  


Ausschnitt mit der Schnittdarstellung zum Vergleich mit Schippan’s erster Skizze aus dem Jahr 1894, aus dieser Baugenehmigung der Amtshauptmannscchaft Grimma. Links unten in der Förderstrecke und rechts oben auf der Rampe sind die Umlenkräder des Kettenzuges auf stehenden Wellen gut zu erkennen. Die Anlage ähnelt sehr der in Leipnitz eingerichteten Kettenbahn.

   


Ausschnittsvergrößerung aus obiger Zeichnung mit der stehenden Antriebswelle und dem Umlenkrad für den Kettenzug übertage. Außerdem ist in diesem Schnitt ein schrägstehender Kettenbecher- Elevator zu sehen, der die Rohkohle in die damalige Ziegelpresse beförderte.

  


Eine vergleichbare Ketten- Standseilbahn gab es in den 1920er Jahren auch auf dem unweit benachbarten, fiskalischen Braunkohlenwerk in Leipnitz. Hier wurde das Fallort nach Übertage auch als „Schiefe Ebene“ bezeichnet. Foto: Paul Schulz, 1943.

 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90090266

 


Mit dem Kettenzug wurden die Hunte aus dem Fallort heraus und auch in Leipnitz über eine schräge Rampe weiter bis zur Entladestation oberhalb der Sortierungsanlage gezogen.
Foto: Paul Schulz, 1943.

 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90090411

 

Weitere Aufnahmen von Paul Schulz aus dem fiskalischen Braunkohlenwerk zu Leipnitz zeigen wir auch in unserem Beitrag über den Braunkohlenbergbau in  Tettau bei Glauchau.

  


Nach dieser etwas unübersichtlichen Zeichnung zu zwei Kohlenschuppen für Herrn Guts- und Fabrikbesitzer A. Schippan, Ragewitz wurde im Jahr 1894 außerdem noch der Bau von zusätzlichen Trockenschuppen für die hergestellten Naßpreßsteine erforderlich (Standort unten rot hervorgehoben). Auch auf diesem Lageplan ist jetzt schon die
Hochbahn“ verzeichnet. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 73, dat. 1894.

   

Wo dieses Fallort genau gelegen hat, ging aus den Akten der Bauaufsicht nicht hervor ‒ das aber haben uns die Unterlagen der damals für die gewerblichen Gruben zuständigen Berginspektion III des Landesbergamtes zu Freiberg verraten (40024-7, Nr. 194). Etwas überrascht stellen wir dabei außerdem fest, daß Herr Schippan wohl Rißunterlagen von seinem Vorgänger Ulbricht beschafft hatte, denn die folgende Zeichnung erkennen wir doch wieder...

  


Dieser Riß trägt oben rechts die Bezeichnung: Grund- und Saigerriß von der Braunkohlengrube des Herrn Ulbricht in Ragewitz bei Grimma, aufgenommen im Mai 1853 von Adolph Wagner, Markscheider und unten rechts den Vermerk: cop. 13.XI.(18)96, Gretschel. Herr H. Gretschel war zu dieser Zeit als Rißarchivar beim Bergamt in Freiberg tätig, woraus sich erklärt, woher Schippan diesen Riß bekommen haben muß. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40024, Nr. 7-194, Blatt 122a, Gesamtansicht, Norden ist leicht nach rechts verdreht oben.

  


Ausschnittsvergrößerung aus obigem Grubenriß. Anstelle der früheren Engelmann'schen Ziegelei hat F. A. Schippan 1882 seine „Villa“ errichten lassen. Die anderen beiden Gebäude dort sind mit „Scheune“ und „Nebengebäude“ beschriftet.

   

Dieses Grubenbild stimmt noch vollkommen mit dem Riß des  Ulbricht'schen Braunkohlenwerkes überein; zunächst noch nur mit Bleistift wurde hierin (links unten) die Lage der Fallstrecke eingezeichnet. Schaut man genau hin, sieht man als Grundbesitzer des angrenzenden Grundstückes auch noch immer dieselbe Familie Schroth vermerkt, die sich schon um Herrn Ulbricht's Abbau Sorgen machte... Herr Schippan hatte sich offenbar ‒ anders, als sein Vorgänger ‒ mit diesem geeinigt und baute nun genau auf dessen Feldern Kohle ab.

Außerdem ist hier neben einem „Alten Kohlweg“ jetzt noch ein „Neuer Weg“ verzeichnet, die heutige Straße „Aline“ nach Pöhsig.

   


Weiterer Ausschnitt aus obigem Riß: Schippan's erste Abbauplanung sah offenbar einen regelmäßig rechteckig ausgerichteten Kammerpfeilerbau vor, der vom ehemals Ulbricht'schen Schacht
II ausgehen sollte.

  


Der erste neue Grubenriß von dem Schippan'schen Braunkohlenwerk in Ragewitz, gefertigt im Mai 1895 von Robert Luga, Markscheider, zeigt uns, daß es außer der Förderstrecke nach Norden zu seinem Tagebau und der Wasserrösche nach Südwesten zu diesem Zeitpunkt noch keine weiteren Auffahrungen gegeben hat. Die (grau markierte) Fallstrecke diente noch ausschließlich der Förderung aus dem Tagebau. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40024, Nr. 7-194, Blatt 122b, Gesamtansicht, Norden ist oben.

  

Bereits bei seiner Fabrikrevision im April 1894 hatte Herr Rechenberger von der Gewerbeinspektion des Landkreises bemängelt, daß in der Ziegelei – obwohl dort mehr als 20 Arbeiter beschäftigt würden – keine Arbeitsordnung ausliege. Zudem seien auch 4 Arbeiterinnen beschäftigt. Bei der nächsten Revision im Juli 1895 fand Herr Rechenberger sogar zwei mit 17 Jahren noch minderjährige Arbeiterinnen aus Schlesien vor. 1896 fand der Inspektor drei „minderjährige Arbeiter aus Russisch-Polen“ auf dem Werk. Deren Personalien seien nicht festzustellen gewesen, weil sie kein Deutsch sprachen. Schippan rechtfertigte sich damit, daß es sich nur um Saisonarbeiter handele, die Mitte Oktober wieder in ihre Heimat zurückkehrten.

Die Prüfung des Dampfkessels verlief dagegen 1895 ohne Beanstandungen, jedoch fand Herr Rechenberger hier Überarbeit der Heizer an Sonn- und Feiertagen zu bemängeln. Nun – die Wasserhaltung der Grube konnte man nun mal sonntags nicht ausschalten. Auch nach heutigen Maßstäben müßte durch den Betreiber dann aber mehr Personal in Schichten angestellt werden.

Bei seiner Inspektion im Jahr 1897 stellte Rechenberger dann fest, daß „im obersten Dachraum des Comptoir- Gebäudes der Ziegelei 10 polnische Arbeiter auf auf dem Fußboden ausgebreiteten Stroh schlafen…“

Das ging dem Inspektor diesmal nun wirklich zu weit und Schippan wurde beauflagt, Bettgestelle zu beschaffen und Fenster einzubauen, damit für ausreichende Belüftung gesorgt werde.

1895 ließ Schippan auch noch einen neuen „Muffelofen“ für seine Ziegelei errichten, in dem er spezielle Tonwaren, wie etwa Dachziegel brennen wollte. 1897 kamen noch weitere Trockenschuppen für die Ziegel- Rohlinge hinzu. Die Gebühr für die Baugenehmigung war inzwischen auf 14,- Mark erhöht worden – gegenüber den heutigen Sätzen freilich immer noch ein Schnäppchen…

  


Veränderungsplan zum Anbau eines Muffel- (gestrichen) Druckofens auf dem Ziegeleigrundstück in Ragewitz, Besitzer A. Schippan. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 135.

  


Auch für diesen Umbau ist wieder die öffentliche Bauanzeige - diesmal im Amtsblatt Nachrichten für Grimma und Umgegend abgedruckt - in der Akte der Amtshauptmannschaft Grimma enthalten. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 133.

   


Zimmerermeister Weber in Mutzschen: Zeichnung für den Anbau zweier Trockenschuppen auf dem Ziegeleigrundstück des Hrn. A. Schippan in Ragewitz. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20027, Nr. 2166, Blatt 142.

  

Betrachtet man die obigen Situationspläme, so hatte sich die einst kleine, private Ziegelei inzwischen zu einem ansehnlichen Fabrikgelände gemausert.

Wie darin auch zum Ausdruck kommt, setzte kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert eine neue Gründungswelle ‒ auch bei den Kohlenwerken ‒ ein, in deren Verlauf erhebliche Mengen an Kapital in den Bergbau flossen und die Kleinbetriebe immer mehr zugunsten größerer Konzerne in den Hintergrund gedrängt wurden (40128). Ein Grund dafür war auch der Beginn der Elektrifizierung und die Errichtung der ersten Großkraftwerke, wodurch die Nachfrage nach dem billigen Brennstoff rapide anstieg.

Daß sich ein vergleichsweise kleiner Betrieb, wie der Schippan’sche dagegen behaupten konnte, lag in erster Linie an den noch unzureichenden Transportmitteln und der räumlichen Entfernung zu den Tagebau- Großbetrieben im Halle- Leipziger oder im Lausitzer Revier. Der Nahmarkt- Handel und natürlich der Bedarf der eigenen Ziegelei blieben daher noch lange Zeit bestehen und sicherten Schippan den Absatz der geförderten Kohle.

  

Am 10. Oktober 1896 zeigte Schippan dann der Bergbehörde quasi offiziell seinen Plan an, nicht mehr nur auf eigenen Flächen, sondern nun auch südlich des Papsdorfer Weges Kohlenbaurechte erwerben und die Kohle dort unterirdisch abbauen zu wollen. Das aber war nun nicht mehr so einfach, denn dazu mußte er den öffentlichen Weg mit Strecken unterfahren. Die Genehmigung für die Unterfahrung des Papsdorfer Weges mit Förderstrecken beantragte Schippan am 13. Dezember d. J. bei der Berginspektion in Chemnitz (40024-7, Nr. 194).

Am Sylvestertag des Jahres 1896 war Inspektor Tittel daraufhin wieder in Ragewitz und berichtete anschließend, daß der Tagebau an der Grenze des sogenannten „Pfarrlehns“ (diese Grundstücke sind auf der  Flurcroquis zu finden) stehe und daß dort nichts zu bemängeln sei.

Tittel notierte, daß eine Genehmigung des Amtsstraßenmeisters A. Anger bereits vorläge. Jedoch lag Schippan noch mit der Gemeinde um die Förderabgabe für die bei der Unterfahrung des Gemeindelandes anfallende Kohle im Streit. Schippan hatte 2,- Mark (pro Scheffel ?) angeboten, die Gemeinde Ragewitz forderte aber 10,- Mark. Da auch der Besitzer des südlich des Papsdorfer Weges unmittelbar angrenzenden Flur, Herr Naumann, dem Abbau nicht zustimmte, mußte Schippan die Lage der geplanten Straßenunterfahrung nach Osten verschieben. Das wiederum sorgte nun wieder für weiteren Streit mit dem Gemeinderat, da weiter östlich seinerzeit die Böschungsbrüche eingetreten waren und man nun neue Rutschungen befürchtete.

Erst nachdem Schippan zustimmte, die Förderstrecke im Bereich die Straßenunterfahrung komplett auszumauern, kam es zur Einigung und am 19. Januar 1897 wurde schließlich die Genehmigung vonseiten des Oberbergamtes erteilt. Dieses erlegte Schippan darin aber zugleich auf, für die Beseitigung eventuell doch eintretender Straßenschäden eine Pfandsumme in Höhe von 100,- Mark bei der Hauptbergkasse in Freiberg zu hinterlegen.

  

Aber auch die Genehmigung der Amtshauptmannschaft Grimma als zuständige Straßenverkehrsbehörde für die Durchörterung des Sicherheitspfeilers der Straße lag ja noch nicht vor. Die Amtshauptmannschaft beschloß schließlich, Schippan die Genehmigung unter folgenden Auflagen nachträglich doch noch auszustellen (40051, Nr. 597):

  • Schippan hatte die betreffende Förderstrecke auf 15 m Länge beiderseits der Straße und natürlich einschließlich der Straßenbreite von 7 m, insgesamt also auf 37 m Länge, in starken Ausbau (zumindest in ganze Türstock- Zimmerung, wobei der Abstand der Baue 0,8 m nicht überschreiten durfte) zu setzen.

  • Außerdem forderte die Amtshauptmannschaft, daß die Strecke markscheiderisch aufzunehmen und der Straßenverlauf auch untertage kenntlich zu machen sei. Die neue Berginspektion Leipzig wurde mit der Kontrolle der Umsetzung beauftragt.

  • Darüber hinaus wurde Schippan beauflagt, „nach Beendigung der Nutzung, spätestens jedoch bei Werkseinstellung, die Strecke gehörig mit Bergen auszusetzen.“

  • Außerdem hatte Schippan eventuell an der Straße eintretende Schäden natürlich auf eigene Kosten auszubessern und die Kosten für eventuelle Sperrungen und Umleitungen im Falle eintretender Unglücksfälle zu tragen.

Für den Wiederholungsfall drohte die Amtshauptmannschaft Schippan eine „hohe Ordnungsstrafe“ an.

Die hier genannten Anforderungen an die Sicherung der Straßenunterfahrungen blieben im Prinzip auch später in ähnlicher Weise immer gleich, nur wurde nach 1920 immer eine Ausmauerung der betreffenden Abschnitte von der Bergbehörde gefordert.

    

Der nächste Befahrungsbericht des Inspektors Tittel datiert auf den 8. April 1897. Er fand erneut hinsichtlich des Tagebaubetriebes nichts zu bemängeln und berichtete über die untertägigen Arbeiten, daß der Vortrieb der Förderstrecke nunmehr in Betrieb gegangen sei. Es fände sich hier „eine holzige Kohle, wie solche in der Grimma'er Gegend auftritt,“ die aber ziemlich standfest sei. Daher sei Streckenausbau kaum erforderlich, nur die Straßenunterfahrung sei natürlich genehmigungsgemäß auszumauern. Außerdem mußte er den Betreiber aber auf seine Pflichten, für die Sicherheit seiner Arbeiter zu sorgen, hinweisen und trug ins Zechenbuch ein: „Es war zu erinnern, daß niemand ohne Licht die Grubenbaue befährt.“

Das kommt uns heute ziemlich „spanisch“ vor ‒ wer würde denn heute ohne eigenes Geleucht in ein Bergwerk einfahren ‒ aber noch sind wir ja im Jahr 1897...

Von seiner nächsten Befahrung der Grube im Mai 1897 teilte Herr Tittel mit, daß man zwei alte Strecken überfahren habe. Obwohl sie vermutlich noch aus der Zeit des Abbaus durch Ulbricht um 1852 stammten, mithin fast 40 Jahre alt und ohne Ausbau seien, waren sie noch nicht verbrochen, was man als Beleg für die recht hohe Standfestigkeit der Kohle nehmen könne.

Auch um einen bergbaulich ausgebildeten Steiger für die Leitung des untertägigen Betriebes bemühte sich Schippan nun. Im Juli 1897 wollte er zuerst einen früheren Obersteiger namens M. Gey anstellen. Aus Krankheitsgründen trat dieser die Stellung jedoch nicht an und zwei Monate später wurde dann Ernst Otto Krügel, der gerade in Zwickau die Bergschule besucht hatte, von Schippan als Steiger angestellt.

Über diesen findet man den Vermerk in den Akten, er sei „wegen geringen Fleißes, großsprecherischen Wesens und wiederholtem unentschuldigtem Wegbleibens vom Unterricht im Januar 1895 aus der 1. Classe der Bergschule entlassen...“ worden. Dennoch befürwortete Tittel seine Anstellung, weil ja nur „ein einfacher Betrieb“ zu leiten sei und schließlich wäre Krügel ja immerhin schon in die erste Klasse (die oberste) der Bergschule versetzt gewesen. Daraufhin bestätigte auch das Oberbergamt am 30. September 1897 Herrn Krügel als Aufsicht des Grubenbetriebes.

   

Die Anstellung Krügel's als Steiger im Jahr 1897 ist auch in den statistischen Angaben der Jahrbücher für das Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen vermerkt. Ganz entgegen der bemerkenswert schlechten Beurteilung durch die Bergschule nahm er in den Folgejahren seine Sache ernst und blieb in dieser Funktion bis 1899 auf dem Werk tätig.

  

Ein nächster Schritt Schippan's war dann sein Antrag vom 18. Oktober 1897, das Naumann'sche Feld doch (zunächst nur) mit einer „Wasserstrecke“ zu unterfahren. Bei der gerade fälligen Grubenbefahrung Ende Oktober 1897 fand der Berginspektionsassistent M. Herold darüber aber noch nichts zu berichten. Für bergpolizeiliche Erinnerung gab es keine Veranlassung, der Tagebaubetrieb ruhte der herbstlichen Witterung halber bereits und untertage wurden die Ausrichtungsbaue weiter vorgetrieben.

Auch der nächste Referendar bei der Berginspektion Chemnitz, von Alberti, berichtete von seiner Befahrung am 22. November desselben Jahres, es stünde weiter der Vortrieb zweier Ausrichtungsstrecken in Betrieb und sie „machen einen sicheren und guten Eindruck.“

Außerdem muß Herr Schippan Bohrungen veranlaßt haben, anhand derer er das Abbaufeld weiter erkunden wollte. In diesem Fahrbericht wird nämlich schon darauf verwiesen, daß das Kohlenflöz im fraglichen Bereich 7 m Mächtigkeit besäße und sein Hangendes aus 6 m Lehm, 4 m bis 5 m trockenem, lettigem Sand und 3 m bis 4 m Ton bestehe. Daraus ist auch zu erklären, wie Schippan auf seiner Skizze im o. g. Antrag die Bauwürdigkeitsgrenzen des Kohlenfeldes markieren konnte.

 


Ausriß aus dem Antrag Schippan's vom 18.10.1897 mit einer Zeichnung zum geplanten Verlauf der Wasserstrecke (rechts). Der Antrag wurde von Friedrich August Schippan persönlich aufgesetzt und trägt seine Unterschrift (linke Seite rechts unten). Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40024, Nr. 7-194, Blatt 169b und 170, Gesamtansicht, Norden ist in der Skizze etwa links unten.

   


Wir vergrößern die Skizze noch etwas, um die Beschriftungen besser lesbar zu machen. Sie lauten:
             
A. Hauptstrecke
B und B1. Seitenstrecken
C. Förderstrecke
D. Geplante Wasserstrecke
E. Pulsator (Was das ist - dazu kommen wir gleich noch)
Blaufarbene Fläche tiefliegende Kohle

   

Die Skizze zeigt uns zunächst einmal den Stand der Ausrichtungsarbeiten Ende des Jahres 1897: Die Hauptstrecke nach Nordosten hatte Schippan inzwischen über 60 m, vom Fußpunkt der Fallstrecke gemessen, fortgebracht und hinter der Unterfahrung des Papsdorfer Weges zwei Abbaustrecken nach Südosten vortreiben lassen. Aus Sicherheitsgründen gab es dazwischen einen Verbindungsquerschlag, um von den Arbeitsorten an den Streckenörtern einen zweiten Fluchtweg über die jeweils andere Strecke zurück zur Hauptstrecke zu schaffen. Als Standort für die Wasserhebungsanlage (den Pulsator) hatte Schippan den Fußpunkt seiner Förderrampe vorgesehen. Das war alles schon ziemlich systematisch angelegt und erscheint gut durchdacht...

Wie schon Ulbricht zuvor, mußte auch Schippan nun aber bei der Aus- und Vorrichtung des Abbaus feststellen, daß zwischen dem Papsdorfer Weg und der Leipnitzer Straße das Flöz abschnittsweise eben nicht bauwürdig war. Ob also die Anlage der Wasserstrecke durch die Kohle unter Naumann's Feld hindurch so ganz ohne Hintergedanken gerade so geplant wurde, können wir heute natürlich nicht mehr erfahren...

Schippan war in dieser Anfangszeit seines bergmännischen Kohlenabbaus vielleicht öfters noch unbedarft, oder vielleicht auch einfach nur schneller, als die Bearbeiter bei den Behörden. Die für seine Wasserstrecke erforderliche, zweite Unterfahrung des Papsdorfer Weges jedenfalls hatte er einfach vortreiben lassen, ohne auf Genehmigungen des Bergamtes und der Amtshauptmannschaft zu warten. Die folgende Skizze aus seinem Fahrbericht zeigt die Situation, wie sie Inspektor Herold bei seiner Befahrung der Braunkohlengrube am 10. Februar 1898 vorfand.

   


Skizze aus einem Bericht des Berginspektors Herold von der Berginspektion Chemnitz an das Königl. Sächs. Landesbergamt in Freiberg vom 11. Februar 1898. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40024, Nr. 7-194, Blatt 182, Skizze am Rand der Textseite.

   

Erst nachträglich ‒ und zwar am 25. Februar 1897 ‒ zeigte Schippan bei der Bergbehörde an, daß die zweite Unterfahrung des Papsdorfer Weges schon hergestellt sei. Diesmal mußte er aber gewissermaßen „Lehrgeld“ zahlen und bekam vom Oberbergamt postwendend eine Strafverfügung in Höhe von 40,- Mark aufgebrummt.

So also entwickelte sich allmählich der untertägige Abbau bei der Alinengrube. Nach seiner nächsten Grubenbefahrung Anfang März 1898 berichtete Herold, daß die Tagestrecke und der Fluchtweg zum Tagebau in Ordnung seien, nur die angefahrenen alten Strecken seien noch abzusperren und „im Übrigen war nichts zu erinnern.“

   

Auch in Ragewitz stieg – nicht zuletzt infolge der Mechanisierung – die Förderung nun wieder deutlich an: Brachte die Grube Aline nach den statistischen Angaben in den Jahrbüchern für das Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen im ganzen Jahr 1894 gerade einmal 1.500 t Rohkohle aus, so stieg die Förderung bis zum Jahr 1900 auf 6.000 t an. Gleichzeitig wuchs auch die Belegschaft wieder, nämlich auf nun bis zu 18 Mann, an.

Über diese Modernisierungsmaßnahmen wurde auch in der Jahrbuchausgabe von 1895 berichtet, und zwar im Kapitel:

IX. Wichtige Ausführungen, Betriebsvorgänge u. s. w. bei den Gruben im Jahre 1894. (Auszug aus dem bergamtlichen Jahresbericht.)

Im Absatz B. Braunkohlenbergbau wurde dort erwähnt: „11. Im Schippan'schen Tagebau zu Ragewitz richtete man eine mechanische Förderung auf schiefer Ebene ein, und es gelangte daselbst eine Braunkohlennaßpresse von 25.000 Stück täglicher Leistung zur Aufstellung.“ Die Grube produzierte vorwiegend für den Heizmaterialbedarf der umliegenden Dörfer.

Zwei Jahre später fand die Grube an gleicher Stelle wieder Erwähnung: „10. Auf dem Braunkohlenwerk von Schippan in Ragewitz bei Grimma wurde zur Wasserhebung ein Pulsator aufgestellt, der wegen seiner Einfachheit und seiner guten und billigen Wirkung vom Besitzer gelobt wird.“

  

Bei dem hier erwähnten „Pulsator (auch „Pulsometer), dessen Standort auf Schippan's oben schon gezeigter  Skizze aus dem Jahr 1897 vermerkt ist, handelte es sich um eine mit Dampf betriebene, kolbenlose Pumpe, die aufgrund ihrer einfachen Konstruktion und Robustheit gerade in kleineren Bergbaubetrieben häufig zum Einsatz kam.

Das Prinzip geht auf die erstmals von Thomas Savery 1698 unter ‒ ihrem damals wichtigsten Einsatzzweck im britischen Steinkohlenbergbau geschuldeten Namen „The Miner's Friend“ ‒ vorgestellte, kolbenlose Dampfpumpe zurück. Es wurde dann von Charles Henry Hall in den 1860er Jahren in den USA aufgegriffen, weiterentwickelt und 1872 erneut patentiert (wikipedia.de, polytechnischesjournal.de).

Eine solche Dampfpumpe besteht im Wesentlichen nur aus zwei Kammern, die durch mehrere Kugelventile nach außen und gegeneinander verschlossen sind. Die Kugelventile sorgen dafür, daß abwechselnd stets nur in eine der Kammern heißer Dampf eingeblasen wird und sie werden allein durch den Druckunterschied zwischen beiden Kammern gesteuert. Zunächst sorgt der Dampfdruck dafür, daß das in die eine Kammer angesaugte Wasser in die Steigleitung gedrückt wird. Durch den Kontakt des Dampfes mit dem kühleren Grubenwasser und der Expansion des Dampfes in der Kammer entsteht anschließend ein Druckgefälle: Der Dampf kühlt sich ab und kondensiert, wodurch in dieser Kammer ein Unterdruck entsteht. Der Unterdruck in dieser Kammer bewirkt nun wieder ein Ansaugen von Wasser in die Kammer hinein; gleichzeitig aber auch das Umschlagen des Kugelventils, wodurch die Dampfzufuhr in die zweite Kammer hinein freigegeben wird, wo nun derselbe Zyklus beginnt und sich anschließend erneut umkehrt. Auf diese „pulsierende Arbeitsweise geht die Bezeichnung zurück.

Ein anonymer Autor beschreibt sie in Dingler's Polytechnischem Journal (Band 210) im Jahr 1873 ‒ also zeitnah nach ihrem Aufkommen in Europa ‒ etwas ausführlicher so:

XVI. H. Hall's Dampfpumpe oder „Pulsometer“.
Nach dem Scientific American, August 1873, S. 217.

Mit einer Abbildung auf Taf. II.

Der Erfinder macht bei diesem Apparate die Wasserdämpfe in zweierlei Sinne nutzbar: zunächst dienen sie zur Erzeugung eines luftleeren Raumes, in welchen das Wasser durch den atmosphärischen Druck gehoben wird, dann fördern sie das gehobene Wasser durch ihren directen Druck weiter in die Höhe. Fig. 13 stellt den Apparat im senkrechten Durchschnitte dar. Zwei langhalsige Behälter D und E vereinigen sich an ihren oberen Enden zu einer gemeinschaftlichen Ventilkammer, worin ein metallenes Kugelventil C frei zwischen den Sitzen an der Verbindungsstelle oscillirt, um abwechselnd die Mündung des einen und des anderen Behälters abzusperren. Der Dampf strömt von oben ein und die Kugel C ist es, von der sein Eintritt in den einen oder den anderen Behälter abhängt.

Das zu hebende Wasser gelangt durch das Saugrohr B zunächst in die Ventilkammer F und aus dieser durch kreisrunde Oeffnungen, welche durch Kugelventile geschlossen sind, in den einen oder den anderen der beiden Behälter D und E. An diese schließt sich das gemeinschaftliche (in der Abbildung durch punktirte Linien angedeutete) Steigrohr A. Den Uebergang zu dem letzteren vermittelt eine Ventilkammer, worin eine Kugel zwischen zwei kreisförmigen Ventilsitzen oscillirt und das Wasser abwechselnd aus den Behältern in das Steigrohr strömen läßt. An dem Boden der Behälter sind Oeffnungen mit Flantschen und aufgeschraubten Deckeln angebracht, um die Kugelventile nöthigen Falles entfernen zu können.

 


Die zugehörige Abbildung (Figur) 13 auf Tafel
II.

   

Der ganze Apparat mit allen seinen Kammern und Passagen ist in einem Stück gegossen. Sein Spiel ist sehr einfach. Unserer Abbildung gemäß befindet sich die Kugel C auf ihrem Ventilsitze rechter Hand. Der Dampf strömt daher ungehindert in den Behälter D, welchen wir in diesem Augenblicke als mit Wasser gefüllt annehmen, und wirkt mit seinem directen Druck auf die Oberfläche des letzteren, wobei wegen der birnförmig sich verjüngenden Gestalt des Behälters der geringste Grad von Condensation stattfindet. Das Wasser wird daher allmählich hinab und durch das unten angebrachte Kugelventil in die Ventilkammer des Steigrohres gedrückt, deren Kugel nach der rechten Seite hin fällt.

In dem Maaße als das Niveau in dem Behälter D sich senkt, dehnt sich der Dampf vermöge der Form des letzteren allmählich aus, so daß die Senkung des Wasserspiegels ruhig vor sich geht, bis derselbe die Ausströmungsöffnung erreicht. In diesem Augenblicke aber entsteht eine stürmische Bewegung; das kalte Wasser kommt plötzlich mit dem Dampf in Berührung, der letztere wird condensirt, und mit einem Schlag hat sich der dampferfüllte Raum D in ein Vacuum verwandelt. In dem nämlichen Momente fällt die Kugel C auf die linke Seite und verschließt den Hals des Behälters D; eben so bewegt sich die Kugel in der Ventilkammer des Steigrohres nach der linken Seite, so daß sie das Zurückfließen des gehobenen Wassers hindert; zugleich wird das untere Kugelventil durch die unter dem atmosphärischen Drucke im Steigrohr B aufsteigende und dem Vacuum in D zustrebende Wassersäule aufgestoßen. Zur Milderung des Stoßes der andringenden Flüssigkeit dient die „Vacuumkammer“ G, welche durch eine in der Abbildung nicht sichtbare Passage mit der Ventilkammer F communicirt.

So oft nun in der Kammer G eine Luftverdünnung eintritt, d.h. bei jedem „Pulsschlag“ des Apparates, öffnet sich ein kleines, in dieselbe geschraubtes Luftventil nach innen, und läßt eine kleine Quantität Luft eintreten, die mittelst einer Schraube regulirt werden kann. Der ganze mit Bezug auf den Behälter D beschriebene Vorgang wiederholt sich, sobald die Kugel C ihren Sitz gewechselt hat, auf gleiche Weise in dem Behälter E. Beide Behälter füllen und entleeren sich abwechselnd, und erfüllen somit die Bedingung einer doppeltwirkenden Pumpe.

Die Hall'sche Dampfpumpe dient zur Förderung des Grubenwassers in Bergwerken, sowie zur Entwässerung bei Fundamentirungen; sie findet bei Schiffen Anwendung, sowohl zur Entfernung des in Folge eines Leckes eingedrungenen Wassers, als auch zum Waschen des Verdeckes oder zum Löschen eines ausgebrochenen Feuers; ferner bei Locomotiven, um den Tender nöthigen Falles aus vorüberfließenden Gewässern zu speisen, und noch zu verschiedenartigen anderen Zwecken.“

  

Dank der Weltausstellungen verbreitete sich das Patent schnell auch in Europa und fand vielerlei Nachahmer. Ein Ingenieur Müller- Melchiors berichtete in derselben Quelle (Band 223, 1877, S. 557ff) von der Weltausstellung 1876 in Philadelphia: „Der „hydraulische Annex“ war entschieden am meisten besucht und geschätzt von allen Gästen der Maschinenhalle... Es ist daher fast undankbar zu sagen, daß im Allgemeinen wenig neues zu sehen war... Ein gleiches gilt von den Pumpen; man fand dort alle die geistreichen – und dampfvergeudenden – Anschlagsteuerungen, mit denen seit Cameron's Special Steam- Pump die Erfinder vergebens sich gegenseitig zu überbieten streben...

Endlich aber doch etwas specifisch Amerikanisches, die sogen. Vacuumpumpen, die sich seit der Wiener Weltausstellung 1873 durch Hall's „Pulsometer“ auch in Europa zu verbreiten begannen.

Die „Aquometer“ Dampfpumpe (Fig. 26 bis 28), ausgestellt von der „Aquometer Steam Pump Company“ in Philadelphia, ist vielleicht der beste Repräsentant dieser Gruppe. Figur 27 zeigt die beiden Pumpenkammern sammt ihren Saugklappen und dem Saugrohre im Querschnitt, hinter denselben punktirt sind die betreffenden Druckventile und das Druckrohr ersichtlich. Im langgestreckten obern Theile der Kammern sind die Oeffnungen, welche zum Dampfvertheilungsorgan führen, dessen Gehäuse in Figur 26 in der Ansicht, in Figur 28 in vergrößertem Querschnitte gezeichnet ist.

In der Mitte des Gehäuses mündet das Dampfrohr zwischen zwei Scheiben, die auf einer gemeinsamen Spindel befestigt und auf Längsrippen verschiebbar sind. An ihren Außenseiten haben die Scheiben Schleifflächen angearbeitet und stehen Ventilsitzen gegenüber, die sie abwechselnd öffnen und schließen, je nachdem sie nach rechts oder links verschoben sind. Außerhalb der Ventilsitze trägt die Spindel auf jeder Seite eine Fangschale aufgebolzt. In der Stellung der Figur 28 ist das rechte Ventil geschlossen, das linke geöffnet, und der Dampf strömt von hier aus durch die oben angeführte Oeffnung in die linke Pumpenkammer, die wir mit Wasser angefüllt voraussetzen wollen. Hier mischt er sich in dem obern langgestreckten Halse mit Luft, welche durch kleine Ventile zugelassen wird, und drückt die Wassermenge durch die Druckklappe in das Druckrohr.

Sowie jedoch die Kammer ganz geleert ist und der Kesseldampf selbst mit erhöhter Geschwindigkeit durch die Druckklappe zu entweichen beginnt, wird die Ventilspindel des Dampfvertheilungsorganes durch den Anprall des Dampfes wider die Fangschale nach links verschoben, das linke Ventil geschlossen und der Dampfzutritt zur linken Kammer unterbrochen. In Folge dessen sinkt die Spannung des in der linken Kammer eingeschlossenen Dampfes, die Saugklappe öffnet sich, Wasser tritt ein und vollständige Condensation findet statt, so daß die linke Kammer nunmehr durch den äußern Luftdruck neuerdings mit Wasser angefüllt wird.

Gleichzeitig fand in der rechten Kammer Dampfzutritt statt, bis alles darin enthaltene Wasser durch die Druckklappe ausgepreßt und das Dampfvertheilungsorgan wieder nach links verschoben war, worauf wieder Dampf in die linke Kammer tritt, die Saugklappe schließt und die Druckklappe öffnet. Das angesaugte Wasser behält jedoch beim plötzlichen Schließen der linken Saugklappe lebendige Kraft genug, um die rechte Saugklappe zu öffnen und hier, wie früher links, die Condensation einzuleiten, womit das regelmäßige Spiel des Aquometers erklärt ist. Zu bemerken wäre nur noch, daß zur Vermeidung von Stößen über dem Saugrohr ein Windkessel angebracht ist.

   

Die Abbildungen 26 bis 28 aus Tafel XI dieses Bandes. Statt Kugelventilen sind hier Klappenventile eingebaut.

     

In gleicher Art wie der hier beschriebene Aquometer wirkt der Hall'sche Pulsometer, der noch dadurch vereinfacht ist, daß an Stelle des oben beschriebenen Dampfvertheilungsorganes nur eine Kugel auf die obern Trennungskante beider Pumpenkammern gelegt ist, und, abwechselnd vom rasch entströmenden Dampfe mitgenommen, die rechte oder linke Einströmöffnung verschließt.

Ebenso fungirt die Vacuum- Dampfpumpe von Nye, die gleichfalls im hydraulischen Annex ausgestellt war, nach gleichen Principien, sowie eine neuere, nicht ausgestellt gewesene Pumpe von Gleason. Ihnen allen ist gemeinsam eine wahrhaft imposante Einfachheit und eine ebenso großartige Vernachlässigung der hier stattfindenden unvermeidlichen Dampfverluste, welche nur dann verzeihlich wären, wenn von der Vorwärmung des Wassers Gebrauch gemacht werden könnte, speciell zur Kesselspeisung. Daß aber die Vacuumpumpe unmöglich den Kessel speisen kann, mit dessen Dampf sie arbeitet, ist aus der directen Wirkungsweise des hier arbeitenden Dampfes sofort einleuchtend.“

Dieser Exkurs in die Maschinentechnik des letzten Viertels des 19. Jahrhunderts soll auch illustrieren, daß Herr Schippan durchaus auf dem technischen Stand der damaligen Zeit mitzuhalten und die für seine Kohlengrube am besten geeignete Technik einzusetzen suchte.

  

Auch in den Fahrjournalen der Folgejahre heißt es über die Alinengrube immer wieder: „Das Werk war recht gut in Ordnung.“ (40051, Nr. 597 und 40024-7, Nr. 194 und 195)

  

Der nach dem Abgang Krügel's eingestellte Steiger G. Spengler berichtete über die Alinengrube in seiner statistischen Jahresmeldung für das Jahr 1900, daß man in gleichartigen, etwa 0,5 m³ fassenden Förderwagen, wie bei der Flora- Grube und „auf geneigter Schienenbahn“ ‒ also auf der oben schon gezeigten, schiefen Ebene ‒ aus der Grube nach übertage fördere (40051, Nr. 597). Aus der Meldung für das Folgejahr 1901 geht noch hervor, daß man die alte Dampfmaschine dort gegen eine neue ausgetauscht habe, die statt 25 PS nun 60 PS Leistung habe. Sie mußte natürlich auch noch andere Maschinen antreiben: Einem später noch zitierten Gutachten des Bergmeisters Seemann von der Berginspektion Leipzig zufolge waren dies im Jahr 1901:

  • 1 Kohlenpresse,
  • 1 Ziegelpresse,
  • 1 Röhrenpresse,
  • die Kohlen- Förderanlage (also der Antrieb der Kettenbahn),

außerdem kamen zeitweise noch dazu:

  • 1 Kollergang,
  • 1 Schrotmühle und
  • 1 Kreissäge.

  

Der ab 1902 in der Berginspektion Leipzig für die Gruben in Ragewitz zuständige Beamte, Bergmeister Seemann, berichtete von seiner Befahrung der inzwischen zwei Gruben in Ragewitz am 27. Juni 1903, daß man bei Aline weiterhin auch noch im Tagebau fördere. Da nun Herr Seemann bereits vorher in der Berginspektion III in Freiberg für die gewerblichen Gruben zuständig gewesen ist, kannte er sich mit den Problemen und Mängeln der privaten Bergwerksbetriebe natürlich sehr gut aus. Wie andernorts auch, war auch bei Aline zu bemängeln, daß die Abraumböschungen im Tagebau nicht weit genug zurückgezogen seien. Seemann forderte eine Mindestbreite der Berme zwischen Abraum und Kohlenflöz von 2 m.

Der untertägige Abbau erfolgte von zwei Tagestrecken ausgehend. Da beide aber schon nach kurzer Strecke zusammenliefen und sich von dort aus nur noch je eine Strecke zu den Bruchbauen fortsetzte, war die Schaffung eines zweiten Tagesausganges als Rettungsweg für Notfälle anzumahnen (40051, Nr. 597).

  


Die oben im Text erwähnte Skizze aus dem Fahrbericht des Bergmeisters Seemann aus dem Jahr 1903 zur Lage der Tagesausgänge, Flucht- und Wetterwege in der Alinengrube. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40051 (Bergbehörde Leipzig), Nr. 597, Blatt 235, Rückseite.

   

Von 1892 bis 1903 war der Kohlenwerksbesitzer F. A. Schippan übrigens auch Vorsitzender der Brösener Knappschafts- Krankenkasse. Sie hatte im Jahr 1904 immerhin 428 versicherte Mitglieder (40051, Nr. 597).

Erst nach einer Aufforderung durch die Bergbehörde in Zusammenhang mit der Betriebsplaneinreichung für die neue Flora- Grube wurde im Jahr 1900 zwischen dem Werksbesitzer A. Schippan und einem Arbeiterausschuß, bestehend aus je zwei Häuern der beiden Braunkohlengruben, auch eine Arbeitsordnung vereinbart (40051, Nr. 597, Blatt 96ff). Die darin getroffenen Regelungen entsprachen den damals üblichen Verhältnissen: Üblicherweise wurden nur Tagschichten verfahren; dann währte die Arbeitszeit von früh 6:00 Uhr bis abends 17:30 Uhr mit zwei längeren Pausen. Sofern Nachtschichten erforderlich waren, währten sie bis 18:00 Uhr abends, dann allerdings mit einer dritten Vesperpause dazwischen. Die Ablösung hatte freilich am Arbeitsort zu erfolgen, das heißt, die Anfahrtszeiten innerhalb der Grube waren darin nicht enthalten.

Der Beitritt in die Bröhsener Knappschaftskrankenkasse war für alle Arbeiter verpflichtend. Die Beiträge wurden bei der Lohnauszahlung abgezogen.

Die Entscheidung über die Bezahlung, insbesondere, ob sie im Einzelfall nach Schichtlohn oder im Gedinge (Akkordlohn) erfolgte, traf der Obersteiger. Dafür gab es zwei „Arbeiterklassen“: Die besser ausgebildete und mit größerer Verantwortung betraute 1. Klasse umfaßte die Fahrgehilfen, Häuer, Zimmerlinge und die Maschinisten. Für diese war in der ersten Arbeitsordnung ein Schichtlohn von 3,- bis 3,50 Mark vereinbart. Die zweite Kalsse umfaßte die Förderleute, Abzieher, Kohlenmesser und „Platzarbeiter“ übertage. Sie erhielten 1900 einen Schichtlohn zwischen 2,40 und 3,- Mark.

Ein Jahr später waren die Durchschnittslöhne schon auf 3,50 bis 4,50 Mark pro Schicht angestiegen. Bei der Alinengrube lagen sie mit 3,- bis 4,- Mark etwas niedriger.

  

   
 
 

Zum Bau des Flora- Schachtes ab 1899

  

Wie wir aus dem betreffenden Fahrjournal des Bergamts- Referendars von Alberti schon wissen, hatte Schippan erstmals im Januar 1896 den Plan geäußert, „ein größeres, unterirdisch betriebenes Werk mit Brikettfabrik an der Ragewitz- Prösitzer Straße in etwa zwei Jahren zu errichten…“ (40024-7, Nr. 194) Im folgenden Kapitel wollen wir uns nun der Errichtung und dem Betrieb dieses zweiten Grubenbetriebes der Schippan'schen Braunkohlengruben in Ragewitz widmen, dem der Besitzer den Vornamen seiner zweiten Tochter gegeben hat.

 

Über die Errichtung des Flora- Schachtes erfahren wir Genaueres aus den Akten der 1898 neu gebildeten Königlich Sächsischen Berginspektion zu Leipzig, damals übrigens ansässig in der Albertstraße 27 in Leipzig- Gohlis (40051, Nr. 597).

Der Steiger E. O. Krügel zeigte der Berginspektion am 29. Dezember 1898 schriftlich an, daß man nunmehr mit dem Absenken des neuen Schachtes beginnen wolle. Mehrere Bohrungen (aus dem weiter unten zitierten, ersten Betriebsplan erfährt man, daß es insgesamt sieben Bohrungen gewesen sind) hätten ergeben, daß im neuen Feld im Durchschnitt unter

8 m Lehm,
10 m Letten,
3 m Sand und
3 m Ton
10 m Kohle

zu erwarten seien. Auch der uns schon bekannte Inspektor M. Herold ist zur Berginspektion nach Leipzig versetzt worden und schrieb am 29. Januar 1899 zurück, daß das angezeigte Schachtabteufen seitens seiner Behörde nicht genehmigungsfähig sei, da in der Anzeige (außer der Angabe, daß der Schacht Bolzenschrot- Auszimmerung erhalten solle) keinerlei Abmessungen und technische Daten angegeben seien. Herr Krügel hätte die erste Klasse der Bergschule vielleicht doch abschließen sollen...

Dessen ungeachtet erhielt Herr Schippan aber schon am 13. Januar 1899 einen „Abbauschein“ ‒ die moderne Form der Eintragungsbestätigung im Berg- und Gegenbuch ‒ vom Königlichen Bergamt zu Freiberg für die von Schippan erworbenen Parzellen Nr. 81, 105, 113, 114, 117a und 118a der Flur Ragewitz sowie der Parzellen Nr. 33, 34 und 34a der Flur Prösitz ausgestellt. Das Bergamt befand, daß „das Abbaufeld für einen rationellen Betrieb hinreichend groß und passen gestaltet“ sei.

Am 26. Januar 1899 reichte Steiger Krügel auf Inspektor Herold's Rüge hin die folgenden Angaben zum geplanten Schacht nach: Der neue Förderschacht solle ein rechteckiges Ausbruchsprofil von 2 m x 4 m erhalten und dreitrümig ausgerüstet werden, wobei das Fahrtrum ein lichtes Maß von 0,70 m Breite, die beiden Fördertrümer dagegen von je 1,60 m Breite, bei einer lichten Weite in der kurzen Schachtachse von jeweils 1,60 m erhalten sollten. Für das Schachtabsenken habe man den Abteufhäuer Arno Steinert aus Pegau angestellt.

Das gefiel dem Inspektor nun schon besser und am 6. Februar genehmigte er den Baubeginn. Zugleich aber wies er den Besitzer in seinem Schreiben darauf hin, daß „der bedingungsweise bestätigte Steiger Krügel ... bei der geplanten Betriebsvermehrung den Anforderungen nicht mehr genügen“ wird. Krügel dürfe aber natürlich als zweiter Beamter im Werk tätig bleiben, sofern ein „genügend befähigter Steiger“ angestellt werde.

Da eine Steigeranstellung natürlich Geld kostete, protestierte Herr Schippan erst einmal und teilte am 15. Februar nach Leipzig mit, daß vorläufig der Obersteiger Burkhardt vom damaligen Königlichen Kohlenwerk in Kaditzsch die Beaufsichtigung mit übernehmen werde. Aufgrund der Entfernung der Werke voneinander (fußläufig etwa 1½ Stunden) stimmte dem aber die Berginspektion auch nicht zu. Im März 1899 schrieb Schippan dann nach Leipzig, daß nun der Obersteiger Lange vom näher gelegenen Braunkohlenwerk Grechwitz die Aufsicht „aushilfsweise“ mit übernehme und der Schachthäuer Steinert dessen Fahrgehilfe vor Ort werden solle. Auf diese Lösung ließ sich dann die Berginspektion ein.

  

In der Zwischenzeit hatte Schippan auch den Bauantrag für die Übertageanlagen bei der Amtshauptmannschaft Grimma eingereicht (40051, Nr. 598). Da es um eine Bergbauanlage ging, fragte die Amtshauptmannschaft beim Bergamt nach, ob aus bergbehördlicher Sicht besondere Anforderungen zu stellen seien. Dazu nahm das Bergamt in Freiberg dahingehend Stellung, daß in der Tat eine Reihe Anforderungen, insbesondere an die Förderanlage zu stellen seien, u. a. müsse die freie Höhe der Seilscheiben über der oberen Hängebank wenigstens 6 m zuzüglich der Gestellhöhe und der Seilbund- Länge betragen, damit bei einem Überfahren der Hängebank das Gestell nicht sofort gegen die Scheiben gezogen werden und abreißen kann.

Ob diese Anforderung vonseiten der Baubehörde damals an den Bauherren weitergegeben wurde, ist fraglich, denn um dieses Maß gab es zu späterer Zeit noch so einige Streitigkeiten. Die Baugenehmigung wurde jedenfalls am 4. Mai 1899 erteilt.

  

Bis zum 13. Februar 1899 hatte der Schacht schon 7 m Teufe gewonnen. Bereits am 21. Januar war es aber auch zu einem ersten Arbeitsunfall gekommen, über den der Steiger Krügel die Berginspektion pflichtgemäß informierte: Beim Ausfahren habe sich der Kübel vom Seil gelöst und mit diesem war der Schachthäuer Steinert etwa 5 m tief abgestürzt; hatte sich glücklicherweise aber nur Verstauchungen zugezogen (40051, Nr. 597).

Daraus erfahren wir übrigens ganz nebenbei, daß man mit dem Abteufen bereits im Januar begonnen hatte, obwohl die Genehmigung dafür ja erst am 6. Februar erteilt wurde...

Anfang April 1899 hat Schippan dann den Schachthäuer Steinert wegen mehrfacher Pflichtwidrigkeiten und übermäßigen Alkoholgenusses entlassen und den Häuer Friedrich Wilhelm Thiemig an seiner Stelle angestellt.

Dem stimmte nun aber wieder Inspektor Herold nicht zu, weil er Thiemig in Anbetracht seiner Ausbildung nur als Drittelführer (Schichtaufseher) empfehlen könne. Allerdings unterstützte er nun „in Anbetracht der bisher gezeigten Leistungen“ das Vorhaben, Steiger Krügel als Betriebsleiter anzunehmen, wenn denn für ihn ein Stellvertreter angestellt werde. Schließlich verfüge das Werk ja nun über ein „altes“ (die Alinen- Grube war ja nach wie vor in Betrieb) und ein „neues“ Werk, die beide zu beaufsichtigen seien.

 

Mitte März informierte Steiger Krügel die Berginspektion darüber, daß „man das schwimmende Gebirge (wohl die Sandschicht) erreicht“ habe und nun die Lokomobile in Dauerbetrieb halten müsse, ggf. sogar an den Sonntagen, um die zusitzenden Wasser niederzuhalten (40051, Nr. 597).

Am 7. April 1899 teilte Steiger Krügel dann nach Leipzig mit, daß das Schachtabteufen jetzt „die Kohle erreicht“ habe und am 26. April schrieb Krügel erneut nach Leipzig, um mitzuteilen, daß man das weitere Abteufen eingestellt habe, um vorerst ein Kesselhaus und die nötige Förderanlage zu errichten. Die bisher als Antrieb der Pumpen benutzte Lokomobile reiche einfach nicht mehr aus, um die Wasser zu halten.

Auch den Antrag zur Errichtung eines Förderturms über dem Schacht sowie für das Maschinen- und Kesselhaus genehmigte Inspektor Herold am 5. April 1899, wies aber darauf hin, daß selbstverständlich die „üblichen technischen Vorschriften“ einzuhalten seien. Das Bergamt zu Freiberg übersandte dazu eine Liste mit technischen Anforderungen, wie etwa der Anbringung von Brandklappen an der Hängebank, nach Ragewitz.

Das aber funktionierte offenbar nicht so richtig: Am 17. Juni informierte Inspektor Herold das Landesbergamt in Freiberg, daß er nach seiner Besichtigung am 14. Juni Bedenken zur Gründung des Förderturmes habe, weil Entlastungsbögen fehlten. Die freie Höhe von 4,6 m zwischen Seilscheibe und oberer Hängebank stimmte nicht mit den vorgeschriebenen 6 m überein und auch der Abstand zwischen Fördermaschine und Seilscheibenachse sei ungenügend. Aber es „wird in diesen Punkten schwerlich noch etwas zu ändern sein, da das Maschinen- und Kesselhaus sowie die Grundmauern des Förderturmes bereits errichtet sind.“

Nun ja, Herr Schippan hatte es wohl recht eilig, das neue Werk in Betrieb zu nehmen...

Dennoch wird am 21. Juli auch noch der Bau eines Wohn- und Arbeiterhauses sowie eines Kohlenschuppens genehmigt. Zugleich forderte die Bergbehörde nun aber auch die Einreichung eines Betriebsplanes für das neue Werk.

  

Am 18. August 1899 teilte Steiger Krügel dann der Berginspektion mit, daß man das Schachtabteufen nun wieder fortsetze. Am 19. September schrieb dann aber A. Schippan an die Berginspektion, daß der Steiger Krügelaus seinem Dienst gehen wird.“

Zunächst war daran gedacht, den damaligen Steiger des Kalkwerkes zu  Groitzsch abzuwerben. Da dies aus uns nicht bekannten Gründen scheiterte, kam es nun zur Anstellung des Steigers Gustav Adolf Spengler aus Bröhsen (40051, Nr. 597).  

Den Fahrberichten des Bergamtsreferendars Flöter aus dem Jahr 1899 (40051, Nr. 103) ist hierzu zu entnehmen, daß er zu dieser Zeit den Max- Schacht in Bröhsen (Registriernummer der Berginspektion L.91) zu befahren hatte. Dort wiederum ist zu dieser Zeit G. Spengler schon als Obersteiger tätig gewesen. Betriebsleiter war dort ein Herr Busch. Diese Grube verfügte damals schon über zwei Schächte und zu beiden fand der Referendar bei seiner Befahrung „bergpolizeilich nichts zu erinnern.“ Es war also beim Grubenbetrieb alles in Ordnung. Lediglich Verbandszeug fehlte, das zu besorgen der Obersteiger veranlaßt werden mußte.

Über diese Grube haben wir noch nicht näher nachrecherchiert. Sie taucht in der Aufstellung der auflässigen Braunkohlenwerke zu  Bröhsen nicht auf, die der Bergamtsreferendar Kirsch im Jahr 1905 aufzusuchen hatte ‒ muß also 1905 noch in Betrieb gewesen sein.

Just zwei Jahre später befuhr Herr Flöter auch die Flora- und die Alinen- Grube in Ragewitz und traf dort den inzwischen hier angestellten Obersteiger Spengler wieder... Bei einer Sonntagskontrolle im August 1901 stellte Herr Flöter damals übrigens fest, daß die Maschinenwärter Naumann und Hendler 24- Stunden- Schichten verfuhren, um die Kesselanlagen für die Wasserhaltung (mittels Dampfpumpe) versorgen zu können.

Das Bergamt bestätigte jedenfalls die Steigeranstellung von G. A. Spengler am 23. September 1899, verlangte aber erneut, daß ein jüngerer Stellvertreter mit Bergschulausbildung, dem zweckmäßigerweise die „alte“ Grube anvertraut werden könne, zu benennen sei, zumal Herrn Spengler ja auch noch die Leitung der Schippan'schen Ziegelei übertragen werden solle. Außerdem sollte Spengler durch je einen Fahrgehilfen im alten und im neuen Werk unterstützt werden (40051, Nr. 597).

Einen zweiten Steiger hatte Schippan bis Ende 1899 nicht angestellt, zumal im alten Werk (auf der Alinengrube) nur wenige Arbeiter beschäftigt seien. Für die Ziegelei wolle er einen entsprechenden Brennmeister als Aufsicht anstellen und diese nicht mehr dem Grubensteiger übertragen. Immerhin hat Schippan in seinem ersten Betriebsplan für jedes der beiden Kohlenwerke einen Fahrgehilfen benannt, und zwar für die Alinen- Grube Herrn Wilhelm Förster aus Pöhsig und für die Flora- Grube Herrn Hermann Schulze aus Haubitz. Deren Anstellung wird am 15. Dezember 1899 auch vom Landesbergamt in Freiberg bestätigt.

Das Bergamt nahm dies aber zugleich zum Anlaß, nachzufragen, wieviele Arbeiter denn derzeit eigentlich genau auf den beiden Werken beschäftigt seien. Dazu notierte Inspektor Herold im Januar 1900, daß auf der Alinen- Grube (Nummer der Grube: L.54) derzeit 8 Mann und auf der Flora- Grube (Nr. L.93) 10 Mann angelegt seien.

  

Über das Abteufen des Flora- Schachtes wurde auch in den Jahrbüchern berichtet:

17. Der Braunkohlenwerksbesitzer Schippan legte in Ragewitzer Flur bei Grimma am Ragewitz- Prösitzer Kommunikationswege ein neues Braunkohlenwerk an, das den Namen Flora- Grube erhielt, während der bereits bestehenden Werksanlage der Name Alinen- Grube beigelegt ward. Bei Flora- Grube ward ein 27,4 m tiefer Schacht mit 2 Trümern zur Förderung und 1 Trum zur Fahrung und Wasserhaltung in Bolzenschrotzimmerung abgeteuft und mit einer 24pferdigen Fördermaschine, einer unterirdischen Automat- Pumpe und einem Pulsometer ausgerüstet. Der Förderthurm, das Kesselhaus mit Dampfkessel, Maschinenhaus, Sortirung und Verladung, sowie ein Verwaltungs- und Mannschaftsgebäude wurden gleichfalls fertig gestellt und die Ausrichtungsstrecken angehauen. Demnächst wird ein Wetter- und Fluchtschacht von kreisförmigem Querschnitte abgeteuft und in Mauerung gesetzt werden.“

   

Für das Jahr 1900 ist in den statistischen Angaben der Jahrbücher erstmals eine Förderung von bereits 7.745 t für die Flora- Grube aufgeführt.

Im Folgejahr wird in den Jahrbüchern erneut über das Bergwerk notiert: „14. Bei der Grube Flora der Schippan'schen Braunkohlenwerke in Ragewitz bei Grimma ward ein Wetter- und Fluchtschacht abgeteuft und in Mauerung mit kreisförmigem Querschnitte von 2 m lichter Weite gesetzt.“

  

Auch darüber erfahren wir mehr aus den Grubenakten der Berginspektion (40051, Nr. 597).

Nachdem Inspektor Herold den ersten, von Schippan und Steiger Spengler am 6. Oktober 1899 eingereichten Betriebsplan für die Flora- Grube als „völlig unzulänglich und unbrauchbar“ zurückgewiesen und beiden „eine allgemeine Anleitung zur Aufstellung des Planes gegeben“ hatte, kam am 8. November 1899 die überarbeitete Fassung des Betriebsplanes in Leipzig an.

Diese überarbeitete Fassung wurde dann auch von Inspektor Herold genehmigt, wobei er nur noch wenige Anmerkungen zu machen hatte: Hauptsächlich sei „das Verhalten des Deckgebirges beim Werfen der Brüche (noch) unbekannt und also zunächst abzuwarten.“ Daher könne auch der Sicherheitspfeiler für den Weg nach Prösitz noch nicht festgelegt werden. Vorläufig werde er in der oberen Abbausohle auf 15 m und auf der unteren mit 18 m Breite beiderseits des Weges festgesetzt. Auch Seilfahrung ließ Herold zu, weil die noch ganz neuen Förderseile ausreichend stark und belastbar seien. Er wies noch auf die Erstellung des Grubenrisses hin und darauf, daß noch eine Arbeitsordnung für die Belegschaft anzufertigen sei.

Diesem Betriebsplan können wir zahlreiche Details über das neue Braunkohlenwerk entnehmen:

Das Kohlenfeld, daß über die Gemarkungsgrenze hinweg nach Nordosten bis auf Prösitz'er Flur reichte, umfaßte eine Fläche von 60 Acker. Wie wir aus den älteren Unterlagen schon wissen, hat 1 Acker in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hier eine Fläche von 300 Quadratruthen umfaßt. Unter Zugrundelegung der Ackerruthe zu 3,398 m (wikipedia.de) errechnet sich für einen Acker folglich eine Fläche von rund 3.464 m²; für 60 Acker also von etwa 207.835 m² oder knapp 21 ha.

Die mit den sieben Bohrungen ermittelten Durchschnittsmächtigkeiten wurden noch einmal neu berechnet und sind im Betriebsplan jetzt wie folgt angegeben:

7 m Lehm  
8 m Letten  
4 m Sand  
0,5 m Ton = ss. 19,5 m Abraum
10 m Kohle  

Der hier wieder angeführte Begriff der „Letten“ ist für uns nicht so richtig einzuordnen. Die sogenannten bunten Letten gehören eigentlich in den Buntsandstein, der hier im Hangenden aber nicht auftreten kann. Kritisch sind in diesem Profil die Sandschichten, insbesondere, wenn sie Grundwasser führen, weil sie dann nur mit sehr aufwendigem Ausbau zu halten sind.

   

Am Standort des Fördermaschinen- Schachts nebst Fahr- und Pumpenschacht“ hatte man die Flözoberkante bei 25,4 m Teufe angefahren und den Schacht nunmehr bis auf 27,4 m Teufe abgesenkt. Das Füllort dieser oberen Sohle mit einer Abmessung von 3,4 m im Quadrat wurde im Oktober 1899 gerade mit Mauerung versehen. Sonst besaß der Schacht Bolzenschrot- Ausbau mit Gevieren in 0,85 m saigerem Abstand und war außerdem vierfach verwandrutet.

Anfangs war noch Kübelförderung vorgesehen; die Fördergestelle zur Aufnahme je eines Huntes waren jedoch schon angeschafft. Offenbar war zunächst ein offenes Fördergerüst, das die Seilscheiben trug, geplant. Dieser Plan wurde jedoch nicht umgesetzt, sondern ein massives Treibehaus über dem Schacht vorgesehen. Dieses Schachtgebäude über dem Förderschacht war 17 m hoch und sollte eine untere (im Niveau der Rasensohle) und eine obere Hängebank in 6 m Höhe bekommen, von der aus die Hunte über eine Förderbrücke zur östlich des Schachtes errichteten Siebanlage geschoben werden konnten.

   


Anlage eines Kohlenwerkes für Herrn A. Schippan in Ragewitz: Konstruktionszeichnungen der zuerst geplanten Schachtanlagen von der Maschinenbaufirma O. Hentschel aus Golzern, geprüft durch die Gewerbeinspektion Wurzen am 27. April 1899. Sie zeigen noch ein offenes Fördergerüst über dem rechteckigen Schacht. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40051 (Bergbehörde Leipzig), Nr. 598, Blatt 18, Gesamtansicht.

  


Ausschnittsvergrößerungen aus obiger Bauzeichnung: Längsschnitt (oben) und Grundriß (unten) der im April 1899 geplanten Schachtanlage.

  


Anlage eines Kohlenwerkes für Herrn A. Schippan in Ragewitz: Konstruktionszeichnungen der tatsächlich gebauten Schachtanlagen von der Maschinenbaufirma O. Hentschel aus Golzern, geprüft durch die Gewerbeinspektion Wurzen am 4. August 1899. Sie zeigen jetzt den gemauerten Förderturm über dem Schacht und die nachträglich noch eingebaute Förderbrücke von der oberen Hängebank zum Kesselhaus. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40051 (Bergbehörde Leipzig), Nr. 598, Blatt 8, Gesamtansicht.

  


Ausschnittsvergrößerungen aus obiger Bauzeichnung: Längsschnitt (oben) und Grundriss (unten) der ersten, im Jahr 1900 gebauten Schachtanlage des Flora- Schachtes.

   

Bei der zum Antrieb der Fördermaschine bestimmten Dampfmaschine handelte es sich um eine liegende Zwei- Zylindermaschine mit Vorgelege. Sie besaß eine Leistung von 25 PS und einen Siedewasserkessel für 6 atü Druck. Einen Teil der ausgebrachten Kohle nutzte man zur Feuerung der Dampfkessel selbst. Der genietete und mit Rundeisenankern gefaßte Kessel war 5,65 m lang, besaß 94 innenliegende Siederohre zu je 78 mm Weite und einen Treppenrost für die Feuerung. Die Zwillingsdampfmaschine besaß zwei Zylinder von je 23 cm lichter Weite und 35 cm Hub. Der Schornstein war 22 m hoch und besaß oben eine lichte Weite von 80 cm.

Die Dampfmaschine und der Kessel sind von der Firma H. Paucksch in Landsberg a. W. 1884 unter der Fabriknummer 2027 gebaut worden. Sie waren danach bei der Firma Otto Hentschel, Maschinenfabrik, Eisengießerei und Kesselschmiede, in Golzern bei Grimma im Einsatz und wurden 1899 von A. Schippan gebraucht gekauft. Die Kesselprüfung wurde am 27. April 1899 von der Gewerbeinspektion Wurzen mit 11 atü ausgeführt und die Betriebserlaubnis erteilt (40051, Nr. 598).

Als Kessel- und Maschinenwärter hat A. Schippan die Arbeiter Karl Richter aus Mutzschen und Emil Espig aus Mutterwitz benannt.

Um die Leistung der Anlage zu steigern, dachte Schippan bald auch über einen Dampfüberhitzer nach, entschied sich aber dann 1901, besser einen zweiten Kessel einzubauen. Dieser war ein kombinierter Kessel mit untenliegendem Doppelflammrohr und obenliegendem Heizröhrenkessel für einen Betriebsdruck von 8 atü. Er wurde 1902 von der jetzigen Maschinenbau AG in Golzern unter Fabriknummer 632 neu gebaut und dann neben dem bereits vorhandenen aufgestellt. Die Kesselprüfung erfolgte am 4. August 1902 wieder durch die Gewerbeinspektion mit einem Maximaldruck von 13 atü. Aufgrund der unterschiedlichen Drücke durfte Schippan aber nicht beide Kessel gleichzeitig in Betrieb setzen.

   


Konstruktionszeichnungen für die Aufstellung eines zweiten Dampfkessels (im Schnitt oben rot hervorgehoben). Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40051 (Bergbehörde Leipzig), Nr. 598, Blatt 34, Gesamtansicht.

  

Das Obergeschoß des 1900 beim Flora- Schacht neu errichteten Wohnhauses diente dem Steiger und dem Maschinisten als Wohnung und das Untergeschoß diente als Zechenstube und Kontor. Die Räume waren getrennt für etwa 50 Arbeiter und für etwa 10 Arbeiterinnen ausgelegt, wobei bis dato allerdings erst 10 Mann auf dem neuen Werk arbeiteten. Auch an eine Krankenstube hatte A. Schippan bereits gedacht.

Etwa 40 m westlich des Förderschachtes wurde ein „Luftschacht“ als ausziehender Hauptwetterschacht abgesenkt und sofort in Mauerung gesetzt. Der Luftschacht besaß ein kreisrundes Profil und eine lichte Weite von 2,0 m Durchmesser. Früher hatte man zur Bewetterung der Alinengrube zumeist Bohrlöcher benutzt. Am Fahr- und Förderschacht sollten frische Wetter ein- und am (Ab-) Wetterschacht ausziehen.

Damit der Wetterzug auch bei zunehmender Ausdehnung des Abbaufeldes und ungünstiger Witterung immer ausreichte, sollte der Wetterschacht noch eine etwa 12 m hohe Esse und im Tiefsten einen Wetterofen erhalten.

Wie ein solcher Wetterofen funktioniert hat, kann man in unserem Beitrag zum Braunkohlentiefbau bei  Tettau erfahren. Einem Fahrbericht zum Max- Schacht in Bröhsen aus dem Jahr 1901 kann man entnehmen, daß man dort zur Verstärkung des Wetterzuges im Füllort des Wetterschachtes (der im Übrigen auch noch in Zimmerung stand) sogar ein offenes Kohlenfeuer entfacht hatte. Da es zudem nur glimmte, war diese Methode natürlich gleich in doppelter Hinsicht brandgefährlich (40051, Nr. 103).

   

Den Beginn des Abteufens dieses Wetterschachtes zeigte ‒ nun schon der Obersteiger Spengler ‒ dem Inspektor Herold am 24. April 1900 an.

Für die Mannschaftsfahrung wurden beide Schächte mit Fahrten ausgestattet, die vorschriftsmäßig geneigt angestellt wurden.

Die Wasserhaltung erfolgte auch hier mittels eines Pulsometers mit einer Mindestleistung von 500 Litern pro Minute. Das Pulsometer war in einer ausgemauerten Nische am kurzen Schachtstoß aufgestellt. Außerdem war vorgesehen, im Schachtsumpf ‒ etwa einen halben Meter über dessen Sohle ‒ ein etwa 10 m langes Wasserort nach Südwesten zu treiben. Damit bezweckte man, das Fassungsvermögen des Schachtsumpfes soweit zu vergrößern, daß man nicht nur in Notfällen, sondern immer über Nacht die gesamte Anlage abstellen konnte. Die gehobenen Wasser wurden einfach in den Graben neben der Werkszufahrt abgeschlagen.

  

Das Abbaufeld wollte man mit einer zweigleisigen Förderstrecke mit einem lichten Profil von 2,40 m Breite und 2,20 m Höhe ausrichten, die sich etwa 10 m nördlich des Förderschachtes V-förmig gabeln und dann als zwei eingleisige Parallelstrecken mit kleinerem Profil fortgeführt werden solle. Auch die ersten 10 m dieser Hauptstrecke bis zur Gabelung sollten noch ausgemauert werden. Eine der beiden Parallelstrecken führte zum Wetterschacht. Auf diese Weise konnte man nicht nur die Wetter in das Baufeld lenken, sondern auch einen zweckmäßigen Umlauf der beladenen Hunte aus der Grube zum Förderschacht und der entleerten Hunte zurück zum Baufeld über die zweite Strecke organisieren.

Als Förderwagen hatte man eiserne Hunte mit 5 Hektoliter (also 0,5 m³) Fassungsvermögen angeschafft und richtete unter- wie übertage eine Schienenbahn mit 0,5 m Spurweite ein. Für die Zukunft plante man sogar, die Hunte untertage „mittels Seil ohne Ende“ (also einem umlaufenden Zugseil oder einer Kette, ähnlich wie schon auf der Förderrampe der Aline oder im fiskalischen Kohlenwerk in Leipnitz) maschinell zu bewegen.

Der Abbau solle im Nordosten am Ausgehenden der Kohle beginnen und von dort beginnend rückschreitend zum Schacht hin im Bruchbau geführt werden, wobei man die Größe der Brüche mit nur etwa 2 m² bis 4 m² recht klein wählte. Aufgrund der Flözmächtigkeit von bis zu 10 m waren zwei Abbauscheiben zu je 5 m Höhe vorgesehen. Die obere sollte zuerst abgebaut, dann das Niedergehen der Brüche abgewartet werden und erst zu späterer Zeit die untere Scheibe gewonnen werden.

Für die ersten Jahre rechnet man mit einem jährlichen Ausbringen von zirka 500.000 Hektolitern. Diese Maßeinheit wurde auch nach Übernahme des metrischen Systems anstelle der alten Scheffelmaße (ein Dresdner Scheffel faßte zirka 107 Liter) noch lange für Schüttgüter verwendet. Dieses Volumen entspräche rund 5.000 m³ bzw. einer Förderung ‒ je nach Dichte der Rohkohle ‒ von etwa 5.000 bis 6.500 Tonnen.

Die ausgebrachte Rohbraunkohle wurde klassiert nach

  • Holz- und Stückkohle“ einerseits und nach
  • Klarkohle“ andererseits.

Die letztere kam in die Siebanlage und wurde dort in

  • Knorpelkohle“,
  • Füllkohle“ und
  • Staubkohle“ getrennt.

Während die stückige Kohle direkt als Brennstoff verkauft werden konnte, wanderte vor allem die Staubkohle in die Ziegelpresse und wurde dort zu Naßpreßsteinen verarbeitet.

Der Ausstoß der geplanten Presse sollte bis zu 50.000 Stück pro elfstündiger Schicht betragen. Um diese Menge auch ausreichend trocknen zu können, mußte ein Trockenschuppen „für einen Belag von 600.000 Stück“ errichtet werden, der bei 16 m Breite eine Länge von 150 m (!!) erhalten mußte. Die Ziegelpresse stand allerdings 1899 noch nicht; auch der Trockenschuppen mußte in den Folgejahren erst noch errichtet werden.

  

Mit der Erstellung der Risse für seine neue Grube hatte A. Schippan 1900 den Markscheider Otto Richter aus Freiberg beauftragt. Unglücklicherweise ist der aber kurz darauf verschieden. Danach wurden die Grubenrisse vom Markscheider Otto Neubert aus Oelsnitz/Erzg. geführt.

  

Nun also ging auch die Floragrube allmählich zum Routinebetrieb über. Der statistischen Meldung G. Spengler's für das Jahr 1900 vom März 1901 zufolge ist der Wetterschacht im vergangenen Jahr niedergebracht worden. Die Wetteresse übertage war auf 8 m Höhe gemauert und der Wetterofen untertage eingebaut.

Die Beleuchtung untertage erfolgte „durch gewöhnliche Grubenlampen mit Rüböl.“ Das Letztere hatte übrigens jeder Arbeiter selbst zu kaufen und wurde nicht vom Unternehmer bereitgestellt.

Die Kohlenpresse übertage stand, wie schon gesagt, noch nicht, daher mußte die ausgebrachte Kohle zunächst noch „per Geschirr“ zu den Abnehmern bzw. zur Alinengrube gebracht werden, wo sie dann zu Preßsteinen verarbeitet wurde. Dort erzeugte man aus der Klarkohle in einer zehnstündigen Schicht zwischen 20.000 und 24.000 Stück Preßsteine; freilich nur im Sommerhalbjahr, sonst trockneten sie ja nicht.

  

Während sich alles also sehr optimistisch anließ, bekam Herr Schippan aber nun aus anderer Richtung Ärger: Anfang Juli 1900 wandte sich die Amtshauptmannschaft Grimma behufs einer gutachterlichen Stellungnahme wegen „Brunnenzäpfung in Ragewitz“ an das Königlich Sächsische Landesbergamt zu Freiberg. Das beauftragte am 13. Juli des Jahres den inzwischen in Leipzig tätigen Bergmeister Seemann mit der Untersuchung der Sachlage (40051, Nr. 597).

Seit dem Absenken des neuen Förderschachtes bei der Flora- Grube nämlich hatte die Amtshauptmannschaft „mehrfache Beschwerde der Ortseinwohner... wegen Wassermangels“ zu registrieren. Herr Seemann ist uns als gründlicher Beamter schon mehrfach bei unseren Recherchen bekannt geworden und führte auch hier sogleich eine Befahrung der Tagegegend und des neuen Schippan'schen Braunkohlenwerkes, zusammen mit dessen Besitzer August Schippan, dem Gutsbesitzer Naumann aus Ragewitz sowie dem Gemeindevorsteher Robert Feist durch. Die Ergebnisse seiner Erkundigungen schrieb er am 19. Juli 1900 in einem ausführlichen Bericht nieder.

Zunächst befand Herr Seemann, daß „der Untergrund durch die verschiedenen Brunnenanlagen, von denen fast jedes Gehöft eine besitzt, geologisch gut aufgeschlossen ist.“ Das machte es natürlich einfacher. Tatsächlich nun weisen die Schichten in Ragewitz eine nur wenig nach Westen geneigte, sonst fast horizontale Lagerung auf. Alle Brunnen im Ort zogen ihr Wasser aus einer Sandschicht, die „theils als Schwimmsand ausgebildet, meist aber nur ein wasserführender Sand ist.“

Nun läge der neue Schacht zwar rund 280 m entfernt von der Ortslage Ragewitz, aber an einem Punkt, von dem aus diese Schichten zum Ort hin geneigt sind. Beim Abteufen des Schachtes sei man in 14 m Teufe auf genau diese, etwa 5 m mächtige Sandschicht im Hangenden der Kohle gestoßen und habe, um sie überhaupt durchsinken und die darunterliegende Kohle erreichen zu können, „den Ausbau des Schachtes ziemlich wasserdicht hergestellt.“ Vom Schacht aus war die Doppelstrecke zum Zeitpunkt des Besuchs von Herrn Seemann bereits auf rund 200 m nach Nordosten ausgelängt. Bei deren Anhieb „drang aus der Kohle von allen Seiten viel Wasser herzu,“ und zwar, wie Schippan angab, zunächst 10,5 Sekundenliter; jetzt sei die Wassermenge bis auf 15 Sekundenliter angestiegen. Das Wasser drang aber nicht plötzlich an einem bestimmten Punkt in die Grube ein, sondern stetig und diffus „aus allen Spältchen und Klüftchen der sehr bröckeligen Kohle.“

Wie Seemann weiter schrieb, habe man genau beobachten können, wie sich der Grundwasserspiegel mit dem Vortrieb der Strecke senkte, so daß das Wasser nunmehr nur noch auf ¼ bis zu ⅓ der Höhe der Streckenstöße austrete.

Seinem Bericht hat der Bergmeister auch eine kleine Zeichnung beigefügt, die uns die hier beschriebenen Untergrundverhältnisse verdeutlicht.

  


Die Schnittdarstellung aus dem Bericht von Bergmeister Seemann vom 19.07.1900, links ist ein Brunnen und mittig der Flora- Schacht mit einer Ausrichtungsstrecke dargestellt. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40051 (Berginspektion Leipzig), Nr. 597, Blatt 79 der Akte.

  

Der Bergmeister kam also zu dem Urteil: „Diese Verhältnisse liegen so einfach und klar, daß ein Zweifel vollständig ausgeschlossen erscheint und auch Schippan mußte diesen Zusammenhang unumwunden zugeben.“

Übrigens teilte Bergmeister Seemann im Jahr 1904, zu dieser Zeit schon zum Bergrat in Freiberg ernannt, auf eine Anfrage zur Wasserhaltung hin mit, daß man jetzt nur noch während der Tagschicht für 8 bis 9 Stunden die Wasserhaltung betreiben müsse und in dieser Zeit etwa 400 Liter pro Minute zu halten habe. Der Grundwasserleiter war also offenbar weitgehend trockengelegt und wurde nur noch durch Niederschlagswasser „nachgefüllt“.

Ja, was nun aber tun? Seemann empfahl zunächst, die Brunnen einfach ins Liegende der Kohle zu vertiefen. Hier nun aber protestierte der anwesende Gutsbesitzer Naumann, der nämlich genau dies schon getan habe. Bergmeister Seemann notierte, Naumannerhielt reichlich Wasser, behauptet nun aber, daß dieses Wasser ungenießbar sei... Bei einer Probenentnahme zeigte es nur eine ganz leichte Trübung.“

Hm. Dieses Grundwasser hat natürlich die Braunkohle durchsickert und die ist bekanntermaßen mehr oder weniger schwefelhaltig. Da Ragewitz später doch kein Kurort geworden ist, wissen wir heute, daß der Schwefelgehalt wohl auch nicht für eine Heilquelle ausgereicht hätte...

Jedenfalls waren sich die Einwohner schnell einig, daß eine andere Lösung her müsse und wie der Gemeindevorstand Feist dazu mitteilte, wolle man lieber eine etwa 1,2 km lange Leitung von einem Quellgebiet bei Löbschütz errichten. Dafür wird bis November 1900 auch ein erster Plan erstellt und der Berginspektion Leipzig zur Prüfung übersandt. Da im Zweifelsfalle nämlich der Besitzer des Braunkohlenwerkes für den Bau aufkommen müßte, war hier die Bergbehörde natürlich auch weiterhin zu befragen.

Die Sache bekam noch mehr Brisanz, als Gemeindevorstand Feist am 10. März 1901 mitteilte, daß nicht nur sämtliche Brunnen in Ragewitz, sondern selbst der neue Brunnen von Schippan sein Wasser verloren habe. Um das Trinkwasser nun aber von den Quellen, die auf etwa 210 m Höhe lagen, nach Ragewitz zu bringen, mußte ein Höhenrücken von etwa 223 Höhenmetern überwunden werden. Dazu sollte ein hydraulischer Widder eingebaut werden. (In diesem Zusammenhang wurde auch Bergmeister Seemann wieder befragt, ob denn nicht die Dampfmaschine der Alinengrube auch eine Wasserpumpe antreiben könne. Der wies dies aber zurück, weil die Entfernung viel zu groß sei und hinterließ uns ferner die Angaben zur Maschinenausrüstung der Grube Aline, die wir oben schon zitiert haben.

  

Die Sache zog aber noch größere Kreise: Weil sich nämlich einige Grundbesitzer in Pöhsig weigerten, die Wasserleitung über ihre Fluren verlegen zu lassen, mußte die Amtshauptmannschaft erneut einschreiten und mit der Entziehung der benötigten Flächen drohen... Im Laufe des Jahres 1902 zog sich die Entscheidung bis vor das Königlich Sächsische Ministerium des Innern, II. Abtheilung, in Dresden.

  

Fast schon am Rande ist noch zu erwähnen, daß dann am 20. März 1901 auch noch Herr Otto Reinhardt, Gutsbesitzer in Pöhsig, einen Tagebruch auf seiner Parzelle No. 33 in Pöhsig bei der Berginspektion anzeigte. Das lag eigentlich schon westlich außerhalb des Abbaufeldes der Alinengrube. Reinhardt räumte ein, er habe seinerzeit mit Schippan einen Abbauvertrag abgeschlossen, aber da Schippan wohl dort gar keinen Abbau aufgenommen und ihm auch nie einen Abbauzins gezahlt habe, betrachte er, Reinhardt, zumindest, diesen Vertrag längst als nichtig.

Wie sich die Parteien hierüber geeinigt haben, geht aus dem Akteninhalt nicht hervor (40051, Nr. 597). Wahrscheinlich wurde der Tagebruch einfach im Rahmen der alljährlichen Flächenbegradigungen wieder aufgefüllt.

  


Auf diesem Ausschnitt der Verleihkarte ist die Lage der ursprünglichen und der später im Nordosten und Westen  noch hinzugekommenen Abbaufelder der Flora- Grube verzeichnet. Das Kartenblatt ist noch ein altes aus der Zeit vor 1900, denn die Gebäude der Flora- Grube sind auf dem Kartendruck noch gar nicht dargestellt (siehe Händische Nachtragung „Förd.-S.“ am Weg nach Prösitz). Der dargestellte Stand entspricht etwa dem Abbaustand der späteren Grube Flora GmbH im Jahr 1937. Zwischen Prösitz und Ragewitz verläuft heute auch die Autobahn A 14 (gestrichelte Bleistiftlinien). Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40044-1 (Generalrisse), Nr. I20781, Ausschnitt, Norden ist oben.

  

Um die Auflistung der Unglücks- und Problemfälle bei der Erweiterung des Abbaufeldes um das der Flora- Grube im Nordosten von Ragewitz komplett zu machen, muß noch auf das wohl schwerste Unglück in der Geschichte der Flora- Grube eingegangen werden. Hier nämlich kam es im Juni 1902 zu einem besonders schweren Grubenbrand.

In der Jahrbuchausgabe auf das Jahr 1902 ist dazu zunächst nur kurz festgehalten, daß der „Obersteiger bei den Schippan'schen Braunkohlenwerken in Ragewitz am 16. Juni 1902 im Betriebe verunglückt“ sei. Ein Jahr später wurde im Kapitel: B. Braunkohlenbergbau, im Abschnitt IISchacht- und Maschinenanlagen, darüber berichtet: „18. Auf der Schippan'schen Floragrube zu Ragewitz brach am 15. Juni in dem mit Holz ausgebauten Förderschachte aus unbekannter Ursache Feuer aus, das sich auf das Schachtgebäude übertrug. Das letztere und der Schacht stürzten zusammen. Um das Fördermaschinengebäude und die Maschine selbst, sowie auch eine unterirdische Dampfwasserhaltungsmaschine weiter benützen zu können, wurde an der Stelle des zusammengebrochenen Schachtes mittels Getriebezimmerung durch die Bruchmassen ein neuer Schacht niedergebracht und dieser in kreisrundem Querschnitte mit 4 m Durchmesser ausgemauert.“

Und im Kapitel C. Sonderübersicht der im Jahre 1902 beim Erz-, Stein- und Braunkohlenbergbau vorgekommenen tödlichen Unfälle wird noch einmal ausführlicher auf den Hergang eingegangen. Neben dem Obersteiger und Betriebsleiter Gustav Adolf Spengler ist dabei auch der Häuer Friedrich Herrmann Ritter zu Tode gekommen. Es heißt im Unfallbericht: „Am 15. Juni 1902 war im Förderschacht des genannten Werkes auf unaufgeklärte Weise ein Brand ausgebrochen und daraufhin der Förderschacht zu Bruche gegangen. Trotz wiederholten Verbots des Werksbesitzers ist Spengler am Tage darauf durch den Wetterschacht in die Grube eingefahren, um zu untersuchen, ob für die Grubenbaue Brandgefahr vorliege. Dabei ist er von den Brandwettern überrascht worden und hat seinen Tod gefunden. Der genannte Ritter, der bei der versuchten Rettung des Obersteigers Spengler tätig und zu diesem Zweck angeseilt in den Schacht gefahren war, ist gleichfalls durch Einatmung giftiger Gase erstickt.“

Im selben Kapitel ist noch ein zweiter Arbeitsunfall im gleichen Jahr beschrieben: Am 21.5.1902 nämlich ist der Häuer Friedrich Ernst Wolf auf der Floragrube tödlich verunglückt: „Beim plötzlichen Zusammengehen eines Bruches wurde Wolf völlig verschüttet, wobei er durch Ersticken den Tod fand.“

Über dieses, reichlich riskante Abbauverfahren des Bruchbaus haben wir auch in unserem Bericht über die Braunkohlenwerke bei  Tettau ausführlich berichtet.

  

Die Wiederinbetriebnahme nach dem Brandunglück erwies sich als gar nicht so einfach. Der Holzausbau des Schachtes war durch den Brand zubruchgegangen, das Hangende natürlich nachgebrochen und übertage war ein Bruchtrichter von 6,5 m Durchmesser und 4 m Tiefe entstanden. Der Hauptschacht war also zu. Über den Wetterschacht allein konnte man die Brandgase mangels Wetterzug nicht so einfach ausziehen lassen, weswegen hier noch im Juli 1902 ein zusätzlicher Ventilator aufgestellt werden mußte. A. Schippan ließ im August 1902 neben dem verbrochenen Schacht ein Bohrloch durch das Gewölbe des Füllortes stoßen, um wenigstens einigermaßen einen Wetterzug wiederherzustellen.

Aber im Hauptschacht befand sich ja auch die Wasserhaltung und da die nun ebenfalls zerstört war, gingen natürlich die Wässer in der Grube auf. Um sie wieder abzusenken, wurde nun auch am Wetterschacht ein Pulsator aufgestellt. Es dauerte aber bis zum August 1902, ehe damit der Wasserstand wieder bis „auf Stiefelhöhe“ über Streckensohle abgesenkt werden konnte.

Weil auch das eigentlich massiv errichtete Schachtgebäude durch den Tagesbruch beschädigt, dessen Abtrag aber wohl nicht so einfach war (Wir erinnern uns an die Bedenken von Inspektor Herold zu dessen Gründung...), rückte am 2 Juli „ein Pionierkommando aus Riesa“ unter Führung eines Hauptmanns in Ragewitz an. Die Soldaten besetzten insgesamt 29 Bohrlöcher und sprengten die Grundmauern nieder. Bergmeister Seemann erhielt dazu kurzfristig telegrafisch Aufforderung vom Landesbergamt, der Sprengung beizuwohnen und Bericht zu erstatten (40051, Nr. 597).

  

Am 11. August 1902 befuhr der Bergmeister Seemann erneut die Grube und befürwortete den Plan, den Flora- Schacht am gleichen Ort wieder aufzugewältigen. Würde man an anderer Stelle einen neuen Schacht absenken und den ersten aufgeben, würde sich ja auch die Verlegung der gerade erst errichteten Betriebsanlagen erforderlich machen. Wie Seemann auch notierte, plane Schippan einen großen Querschnitt von 4,5 x 4,5 m für die Wiederaufgewältigung des Schachtes und beabsichtigte, den neuen Schacht diesmal vom Füllort beginnend bis nach übertage im kreisrunden Profil komplett auszumauern (40051, Nr. 597).

Da der bisherige Obersteiger G. A. Spengler infolge des Grubenbrandes zu Tode gekommen war, mußte aber auch ein neuer Betriebsleiter gefunden werden. In dieser Funktion wurde am 30. Juli 1902 Herr Reinhard Oskar Hessel vom Königlichen Bergamt zu Freiberg bestätigt. Er solle sie jedoch nur kommissarisch ausüben, bis Schippan einen neuen Steiger mit entsprechender Bergschulausbildung gefunden habe. Zwischenzeitlich sollte der Obersteiger Max Lange vom Grechwitz'er Braunkohlenwerk Hahn & Julius die Aufsicht übernehmen. Als Fahrgehilfe vor Ort sollte ihm der Schachtzimmerling Gustav Adolf Leupold zur Seite stehen, den Schippan offenbar speziell für die Gewältigungsarbeiten aus Zwickau angeworben hatte.

    

Über Reinhard Oskar Hessel haben wir aus den Akten der Berginspektion Leipzig herausgefunden, daß er bereits von 1885 an „die väterliche Braunkohlengrube in Bröhsen geleitet habe. Diese Grube baute bis 1898 und ebenfalls unterirdisch Braunkohle ab. F. A. Schippan hatte seinen späteren Schwiegersohn nach dem Brand im Flora- Schacht am 16. Juni 1902, bei dem der Steiger Spengler zu Tode kam, zunächst aushilfsweise nach Ragewitz geholt. Auf eine Rückfrage durch das Bergamt in Freiberg zur Aufgabenverteilung innerhalb der Betriebsleitung hin, hatte sich Schippan am 16. Juni 1904 äußerst lobend über Hessel geäußert, der derzeit den Übertagebetrieb leite, inzwischen aber unbeschränkte Prokura in allen wirtschaftlichen Belangen erhalten habe. Nur die Leitung des Grubenbetriebes, die dem jeweils vom Bergamt bestellten Steiger oblag, war davon bis dahin ausgenommen (40051, Nr. 598).

  

Dem Hinweis auf eine Hessel'sche Grube in Bröhsen sind wir natürlich nachgegangen. Eine Akte des Gerichtsamtes Grimma bei der dortigen Amtshauptmannschaft (20092, Nr. 3970) verrät uns dazu, daß bereits 1862 ein Braunkohlenwerk in Bröhsen im Besitz des Herrn Johann Gottlob Leberecht Hessel bestanden hat. Dabei handelte es sich vermutlich um Richard Hessel's Großvater. Ab 1870 datiert dann eine Akte des Landesbergamtes zu Freiberg über dieses Braunkohlenwerk (40024-7, Nr. 100), welches inzwischen in den Besitz von Eduard Hessel übergegangen war. Das Werk wurde jedoch zu dieser Zeit nicht mehr als Familienbetrieb, sondern von einer Gesellschaft E. Hessel & Compagnie betrieben. Die Akte wurde 1899 geschlossen.

Außerdem ist uns als vorheriger Wirkungsort des Steigers Spengler auch noch der Max- Schacht, ebenfalls in Bröhsen  bekannt geworden. Auch dies ist uns einen Seitenblick auf den Nachbarort wert: Zu diesem Braunkohlenwerk existiert ebenfalls eine Akte der Amtshauptmannschaft Grimma (20027, Nr. 2669) sowie zwei Akten des Landesbergamtes (40024-7, Nr. 431 und 432). Der Name des Schachtes geht demnach auf den Besitzer, einen Herrn Dr. Max Köttwitz, zurück. Anhand der Aktentitel läßt sich auf einen Betriebszeitraum dieser Grube von 1897 bis 1910 schließen.

Den Fahrberichten des Bergamtsreferendars Kirsch, der im Jahr 1905 eine Reihe „auflässiger Braunkohlenwerke in Brösen“ zu befahren hatte, ist zu entnehmen, daß er folgende, damals schon stilliegende Werke in Bröhsen aufgesucht hatte (40051, Nr. 103):

  • Jung & Kießig,
  • Gottlob Schulze und Genossen,
  • Leipnitz & Zenker sowie
  • Böttcher & Genossen.

Ein Hessel'sches Braunkohlenwerk war zu dieser Zeit nicht ‒ oder bereits nicht mehr ‒ darunter. Der Max- Schacht dagegen war 1905 noch in Betrieb und kann daher in dieser Liste nicht enthalten sein. Wir wollen jedoch unseren Seitenblick auch nicht übermäßig ausdehnen und kehren deshalb wieder nach Ragewitz zurück...

  

Um endlich mit der Aufwältigung beginnen zu dürfen, war August Schippan am 28. August sogar nach Freiberg gereist, um mit diesem Vorschlag persönlich beim Königlich Sächsischen Landesbergamt vorstellig zu werden. Dem Bergamt in Freiberg allerdings gefiel die Zwischenlösung nicht und es beschied am 3. September schriftlich, daß Schippan ohne einen ausgebildeten und erfahrenen Steiger vor Ort die doch recht komplizierte Gewältigung nicht beginnen dürfe; im Gegenfalle wurde ihm eine beträchtliche Geldstrafe von 150,- Mark angedroht.

Daraufhin warb Schippan den Steiger Hans Krause vom Braunkohlenwerk in Ramsdorf (Lausitz) für die Schachtaufwältigung an. Nachdem Schippan dies dem Bergamt mitgeteilt hatte, genehmigte am 18. September auch das Bergamt in Freiberg die weitere Aufwältigung des Flora- Schachtes.

Nach seinem Besuch in Freiberg hatte das Landesbergamt immerhin bereits zugelassen, daß die Pinge beräumt werde. Sie hatte sich in der Zwischenzeit auf etwa 8 m x 4 m Ausdehnung erweitert, war jedoch ‒ wohl auch durch die der Gebäudetrümmer nach der Sprengung ‒ nur noch 3 m tief. Wie Schippan in Freiberg erklärt hatte, waren „die Wände ziemlich fest.“ Er wollte die Bruchpinge nun „mit Hölzern“ überspannen und von unten nach oben zunächst drei Jöcher einbauen und hinterfüllen lassen.

Nach der Bestätigung von H. Krause als Steiger und Betriebsleiter forderte das Bergamt in seiner Genehmigung für die weitere Gewältigung des Schachtes vom 18. September nun nur noch, daß die Bruchmassen im Füllort nicht von unten gezogen werden dürften und die Arbeiter im Schacht stets durch „Hängegurte“ gesichert sein müssen. Das würde man auch heute noch genauso machen...

Jedenfalls zeigte der kommisarisch bestätigte Betriebsleiter R. Hessel der Berginspektion Leipzig am 24. September den Beginn der Arbeiten an. Am 3. Oktober teilte er der Berginspektion mit, daß man nun schon 11 m Teufe erreicht habe, mit Eisenstangen vorbohre, aber bislang keine offenen Hohlräume in den Bruchmassen gefunden habe. Zur Sicherheit baue man in die Rahmen nun noch Wandruthen ein.

Wieder ein paar Tage später heißt es in Hessel's Mitteilung, man habe bei 12 m Teufe das Fördergestell samt eines Wagens geborgen und inzwischen 14 m Teufe erreicht. Der Schacht sei „mit Brandhölzern und Eisenteilen erfüllt.“ Am 21. Oktober 1902 konnte er schließlich mitteilen, daß man das Füllort erreicht habe und nur noch den Schachtsumpf und das dortige Wasserort räumen müsse. Dabei reichte aber nun die Wasserhaltung über den Wetterschacht nicht mehr aus...

Am 29. Oktober 1902 sprach der frühere Berginspektor Herold, inzwischen zum Bergamtsrat in Freiberg befördert, A. Schippan in einem persönlichen Schreiben seine Glückwünsche zum Gelingen des komplizierten Unterfangens aus.

  

Das nun aber war ja nur die halbe Miete. Der geräumte Schacht mußte nun ja auch wieder funktionstüchtig hergerichtet werden. Wie der Volksmund weiß, macht Schaden klug und Schippan wollte den Schacht nicht erneut mit Holzausbau versehen, sondern griff den schon bei der Befahrung seiner Grube durch Bergmeister Seemann am 11. August geäußerten Plan auf: Am 7. November sandte er ein Projekt für die Ausführung der Ausmauerung des Schachtes an die Berginspektion in Leipzig. Weil auch das stabiler und dauerhafter ist, sollte der Schacht kreisrund mit 50 cm starkem Ziegelmauerwerk, beginnend im Schachtsumpf und bis nach übertage ausgebaut werden. Das lichte Profil sollte einen Durchmesser von 4,0 m besitzen und alle Einstriche gleich aus Eisenteilen gebaut werden.

Das Projekt wurde von Seemann für gut befunden, woraufhin Schippan am 11. November 1902 auch vom Landesbergamt in Freiberg die Genehmigung zur Umsetzung dieses Planes erhielt (40051, Nr. 597).

  


Schippan's Projektierte Schachtausmauerung des neu zugeführten Flora- Schachtes zu Ragewitz bei Mutzschen vom November 1902. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40051 (Berginspektion Leipzig), Nr. 597, Blatt 174a der Akte, Gesamtansicht.

   


  


Ausschnitte aus obiger Zeichnung: Oben Schnitt, unten Grundriß des Füllortes im Flora- Schacht. Im Grundriß sieht man noch die quadratischen, hölzernen Rahmen als Stabilisierung während der Schachtaufwältigung. Sie wurden beim Aufziehen der Mauerung dann sukzessive wieder entfernt und durch die kreisrunde Ausmauerung ersetzt. Im Schnitt rechts am Füllort befand sich der Standort des Pulsometers und unterhalb der Füllortsohle die Wasserstrecke.

   

Zeitgleich wandte sich auch der immer noch kommissarisch amtierende Betriebsleiter Reinhard Hessel an das Königliche Bergamt in Freiberg mit der Bitte um Beratung hinsichtlich der Ausführung des neuen Förderturmes. Wie er schreibt, sei Schippan daran gelegen, „etwas Gutes und Praktisches zu schaffen...“ und er sei „in der Hauptsache einem von der Zeitz'er Maschinenfabrik entworfenem Projekte“ zugeneigt. Natürlich wäre es Herrn Schippanhöchst unangenehm, wenn er die Arbeiten vergeben hätte und die Ausführung derselben würde dann seitens des Königlichen Bergamtes untersagt.“ Klar ‒ das würde jedem Bauherrn auch heute ganz genauso gehen...

Noch im November 1902 teilte das Bergamt daraufhin mit, man sehe keine bergpolizeilichen Bedenken zur beschriebenen Ausführung; wies lediglich darauf hin, daß Schippan natürlich auch bei den örtlichen Baubehörden eine Baugenehmigung einholen müsse. Die hat Schippan dann auch bei der Amtshauptmannschaft in Grimma beantragt. Letztere wiederum wandte sich ihrerseits an die Berginspektion in Leipzig mit der Frage, ob vor der Erteilung der Genehmigung irgendwelche bergpolizeilichen Bedenken geltend zu machen seien. So bekam auch der Bergmeister Seemann das Projekt wieder auf den Tisch. Der sah tatsächlich Bedenken und zwar hinsichtlich des Standortes der geplanten Sortier- und Bunkeranlage. Natürlich entsteht auf einem „Rüttelsieb“ Kohlenstaub und auch beim Befüllen und Entleeren der (hier als „Füllrümpfe“ bezeichneten) Bunker mit den unterschiedlichen Kohlensorten entwickelt sich unweigerlich Staub und damit entstehen Explosionsgefahren. Wohl, weil es solche Unglücksfälle auf anderen Werken schon gegeben hatte, empfahl Seemann, die Sortieranlage nicht direkt an das Schachtgebäude zu stellen, sondern vom Schachtgebäude räumlich getrennt zu errichten. Die obere Hängebank könne man auch mittels einer Förderbrücke mit der Sortieranlage verbinden (40051, Nr. 597).

Dieser Hinweis wurde auch ernstgenommen und nach entsprechender Korrektur erhielt Schippan mit Datum vom 12. Februar die Baugenehmigung für das Schachtgebäude, das noch heute über dem Flora- Schacht steht.

Im März 1903 hat Schippan auch um Baugenehmigung für eine neue Naßpreßanlage bei der Floragrube ersucht. Das Procedere wiederholte sich: Wieder fragte die Amtshauptmannschaft Grimma in Freiberg an, ob bergpolizeiliche Anforderungen zu stellen seien. Weil es aber eine übertägige Verarbeitungsanlage war, hielt die Bergbehörde ihrerseits hierzu keine für erforderlich und überließ die Entscheidung der Baubehörde.

  


Konstruktionszeichnung von Förderhaus mit Förderturm für Herrn A. Schippan, Ragewitz, von Baumeister Paul Schwalbe aus Nerchau und der Nienburger Eisengießerei und Maschinenfabrik, 2. Januar 1903, unterzeichnet von August Schippan als Bauherr, rechts oben mit Gesehen- Vermerk des Gemeinderates, unterzeichnet von Gemeinderat Feist. Durch den Aufsatz über dem Dach hat die Seilscheibe nun auch die richtige Höhe über der oberen Hängebank und das Gebäude hat das charakteristische, halbrunde Wellblechdach bekommen. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40051 (Bergbehörde Leipzig), Nr. 598, Blatt 46, Gesamtansicht.

  


Ragewitz, Übertageanlagen des Braunkohlenwerks Flora am Rohrberg. Fotograf unbekannt, vermutlich um 1928. Am rechten Bildarnd das Steigerwohnhaus, im Erdgeschoß befanden sich die Mannschaftskaue und ein Kontor. Bei dem runden Türmchen links im Bild dürfte es sich um den ersten Wetterschacht handeln. Bildquelle: Deutsche Fotothek. Ein Abzug dieser Aufnahme liegt auch im Bergarchiv (40028-3, Nr. 484).

 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70005769

So sieht es  heute aus...

   


Anlage einer Naßpresse mit Betriebsmaschine für das Braunkohlenwerk "Flora" in Ragewitz, Herrn Aug. Schippan in Ragewitz bei Mutzschen gehörig. gezeichnet Nienburger Eisengießerei und Maschinenfabrik, Nienburg an der Saale, 7. Februar 1903. Gebäudezeichnungen zur Naßpressanlage von Baumeister Paul Schwalbe, Nerchau, 27. März 1903. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40051 (Bergbehörde Leipzig), Nr. 598, Blatt 75, gefalteter Karton, Gesamtansicht.

  


Ausschnitt aus obiger Zeichnung mit den Grundrissen der Maschinengebäude. Links unten der jetzt kreisrund ausgemauerte Förderschacht, rechts daneben angebaut die Siebanlage - zumindest nach dem Plan vom März 1903. Bergmeister Seemann hatte empfohlen, die Siebanlage - der Staubentwicklung und Brandgefahr wegen - besser vom Schacht abzurücken. Oberhalb des Schachtes sind die Seiltrommeln der Fördermaschine zu sehen. Rechts davon sollte nach diesem Plan eine "kleine Ventil- Dampfmaschine" zu stehen kommen, die über eine Transmissionsanlage die Siebanlage und die Naßpreßanlage antrieb. Dahinter stand das Kesselhaus. Die Transmissionswelle lag in einem gemauerten Kanal zwischen den Gebäuden.

  


Ausschnitt aus obiger Zeichnung mit zwei Schnitten durch das Preßhaus. Rechts sieht man einen schrägstehenden Elevator, der die Rohkohle zur oberen Walzenmühle beförderte. Zwei solcher Walzenmühlen waren hier übereinander angeordnet.

   


Noch ein Ausschnitt aus den Konstruktionszeichnungen: Links unten am Maschinenhaus sieht man den gemauerten Kanal, in dem die Transmissionswelle verläuft (rot hervorgehoben). Von dort führten Transmissionsriemen offenbar im Freien hinauf zu dem blau betonten "Erker" am Treibehaus und von diesem weiter zum Rüttelsieb, das hier hinter dem Fördergerüst teils gestrichelt dargestellt ist. Wohl um mittels Kübelförderung Kohle auch direkt auf die Siebanlage befördern zu können, hat das Treibehausdach noch einen Aufsatz und das Fördergerüst eine "Verlängerung"  bekommen.

  


Braunkohlenwerk Grube Flora in Ragewitz, Maschinenraum im Treibehaus: Vorn die Zwillingsdampfmaschine mit zwei liegenden Zylindern und den Seiltrommeln der Förderanlage dazwischen. Im Hintergrund die Antriebsmaschine für die Sieb- und die Preßanlage. Fotograf unbekannt, vermutlich um 1928. Bildquelle: Deutsche Fotothek. Ein Abzug dieser Aufnahme liegt auch im Bergarchiv (40028-3, Nr. 485).

 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70007907

   


Braunkohlenwerk Grube Flora in Ragewitz, Braunkohlen- Ziegel- Herstellung. Rechts im Hintergrund sieht man die Strangpresse. Ähnlich wie Ziegel wurde der Strang mittels gespannter Drähte zu "Steinen" zerschnitten. Fotograf unbekannt, vermutlich um 1928. Bildquelle: Deutsche Fotothek.

 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70005771

   


 Braunkohlenwerk Grube Flora in Ragewitz, Der rund 150 m lange Trockenschuppen für Preßsteine bzw. Braunkohlen- Ziegel. Fotograf unbekannt, vermutlich um 1928. Bildquelle: Deutsche Fotothek.

 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70006059

  

In der Zwischenzeit waren auch die Maurer fleißig: Am 6. Dezember 1902 konnte R. Hessel der Berginspektion anzeigen, daß die Ausmauerung des Schachtes nun glücklich vollendet sei. Schon am 24. November fand wieder eine Grubenbefahrung statt, bei der auch die Berginspektoren die Ausführung für gut befanden.

Das ganze Unternehmen war sicherlich nicht gerade billig und auch für A. Schippan nicht unbedingt aus der Portokasse zu bezahlen. Verständlicherweise muß es Schippan also sehr daran gelegen gewesen sein, endlich auch die Kohlenförderung wieder aufnehmen zu können. Das hat er wohl auch gleich am 4. Dezember 1902 getan. Nachdem das aber bei der nächsten Grubenbefahrung im Februar 1903 ruchbar geworden war, verlangte das Bergamt eine Anhörung und drohte auch gleich prophylaktisch eine Geldstrafe von 50,- Mark an. Mit vielen wohlgesetzten Worten entschuldigte sich Schippan in einem langen  Brief an die Bergbehörde, „er wolle doch den gestellten Anforderungen in jeder Weise gerecht werden“ und außerdem habe er ja zunächst noch gar keine Brüche (also Abbaue) aufgenommen, sondern zunächst die Strecken aufräumen, sichern und den Ausbau wo nötig wiederherstellen und die Wasserhaltung instandsetzen lassen. Erst dann habe er die ersten Bruchbaue wieder angreifen lassen.

Der Bergrat Herold in Freiberg, der ‒ wie wir ja wissen ‒ die Grube selbst gut kannte, entschied auf Schippan's Schreiben hin, weil der Wetterwechsel in der Grube ja wieder bestanden habe und mithin für die Arbeiter keine vermehrten Gefahren mehr bestanden, könne man von weiteren Schritten in dieser Sache absehen und die angedrohte Geldstrafe erlassen. Glück gehabt.

  

Nach dem Fahrbericht vom 8. Mai 1903 jedenfalls war auch der Förderturm bereits errichtet und das „eiserne Seilscheibengerüst größtenteils fertig.“ Am 8. Juni 1903 zeigte Betriebsleiter Hessel der Berginspektion dann an, daß die Förderanlage nun fertig sei. Das allerdings befand der am 20. Juni aus Leipzig angereiste Bergmeister Seemann aber ganz und gar nicht so. Seine Anweisung hielt er auch durch Eintrag in das Zechenbuch fest und lautete, die Anlage „entspricht im Hinblick auf die vielen Unfertigkeiten noch nicht den bergpolizeilichen Anforderungen. Die Aufnahme des Betriebes wird untersagt.“ Bemängelt wurde unter anderem die ungenügende Befestigung der Fußbodenplatten auf der oberen Hängebank, die Anordnung der Schmierbuchse im Preßgetriebe und die fehlende Verkleidung der Zahnräder des Walzengetriebes.

Weil er zwecks Abnahme der Anlage ein zweites Mal hinreisen müsse, empfahl Seemann sogar dem Bergamt in Freiberg, dem Werksbesitzer die zusätzlichen Reisekosten aufzuerlegen. Schließlich erhielt das Werk am 27. Juni 1903 dann aber doch die Betriebserlaubnis für die Förderanlage.

Am 6. August teilte R. Hessel der Berginspektion mit, daß man in der darauffolgenden Woche auch den Probebetrieb der neuen Dampfmaschine, des Rüttelsiebes und der Naßpresse aufnehmen können und bat um einen Abnahmetermin (40051, Nr. 597).

 

Aus uns nicht bekannten Gründen muß Steiger H. Krause das Braunkohlenwerk bereits Anfang April 1903 verlassen haben. Schon wieder das Problem mit der Aufsichtführung in der Grube... Glücklicherweise bewarb sich nun aber der Steiger Wilhelm Franz Wieschke bei Schippan um die Steigerstelle, weil seine bisherige Grube Friedrich Wilhelm im Görlitzer Revier in naher Zukunft auflässig werde. Man wurde sich schnell einig und am 4. April 1903 wurde Herr Wieschke vom Landesbergamt als neuer Obersteiger und Betriebsleiter bestätigt (40051, Nr. 597).

Auch nach den Jahrbuchangaben war die Stelle des Betriebsleiters nach dem Tod von Steiger G. A. Spengler kurzzeitig unbesetzt. Im Jahr 1902 wird in den Jahrbüchern dann Herr W. F. Wieschke als Steiger aufgeführt. Nur ein Jahr später hatte ihn aber Herr O. P. Beier schon wieder abgelöst.

  

Dieser auffälligen Fluktuation bei der Besetzung der Steigerstellung war ein Streit zwischen Schippan und Wieschke vorausgegangen (40051, Nr. 597). Steiger Wieschke nämlich hatte sich bei der Berginspektion in Leipzig in einer Anzeige vom 19. August 1903 beschwert, daß Schippan den Sicherheitspfeiler von 2 m Breite gegen den Alten Mann im Tagebau Aline habe „wegfahren“ lassen. Außerdem habe in der Grube Flora an den letzten 5 Tagen kein Licht gebrannt ‒ womit er das Geleucht untertage meinte ‒ so daß die Arbeiter „im Dunkeln die Schachteingänge suchen mußten.“ Der schlechten Wetter halber forderte er die Berginspektion auf, dem Besitzer sofort das Abteufen eines dritten Schachtes als Wetterschacht vorzuschreiben. Überhaupt sei die Grube Flora gerade erst wieder in Betrieb genommen, aber „überall erst halb fertig.“ Es gäbe unverdeckte Öffnungen, in die Arbeiter abstürzen könnten, der Buchhalter Hessel aber habe ihm das Anbringen von Einfriedungen  verboten. Das könne er nun mit seiner Berufsehre nicht vereinbaren und darüber sei er mit Schippan so in Streit geraten, daß der ihm „mit unausprechlichen Worten“ gekündigt habe. Wieschke bat nun um den Schutz der Bergbehörde: „Ich hoffe, daß mich die königliche Bergbehörde nicht im Stich lassen wird, meinem Vorgänger Krause ist es gerade so ergangen, und die vielen Unfälle bei Schippan sprechen doch eine fürchterliche Sprache,“ schrieb er wörtlich.

Sofort am Tage nach Eingang dieser Anzeige suchte der zuständige Bergbeamte die Grube auf. In seinem Fahrbericht heißt es, die Probleme mit der Wetterführung bei Flora seien bekannt und Schippan habe bereits bei der Befahrung im März 1903 versprochen, durch mehrere Wetterbohrungen Abhilfe zu schaffen. Auch seitens der Berginspektion sei dem Besitzer schon das Abteufen eines dritten Schachtes nahegelegt worden. Tatsächlich habe Schippan mit dem Stoßen der Bohrlöcher noch gezögert und es war „ein empfindlicher Wettermangel in der Grube vorhanden.“ Am 21. August 1903 sah sich der Beamte nun zu einem Zechenbucheintrag veranlaßt, in dem es hieß, daß unter Androhung einer Geldstrafe in Höhe von 100,- Mark verboten werde, diejenigen unterirdischen Betriebspunkte mit Mannschaft zu belegen, an denen das gewöhnliche Rüböl- Geleucht nicht brennt.

Außerdem hielt der Beamte fest, daß die bergpolizeiliche Abnahme der Naßpreßanlage am 12. August erfolgt sei, wobei allerdings „keine Unfertigkeiten“ festzustellen waren. Wie wir oben schon gelesen haben, stimmte das so aber nicht ganz... Bei der Abnahme gab es tatsächlich einige Auflagen, die noch zu erfüllen waren. Am 26.08.1903 fragte auch das Bergamt aus Freiberg nach, ob den betreffenden Anweisungen denn inzwischen entsprochen worden ist. Bei seiner Revision am 16. September befand der Inspektor Roch die Mängel für abgestellt.

Zur Wortwahl durch Schippan heißt es im Fahrbericht vom 21. August 1903 noch, daß „es erklärlich ist, wenn ein Mann vom Schlage Schippan's seinem Ärger gegenüber seinem Betriebsführer in nicht immer sehr gemäßen Worten... Luft macht.“ Weil er das aber nicht vor Dritten getan habe, sah man vonseiten der Behörde diesbezüglich keinen weiteren Handlungsbedarf.

  

Da Schippan seine Kündigung gegenüber Steiger Wieschke nicht zurückzog, mußte er also schon wieder einen neuen Steiger suchen und erbat vom Bergamt Empfehlungen. Von den drei benannten Steigern hat aber keiner die Stellung angenommen, obwohl Schippan inzwischen ein Monatsgehalt von 125,- Mark bot (40051, Nr. 597).

Bei seiner Befahrung im September 1903 hielt Inspektor Roch fest, daß der Steiger Max Hermann Hähnel aus Erbisdorf die Stellung annehmen wolle. Nach seiner Befahrung im November 1903 berichtete Inspektor Roch dann aber über ihn, daß der neue Steiger „eine erschreckende Unkenntnis vom Braunkohlenbergbau“ zeige und empfahl ihm die Befahrung der umliegenden Braunkohlenwerke, um seine Kenntnisse zu verbessern, sonst würde „ein behördliches Einschreiten bald geboten sein.“

So blieb auch dieser Steiger nicht lange auf dem Werk. Im Mai 1904 teilte Schippan dann der Berginspektion mit, daß der bisherige Steiger Hähnel das Werk wieder verlassen wolle, er deshalb ab 1. Juli den Steiger Oskar Paul Beier von den Bubendorfer Kohlenwerken bei Frohburg als Obersteiger einstellen wolle und erbat die Genehmigung der Bergbehörde.

Mit diesem Beamten hatte Schippan einen guten Griff getan, denn Herr Beier hat diese Funktion anschließend bis 1937 zuverlässig ausgeübt. Ihm standen 1903 die Fahrgehilfen Wilhelm Förster (der diese Funktion bereits seit 1899 ausübte) und August Hermamn Triems, genannt Sonntag zur Seite.

Im Hinblick auf die Verantwortlichkeiten innerhalb der Betriebsführung geht aus einem Antwortschreiben Schippan's vom 16. Juni 1904 auf eine (wohl durch den oben erwähnten Streit mit dem Steiger veranlaßte) Anfrage des früheren Berginspektors Herold, inzwischen auch Bergrat in Freiberg, hervor, daß Schippan nur noch in wirtschaftlichen Belangen Verfügungen treffen wolle, obwohl er vor etwa 30 Jahren, als allerdings nur der Tagebau bei Aline betrieben worden ist, vom Bergamt Genehmigung erhalten habe, die Grube selbst zu leiten. Den Übertagebetrieb leite inzwischen O. R. Hessel und für den Grubenbetrieb sei selbstverständlich der vom Bergamt bestätigte Steiger verantwortlich.

  

Hinsichtlich des Betriebes hielt Berginspektor Roch im September 1903 fest, daß der Wetterzug in der Grube wieder ausreichend war. Das Bruchfeld über den Bauen der letzten zwei Jahre war vorschriftsmäßig eingezäunt. Bei Aline ruhte der Betrieb (40051, Nr. 597).

Er bemängelte aber auch ‒ wie vor ihm schon der Bergamtsreferendar Flöter, daß die Maschinenwärter Naumann und Büttner regelmäßig ‒ außer sonntags ‒ ½ bis 1 ganze Überstunde verfahren müßten. Die Kesselheizer müßten sogar die Mittagspause durcharbeiten, wofür sie keine zusätzliche Bezahlung erhielten.

Über die Wetterführung bei der Floragrube machte man sich auch in der Bergbehörde in Freiberg weitere Gedanken: Am 29. August richtete das Bergamt in Freiberg ein Schreiben an Schippan, in dem es, auf die vorliegenden Fahrberichte aufbauend, den Besitzer darauf hinwies, daß die Wettersituation zusätzlich dadurch verschlechtert wurde, weil im Füllort des derzeit einziehenden Förderschachtes durch die in dessen Füllort installierte Dampfpumpe die Wetter erwärmt werden, weswegen der Förderschacht eigentlich mehr zum ausziehenden Wetterschacht geeignet erscheine. Auch hinsichtlich der Wetterbohrlöcher war man zu der Ansicht gekommen, daß diese ‒ jedenfalls auf Dauer ‒ nicht ausreichten. Darüber hinaus könnten aufgrund des einziehenden Wetterzuges bei einem Brand in den Schachtanlagen übertage auch Rauchgase in die Grube gelangen. Alles in allem sei die Herstellung eines dritten Schachtes in genügender Entfernung zu den beiden anderen daher nun behördlicherseits zu fordern.

Damit hatte Steiger Wieschke sein Ansinnen am Ende doch noch durchgesetzt.

Darauf entgegnete nun seinerseits Schippan am 19. Oktober 1903, daß es ungünstige Wetter bisher nur zweimal für mehrere Stunden gegeben habe und zwar immer dann, wenn kräftiger Südwestwind gegen das offene Tor des Schachtgebäudes drücke. Das Schließen des Tores verbessere den Wetterumschlag in der Grube binnen weniger Stunden wieder. Außerdem machte er geltend, daß er ohnehin zukünftig einen zweiten Wasserhaltungsschacht im Norden errichten wolle, weil das Flöz in dieser Richtung allmählich absinke, und äußerte Bedenken, daß der dritte Schacht die Probleme unter Umständen nur vergrößern werde.

Daraufhin prüfte die Berginspektion die Sachlage noch einmal, stimmte Schippan aber nicht zu, denn es sei „wiederholt bemerkt worden, daß die Wetter in höchstem Grade zur Atmung ungeeignet sind.“ Auch bei den Arbeitern eingezogene Erkundigungen hätten ergeben, daß sie an vielen Tagen unter Wettermangel zu leiden hätten, während der Besitzer tatsächlich nur zweimal die Arbeit habe unterbrechen und die Belegschaft ausfahren lassen (müssen, weil es wohl überhaupt nicht mehr ging). Deshalb könne die Anordnung aus Sicht der Berginspektion nicht erlassen werden.

Außerdem heißt es, daß der dritte Schacht mit einem Aufwande von etwa 1.500,- Mark herzustellen sei, und dies sei eine Ausgabe, „die der Schippan'sche Betrieb recht gut aufwenden kann.“ Dies gibt uns nebenbei den Hinweis, daß die wirtschaftliche Lage des Werkes damals nicht schlecht gewesen sein kann.

Daher bekräftigte auch das Bergamt in Freiberg seine Anordnung und setzte gleich noch hinzu, daß der dritte Schacht bis zum 1. Mai 1904 anzulegen sei; andernfalls eine Geldstrafe von 300,- Mark erhoben werde.

  

Am 26. März 1904 teilte Schippan schließlich der Berginspektion mit, daß er sich „dem nicht gerechtfertigten Drängen der königlichen Berginspektion nachgebend“ entschlossen habe, den dritten Schacht zu errichten und reichte eine Lageskizze ein, wo er abgeteuft werden sollte. Allerdings habe er gerade besonders viele Zahlungsverpflichtungen und bat daher um Aufschub bis November 1904.

Die Berginspektion prüfte die Schachtlage und fand dazu keine Bedenken; nur die Terminverschiebung sei nicht zu befürworten, da namentlich im Sommer und Herbst besonders ungünstige Wetterverhältnisse herrschten. Das Bergamt in Freiberg urteilte salomonisch und gewährte Schippan dann immerhin bis September 1904 Aufschub (40051, Nr. 597).

  


Die oben im Text erwähnte Skizze Schippan's zur geplanten Lage des zweiten Wetterschachtes. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40051 (Bergbehörde Leipzig), Nr. 597, Blatt 254, Rückseite, Norden ist rechts unten angegeben.

   

Dann war ja auch noch die Frage nach der Überschreitung der Arbeitszeiten bei den Maschinenwärtern offen. Hierzu bestimmte die Bergbehörde, daß sie vorbehaltlich der Zustimmung der Gewerbeinspektion Wurzen dieser Mehrarbeit bei der Grube Aline zustimmen wolle, da die Anlagen dort in erster Linie dem Ziegeleibetrieb dienten ‒ der aber unterlag nicht der Bergaufsicht. Anders sei es bei der Grube Flora zu sehen; hier verweigerte die Bergbehörde ihre Zustimmung zur regelmäßigen Mehrarbeit und der Besitzer mußte sich Ausgleichsregelungen für die betreffenden Arbeiter einfallen lassen (40051, Nr. 597).

  

Über die Gruben berichtete Inspektor Roch im November 1903 wieder, daß deren Zustand „im Allgemeinen ein Guter sei (40051, Nr. 597).

Auch bei seiner Befahrung der Alinengrube am 27. Mai 1904 befand der Inspektor die Tagestrecken und die Fluchtwege für in bester Ordnung. Zurzeit waren auf Aline allerdings auch nur 4 Arbeiter untertage angelegt; auf Flora dagegen 12.

Am 15. Oktober 1904 begann endlich auch das Abteufen des dritten Schachtes. Da er ausschließlich als Wetterschacht dienen solle und nur im Notfall als Fluchtweg, solle er jedoch nur eine lichte weite von 1,25 m im Quadrat erhalten. Aufgrund der kleinen Dimensionen wolle man den Ausbau nicht durch Wandruthen verstärken, zumal der Schacht anschließend mit Mauerung versehen werde. Dem Plan hatte Inspektor Roch zugestimmt; lediglich empfohlen, die Ausmauerung gleich etwa 3 m über die Rasensohle hinaus zu errichten, so daß der Schacht feuersicher sei.

Bereits am 28. November 1904 konnte R. Hessel der Berginspektion vermelden, daß man die Sohle des Schachtes in 22 m Teufe erreicht habe und mit der Ausmauerung beginne. Aufgrund der geringen Größe müsse man aber die Fahrten senkrecht einbauen. Obwohl dies von den Behörden nicht gern gesehen wurde, stimmte Roch dem am 2. Dezember zu. Am 22. Dezember 1904 war auch die Ausmauerung fertiggestellt.

Bei Befahrungen am 13. April und am 30. Mai 1905 wurde alles für vorschriftsmäßig befunden. Auch die Jahrbuchausgabe von 1905 berichtete über den neuen Schacht bei diesem Werk:

17. Zur Verbesserung der Wetterführung und Schaffung eines weiteren Fluchtweges wurde bei dem Schippan'schen Braunkohlenwerke Floragrube in Ragewitz ein dritter Schacht abgeteuft und nach Durchschlag mit den unterirdischen Grubenbauen in kreisrundem Querschnitte ausgemauert.“

Auf Aline hingegen ruhte im Frühjahr 1905 der Betrieb wieder einmal. Dabei war noch im Dezember des Vorjahres Antrag auf Durchörterung des Sicherheitspfeilers des Leipnitz- Ragewitzer Kommunikationsweges durch eine neue Förderstrecke gestellt und im Februar 1905 auch ohne besondere Auflagen genehmigt worden, weil dabei die Straße nicht unterfahren werde (40051, Nr. 597).

  

Von nun an stieg das Ausbringen der Floragrube immer weiter an: Lag es 1902 noch bei 8.160 t im Jahr, so verdoppelte es sich bis zum Jahr 1904 auf 16.089 t. Waren beim Schachtabteufen noch 6 Arbeiter auf der Floragrube angelegt, so stieg auch die Belegschaft der Floragrube im Jahr 1903 auf 15 Mann und auf bereits 32 Mann im Jahr 1904 an. Zugleich aber sank das Ausbringen der Alinengrube langsam ab.

 

   
 
 

Zum Bergbau durch die Ragewitzer Werke oHG von 1905 bis 1919

  

Am 1. November 1905 ist F. A. Schippan im Alter von nur 60 Jahren verstorben. Nach den statistischen Angaben der Jahrbücher für das Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen für das Jahr 1905 sind die Braunkohlenwerke nach seinem Tod zunächst in den Besitz seiner Witwe Marie Therese Selma Schippan übergegangen. In einer Aufstellung der Erbengemeinschaft für die Königliche Amtshauptmannschaft in Grimma (40051, Nr. 598) werden neben der Haupterbin als Miterben genannt:
  • Dr. med. August Albert Schippan, damals in Leipzig
  • Gutspächter August Robert Schippan, Ragewitz
  • Selma Aline Schippan, Ragewitz
  • Hugo August Schippan, Rechtsanwalt in Leipzig
  • Selma Flora Horn, geb. Schippan, in Leuba und
  • Landwirt August Arthur Schippan, in Ragewitz.

Die alleinige Vertretung der Erbengemeinschaft hatte die Witwe M. Th. S. Schippan inne. Seltsamerweise wurde in o. g. Aufstellung dem Namen der Haupterbin hinzugefügt: „verw. Schippan, geb. Schippan.“ Ob es sich dabei nur um einen Schreibfehler handelt, oder ob Marie Therese Selma möglicherweise eine Cousine von Friedrich August gewesen ist, haben wir noch nicht herausgefunden... In der weitverzweigten Familie Schippan wäre dies sicher nicht völlig auszuschließen.

Die Witwe verkaufte das Unternehmen dann am 25. Februar 1908 an eine Gesellschaft O. R. Hessel und Genossen. Der Genannte wurde in den Jahrbüchern zunächst als „Buchhalter in Brösen“ und ab 1909 als „Bevollmächtigter des Besitzers“ aufgeführt. Wie wir schon wissen, handelte es sich dabei um Reinhard Oskar Hessel und um den Ehegatten der Tochter Aline Selma Hessel, geb. Schippan. Mitgesellschafter waren neben dem Betriebsleiter O. R. Hessel:

  • der Kohlenwerksbesitzer Ernst Julius Buchheim, in Zittau und
  • Dr. med. August Albert Schippan, jetzt in Marienberg als Stabsarzt tätig.

Die neue Gesellschaft führte die Geschäfte nun unter dem offiziellen Namen August Schippan, Ragewitzer Werke oHG fort. Am 16. Juni 1908 informierte O. R. Hessel das Bergamt außerdem davon, daß er „erster Betriebsleiter neben anderen Beamten und zugleich Zustellungsbevollmächtigter für alle Mitinhaber“ sei. Er hatte also im Auftrage der Gesellschafter die alleinige Geschäftsführung inne.

  

Herr R. O. Hessel taucht außer als Braunkohlenwerksbesitzer und Geschäftsführer der Fa. Schippan, Ragewitzer Werke GmbH noch an einigen anderen Stellen in den Statistiken der Jahrbücher auf:

So war er von 1911 bis 1917 Vorstandsmitglied und Schriftführer des Vereins für bergbauliche Interessen der Braunkohlenwerke des Berginspektionsbezirks Leipzig, dem damals etwa die Hälfte der Braunkohlenwerke des Bezirks angehörte. 1922 wurde dieser Arbeitgeberverband in Bergbaulicher Verein Borna, Bezirk Leipzig e.V. umbenannt. Auch hier war Herr Hessel bis 1928 Vorstandsmitglied und außerdem Vorsitzender der Reviergruppe Grimma. Im Jahrbuch 1922 ist dazu vermerkt, daß „Diesem Vereine die Braunkohlenwerke des Berginspektionsbezirks mit unbedeutenden Ausnahmen“ angehört haben.

Von 1923 bis 1929 war Herr Hessel auch Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Grimmaer Braunkohlenwerke mit Sitz in Borna, welchem die Vereinswerke der Reviergruppe Grimma angehörten.

Außerdem war Herr Hessel von 1913 bis 1925 stellvertretender Vertrauensmann der Knappschafts- Berufsgenossenschaft, Sektion VII in Zwickau.

Wie zuvor schon der Kohlenwerksbesitzer F. A. Schippan war auch O. R. Hessel von 1914 bis 1922 als Vorsitzender in der Knappschafts- Krankenkasse zu Bröhsen in Bröhsen tätig. Sie hatte 1914 noch 122 versicherte Mitglieder.

Am 1. April 1923 schlossen sich dann fünf solcher kleiner Krankenkassen zur Gemeinschaftlichen Knappschafts- Krankenkasse für Grimma und Umgegend in Grimma zusammen. Die Geschäftsstelle war in Ragewitz, denn Direktor Hessel aus Ragewitz blieb bis 1924 der Vorstandsvorsitzende.

  

Aus den Fahrberichten der folgenden Jahre (40051, Nr. 599) ist zu entnehmen, daß auf den Bergwerken alles seinen geordneten Gang weiter ging. Die Berginspektion besuchte mindestens einmal jährlich sowohl die Alinen- als auch die Floragrube und befand dabei im Wesentlichen stets alles für in Ordnung. Hinsichtlich des Betriebes bei Aline wurde am 11. September 1905 festgehalten, daß der Betrieb über den Sommer und die Erntezeit im Herbst ruhe und erst im Oktober wieder aufgenommen werden solle.

Am 17. Mai 1906 bemängelte der Inspektor allerdings dann, daß man die Brüche zu dicht nebeneinander angelegt habe: Es wurden mancherorts schon neue Brüche neben den alten angelegt, obwohl diese noch nicht zubruchgegangen waren. In einem Fall habe man sogar einen Bruch noch weiter ausgekohlt, um ihn „zum Gehen zu bringen," obwohl der Bruch daneben bereits ausgekohlt und der Ausbau geraubt war.

  

Am 20. Oktober 1906 zeigte Hessel der Berginspektion an, daß der Tagebau bei Aline „zu Ende geht." Da die Berginspektion schon früher das Fehlen eines weiteren Tagsausgangs bemängelt habe, wolle er nun vor dem Verfüllen des Tagebaus einen gemauerten Flucht- und Wetterschacht errichten. Dieser Schacht sollte ganze 5 m Teufe haben und bei einer lichten Weite von 1,50 m Durchmesser kreisrund ausgemauert werden. Auf einer Skizze zur Lage dieses geplanten Schachtes ist außerdem die „Kettenbahn" auf der schiefen Ebene vermerkt. Die Berginspektion genehmigte das Vorhaben am 21. Dezember 1906.

Auf der Grube Flora waren jetzt 20 Mann angelegt, auf Aline 12.

Auch bei der nächsten Befahrung im Oktober 1907 fand man die Alinengrube wieder außer Betrieb. Diesmal war ein Schaden am Pulsometer die Ursache für das Absaufen. Die Befahrung wurde daher zwei Wochen später nachgeholt, wobei der Inspektor aber alles in Ordnung und nichts zu erinnern fand. Auch auf der Floragrube gab es 1907 keine Veranlassung zu Erinnerungen.

 


Grundriß über die Baue auf dem A. Schippan'schen Braunkohlenwerk "Aline" zu Ragewitz, aufgenommen im Juni 1905 von C. O. Neubert, verpflichteter Markscheider, nachgebracht bis zum: Letzter Fördertag am 30. Oktober 1923 von W. Friedemann, konzessionierter Markscheider in Oelsnitz/E. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40038-1, Nr. K16872, Gesamtansicht, Norden ist oben.

   


Ausschnitt aus obigem Grundriss mit den untertägigen Baufeldern der Alinengrube. Hier schwarz ausgefüllt dargestellt die nach der Betriebseinstellung vollständig versetzten Strecken im Straßensicherheitspfeiler.

   


Unter Bezug auf unsere schon mehrfach gezeigte Verleihkarte waren die Abbaufelder der Alinengrube also hier zu finden. Um das doppelte Overlay etwas übersichtlicher zu machen, haben wir die Feldgrenzen etwas nachgezogen und die Flächen der Aline (rot) und des Ulbricht'schen Werkes (gelb) unterschiedlich schraffiert. Wie man sieht, hat Schippan von der Aline aus auch das vormals Ulbricht'sche Baufeld noch einmal mit einer Strecke angefahren, aber wohl nichts Bauwürdiges mehr gefunden. Auch Ulbricht's Schacht No. 
II hat Schippan beim Abbau an der Ostgrenze seines Abbaufeldes offenbar umfahren.

  

Wie oben schon zu lesen war, erfolgte dann 1908 die Umbildung der Geschäftsführung und die Gründung der August Schippan Ragewitzer Werke oHG (40051, Nr. 599). Die neue Gesellschaft erwarb nun auch das Abbaurecht unter weiteren Grundstücken bei der Floragrube, unter anderem unter den Bernhard Naumann'schen Fluren westlich des sogenannten Cannewitzer Grabens (Parzellen 104 und 108 des Flurbuchs).

Um dorthin zu gelangen, machte sich aber wieder eine Unterfahrung dieses Weges erforderlich, was die Gesellschaft im September 1908 der Berginspektion anzeigte. Den Vortrieb der Ausrichtungsstrecken nahm man gleich danach schon mal auf... Da der Weg sich in Gemeindebesitz befand, bot die Gesellschaft der Gemeinde an, die dort anstehende Kohle auch unter dem Weg komplett abzubauen, anstatt einen Sicherheitspfeiler stehen zu lassen, und anschließend den Weg neu zu errichten. Dafür sollte die Gemeinde mit einem Betrag in Höhe von 800,- Mark entschädigt werden.

Das aber erschien den Gemeinderäten zu wenig, weswegen sich Gemeinderat Feist im Oktober 1908 an die Berginspektion wandte, man solle doch prüfen, ob denn der Weg bei Unterfahrung desselben für die schweren Fuhrwerke auch noch ausreichend sicher sei.

Am 21. Oktober 1908 kam daraufhin der Bergassessor Kirsch, inzwischen bei der Berginspektion in Leipzig angestellt, nach Ragewitz, um die betreffenden Örtlichkeiten in Augenschein zu nehmen und die Angelegenheit zu erörtern. Tatsächlich sei der Cannewitzer Graben ein recht „schwieriger Geländepunkt," was Anlaß für das Angebot an die Gemeinde gewesen sei, den Kohlenpfeiler gänzlich auszuhauen und anschließend den Weg neu zu bauen. Herr Kirsch fand den Weg tatsächlich bereits durch zwei Strecken unterfahren vor und ordnete die sofortige Einstellung des weiteren Vortriebs an, solange keine bergbehördliche Genehmigung dafür vorliege. Außerdem seien die Strecken auf der Wegbreite zuzüglich eines Streifens von 10 m Breite beiderseits des Weges sofort in ganze Zimmerung zu setzen.

Darüber hinaus hielt Kirsch die Unterfahrung des Weges aber nicht für besonders risikoreich, denn die Kohle sei hier lignitisch und sehr standfest. Zudem habe man die Strecken mit einem normalen Querschnitt von 1,8 m x 1,4 m an der Liegendgrenze des Flözes getrieben, das hier recht mächtig sei, so daß noch etwa 4 m bis 4,5 m Kohle über den Streckenfirsten anstünde. Interessant ist auch der Überschlag Kirsch's hinsichtlich der sofort zu zahlenden Entschädigung an die Gemeinde für die beim Streckenvortrieb ja schon gewonnene Kohle: Herr Kirsch errechnete unter Zugrundelegung des derzeitigen Reingewinns von gerade einmal 3 Pfennigen pro Hektoliter Kohle einen Wertausgleich für die beim Streckenvortrieb abgebaute Kohle in Höhe von nur 13,- Mark.

  

Gegen die Festlegungen des neuen Inspektors protestierte nun Hessel noch am selben Tage heftig und erbat eine Neubewertung durch den Bergrat Seemann, weil die Einstellung des Nordwestfeldes quasi eine Betriebsstillegung bedeute und er Arbeiter entlassen müsse. Dieses Argument wurde schon immer gern gebraucht... In Hessel's Schreiben heißt es weiter: „Jedenfalls haben wir als Besitzer des vierten Teils des gesamten Grundbesitzes in Ragewitz selbst ein sehr wichtiges Interesse an der öffentlichen Sicherheit dieses Weges..."

Nun ist Ragewitz nicht unbedingt ein besonders großes Dorf, aber ein Viertel des gesamten Grundes klingt schon ziemlich umfangreich. Wir wissen auch schon aus der  Flurcroquis aus den 1880er Jahren, daß der Grundbesitz der Schippan's in Ragewitz durchaus beträchtlich gewesen ist. Ob Hessel hier mit dem Viertel der Fläche allerdings nur das Kohlenbaurecht meinte, oder tatsächlich auch den dinglichen Grundbesitz, ist in seinem Schreiben nicht klar formuliert.

Da nun jedenfalls der Streckenvortrieb tatsächlich begonnen worden sei, ohne daß jedwede Genehmigung vorgelegen hätte, bekräftigte auch das königliche Landesbergamt in Freiberg die Anweisungen des Berginspektors Kirsch und beschied Herrn Hessel am 23. Oktober 1908 darüber hinaus auch, daß „wegen Bestrafung... noch Entschließung zu fassen" sei.

Am 28. Oktober 1908 wurde eine weitere Erörterung in Ragewitz vorgenommen, bei der auch der Gemeindevorstand gehört wurde. Tatsächlich werde der besagte Weg namentlich für die Abfuhr von Kohle aus den Schippan'schen Gruben nach Cannewitz, Lobschütz, Sorka usw. und damit auch mit schwer beladenen Gespannen benutzt. Im Ergebnis wurde festgelegt, daß der Abbau über die zwei einmal aufgefahrenen Ausrichtungsstrecken erfolgen könne, wenn diese, wie von Kirsch vorgeschrieben, ausgebaut wurden. Ein Abbau des Straßensicherheitspfeiler setzte jedoch eine Einigung mit dem Eigentümer, respektive der Gemeinde, voraus.

   


Eine Skizze vom 31.12.1911 über den Abbau beiderseits des Cannewitzer Weges. Links sieht man die beiden Unterfahrungsstrecken. Schraffiert dargestellt die bereits abgebauten Felder östlich des Cannewitzer Weges. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40051, Nr. 599, Blatt 81a, etwa Gesamtansicht, Norden ist rechts.

   

Bei den Befahrungen der Bergwerke im März 1909 wurde überprüft, ob der Ausbau der beiden Unterfahrungsstrecken ordnungsgemäß hergestellt worden ist, und derselbe für gut befunden. Neben einigen kleinen Sicherheitsmängeln an der Hängebank und an der Dampfleitung für das Pulsometer fand Inspektor Kirsch auch diesmal sonst nichts Wichtiges zu bemängeln. Auch bei seiner Befahrung der Alinengrube bemerkte er nur, daß die Schranke an der Schiefen Ebene stets geschlossen zu halten sei, wenn kein Hunteverkehr stattfinde.

Auf beiden Werken waren je 15 Mann untertage angelegt (40051, Nr. 599).

Am 18. November 1909 ist der Fahrgehilfe August Hermamn Triems, genannt Sonntag tödlich verunglückt. In den statistischen Übersichten der Jahrbücher ist zu diesem Unfall auf dem Schippan'schen Braunkohlenwerk erwähnt, daß er „beim Wegschlagen eines Bruchstempels“ von unvermittelt aus der Firste hereinbrechender Kohle und Sand verschüttet worden sei. Daraufhin zeigte Hessel an, daß der Häuer Friedrich Wilhelm Thierfelder, geboren 1866 in Haubitz, dessen Aufgaben übernehmen solle.

  

So ging der Betrieb in den Folgejahren weiter. Auch 1910 gab es nichts zu bemängeln. Bei Aline war nur ein Bruch belegt (40051, Nr. 599).

1911 war dem Bergamt mitzuteilen, daß Herr E. J. Buchheim verstorben war und dessen zwei damals noch minderjährigen Söhne

  • Julius Friedrich Buchheim und
  • Ernst Otto Buchheim, beide in Zittau,

anstelle des Vaters als neue Miteigentümer in der Gesellschaft eintraten. Im Firmenstempel steht daher jetzt „Julius Buchheim's Erben“. Sonst blieb alles, wie gehabt.

In seiner statistischen Jahresmeldung für das Vorjahr wird von Hessel dann allerdings ein besonders schlechter Geschäftsgang beklagt. Die Ursache sei insbesondere in der Konkurrenz durch die Königlichen Werke in Leipnitz und Seidewitz zu sehen. Der Hektoliter Kohle kostete zu dieser Zeit in Ragewitz:

  • Knorpelkohle:           -,35 M
  • Füllkohle I. Qualität: -,32 M und
  • Klarkohle:                  -,20 M.

Wie er schrieb, werde die Alinengrube nur noch „von der Ziegelei mitbetrieben“ und die geförderte Klarkohle dort bei der Feuerung der Ziegelöfen verwendet, weil die Kohle sonst nicht mehr absetzbar war. Deshalb habe man diese Grube auch schon mehrfach zeitweise stillegen müssen.

Da die Bergbehörde in der Zwischenzeit hinsichtlich des Abbaus im Bereich des Cannewitzer Weges auch die Amtshauptmannschaft Grimma einbezogen hatte, holte diese ein Gutachten des hier zuständigen Markscheiders C. O. Neubert ein. Dieses Gutachten datiert auf den 21. Dezember 1911 und führt auf, daß zum einen gar nicht der gesamte Wegverlauf von Kohle unterlagert werde, sondern nur ein Abschnitt von etwa 280 m Länge. Dort aber sei das Flöz immerhin noch etwa 3,3 m bis 4,0 m mächtig und damit wirtschaftlich zu gewinnen.

Markscheider Neubert führte hinsichtlich des Abbaus und der zu erwartenden Oberflächengefährdungen weiter aus, daß sich die Oberfläche im Allgemeinen um die abgebaute Flözstärke senke; dabei gehe „das Niedergehen fast senkrecht, es bildet sich aber nach und nach der sogenannte ,Überzug', das ist die Bildung seitlicher Abrisse. Erfahrungsgemäß gehen diese... den sechsten Teil der Deckgebirgsstärke. Soll ein Weg durch seitlichen Abbau also nicht beschädigt werden, so darf der Abbau nicht näher als ein Sechstel der Deckgebirgsstärke an die Wegränder heran reichen. Die Oberfläche eines abgebauten Terrains zeigt im Allgemeinen nach Jahren die frühere Beschaffenheit, nur, daß sie tiefer liegt...“

Deshalb schlug Neubert vor, dort, wo der Weg auf einer Kuppe verlaufe, die Kohle so abzubauen, daß sich dort die Steigung infolge der Senkungen verringere, andererseits in der Senke die Kohle besser stehen zu lassen. Dazwischen solle nur ein Teil der Flözstärke abgebaut werden, was im Ergebnis eine Verringerung des Gefälles bewirken und damit für die Gespanne eine Erleichterung bringen dürfte.

Auf Grundlage dieses Gutachtens beantragte Hessel dann am 29. Dezember 1911 die Genehmigung der Bergbehörde zur Schwächung des Pfeilers unter dem Cannewitzer Weg. Außerdem nahm Hessel die Verhandlungen mit der Gemeinde wieder auf. Am 4. Januar 1912 erhielt er vom Bergamt Freiberg die Genehmigung.

  

Der Fahrbericht vom 28. Juni 1912 berichtet dann, daß der Betrieb auf Flora derzeit sechs Brüche umfasse, davon zwei westlich des Cannewitzer Grabens. Für die Abbauorte verwendete Inspektor Kirsch jetzt häufig den Begriff „Betriebe", womit er sicher auf sämtliche Betriebspunkte, also etwa auch auf Streckenvortriebe, anspielt. Da im Hangenden kein Grundwasser steht, „gehen die Brüche trocken;“ werden aber wegen der Sandlage im Hangenden jetzt stärker unterbaut (40051, Nr. 599).

Bei Aline hingegen ruhte der Betrieb wieder einmal für das erste halbe Jahr, sollte aber nun wieder aufgenommen werden.

Bei seiner Befahrung im Dezember 1912 hielt der Inspektor noch fest, daß die ersten Brüche westlich des Cannewitzer Weges geworfen worden seien, und daß diese übertage bis etwa 1,5 m überziehen. Daher dürfe der Abbau keinesfalls näher an den Weg heran erfolgen.

  

Nach den statistischen Angaben in den Jahrbüchern überschritt das Ausbringen der Floragrube im Jahr 1913 erstmals die Grenze von 20.000 t Jahresförderung. Inzwischen waren 35 bis 37 Arbeiter dort angelegt. Im gleichen Jahr wurden auch aus der Grube Aline noch einmal 5.914 t Rohkohle gefördert. Die Belegschaft hier lag noch bei 8 bis 12 Arbeitern. Zusammen haben beide Werke in diesem Jahr über 27.000 t ausgebracht ‒ ein Höchststand, der danach nur noch einmal erreicht worden ist.

   

Am 28. Juni 1914 zeigte Hessel der Bergbehörde den Plan eines recht ehrgeizigen, neuen Projektes an: Da nun der hangende Teil des Flözes weitgehend abgebaut war, sollte zukünftig verstärkt dessen liegender Teil in Angriff genommen werden. Um die Hunte von der unteren Sohle, dem sogenannten „Unterbau“, zu den Förderstrecken auf der oberen Sohle, dem jetzt sogenannten „Oberbau“ und weiter zum Füllort am Förderschacht zu bewegen, sollten die beiden Sohlen durch eine schiefe Ebene, einen Haspelberg, verbunden werden. Um den Transport zu erleichtern und zu mechanisieren, wollte Hessel auf dieser Ebene und bis zum Schachtfüllort eine Kettenseilbahn einrichten, die elektrisch betrieben werden sollte (40051, Nr. 599). 

Zur Ausführung kam es jedoch vorerst nicht, denn nun begann der 1. Weltkrieg.

   

Aufgrund der Einberufungen und des resultierenden Arbeitskräftemangels wurde die Alinengrube im August 1914 stillgelegt. In der betreffenden Jahrbuchausgabe kann man dazu im Kapitel B. Braunkohlenbergbau, im Abschnitt IISchacht- und Maschinenanlagen, lesen: „12. Anfang August 1914 mußte die Firma August Schippan, Ragewitzer Werke in Ragewitz den Betrieb ihrer „Alinengrube" wegen Einziehung fast der ganzen Belegschaft und wegen Mangels an Ersatz vollständig einstellen. Auf der „Floragrube" konnte der Betrieb aus demselben Grunde nur mühsam aufrecht erhalten werden.“

Die Alinengrube wurde vorerst in Fristen gehalten und ist weiterhin in den Jahrbüchern aufgeführt.

  

Infolge des Arbeitskräftemangels genehmigte die Bergbehörde erstmals am 17. April 1915 den Einsatz von Arbeiterinnen auf dem Werk, jedoch nur bei der Verladung der Naßpreßsteine übertage. Die Förderung hatte sich binnen des ersten Kriegsjahres von vorher 1.000 bis 1.250 hl täglich auf nur noch 500 hl mehr als halbiert. Davon benötigte man aber auch rund 150 hl für den Betrieb der Dampfmaschinen selbst (40051, Nr. 599). 

Mehrfach beantragte Hessel Zurückstellungen für seine Bergarbeiter vom Heeresdienst. Da den Ragewitzer Werken bereits nur noch 9 Mann für den Untertagebetrieb zur Verfügung standen und nur noch 14 Arbeiter übertage die Naßpressen bedienten, waren dem Werk ab 1915 als Aushilfe 10 bis 12 Kriegsgefangene polnischer und russischer Nationalität zugeteilt. Diese waren im Lager Golzern untergebracht und mußten den etwa 1½-stündigen Weg nach Ragewitz täglich zu Fuß zurücklegen. Bei Kriegsende 1918 waren noch 5 bis 8 Kriegsgefangene auf dem Werk beschäftigt.

Am 1. März 1916 hatte Hessel dann zu klagen, daß die Kriegsgefangenen für den Untertageeinsatz überhaupt nicht geeignet seien, zudem fast täglich wechselten und bat um Zuteilung befähigter Leute. Das Bergamt antwortete darauf aber nur lapidar, daß angesichts des Mangels an wirklichen Fachleuten unter den Gefangenen dem nicht abzuhelfen sei...

  

Inzwischen waren auch die westlich des Cannewitzer Weges liegenden Naumann'schen Felder abgebaut und am 23. Mai 1915 wurde der Bergbehörde daher der Beginn des nach dem Abwerfen vorgeschriebenen Aussetzens der Durchfahrungsstrecken angezeigt.

Im Oktober 1915 ging auch der Fahrgehilfe Thierfelder ab und Hessel beantragte daher die behördliche Bestätigung des Häuers Oskar Näser aus Mutzschen als neuer Fahrgehilfe an seiner Stelle.

  

Auch bei der Berginspektion wurde das Personal knapp, so daß zeitweise die Grubeneinfahrer Fritzsche und Edmund Bernhard Oehme die Aufgaben der Berginspektoren übernehmen mußten.

Diese berichten von ihrer Befahrung im April 1916, daß die Gesellschaft einen weiteren Feldesteil im Norden hinzugekauft habe und daß zurzeit 4 Streckenörter zwecks Ausrichtung dieses Feldes sowie 2 Brüche in Betrieb stünden. Hinsichtlich des Bergwerksbetriebes fanden sie nichts zu bemängeln.

Mehr und mehr mangelte es dem Werk nun an Ausbauholz und auch die Qualität der Werkzeuge wurde immer schlechter. Im November 1917 bat Hessel um die Zuteilung von Zement, den er für Reparaturen und den schon seit 1914 geplanten Seilbahn- Einbau auf dem Haspelberg untertage benötigte. Bewilligt wurde die Lieferung zunächst nicht. 1918 beklagt man sogar Mangel an einfachsten Dingen: So gäbe es kaum noch Schuhwerk und Stiefel; letztere gäbe es nur noch auf Zuteilung und mit Holzsohlen.

Trotz aller Widrigkeiten zeigte Hessel im Dezember 1917 auch an, daß er den Südwestteil des Abbaufeldes nun weiter erschließen wolle und dazu jetzt den Ragewitz- Prösitzer Verbindungsweg unterfahren müsse. Mit der Gemeinde habe er bereits eine Einigung hinsichtlich der Vergütung der dabei gewonnenen Kohle erzielt. Pro Streckenunterfahrung gab es einen Pauschalbetrag von 10,- Mark (40051, Nr. 599).

Bei der Befahrung am 10. Juli 1918 fand die Berginspektion dann neben vier Bruchbauen auch schon diese zwei Unterfahrungsstreckenörter in Betrieb vor.

  


Die Skizze aus Hessel's Antrag zur erneuten Unterfahrung des Cannewitzer Grabens weiter südlich, nahe des Friedhofes in Richtung Westen. Der Abbau erstreckte sich nun von Norden her schon fast bis an das Ortsgebiet heran. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40051, Nr. 599, Blatt 46a, Gesamtansicht, Norden ist oben.

   

Obwohl die Nachfrage nach Brennstoff eigentlich ungebrochen war, beklagte die Geschäftsleitung auch weiterhin Absatzprobleme. Die „Bezirks- Kohlenstelle“ bei der Amtshauptmannschaft in Grimma meinte dazu, dies liege an dem Mangel an Gespannen, an der Konkurrenz der vielen Werke im Bezirk untereinander sowie am Preisanstieg. Inzwischen kosteten 50 Stück Preßsteine in Ragewitz 1,20 Mark (40051, Nr. 599).

Am 29. Oktober 1918 zeigte Hessel dann der Berginspektion erneut seinen Plan für die Anlage einer zweigleisigen, elektrisch betriebenen Seilbahnstrecke auf dem untertägigen Haspelberg zwischen unter- und Oberbau an. Da sie in Verlängerung der vom Wetter- zum Förderschacht führenden Strecke auch das Maschinen- und das Preßhaus unterfahre, sollte sie vollständig ausgemauert werden. Der Plan wurde mit den üblichen Auflagen hinsichtlich des Ausbaus vom Bergamt auch genehmigt. Herr Hessel plante immer noch für einen langfristigen Betrieb ‒ hatte er doch noch 1917 selbst abgeschätzt, daß das Werk noch über Vorräte von etwa 1,5 Millionen Hektoliter verfüge, was bei einer arbeitstäglichen Förderung von etwa 1.500 hl (rund 1,5 t) für eine Betriebszeit von etwa 50 Jahren reichen würde.

Am 23. März 1919 konnte Hessel dann endlich den Baubeginn dieser Anlage anzeigen.

  


Eine vergleichbare Ketten- Standseilbahn gab es nicht nur schon auf der Förderrampe der Aline, sondern in den 1920er Jahren auch auf dem unweit benachbarten, fiskalischen Braunkohlenwerk in Leipnitz. Hier wurde das Fallort nach Übertage auch als „Schiefe Ebene“ bezeichnet und führte auf einer Rampe bis zur Entladebrücke übertage. Foto: Paul Schulz, 1943.

 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90090261

 

Weitere Aufnahmen von Paul Schulz aus dem fiskalischen Braunkohlenwerk zu Leipnitz zeigen wir auch in unserem Beitrag über den Braunkohlenbergbau in  Tettau bei Glauchau.

  

 
 
 

Zum Bergbau durch die Ragewitzer Werke oHG von 1919 bis 1930

  

Während des 1. Weltkrieges und danach wurde der Rohstoff Braunkohle zunehmend auch für die Elektrizitätsversorgung und die Treibstoffgewinnung (Kohlevergasung) genutzt und gewann somit noch mehr an Bedeutung, weshalb sich auch der sächsische Staat verstärkt selbst im Braunkohlenbergbau engagierte. Noch vor dem Ende des Krieges (der bewaffnete Konflikt endete mit dem Waffenstillstand von Compiègne am 11. November 1918) sicherte sich der sächsische Staat mit dem Gesetz über das staatliche  Kohlenbergbaurecht vom 14. Juni 1918 das Verfügungsrecht über alle bis dahin noch nicht in Abbau stehenden Kohlevorkommen (40128).

Das staatliche Kohlenbaurecht galt aber nur mit folgenden Ausnahmen:

  1. Es galt nicht, soweit das Kohlenunterirdische schon vor dem Stichtag 18. Oktober 1916 zum Grubenfeld eines bereits in Betrieb befindlichen Kohlenwerkes gehörte.

  2. Ein Grundeigentümer durfte auch nach dem 18. Oktober 1916 auf seinem eigenen Grund und Boden Kohlen auf seine Kosten und auf seinen Namen aufsuchen, vorausgesetzt ihm gehörte das Grundstück schon mindestens zehn Jahre lang.

  3. Die Aufsuchung und darauffolgende Gewinnung von Kohle durch den Staat selbst auf seine Kosten wurde durch das Gesetz nicht berührt.

Die ersten Ideen zur Braunkohleverstromung in Sachsen äußerte im Jahr 1904 der damalige Leiter einer Braunkohlentiefbaugrube bei Espenhain, Hermann Eugen Müller, scheiterte damals jedoch noch an verschiedenen Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Das änderte sich aber bald und selbst der letzte sächsische König Friedrich August III. (*1862, †1932) führte in einer Thronrede zur Eröffnung des Landtages im November 1915 aus: „Die Elektroenergieversorgung des Landes bedarf... dringend einer festeren Zusammenfassung und Vereinheitlichung. Eine so allgemeine, auf das gesamte Land sich erstreckende Aufgabe wird am zweckmäßigsten und bestens vom Staat selbst erfüllt. Meine Regierung hat sich daher entschlossen, das große, für die gesamte heimische Volkswirtschaft bedeutsame Werk selbst in die Hand zu nehmen.“

Besaß der sächsische Staat selbst kurz vor dem 1. Weltkrieg gerade einmal ein einziges Steinkohlenwerk in Zauckerode und ein einziges Braunkohlenwerk in Leipnitz, so begann der Fiskus ab 1912, in großem Umfang mögliche und noch freie Braunkohlenabbaufelder aufzukaufen. 1916 wurden die Königlich Sächsischen Braunkohlenwerke gegründet und H. E. Müller wurde ihr erster Bergdirektor. Im gleichen Jahr wurde auch die Direktion der staatlichen Elektrizitätswerke gegründet und ein Jahr später wurden beide Unternehmen fusioniert. Das erste Großkraftwerk entstand 1909 bis 1911 in Hirschfelde in der Lausitz, das von der Grube Herkules mit Braunkohle versorgt wurde. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über das staatliche Kohlenbergbaurecht im Jahr 1919 entstand schließlich 1923 die Aktiengesellschaft Sächsische Werke, in der Braunkohlenabbau, Elektrizitäts- und Gaserzeugung vereinigt waren. Alleiniger Aktionär war der Freistaat Sachsen; H. E. Müller wurde ihr erster Generaldirektor (11605, wikipedia.de).

  

Auch das Ragewitzer Werk unterlag nun diesen Regelungen. Es war umgehend ein Antrag auf Anerkennung des eigenen Kohlenabbaurechtes einzureichen, worauf der Inspektor bei seiner Befahrung am 10. Mai 1919 die Geschäftsführung noch einmal hinwies. Dies ist auch rechtzeitig erfolgt (40051, Nr. 599).

Am 23. Oktober 1919 erfolgte dann zunächst eine „gutachterliche Aussprache“ in der Berginspektion Leipzig. Dabei trug Einfahrer Liebscher vor, daß ein neues staatliches Bergwerk als Alternative zum bestehenden Werk nicht in Betracht komme, weil nur noch das Ausgehende des Flözes und kein zusammenhängendes Feld mehr abgebaut werde. Während die Eigentümer jetzt mit Ausrichtungsarbeiten für den weiteren Betrieb beschäftigt seien, würde ein staatliches Werk sämtliche Anlagen neu errichten müssen. Wirtschaftlich vorteilhaft sei das Lager daher nur vom bestehenden Werk aus abzubauen.

Der Stellungnahme sind noch einige bergtechnische und wirtschaftliche Details zu entnehmen: So stieg das Flöz zu seinen Grenzen hin an (die Lagerstätte füllte also offenbar eine Einmuldung in der Oberfläche des Prätertiärs), was die Förderung keineswegs erleichtere. Durch Sicherheitspfeiler u. ä. bestehe ein Abbauverlust von etwa 20% bis 25%. Abgebaut wurde vor allem Klarkohle „mit vielen holzigen Partien“, die fast ausschließlich zu Preßsteinen verarbeitet werde. Nur ein geringer Teil von etwa 500 hl pro Tag wurde direkt an andere Abnehmer (vor allem an die Papierfabrik in Golzern) verkauft, wo sie zur Kesselfeuerung verwendet wurde.

Die Gestehungskosten lagen zurzeit bei

  • Rohkohle:     1,40 M/hl und
  • Preßsteinen: 2,40 M/hl.

Dabei sei mit 23 hl pro 1.000 Stück Steine zu rechnen, die dann zu 60,- M verkauft wurden. Die Verkaufspreise lagen 1919 bei

  • Rohkohle:      1,50 M/hl und
  • Preßsteinen:  2,60 M/hl.

Auch die Beseitigung der Bergschäden, welche die betreffenden Flurstücke auf längere Zeit nicht mehr nutzbar machten und die ständig eingeebnet werden müssen, ging zu Lasten des Werkes.

  

Auf diesen Grundlagen traf das Bergamt Freiberg dann am 8. Dezember 1919 die Entscheidung:

Das Kohlenunterirdische an Braunkohlen unter den Flurstücken Nr. 65, 66, 67, 67a, 69, 70, 71, 74, 75 und 81 des Flurbuches für Ragewitz ist vom staatlichen Kohlenbergbaurecht ausgenommen.
Der Entscheidung liegt der Besitzstand vom 27.1.1919 zugrunde.

Die Entscheidung ergeht kostenfrei.

Die hier genannten Grundstücke gehörten zu diesem Zeitpunkt eigentümlich den Besitzern des Braunkohlenwerkes, ohne daß das Kohlenbaurecht abgetrennt worden wäre. Beide Bergwerke, sowohl Aline, als auch die Floragrube, waren bereits vor 1916 in Betrieb und erfüllten somit die oben zuerst genannte Einschränkung.

Eine zweite, fast wortgleiche Entscheidung fiel am selben Tage und betraf die Flurstücke 105, 107, 108, 114, 118a, 135, 140, 141 der Flur Ragewitz und die Nr. 37 der Flur Prösitz. Bei einigen davon war zwar das Abbaurecht vertraglich vom Grundbesitz abgetrennt, jedoch gehörte entweder das Abbaurecht oder das Flurstück der oHG oder einzelnen der Gesellschafter (40051, Nr. 599).

Diese juristische Entscheidung sicherte den Fortbestand des Werkes für die nächsten Jahrzehnte (40051, Nr. 599 und 40024-20, Nr. 117).

Wie es auch früher schon in Form der Grubenfeldkarten (Croquis) üblich war, wurden die betreffenden Flurstücke auch kartenmäßig erfaßt und die betreffenden Flurstücke auf einer amtlichen Karte markiert (40041, Nr. I16259). Die Karte enthält auch weitere Nachträge aus dem Jahr 1924.

  

Auf den 17. März 1919 ist dann der erste Vertragsentwurf zur Übertragung des staatlichen Kohlenbaurechtes an das Werk in Ragewitz datiert (40051, Nr. 599). Auch einem weiteren Vertrag über die Abtretung des staatlichen Kohlenbaurechtes an das Werk vom 12.2.1924 (Blatt 268 der vorgenannten Akte) für die zu dieser Zeit zusätzlich in Abbau genommenen Flurstücke Nr. 38, 39, 40 und 41 auf Prösitzer Flur im Norden kann man entnehmen, daß der sächsische Staatsfiskus sein gesetzliches Bergbaurecht natürlich nicht wirklich kostenlos abtrat: (Übrigens war zu dieser Zeit noch immer die 2. Abteilung des Finanzministeriums in Dresden für die vertraglichen Regelungen zum Bergbau zuständig.)

Nach den vertraglichen Regelungen hatte der Bergbaubetreiber, hier also die Firma August Schippan, Ragewitzer Werke oHG, zum ersten einen festen Feldzins zu zahlen, der in Höhe von 0,5% des Marktpreises von 1.200 t Rohkohle pro Jahr vertraglich vereinbart war und auf einem ‒ für die in diesem Vertag beinhalteten vier Flurstücke ‒ erwarteten Gesamtvorrat von 170.000 t abzüglich Abbauverlusten basierte. Dieser Betrag war fest und über die gesamte vertragliche Laufzeit jedes Jahr zu entrichten.

Zum zweiten war eine Förderabgabe zu entrichten, die sich nach dem tatsächlichen Ausbringen im laufenden Jahr richtete und 1,0% des Marktpreises der jeweiligen Tonnage betrug. Damit alles auch seine Richtigkeit hatte, war dieser tatsächliche Abbau durch einen Markscheider festzustellen.

  

Da dies damit nun geklärt war, konnte der Bergwerksbetrieb fortschreiten. Von der Befahrung des Werkes am 2. August 1919 war zu berichten, daß sechs Örter im Unterbau belegt waren. Seit kurzem hatte man sogar Zweischichtbetrieb eingeführt, wobei die Frühschicht von 6:00 bis 14:00 Uhr und die Mittelschicht von 14:00 bis 22:00 Uhr anfuhr. Dabei fuhren jeweils 20 Mann pro Schicht an; hinzu kamen noch 36 Arbeiter übertage, die jedoch nur Normalschichten verfuhren. Dadurch stieg die Gesamtbelegschaft zeitweise auf bis zu 76 Mann an. Am 15. August 1919 wird in dem Zusammenhang noch angezeigt, daß Friedrich Ernst Greif aus Mutzschen den Fahrgehilfen O. Näser zukünftig in der Mittelschicht unterstützen soll.

Am 2. Juni 1920 wird berichtet, daß die Erschließung des Prösitz'er Feldes begonnen habe und hier zwei Streckenörter belegt waren. Das Flöz habe man in einer Mächtigkeit von 5 m angetroffen.

Die Abbaue im Unterbau müsse man nur mit Schwarten ausbauen, da „der hangende trockene Sand wegen des alten Mannes gefahrlos hereinbricht.“ Mit dem alten Mann ist hier der vorangegangene Oberbau gemeint, der inzwischen zubruchgegangen ist.

Am 5. Juli 1920 heißt es dann aber, man wolle den Zweischichtbetrieb wieder einstellen und die zusätzlichen Arbeiter wieder entlassen, da die Konkurrenz der Borna'er Brikettfabriken einfach zu groß sei. Man förderte jetzt überwiegend Klarkohle. Im Neuaufschluß auf Prösitz'er Flur stehe hauptsächlich „recht nasse, holzschalige und minderwertige Kohle“ an, „für die kein Absatz sich fand.“

Weil es offenbar an Lampenöl mangelte, zeigte die Geschäftsführung am 1. Juli 1920 auch an, daß man auf Karbidgeleucht umstellen wolle. Das befürwortete auch die Berginspektion in Leipzig und wurde vom Bergamt Freiberg am 17. Juli genehmigt.

Im März 1920 kam es auch zu einer ersten einwöchigen Arbeitsniederlegung. Danach wurde ein Betriebsrat gebildet, dem auch der Obersteiger P. Beier angehörte.

Der Absatz lief immer noch stockend; insbesondere der Bahnversand, der über Zwischenhändler abgewickelt wurde. Zwischenzeitlich mußte man daher rund 3.000 t Förderkohle auf Vorrat stürzen, wofür nun aber die Lagerflächen eigentlich nicht ausreichten. Außerdem stellte man bald fest, daß trockene Klarkohle durchaus zur Selbstentzündung neigte. Deshalb wurde dem Werk die Anschaffung von Spritzenschläuchen vorgeschrieben.

Von seiner Befahrung am 23. Dezember 1920 berichtete Einfahrer Liebscher, daß aufgrund des zeitigen Frosteinbruchs bereits seit Mitte Oktober der Naßpreßbetrieb ruhe. Zurzeit seien sieben Streckenörter belegt. Rund ein Drittel der Förderung sei Stückkohle, der überwiegende Teil nach wie vor Klarkohle. Im „Landabsatz“ ‒ also im Nahmarkthandel ‒ erziele man derzeit Preise von

  • 7,60 M/hl Stückkohle und
  • 4,50 M/hl Klarkohle.

Bei Bahnabsatz erhalte man 55,- bis 66,- Mark je Tonne.

Ab Januar 1921 wird wegen Absatzmangels die Förderung wieder gedrosselt. Zunächst werden Feierschichten eingeführt: Die erste Schicht fährt nur von Montag bis Mittwoch; die zweite von Donnerstag bis Samstag und jeweils zur Frühschicht an. Letztlich kommt es aber doch zu Entlassungen und am 31. Mai 1921 sind wieder nur noch 23 Mann untertage angelegt.

Zu dieser Zeit standen vier Brüche „in den alten Tiefbaufeldern“ in Betrieb. Auf der oberen Sohle ging kein Abbau mehr um. Nach Norden waren aber noch drei Streckenörter belegt, mit den das Prösitz'er Feld weiter vorgerichtet werden sollte.

Auf der Alinengrube war man nur mit „verschiedenen Herstellungsarbeiten“ befaßt.

   

Im Jahr 1921 können wir in der Jahrbuchausgabe im Kapitel XV. Wichtige Ausführungen und Betriebsvorgänge (Auszug aus dem zweiten Teile des bergamtlichen Jahresberichts.) im Abschnitt B. Braunkohlenbergbau unter

I. Neue Lagerstättenaufschlüsse; geognostisch oder
bergmännisch bemerkenswerte Vorkommnisse.

nachlesen: „4. Bei Schippan's Braunkohlenwerk Floragrube zu Ragewitz wurde mit dem Aufschluß des in Prösitzer Flur gelegenen Grubenfeldteiles begonnen.“

1923 wurde offenbar auch ein bescheidener Betrieb in der Alinengrube noch einmal aufgenommen. Dazu heißt es an gleicher Stelle ein Jahr später: „14. Der Betrieb der Alinengrube von Schippan's Braunkohlenwerk in Ragewitz, der bei Kriegsausbruch stillgelegt wurde, ist nach Hebung der Grubenwasser im November 1922 wieder aufgenommen worden.“

Nur ein weiteres Jahr später findet man in den statistischen Angaben zur Alinengrube dann aber den Hinweis: „Betrieb Ende 1923 vorläufig wieder eingestellt.“ In dieser kurzen Zeit hat man dort nur Untersuchungs- und Gewältigungsarbeiten vorgenommen und dabei eine recht bescheidene Menge von 525 t Rohkohle ausgebracht.

Ab 1925 ist diese Grube dann nicht mehr und von nun an nur noch die Floragrube in Ragewitz in den Jahrbüchern für das Berg- und Hüttenwesen in Sachsen genannt.

  

Im Frühjahr 1921 wurde endlich auch ein Elektroanschluß zum Werk verlegt und ein Transformator im Treibehaus eingebaut. Neben der untertägigenSeilbahn am Haspelberg sollten auch elektrische Kreiselpumpen angetrieben werden, die die alten Dampfpumpen ersetzen sollten. Außerdem sollten das Treibe- und das Maschinenhaus zukünftig elektrisch beleuchtet werden. Die Trafo- Anlage wurde am 6. Juni 1921 geprüft und abgenommen (40051, Nr. 599).

Von der Befahrung am 4. April 1922 wird dann berichtet, daß die Dampfpumpe schon ausgebaut sei. Inzwischen waren zwei elektrische Kreiselpumpen installiert; eine im Schachtsumpf und eine zweite etwa 70 m vom Füllort entfernt als Zubringerpumpe.

Die Vorrichtung des Prösitz'er Feldes war weit vorangekommen. Dort waren jetzt insgesamt zehn Arbeitsorte belegt. Die Belegschaft war wieder auf 47 Mann angestiegen, davon fuhren 26 Mann untertage an. Der Betrieb über- wie untertage lief jedoch nur noch einschichtig.

Wie der Inspektor vermerkt, handele es sich bei der Untertagebelegschaft meist um ältere, erfahrene Bergleute und „das Einvernehmen mit der Betriebsleitung ist ein Gutes.“

Auch der Absatz sei zurzeit befriedigend und somit alles in Ordnung.

Die früheren Berginspektionen, u. a. auch die in Leipzig, wurden inzwischen wieder in Bergämter umbenannt. Dementsprechend wurde auch Einfahrer Liebscher zum Amtsbergmeister befördert.

Über seine Befahrung der Alinengrube vom 3. August 1922 berichtet Amtsbergmeister Liebscher dann, daß unter Umständen die Wiederaufnahme des Tiefbaus beabsichtigt sei. Derzeit werde die Grube gesümpft und die Strecken gesäubert. Mit diesen Arbeiten waren zwei Mann beschäftigt.

Auch die Naßpreßanlage auf Aline war im Oktober 1922 wieder in Betrieb. Sie verarbeitete allerdings Kohle, die mittels Gespann von der Floragrube herangeschafft wurde. Die untertägigen Strecken hingegen hatten sich stellenweise als verbrochen erwiesen und waren daher noch nicht wieder fahrbar.

Hinsichtlich des Grubenbetriebes gab es auch bei der Befahrung am 28. März 1923 nichts zu erinnern. Allerdings wird im März 1923 die Förderung wegen Absatzproblemen wieder gedrosselt und nur noch an vier Tagen in der Woche gearbeitet.

Bei der Befahrung am 2. Oktober 1923 wird erneut der mangelnde Absatz beklagt, da die Kunden inzwischen lieber Briketts aus dem staatlichen Werk in Leipnitz kauften. Der Absatz an Preßsteinen habe sich gegenüber dem Vorjahr halbiert. Durch die Inflation seien inzwischen alle finanziellen Reserven erschöpft und Geschäftsführer Hessel äußerte erstmals Überlegungen, den Betrieb ganz einzustellen. Im Oktober 1923 kommt es zudem erneut zu einem Streik, der diesmal vom 5. Oktober bis zum 10. November mehr als einen Monat andauert. Die Geschäftsleitung kündigte daraufhin der gesamten Belegschaft fristlos. Nach Streikende wurde ein Teil der Arbeiter aber wieder eingestellt.

Der Grubenbetrieb bei Aline ruhte weiter, nur im Frühjahr 1924 hatte man sie kurzzeitig nochmals aufgenommen. Im September standen die Strecken jedoch schon wieder unter Wasser, auch die Preßanlage war wieder außer Betrieb. Am 5. Juni 1925 will Hessel den Betrieb der Alinengrube völlig aussetzen.

Am 14. November 1925 wird dann berichtet, daß der Betrieb des Haspelberges zwischen der 1. und 2. Sohle der Grube Flora den Vorschriften entsprechend erfolge. Das war ganz untergegangen: Die elektrisch angetriebene, untertägige Seilbahnförderung auf der Floragrube war nebenbei also auch in Betrieb gegangen...

Auf der Floragrube arbeiteten jetzt 26 Mann, davon 15 Bergarbeiter untertage.

Auch bei den Befahrungen am 13. November 1925, am 14. April 1926 und am 3. September 1926 fand der Amtsbergmeister hinsichtlich des technischen Betriebes nichts zu bemängeln (40051, Nr. 599).

   

1926 beklagt man sich aber im Jahrbuch, im Kapitel IX. Wichtige Ausführungen und Betriebsvorgänge (Auszug aus dem oberbergamtlichen Jahresberichte; ITeil.) im Abschnitt B. Braunkohlenbergbau. unter

III. Sonstiges.

12. Bei Schippan's Braunkohlenwerk „Floragrube" in Ragewitz konnte wegen der außerordentlich schlechten Absatzverhältnisse der Betrieb nur durch wesentliche Verringerung des Belegschaftsbestandes aufrechterhalten werden.“

  

Im Jahr 1927 wird berichtet, daß der Abbau jetzt nur noch in dem 1924 zusätzlich erworbenen Nordfeld auf Prösitz'er Flur umgehe. Dort waren vier Orte belegt. Zu bemängeln fand sich nur die Absperrung des Klarkohlenbunkers übertage. Durch einen passenden Holzdeckel ließ Steiger Beier die Gefahrenquelle beseitigen (40051, Nr. 599).

Vom 17. bis 25. Oktober 1927 kam es zum dritten Mal zu einem Streik bei den Ragewitzer Werken. Er stand mit weiteren Arbeitsniederlegungen in anderen Werken in Zusammenhang, in deren Ergebnis am 21. November für die mitteldeutschen Braunkohlenwerke eine Lohnerhöhung durchgesetzt wurde. Das Bergamt Leipzig wies nun die anderen Braunkohlenwerke darauf hin, daß insbesondere bei den kleineren Werken dadurch eine schwierige Lage geschaffen sei, welche zu Betriebseinstellungen führen könne. Der Behörde ging es dabei darum, daß eine eventuelle Betriebsaufgabe rechtzeitig anzuzeigen sei, damit noch erforderliche Verwahrungsmaßnahmen festgelegt und durchgeführt werden können.

Dementsprechend dachte auch Geschäftsführer Hessel bei den bergamtlichen Befahrungen am 28. Oktober 1927 und am 26. März 1928 erneut über eine Einstellung des Grubenbetriebes nach. Die Lohnerhöhungen könnten in keinem Falle in vollem Umfang auf die Kohlenpreise umgelegt werden.

Auch im Herbst 1928 fand sich vonseiten des Bergamtes am Grubenbetrieb nichts auszusetzen. Lediglich der Belag der Auslaufbrücke von der oberen Hängebank übertage war auszubessern. Selbst seitens des Betriebsrates waren keine Beschwerden vorzubringen. Die wirtschaftliche Lage des Werkes besserte sich dagegen nicht.

Nichts anderes war auch von der bergamtlichen Befahrung am 6. Juni 1929 zu berichten. Die Zugänge zur noch immer stilliegenden Alinengrube seien aber „genügend verwahrt.“

    

Hatte schon der 1. Weltkrieg zu einer Geldentwertung geführt, so brachten die Reparationsforderungen nach seinem Ende die damalige Deutsche Regierung an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. 1923 erreichte die Inflation einen Höhepunkt, der als „Hyperinflation“ unseren Großeltern noch in böser Erinnerung ist. Durch die inflationäre Geldentwertung wurden die ökonomischen und sozialen Lasten des verlorenen Krieges auf die Masse der abhängig Beschäftigten und die reinen Geldvermögensbesitzer abgewälzt. Erst 1928 erreichten die Reallöhne im Durchschnitt nach den Zahlen der amtlichen Statistik wieder das Niveau des Jahres 1913. Auch ein wesentlicher Teil der Mittelschichten fand sich in Armut wieder. Ihre finanziellen Rücklagen schmolzen infolge der Inflation beinahe vollständig dahin.

Kaum war diese Wirtschaftskrise überstanden, löste der Börsenkrach des „schwarzen Freitags“ (in den USA eigentlich ein Donnerstag und zwar der 24. Oktober 1929) erneut eine weltweite Wirtschaftskrise aus. An der Berliner Börse hatte es schon zwei Jahre zuvor, auch an einem Freitag, nämlich dem 13. Mai 1927, einen empfindlichen Kurseinbruch beim Aktienindex des Statistischen Reichsamtes gegeben, der ebenfalls als „schwarzer Freitag“ bezeichnet wird. Viele Anleger blieben hochverschuldet zurück, dabei aber auch viele Firmen, die nun Bankrott anmelden mußten. Andere Firmen hatten Kredite mit ihren eigenen Aktien gedeckt und gerieten ebenfalls in Probleme. Dies führte zu Massenentlassungen und Arbeitslosigkeit griff um sich (wikipedia.de). Der Wirtschaftsaufschwung der „goldenen Zwanziger“ fand damit abrupt sein Ende...

  

 
 
 

Zum Bergbau durch die Grube Flora GmbH 1931 bis 1945

  

Am 16. Dezember 1929 ist O. R. Hessel verstorben. Um das Werk weiterzuführen, trat zunächst wieder die Witwe Aline Selma Hessel, geb. Schippan, in die Rechtsnachfolge ihres Gatten ein und als Besitzer wird im Folgejahr die Gesellschaft A. Hessel und Genossen in den Jahrbüchern angegeben (40051, Nr. 599).

Nachdem der Todesfall des Geschäftsführers bekannt geworden war, fragte ‒ des übertragenen staatlichen Kohlenbergbaurechtes wegen ‒ auch das Finanzministerium in Dresden beim (wieder umbenannten) Oberbergamt in Freiberg nach den wirtschaftlichen Verhältnissen und der voraussichtlichen Fortsetzung hinsichtlich der Wahrnehmung des Bergbaurechtes. Daraufhin teilte das Bergamt in Freiberg im März 1930 nach Dresden mit, daß „die wirtschaftlichen Verhältnisse augenblicklich geradezu trostlos" seien. Für die Eigentümer der Firma zeichnete jetzt Herr Dr. med. A. Schippan. Prokura wurde von den Eigentümern zunächst einem Herrn Große erteilt.

Am 1. Juli 1930 zeigte Dr. med. A. Schippan dem (jetzigen) Bergamt Leipzig die Absicht der Gesellschafter an, das Braunkohlenwerk „wegen Unrentabilität" endgültig stillzulegen, sofern die gerade laufenden Verhandlungen nicht doch noch zu einem Verkauf führen würden. Dazu kam es aber zunächst noch nicht, so daß die Gesellschafterversammlung am 10. November 1930 beschloß, die Grube Flora per 31.12.1930 endgültig aufzugeben und die nötigen Verwahrarbeiten aufzunehmen. Dennoch erfolgten im Dezember weitere Verkaufsgespräche, die jedoch am 19. Januar 1931 ebenfalls für gescheitert erklärt wurden, woraufhin auch die Verwahrarbeiten fortgesetzt wurden.

Bei seiner Befahrung am 2. Februar stellte Amtsbergmeister Liebscher fest, daß nur noch 11 Mann auf der Grube mit Verwahrarbeiten beschäftigt waren; die restliche Belegschaft war bereits entlassen.

Am 9. Februar 1931 aber zeigte der Obersteiger P. Beier dann dem Bergamt Leipzig an, daß der Verkauf schließlich doch noch zustande gekommen sei. Neuer Besitzer war eine Braunkohlenwerk Grube Flora GmbH. Daraufhin wurden auch die Verwahrarbeiten wieder eingestellt. Lediglich die Verwahrung der Grube Aline wurde noch durch die früheren Besitzer abgeschlossen.

  

Auf der Alinengrube wurde dazu der Dampfkessel noch einmal betriebsbereit gemacht und am 14. April 1931 mit dem Sümpfen der Grube begonnen, damit die seinerzeit von der Berginspektion Leipzig und dem königlichen Bergamt in Freiberg vorgeschriebenen Verwahrungsarbeiten ‒ insbesondere an den Punkten, wo Strecken die Straße unterquerten ‒ durchgeführt werden konnten (40051, Nr. 599).

Amtsbergmeister Liebscher überzeugte sich bei seinen Befahrungen am 24. April und am 4. Mai 1931 davon, daß auch alles ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Der Holzausbau wurde, wo nötig, ein letztes Mal ausgebessert und dann die betreffenden Streckenabschnitte mit Klarkohle und Asche aus den Ziegeleiöfen ausgesetzt. Damit waren noch einmal zwei Mann untertage bis zum 11. Juli 1931 beschäftigt. Dann waren diese Arbeiten abgeschlossen.

Abschließend wurde noch das Pulsometer im Wasserschacht demontiert; die Grube ließ man wieder ersaufen und den Schacht stürzte man zuletzt von Übertage aus noch mit Abraum zu.

Alle betroffenen Grundeigentümer wurden von den Ragewitzer Werken mit einem Pauschalbetrag von je 80,- Mark für entstandene Bergschäden auf die nächsten vier Jahre abgefunden (40051, Nr. 600).

Damit endete der Braunkohlenbergbau bei der Grube Aline endgültig. Allerdings blieben die Gesellschafter bis zum vollständigen Vertragseintritt der neuen Grube Flora GmbH in den Vertrag mit dem sächsischen Staatsfiskus auch für den Feld- und Förderzins haftbar.

  

Über den Besitzwechsel kann man auch in der Jahrbuchausgabe von 1931, wieder unter

III. Sonstiges.

nachlesen: „11. Braunkohlenwerk Grube Flora G. m. b. H. in Ragewitz. Die Floragrube sollte wegen Unrentabilität am 31. Januar 1931 stillgelegt werden. Eine neu gegründete Gesellschaft m. b. H. hat sie jedoch käuflich erworben.“

Geschäftsführer der neuen Firma ist nach den Angaben in den Jahrbüchern Herr A. Reiche, Kaufmann aus Ragewitz. Herr O. P. Beier blieb als Obersteiger im Werk tätig.

Ein Jahr später wird an gleicher Stelle berichtet: „12. Schippan's Braunkohlenwerke in Ragewitz. Die zu diesem Werke gehörige und seit Jahren stilliegende „Alinengrube" wurde nach Beendigung der erforderlichen Verwahrungsarbeiten dauernd stillgelegt. Die ebenfalls zu diesen Werken gehörige und zu Ende des Jahres 1930 stillgelegte „Floragrube" ging in den Besitz des Braunkohlenwerkes „Grube Flora" G. m. b. H. in Ragewitz über, von der der Betrieb wieder aufgenommen wurde und in bisheriger Weise fortgesetzt wird.“

  

Das Flurstück Nr. 114, auf dem die Tagesanlagen der Grube Flora stehen, gehörte inzwischen dem Kaufmann Alfred Reiche. Derselbe ist auch in den Bergamtsakten als neuer Geschäftsführer der Grube Flora GmbH aufgeführt (40051, Nr. 600).

Auf die Verkaufsanzeige durch den Steiger Beier vom 9. Februar 1931 hin machte das Bergamt in seinem Antwortschreiben vom 11. Februar keine bergpolizeilichen Bedenken hinsichtlich einer Wiederaufnahme des Betriebes geltend. Auch die neue Firma wurde jedoch vom Bergamt darauf hingewiesen, daß sie in sämtliche Verträge mit dem sächsischen Staat, das Kohlenbergbaurecht betreffend, eintreten müsse.

Im April 1931 wurde vom Oberbergamt in Freiberg die Einrichtung einer Grubenrettung gefordert. Dies lehnte die Werksleitung aber unter Verweis auf die zusätzlich entstehenden Kosten postwendend ab. Nur um Arbeitsgelegenheit in dieser schweren Zeit zu schaffen, haben sich Herren gefunden, das Werk käuflich zu übernehmen und weiter zu betreiben...argumentierte man. In der Begründung wird ferner darauf verwiesen, daß die derzeit im Nordfeld geförderte Kohle sehr feucht sei und nicht zur Selbstentzündung neige und daß das naheliegende staatliche Werk in Leipnitz das Grubenrettungswesen ja mit übernehmen könne.

Das konnte das Oberbergamt nicht von der Hand weisen, verwies die neue GmbH daher auf die alten Verträge mit dem Werk von Julius & Hahn in Bröhsen und empfahl deren Reaktivierung. Da die neue Werksleitung dies zusicherte, erhielt sie am 15. Mai 1931 Dispens hinsichtlich der Einrichtung einer eigenen Grubenwehr.

   

Der nächste Fahrbericht datiert auf den 4. Mai 1931 (40051, Nr. 600). Demnach waren wieder 26 Arbeiter im Werk beschäftigt, davon 14 untertage. Die Unterfahrungsstrecken, die von den Vorbesitzern bereits teilweise versetzt worden waren, hatte man wieder gewältigt und vier Brucharbeiten im nordöstlichen staatlichen Feld waren belegt, sämtlich im Unterbau. Weil das Flöz hier nur etwa 4 m Mächtigkeit aufwies, wurde es in seiner vollen Höhe ausgehauen. Die Aufsicht führen auch weiterhin neben dem Obersteiger P. Beier die Fahrgehilfen O. Näser und F. W. Greif.

Die Förderung betrug wieder um 70 t/Tag. Etwa 1.150 t Rohkohle lagen auf Vorrat. Um sie verarbeiten zu können, wurde gerade die Naßpreßanlage wieder hergerichtet.

  

Von der Befahrung am 9. Dezember 1932 war zu berichten, daß der Förderschacht jetzt als ausziehender Wetterschacht diene. Der Haldenvorrat war abgebaut und daraus hatte man im Jahr 1931 etwa 3 Millionen Stück Naßpreßsteine erzeugt. Allerdings war, wie vorher auch, die Presse nur in den Sommermonaten in Betrieb.

Es waren vier Örter belegt, davon noch eines im Oberbau, die übrigen in der 2. Sohle. Im Oberbau im „alten Feld“ gewann man offenbar Restpfeiler nahe des Friedhofes, wo das Flöz bis zu 8 m mächtig war. Das Bruchfeld wurde laufend eingeebnet, insbesondere im Winterhalbjahr. Besonders im Spätsommer gab es auch jetzt wieder Feierschichten, weil der Absatz dann gering war.

Weitere Fahrberichte datieren auf den 9. Dezember 1932 und den 2. Juni 1933. Auch dabei befand das Bergamt hinsichtlich des technischen Grubenbetriebes alles für in bester Ordnung.

Im August 1933 wird berichtet, daß die Papierfabrik in Golzern ihre Produktion drossele, wodurch der wichtigste Einzelabnehmer für Kesselkohle auch seine Abnahme reduziert habe.

Weil sich nun erneut die politischen Verhältnisse völlig gewandelt haben, hatte sich der Betriebsrat aufgelöst. Zumindest wird es so in den Akten formuliert. Vom Ortsgruppenleiter der NSDAP wurde stattdessen ein Betriebsobmann kommissarisch eingesetzt (40051, Nr. 600).

  

Nach wie vor überwog der „Landabsatz“ und noch immer wurden Kohlen abgemessen und nicht abgewogen und Preßsteine nach Stückzahl verkauft. Dies sollte sich nach einer Festlegung des Reichskommissars für Preisüberwachung im Jahr 1934 ändern: Ab sofort sollte überall nach Gewicht verkauft werden.

Weil die meisten der kleinen Betriebe gar nicht darauf eingerichtet waren, größere Mengen zu wiegen, hagelte es Beschwerden und es kam zu einer Übereinkunft mit dem Braunkohlensyndikat in Leipzig, nach der die kleinen Braunkohlenwerke von dieser Regelung ausgenommen wurden.

Sonst aber sind keine bemerkenswerten Veränderungen eingetreten. Die Fahrberichte des Bergamtes aus den Jahren 1934 und 1935 beklagen nur die hohe Anzahl von Feierschichten aufgrund des geringen Absatzes. So war der Untertagebetrieb auch im Februar 1935 nur an vier Arbeitstagen in der Woche belegt (40051, Nr. 600).

Auch im Sommer 1935 war die Belegschaft „im Lohnurlaub.“ (40051, Nr. 117)

Technisch dagegen gab es kaum etwas zu bemängeln: Der Förder- wie auch beide Wetterschächte waren ausgemauert und in Ordnung. Im Schachtgebäude wurden im Mai 1934 gerade die Beläge der Abzugsbühnen erneuert. Auch der Zustand der untertägigen Strecken gab „zu keinen Erinnerungen Anlaß.“

Abgebaut wurde jetzt im Nordostteil in der unteren Sohle; im „alten Feld“ auf beiden Sohlen. Die elektrische Haspel am Fallort, das beide Sohlen verband, war in Betrieb. Belegt waren zu dieser Zeit fünf Abbaue, die jeweils mit zwei bis fünf bis zu 4 m langen Stempeln gesichert wurden, während man die Kohle aushieb (40051, Nr. 117).

  

Eine letzte Notiz über das Werk ist ebenfalls im Jahr 1936 in der Jahrbuchausgabe zu finden, wo es diesmal im Abschnitt

II. Schacht- und Maschinenanlagen.

heißt: „6. Braunkohlenwerk „Grube Flora" G. m. b. H. in Ragewitz, Grimma Land. Zwecks Aufrechterhaltung des bisherigen Preßsteinabsatzes wurden ein 2½- Tonnen- Diesel-Mercedes- Benz- Lieferwagen angeschafft und ein Einstellraum für genannten Wagen hergestellt.“

Am 31. März 1937 ging der langjährige Obersteiger, Oskar Paul Beier, in Pension. Seine Dienststellung übernimmt ab dem 1. April des Jahres Herr Heinrich Ludwig Eberhard Schramm, Bergschulabsolvent aus Zwickau. Am 5. April erhielt er die Bestätigung vom Oberbergamt. Auch der Fahrgehilfe Oskar Näser schied krankheitsbedingt 1937 aus. Neben Ernst Greif sollte Arno Hermann Schuricht aus Pöhsig nun zweiter Fahrgehilfe werden.

 

Am 6. November 1936 zeigt die Geschäftsführung an, daß die Grube Flora GmbH Abbaurechte unter einer weiteren Parzelle, der Nr. 119 im Besitz von Robert Arthur Feist, erwerben (40051, Nr. 600).

Den Namen Feist kennen wir doch auch schon als Gemeinderat...

Dazu stellte die Werksleitung beim Bergamt den Antrag auf Übertragung des staatlichen Kohlenabbaurechtes für das Flurstück Nr. 119 (40030-1, Nr. 970). Die Sache wurde vom Bergamt Leipzig an das Oberbergamt weitergeleitet mit dem Vermerk „eilig“, weil die Antragstellerin die Kohle in ihrem bisherigen Grubenfelde bereits restlos abgebaut habe und das Werk bei verzögertem oder gar abschlägigem Bescheid stillgelegt werden müsse. Man erwartete unter diesem Flurstück weitere etwa 100.000 t Braunkohlenvorräte, was bei einer Förderung von 14.000 t bis 16.000 t jährlich für weitere 7 Jahre den Betrieb absichere.

Inzwischen hatte man beim Oberbergamt eine Bergwirtschaftsstelle und eine Lagerstättenforschungsstelle eingerichtet und die letztere erhielt nun den Auftrag, das beantragte Kohlenvorkommen zu bewerten. Am 4. März befuhren die Mitarbeiter das Werk. Das daraufhin erstellte Gutachten gibt uns wieder Aufschluß über die geologischen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Werkes um die Mitte der 1930er Jahre.

Zum Aufbau des Flözes wird darin berichtet, daß das Liegende hauptsächlich von einem feinen Sand, seltener von Tonen gebildet werde. Das Hangende unmittelbar über dem Kohlenflöz bildete zunächst Ton mit Kohleneinlagerungen, der bis zu 3 m mächtig war, mancherorts aber auch ganz fehlte. Darüber folgte eine 4 m bis 8 m starke Schicht toniger bis reiner, weißer Sand und Kies und schließlich bis 10 m mächtige eiszeitliche Ablagerungen, Geschiebelehme und Löß.

Das Flöz selbst besaß hier eine Mächtigkeit von etwa 7 m und setzte sich zunächst aus 1 m mulmiger „gemeiner“ und stückig brechender Kohle, darüber einer Schicht von 2 m Stärke mit holzreicher, xylitischer Kohle, darin auch aufrecht stehende Stämme, und schließlich weiteren 4 m erdiger, mulmiger Braunkohle zusammen. Bekannt war auch, daß die Xylit- Führung in der Kohle von Westen nach Osten zunahm, was sich auf die Preßsteinherstellung natürlich ungünstig auswirke.

   


Bei dem hier von den Bergamtsmitarbeitern verwendeten Begriff „Xylit“ handelt es sich um verkieselte Holzreste, wie dieses und die folgenden Fundstücke aus den 1980er Jahren in einem damaligen Tagebau bei Profen zeigen. Sammlung und Foto: J. Boeck.

   


In offenen Zwickeln des Holzes haben sich zwar sehr kleine, aber oft wasserklare Quarzkristalle gebildet. Sammlung und Foto: J. Boeck.

   


Nahaufnahme des obigen Stückes, welche die zahlreichen winzigen, glasglänzenden und stark reflektierenden Quarzkriställchen zwischen den Holzfasern zeigen soll.

  


Noch ein drittes Stück. Sammlung und Foto: J. Boeck.

   


Auch zu diesem noch eine Nahaufnahme. Das mit Kieselsäure quasi „imprägnierte“ Holz ist dadurch außerordentlich hart geworden und kaum noch brennbar. Nicht nur eine Naßpreßanlage; selbst moderne Tagebau- Großgeräte konnten durch größere Stücke und ganze Stubben solchen Holzes beschädigt werden.

  


Solche verkieselten Stämme widerstanden nicht nur besonders gut der Verwitterung, sondern konnten auch beachtliche Dimensionen erreichen. Diese historische Aufnahme einer solchen Baumwurzel aus dem Senftenberger Braunkohlenrevier ist örtlich leider nicht mehr genauer einzuordnen. Foto: F. Stoedtner, vor 1940.

http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/87111861

    


Diese historische Aufnahme wurde in der Grube „Ilse“ im Senftenberger Revier aufgenommen und zeigt einen ganzen Wurzelhorizont, welcher zudem durch glaziale Stauchung schräg aufgestellt wurde. Gewöhnlich handelte es sich dabei um Sumpfzypressen (Taxodiaceae) bzw. Mammutbäume (Seqouioideae), die taxonomisch eine Unterfamilie der Sumpfzypressen bilden. Fotograf unbekannt, Aufnahme undatiert, aber sicher vor 1940.

http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70003940

   

Während man im Norden das Flöz bis an sein Auskeilen abgebaut habe, sei eine Verbreitungsgrenze im Osten und zum Teil auch im Süden noch unbekannt, heißt es in der Bewertung bezüglich der Übertragung des staatlichen Kohlenabbaurechtes an die Grube Flora weiter. Es gäbe zwar einige Bohrungen, jedoch sei mangels geeigneter Aufschlüsse die erwartete Vorratsmenge „reine Vermutung.“

Der Abbau erfolgte jetzt in zwei Scheiben von 3 m bis 3,5 m Höhe im Verfahren des „Pfeilerrückbaus.“ Weil die Kohle im allgemeinen sehr standfest sei, lägen die Abbauverluste hier gegenwärtig nur bei 35% bis 40%, was im Vergleich zu anderen Werken, die im Tiefbau Braunkohle förderten, recht wenig sei.

Zur Verwertung heißt es, daß nur die xylitische Kohle als Kesselkohle verkauft werde, während die erdige Kohle zu Preßsteinen verarbeitet werde. Da Lagerflächen übertage fehlten, auf denen man die zerkleinerte Kohle vor dem Verpressen zum Trocknen aufhalden könne, werde die Kohle zurück nach Untertage verbracht und dort zwischengelagert, um ihren Wassergehalt auf unter 40% zu senken. Das sei natürlich ein „primitives und kostspieliges“ Verfahren und trage mit zu erhöhten Gestehungskosten bei. Der Zentner Preßsteine werde ab Werk deshalb für 70,- Mark abgegeben, während der Zentner Briketts aus Leipnitz nur 65,- Mark koste.

Die Gutachter empfahlen jedenfalls dem Oberbergamt, die Übertragung des staatlichen Abbaurechtes an das Werk zu genehmigen, dabei der Werksleitung jedoch weitere Erkundungsmaßnahmen aufzuerlegen. Im Gegenzug könne man ja die Förderabgabe erniedrigen.

  


Die abgebauten Kohlenfelder nordwestlich des Flora Schachts um 1937 und der beginnende Aufschluß der Feldteile östlich der Prösitzer Straße. Die rechtsfallende Schraffierung markiert Abbau im Oberbau, die nach links fallende Schraffur den Abbau in der unteren Abteilung, Kreuzschraffur markiert diejenigen Flözteile, wo es besonders mächtig gewesen und daher Abbau in zwei Sohlen umgegangen ist. Die strichpunktierten Linien im Nordosten stellen übrigens zwei Planvarianten für die Trassenführung der Reichsautobahn dar, der heutigen BAB 14 von Leipzig in Richtung Dresden. Die weiter nördlich verlaufende Trasse wurde dann später gebaut, wobei man die Kohlenbaufelder umging. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40028, Nr. 2-H169, Gesamtansicht, Norden ist oben.

   


Auch hier legen wir den Grundriß von oben noch einmal über die Verleihkarte, wobei wir schnell bemerken, daß letztere ziemlich genau diesen Stand der 1930er Jahre wiedergibt.

   


Übersichtskarte zu den bisher bestätigten staatlichen Kohlenbaufeldern und der Lage von insgesamt 9 Bohrungen in deren Umfeld aus dem Jahr 1937. Östlich der Kirche liegt hiernach das Flurstück Nr. 119. Am Bohrpunkt 4 am Südostrand der Ortslage hat man unter 15,5 m Deckgebirge das Kohlenflöz mit 9,5 m Mächtigkeit nachgewiesen, am Punkt Nr. 5 etwas weiter südlich immerhin noch mit 7,4 m Mächtigkeit. Die westlich des Dorfes - nördlich der Alinen- Grube - durchgeführten Bohrungen hatten dagegen gar keine Kohle oder nur in unbauwürdiger Mächtigkeit von unter 1,5 m angetroffen. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40030-1, Nr. 970, Blatt 13, Gesamtansicht, Norden ist oben. Eine Kopie dieser Karte findet sich auch unter der Archivsignatur 40030-2, Nr. I24469.

   

Weil das Flurstück 119 mit einer Größe von 13 Acker (rund 8 ha, 60,6 a), davon wahrscheinlich auch nur auf 40% der Fläche von bauwürdiger Braunkohle unterlagert, viel zu klein sei, als daß ein Abbau auf Grundlage des staatlichen Kohlenbergbaurechts durch ein anderes Werk als dem bestehenden auch nur in Frage käme, wurde das staatliche Kohlenbaurecht auch dafür der Grube Flora übertragen (40051, Nr. 600).

Die Genehmigung für den Vertragsabschluß erteilte jetzt der Reichsstatthalter in Sachsen im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit bei der Landesregierung am 10. Dezember 1937 (40030, Nr. 970). Der Vertrag selbst datiert auf den 12. Februar 1938 (Blatt 23 der Akte). Aus diesem geht hervor, daß man sich tatsächlich hinsichtlich des Feldzinses auf eine nur einmalige Zahlung von 3.000,- Mark geeinigt hatte und auch die Förderabgabe war mit 3 Pfennigen pro geförderte Tonne Kohle moderat. Außerdem konnte das Werk noch die Kosten für Untersuchungsmaßnahmen von den 3.000,- Mark absetzen.

Der Förderzins bezog sich im Übrigen eigentlich auf einen Kubikmeter ausgehauene Kohle. Dies entsprach gewöhnlich etwa 14 Hektolitern ausgebrachter Kohle oder rund 1 Tonne Förderkohle.

   

Bis zum Jahr 1937 war das nordwestliche Teilfeld weitgehend abgebaut. Die Werksleitung beantragte deshalb im Jahr 1937, den zweiten Wetterschacht abzuwerfen. In dessen Schachtsicherheitspfeiler wurden nur noch Restvorräte abgebaut (40051, Nr. 600).

Das Bergamt genehmigte den Antrag am 13. August 1937 und wies die Verfüllung des Schachtes an. Vorher waren die Streckenabgänge vom Füllort mit Trockenmauern zu verschließen und die Schachteinbauten zu rauben. Anschließend mußte der Schacht „mit klaren Massen, möglichst unter Zusatz von Wasser“ ausgestürzt werden (40051, Nr. 117).

1937 umfaßte die Belegschaft insgesamt 36 Mann, davon waren 23 übertage und von diesen 14 Mann an der Naßpreßanlage beschäftigt. Unter den 13 untertage Beschäftigten waren

  • 10 Häuer,

  •   1 Haspler,

  •   1 Anschläger und

  •   1 Fahrgehilfe.

Die Arbeitszeit untertage betrug jetzt 8 ¾ Stunden und währte von 6:15 bis 15:00 Uhr, abzüglich einer Pause von 10:00 bis 10:30 Uhr. Übertage waren die Arbeitszeiten länger, enthielten aber auch zwei Pausen. Die Kesselheizer arbeiteten rund um die Uhr in drei Dritteln.

Hinsichtlich des Grubenbetriebes gab es wieder wenig zu bemängeln: Die Risse wurden jährlich von Markscheider Friedemann aus Oelsnitz/Erzg. nachgebracht. Auch die Anschlußstutzen für Löschwasser an der Sieb- und Preßanlage übertage waren eingebaut und Feuerwehrschläuche angeschafft. Über die Wasserhaltung heißt es, daß neben dem Pulsometer eine elektrische Kreiselpumpe untertage in Betrieb sei. Es liefen jedoch nur noch aus dem Liegenden Wässer zu; der hangende Sand sei inzwischen völlig entwässert.

Dennoch klagte man wieder, „der Absatz geht schlecht.“ Auch die eigentlich schon im August 1937 genehmigte Verfüllung des nördlichen Wetterschachtes war noch nicht erfolgt (40051, Nr. 117).

  


Der Betriebsriß des Braunkohlenwerks Ragewitz aus dem Jahr 1938 zeigt uns die damaligen Ausrichtungsbaue unter dem Flurstück Nr. 119 und die ersten geplanten Strecken in Richtung Südosten unter dem Nauberger Weg (am unteren Rand des Bildausschnittes) hindurch. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40027, Nr. 1090, Blatt 98, Gesamtansicht, Norden ist oben.

   

Ab 1939 wird in den Bergwerksverzeichnissen dann ein Kaufmann Johannes Krause aus Leipzig als Eigentümer und Verwalter der Braunkohlengrube aufgeführt. Dazu liegt ein Schreiben des Steigers E. Schramm vor (40051, Nr. 601), in dem er der Bergbehörde mitteilt, daß „die Grube Flora GmbH erloschen ist.“ Der bisherige Gesellschafter, Kaufmann Johannes Krause, sei nun der alleinige Inhaber der Firma. Dem oben schon angeführten Gutachten der Lagerstättenforschungsstelle ist noch zu entnehmen, daß die übrigen Gesellschafter der GmbH bis dahin, außer dem Kaufmann A. Reiche, noch „Ragewitzer Landwirte und Fuhrleute“ gewesen sind (40030-1, Nr. 970).

Die Förderung der Floragrube war bis 1939 allmählich auf nur noch knapp 8.000 t abgesunken, stieg danach aber wieder auf über 20.000 t jährlich an. Im selben Jahr ging eine neue Presse in Betrieb und anstelle der Naßpreßsteine wurden nun Briketts erzeugt.

Darüber berichten die Akten des Bergamts Leipzig (40051, Nr. 601), daß die Werksleitung, in technischen Belangen vertreten durch den Steiger E. Schramm, am 8. Juni 1938 den Umbauantrag an die Amtshauptmannschaft Grimma (20027, Nr. 2680) und am 30. August d. J. auch an das zuständige Bergamt in Leipzig gesandt hatte.

Zum einen wollte man mit der Umstellung auf Briketterzeugung die zeitaufwendige Trocknung der Naßpreßsteine einsparen und zum anderen den Kundenwünschen entgegenkommen, die inzwischen lieber Briketts kauften.

Wie immer fragte die Baubehörde der Amtshauptmannschaft beim Bergamt nach besonderen bergpolizeilichen Anforderungen nach, woraufhin das Bergamt Leipzig am 3. Februar 1939 antwortete, daß insbesondere auf die Feuersicherheit zu achten sei und erhob einige spezielle Forderungen, wie etwa bauliche Vorkehrungen zur Vermeidung von Staubansammlungen und das Aufschlagen der Türen nach außen, um das Gebäude im Brandfall schnell und ungehindert verlassen zu können.

Am 11. März 1939 wurde der Antrag vom Bergamt Leipzig auch an das Oberbergamt in Freiberg weitergeleitet, da die Werksleitung gleichzeitig die Befreiung von den Auflagen des § 2, Absatz 1 der Bergpolizeivorschriften für Brikettfabriken beantragte, welcher bestimmte, daß sie nur dort errichtet werden dürfen, wo ein Mindestabstand von 50 m zu öffentlichen Wegen und Einrichtungen gewährleistet ist. Da dies hier nicht möglich war und „in Anbetracht der geringen Werksgröße“ erteilte das Oberbergamt in seiner Betriebserlaubnis vom 8. Juli 1939 diesen Dispens (40051, Nr. 601 und 40027, Nr. 1090).

Die Brikettpresse wurde anstelle der Naßpresse errichtet, die man dazu demontierte. Die Umbauten an den Gebäuden plante wieder der uns schon bekannte Baumeister Paul Schwalbe aus Nerchau. Die Maschinen kaufte man gebraucht und zwar nach dessen Stillegung vom Wilhelmschacht in Borna. Es handelte sich um eine 6"- Einstempel- Presse mit einem Röhrentrockner, „System Buckau.“ Mit 9 atü Dampfdruck betrieben leistete die Anlage 150 PS. Außerdem war eine „Lurgi- Multiklon- Entstaubungsanlage“ geplant.

Außerdem umfaßte die Anlage zwei Stachelwalzen und eine Glattwalze, die vor dem Rüttelsieb eingebaut wurden, um Holzteile abzutrennen. Über ein Transportband, das die frühere Auslaufbrücke für die Hunte von der oberen Hängebank ersetzte, gelangte das Mahlgut dann zum Röhrentrockner; von dort ging es nochmals durch ein Nachwalzwerk und anschließend mittels Transportschnecke hinauf zum Füllrumpf der Presse. Der nicht mehr benötigte Trockenschuppen wurde dagegen bereits im Frühjahr 1939 abgerissen.

Am 8. Juli 1939 war alles fertig und abgenommen und das Oberbergamt erteilte die grundsätzliche Betriebserlaubnis (40027, Nr. 1090). Da die eigentlich geplante Entstaubungsanlage aber dann doch nicht lieferbar war, mußte man das Projekt noch einmal anpassen und einen „normalen Staubabscheider“ einbauen. Auch einige statische Nachweise fehlten noch, die Herr Baurat P. Gödel aus Leipzig erst im Dezember 1939 lieferte. So zog sich die Sache noch einige Zeit hin und erst im Februar 1940 ging die Anlage wirklich komplett in Betrieb.

Bei dem gesamten Schriftverkehr fällt auf, daß nie der Besitzer unterzeichnete. Der gesamte Umbau wurde wesentlich durch den Steiger E. Schramm abgewickelt. Auch in einer Aktennotiz aus dem Jahr 1943 verweist Berginspektor Emrich darauf, daß den Umbau Obersteiger Schramm praktisch allein durchgeführt habe, „obwohl die finanzielle Ausrüstung des Werks immer begrenzt war.“ (40051, Nr. 601 und 40027, Nr. 1090)

  


Bauzeichnung der Brikettanlage aus dem Jahr 1939. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40027-1, Nr. 1090, Blatt 45, Gesamtansicht.

  


Ausschnitt aus der Zeichnung oben mit dem Förderweg vom Schacht zur Brikettpresse.

   


Ausschnitt aus der Zeichnung oben mit einem Querschnitt der Pressanlage.

  


Die Bauzeichnung vermittelt uns auch noch einmal einen Eindruck vom äußeren Erscheinungsbild der Schachtanlagen am Ende der 1930er Jahre.

  

Ein seltsames Schreiben vom 5. September 1939 findet sich auch in den Werksakten des Bergamtes (40051, Nr. 601), dessen Hintergründe uns nicht bekannt sind. Es lautet: „In unserem Werke... ist eine Brikettpresse aufgestellt worden. Wir besitzen einen Kessel mit 8 atü Überdruck, diese Dampfmenge reicht aber nicht aus. Um nun den Betrieb aufrecht zu erhalten, wird dieser Kessel auf 10½ atü Druck gebracht, ...indem man das Ventil mit 4 bis 5 Ziegelsteinen beschwert. Ich muß Ihnen diesmal aus besonderen Gründen anonym schreiben, aber ich hoffe, daß dieser Hinweis genügt, um hier Abhilfe zu schaffen, ehe ein Unheil geschieht.“

Da der Verfasser von „unserem Werk“ sprach, dürfte es sich wohl um einen Angestellten gehandelt haben. Wenn er „diesmal“ anonym schrieb, hatte er wohl auch anderweitig mit der Bergbehörde Kontakt...

Ob nun anonym oder nicht, war die Sache doch von solcher Brisanz, daß die Bergbehörde dem nachgehen mußte. Am 10. Oktober 1939 nahm der technische Leiter, Steiger Schramm, dazu schriftlich Stellung und meinte, es handele sich wohl um einen Racheakt. Im Normalbetrieb reiche ein Dampfdruck von 4 atü völlig aus und nur bei unvermittelten Stillständen der Maschinen könne der Kesseldruck auf 8 bis 9 atü ansteigen. Dann aber wird Überdruck über das Sicherheitsventil abgeblasen und der Kesseldruck auf 8 atü gehalten. Eine Beschwerung dieses Ventils sei nie vorgekommen. Das Schreiben ist außer vom Steiger auch vom Maschinisten und drei Heizern gezeichnet.

Da auch die Bergbehörde bei ihren Inspektionen nie etwas dergleichen festgestellt hatte, war die Angelegenheit damit erledigt.

   

Da sich die Vorräte im Norden nun endgültig erschöpften, beantragte man im September 1939 erneut eine Unterfahrung der Prösitzer Straße, um anschließend auch unter dem Flurstück Nr. 105 Kohle abzubauen. Vonseiten der Bergbehörde wurde aber diesbezüglich festgestellt, daß dieses Flurstück bisher noch gar nicht in das übertragene staatliche Kohlenbergbaurecht eingeschlossen war (40051, Nr. 601).

Auch in Richtung Osten zum Flurstück Nr. 119 sollten neue Untersuchungsstrecken unter der Straße nach Nauberg hindurch getrieben werden (40027, Nr. 1090). Dieses Flurstück befand sich im Besitz des Gemeinderats Feist.

Den diesbezüglichen Antrag der Werksleitung vom 1. Januar 1940 unterstützte das Bergamt Leipzig auch gegenüber dem Oberbergamt. Allerdings kam es dazu im Februar 1940 zu einer Aussprache vor der Bergwirtschaftsstelle beim Oberbergamt, weil den Auflagen aus dem Übertragungsvertrag der staatlichen Kohlenbaurechte vom 12. Februar 1938 bisher nur mangelhaft entsprochen worden ist. Auch die für weitere Untersuchungs- und Aufschlußarbeiten eigentlich zu hinterlegenden 3.000,- RM hatte die Werksleitung noch nicht gezahlt.

Das Protokoll dieser Aussprache (40027, Nr. 1090) enthält einige interessante Fakten zur Vorratslage und zur wirtschaftlichen Lage des Werkes. So heißt es darin: „Das für die örtliche Brennstoffversorgung wichtige Braunkohlenvorkommen der Grube Flora ist mengenmäßig begrenzt. Es ist deshalb im allgemeinen Interesse erwünscht, die Lagerstätte sorgfältig zu untersuchen und restlos abzubauen. Daher sind auch die Untersuchungsarbeiten... gutzuheißen. Bei dem kapitalschwachen Unternehmen muß jedoch darauf geachtet werden, daß nicht durch jetzt gewährte Erleichterungen die Schwierigkeiten später umso größer werden und am Ende sehr hohe Kohlenverluste entstehen...“ Tatsächlich habe auch der Obersteiger Schramm angegeben, daß die Grube immer noch Schulden habe und Zuschüsse benötige.

Hinsichtlich des „allgemeinen Interesses“ sei nur am Rande darauf verwiesen, daß ja 1939 die Wehrmacht in Polen einmarschiert war und damit der 2. Weltkrieg begonnen hatte. Auch die Werksleitung in Ragewitz klagte über Personalmangel; seien doch schon vier Häuer eingezogen worden und die Gesamtbelegschaft auf nur noch 30 Arbeiter geschrumpft. Kriegsgefangene oder Fremdarbeiter seien dem Werk im Gegenzug noch nicht zugeteilt worden. Dies geschah erst nach Intervention des Bergamtes Leipzig beim Landesarbeitsamt in Dresden. Ab 14. August 1940 waren dem Werk zunächst 20 französische Kriegsgefangene als Hilfsarbeiter zugeteilt.

Im Ergebnis einigte man sich jedenfalls 1940 darauf, daß der Antrag zur erneuten Unterfahrung der Straße nach Prösitz von der Bergbehörde genehmigt werden solle; jedoch unter der Bedingung, daß die Erkundungsarbeiten von der Werksleitung intensiver fortgesetzt werden. Dazu seien nicht unbedingt Bohrungen erforderlich; man könne die Vorräte im Osten auch durch die geplanten Ausrichtungsstrecken erkunden. Die Bergbehörde verwies aber auch darauf, daß die Förderwege dabei natürlich immer länger werden und schon entlang der derzeitig bestehenden Strecken vom Südosten bis zum Schacht rund 1 km Länge erreicht hätten. Bergrat Emrich empfahl darüber hinaus, die Erkundung auch auf den südlichen Bereich, nördlich der stilliegenden Grube Aline auszudehnen. Wie Obersteiger Schramm dazu erklärt hatte, habe man bereits eine zusätzliche Schlepperhaspel vom Julius & Hahn'schen Werk gekauft und plane, ein neues Fallort in östliche Richtung anzulegen.

Die Genehmigung für diese Streckenauffahrungen wurde schließlich am 13. November 1940 erteilt (40027, Nr. 1090).

  

Selbstverständlich erfolgten auch weiterhin regelmäßig Befahrungen der Grube und Kontrollen der übertägigen Anlagen durch die Bergbehörde. Von der Befahrung am 17. Juli 1940 wird berichtet, daß die neue Brikettpresse nur 50 Stunden in der Woche (also nur einschichtig) in Betrieb sei, wobei etwa 75 t Briketts pro Woche erzeugt wurden. Hergestellt wurde „Salon- Format,“ was sich aber wegen der Bruch- und Kantenempfindlichkeit nicht bewähre. Der Beamte empfahl daher, die Presse auf „Halbsteine“ oder „Semmeln“ umzustellen (40030, Nr. 970).

Eine Erhöhung der Produktion scheitere insbesondere daran, daß die Förderung an Rohkohle nur bei etwa 40 t pro Tag lag, was durch Personalmangel begründet wurde. Das Werk hatte 1940 insgesamt 30 Angestellte, davon

  •   2 Förderleute und
  • 10 Hauer untertage,
  •   5 Förderleute und Maschinisten,
  •   5 Arbeiter in der Brikettanlage,
  •   1 Werkstattmeister und
  •   7 sonstige Angestellte.

Ferner ist im Fahrbericht noch die Empfehlung formuliert, die Erkundungsarbeiten gemäß des Übetragungsvertrages vom 12. Februar 1938 auch auf die östlich angrenzenden Flurstücke 116, 116a und 115 auszudehnen.

   

Am 2. März 1941 ging ein Schreiben des Bauern Armin Meisser aus Ragewitz in Freiberg ein, der gegenüber dem Braunkohlenwerk Schadenersatzforderungen wegen einer Wasseransammlung ‒ heißt also einer Setzung bzw. Einsenkung ‒ und der damit einhergegangenen Zerstörung der Drainageleitung auf seinem Flurstück Nr. 38  in Höhe von 237,47 M geltend machen wollte (40027, Nr. 1090). Der Werksbesitzer J. Krause nahm dazu am 30. März d. J. dahingehend Stellung, daß auf dem betreffenden Grundstück der Abbau schon 1927/1928 und noch durch die Firma A. Schippan Ragewitzer Werke GmbH umgegangen sei. Da nun im Kaufvertrag vom 21. Februar 1931 formuliert war, daß die Grube Flora GmbH „keine Haftung für bereits abgebaute und wieder in landwirtschaftliche Benutzung genommene Flächen“ übernimmt, seien mithin die vormaligen Besitzer dafür haftbar zu machen.

Hierzu befragt, berichtete Herr Klemig vom Bergamt Leipzig am 14. Mai 1941 an das Oberbergamt, daß dies den Tatsachen entspräche. Dem folgte auch die Oberbergbehörde in ihrer Entscheidung vom 22. Mai 1941: Da die Schippan'schen Erben es obendrein bislang unterlassen hätten, ihre Kohlenbaurechte unter den betroffenen Grundstücken im Grundbuch aufzulassen, seien sie vollumfänglich für diesen Schaden haftbar.

  


Noch einmal der Übersichtsriß der Flora- Grube aus dem Jahr 1939 mit der Eintragung der Einsenkung aus dem Jahr 1941 (Bleistifteinzeichnung einer Ellipse und Vermerk „Wasseransammlung“ im Bild ganz oben). Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40027-1, Nr. 1090, Blatt 98, Gesamtansicht.

  

Im Bericht zur Befahrung vom 16. April 1942 (40030, Nr. 970 und 40027, Nr. 1090) kann dann man lesen, daß die Belegschaft auf 45 Mann angewachsen sei, davon 22 Mann untertage. Dies konnte in Anbetracht des inzwischen tobenden 2. Weltkrieges aber nicht wirklich neues, fachkundiges Personal sein, vielmehr waren weiterhin 19 französische Kriegsgefangene für Transportarbeiten über- und untertage im Werk eingesetzt. Die Förderung sei dadurch aber auf etwa 21.600 t jährlich bzw. 70 t am Tag wieder angestiegen. Aus dieser Menge wurden 1941 rund 5.500 t Briketts erzeugt und reichlich 2.500 t als Kesselkohle direkt verkauft. Über 8.000 t davon benötigte das Werk außerdem jährlich für die eigenen Dampfmaschinen.

In Betrieb standen im April 1942 drei Brüche und ein Streckenort und: „Die Grube macht untertage einen guten Eindruck,“ hielt Herr Emrich vom Bergamt Leipzig fest. Am technischen Betrieb war also nichts auszusetzen. Die Werksleitung hatte auch einen „Schienen- Kuli“ bei Deutz bestellt, um die Förderung auf den immer längeren Strecken zu erleichtern und zu beschleunigen. Der war aber mitten im Weltkrieg gerade nicht lieferbar. Zu bemängeln fand Herr Emrich, daß die Vortrocknung der Förderkohle immer noch untertage erfolgte. Auch eine Dusche gab es auf dem Werk nicht. Die Arbeiter könnten sich nur in der Manschaftsstube waschen, wofür aber das Wasser im Eimer aus dem Dorf geholt werden mußte.

Zur Entlohnung hielt der Beamte fest, daß es keine Gedinge- bzw. Akkordlöhne mehr gab; vielmehr würden nur Schichtlöhne gezahlt, die für die Untertagebelegschaft bei 4,80 RM pro verfahrener Schicht zu 8 Stunden lagen. Auf dem benachbarten Werk in Leipnitz seien die Löhne mit 6,30 RM pro Schicht deutlich höher. Daher erziele das Werk in Ragewitz mit rund 17,- Mark pro Tonne Briketts auch einen etwas höheren Erlös, als das Werk in Leipnitz (16,80 Mark/t).

Hinsichtlich der Betriebsaussichten schätzte der Beamte die Vorräte im bestätigten Grubenfeld noch auf rund 285.000 t. Da im südöstlichen Feld anhand der Bohrungen bekannt sei, daß das Verhältnis der Abraum- zur Kohlenmächtigkeit nur bei 2 : 1 läge, käme dort auch ein Tagebaubetrieb infrage. Eine im Jahr 1939 von Steiger Schramm veranlaßte Analyse hatte ferner ergeben, daß die Ragewitzer Kohle von sehr guter Qualität sei. Der Aschegehalt lag nur bei 6,8% bis 7,5% und insbesondere der Schwefelgehalt lag mit 0,40% bis 0,64% ausgesprochen niedrig.

   

Am 22. September 1942 befuhren auch Mitarbeiter der Lagerstättenforschungsstelle beim Oberbergamt, neben Herr Emrich ein Dr. Hochstetter, wieder die Grube Flora. Sie berichteten, daß „die Auffahrung im Norden und Westen durch das Auskeilen des Flözes ihr Ende gefunden“ habe. Dort lege sich das Hangende auf. Der Sand sei teils wasserführend, weswegen in der Grube Tonrohre als Drainage verlegt worden sind. Die nasse Förderkohle werde jetzt übertage zum Vortrocknen aufgehaldet und die Brikettfabrik war zweischichtig belegt.

Bemängelt wurde aber, daß die Erkundungsarbeiten noch nicht wieder fortgesetzt worden seien. Daher könne zur Bewertung nur die bekannte Vorratsmenge von etwa 280.000 t herangezogen werden, die aber immerhin auch den Betrieb über die nächsten 13 Jahre absichere. Durch Neuaufschlüsse sei ein weit längerer Betrieb des Werkes möglich.

Außerdem gab es einen neuen Besitzer: Der Kaufmann J. Krause aus Leipzig hatte das Braunkohlenwerk am 31. Oktober 1942 an einen Herrn Dr.-Ing. Horst Hesse aus Colditz für 215.000,- Reichsmark verkauft (40030, Nr. 970).

Aufgrund dieses Besitzwechsels blieb auch die Frage nach den nach wie vor sehr beschränkten Waschgelegenheiten für die Arbeiter auf dem Werk erstmal liegen. Nachdem das Oberbergamt in der darauffolgenden Zeit mehrfach in dieser Angelegenheit insistiert hatte, empfahl das Bergamt Leipzig seiner vorgesetzten Behörde schließlich am 8. Juni 1944, die Sache bis auf Weiteres zurückzustellen und teilte ferner dazu mit: „Nach Auffassung der Reichsvereinigung Kohle ist im 5. Kriegsjahr die Durchführung des Baues von Waschkauen, Gefolgschaftsräumen usw. nicht mehr zu verantworten, auch die Fortführung solcher Bauten nicht.“ (40027, Nr. 1090)

   

Am 11. Mai 1943 hielt Herr Emrich dann fest, daß die Grube Flora doch eine „sehr gute Entwicklung vom Kleinbetrieb zu einer technisch beachtlichen und nach unseren Feststellungen auch wirtschaftlich befriedigenden Anlage“ genommen habe (40030, Nr. 970). Ganz richtig war das so aber nicht, denn wirklich Gewinn hatte das Braunkohlenwerk bis dato nie erzielt.

1943 sind endlich auch weitere Bohrungen durchgeführt worden. Auf deren Grundlage berechnete Herr Emrich den Braunkohlenvorrat neu auf nun rund 580.000 t, was für wenigstens 20 Jahre den Betrieb sichere. Das Kohlenflöz habe man in Richtung Südosten sogar auf rund 2 km streichender Länge bis zur sogenannten Mittelstraße hin nachgewiesen, was dann wohl auf rund 5 Millionen Tonnen Vorrat hinauslaufen würde.

Da man die Bohrungen diesmal auch bis ins Liegende hinein gestoßen hatte, hatte man quasi nebenbei auch eine zwischen 10 m und 24 m mächtige Auflage von Kaolin über dem Quarzporphyr entdeckt. Das nun war Anlaß für einen Vortrag beim Berghauptmann in Freiberg, damals ein Herr Dr. Wernicke, am 5. Mai 1943, denn man konnte das Kaolin nicht nur für die Weißkeramikherstellung verwenden, sondern wollte es auch als Aluminiumrohstoff einsetzen. Das Leichtmetall war besonders für den Flugzeugbau gerade sehr gefragt.

Im Ergebnis dieses Gesprächs gab der Berghauptmann als Richtlinie für das weitere Vorgehen vor, daß „der gemeinsame Abbau von Kohle und Kaolin durch eine leistungsfähige Firma in einer Hand erwünscht ist. Das Zusammenvorkommen von Kohle und Kaolin weist im Hinblick auf die Silumin- Pläne der Zwitterstock AG in Altenberg auf diese Gesellschaft hin.“

Die angedachte Verwendung des Kaolins als Aluminiumerz veränderte hier die Rechtslage, denn auf Erzvorkommen mußte auch damals noch Mutung eingelegt werden. Diskutiert wurde, ob der sächsische Staat selbst das Abbaurecht in Anspruch nimmt und in dem Zusammenhang die Grube Flora als Brennstofflieferanten für die Verhüttung gleich mit erwirbt. Später dachte man aber über eine Fusion mit dem benachbarten, schon lange staatlichen Braunkohlenwerk in Leipnitz nach. Auch in Hirschfelde in der Lausitz errichte die Elektrochemische Gesellschaft gegenwärtig gerade eine Großversuchsanlage für eine Produktion von 1.700 t Silumin pro Jahr. Jedenfalls sollte das Kaolin als Aluminiumrohstoff sofort zugunsten des sächsischen Staats gemutet werden (40030, Nr. 970).

Außerdem sollte auch der hangende Ton und Lehm wieder für die Ziegelproduktion genutzt werden. Im heutigen Sinne hatte man also eine „Komplex- Lagerstätte“ entdeckt und entwickelte ehrgeizige Pläne...

  

Bei dem hier genannten Begriff Silumin handelt es sich um eine Gruppe von Aluminiumlegierungen, die üblicherweise zwischen 3% und bis zu 25% Silizium und geringe Zusätze von Kupfer oder Magnesium enthalten. Sie können mit unterschiedlichen Eigenschaften hergestellt werden und werden heute vor allem im Motorenbau, im Fahrzeug- und Flugzeugbau eingesetzt. Neben dem geringen spezifischen Gewicht zeichnen sie sich durch geringe Schwindung beim Guß, durch hohe mechanische Festigkeit und sehr gute Wärmeleitfähigkeit aus (wikipedia.org).

Bei der Elektrochemischen Gesellschaft mbH handelte es sich um ein Zweigwerk der Chemischen Fabrik v. Heyden in Dresden- Radebeul. Es wurde 1917 für Zwecke der Kriegsausrüstung als Calziumcarbid- Fabrik errichtet, zum Kriegsende stillgelegt und 1924 unter diesem Namen erneut aufgenommen. Außer Karbid wurden jetzt Sauerstoff und Azetylen erzeugt. Ab 1934 stellte man auch Ferrosilizium her. Zuletzt gehörte der Betrieb daher dem VEB Ferrolegierungswerk Lippendorf an, bevor er 1992 abgewickelt wurde (wikipedia.org).

  

Bei seiner Befahrung der Grube Flora am 1. Februar 1942 (40030, Nr. 970) hatte Herr Emrich, inzwischen zum Bergrat ernannt, in seinem Bericht hierzu festgehalten, daß es erst am 21. April 1944 zur Übernahme der Flora Grube durch den Staatsfiskus oder ein anderes staatliches Werk eine weitere Besprechung geben werde. Deshalb solle auch dem jetzigen Besitzer Hesse das staatliche Kohlenbaurecht vorläufig noch nicht zugesprochen werden. Im Gespräch war jetzt eine Übernahme durch die AG Sächsische Werke, dem staatlichen Braunkohlenbergbau- und Kraftwerksbetrieb schlechthin, der unter anderem die Großkraftwerke in Hirschfelde, Böhlen und Espenhain betrieb.

In einer ausführlichen Stellungnahme vom 21. März 1944 (40030, Nr. 970) lehnte aber dann auch die AG Sächsische Werke eine Übernahme der Flora Grube rundweg ab, weil für einen effektiven Betrieb in entsprechender Größenordnung wenigstens 800.000,- RM Investitionen nötig seien und trotzdem mit einem Verlust von rund 120.000,- RM pro Jahr zu rechnen sei. Selbst bei einem Abbau im Tagebau unter Mitgewinnung der Begleitrohstoffe sei das zu aufwendig. An dieser Stellungnahme änderte auch die Besprechung am 21. April im Oberbergamt nichts. Deshalb konnte Herr Emrich dem Besitzer der Floragrube, Herrn Hesse, am 22. April 1944 mitteilen, daß ein Erwerb durch den Staat nun vom Tisch sei und ihm das Abbaurecht doch übertragen werden solle. Der betreffende Vertragsentwurf ist am 23. März 1945 ausgefertigt worden.

 


Die im Ergebnis der 1943 durchgeführten Bohrungen ausgehaltenen Braunkohlen- (braun umrandet) und Kaolin- Vorkommen (rot unterbrochen umrandet) bei Ragewitz. Blauviolett umrandet/schraffiert die bestehenden Kohlenabbauberechtigungen der Grube Flora sowie Altrechte der Grube Aline. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40030-1, Nr. 970, Blatt 197, fast Gesamtansicht, Norden ist oben.

    

Herr Hesse dachte nebenbei auch über Produktionssteigerungen nach und wollte eine Akku-Lok für die Hunteförderung untertage anschaffen. Eine solche war aber ‒ mitten im zweiten Weltkrieg ‒ gerade nicht erhältlich (40030, Nr. 970). Am 20. Januar 1944 beantragte er stattdessen beim Bergamt eine Ausnahmegenehmigung für die Benutzung einer „Benzol- Lokomotive.“ Da solche anderswo in Kohlengruben bereits nicht mehr zulässig seien, waren sie gerade besonders preisgünstig zu haben. Diese Loks mit etwa 5 t Eigengewicht entwickelten 15 PS Leistung und erreichten bei 25 t Zuglast eine Geschwindigkeit von bis zu 8,5 km/h. Das Bergamt lehnte dies aber ab, weil diese Lokomotiven „für die örtlichen Verhältnisse viel zu stark“ ausgelegt seien (40027, Nr. 1090).

Bei der nächsten Grubenbefahrung am 16. Oktober 1944 wurde das Thema Mechanisierung erneut angesprochen. Man könne auch die Seilbahn am Haspelberg verlängern oder einfach den Förderschacht bis zur unteren Sohle vertiefen.

Der Besitzer habe außerdem einen neuen Steilrohrkessel für einen Druck bis 30 atü gekauft, der allerdings noch nicht geliefert sei. Auch dies war eigentlich viel zu viel für die bestehenden Maschinenanlagen, aber man wolle einen „Anzapf- Betrieb“ einrichten.

Desweiteren war noch festzuhalten, daß 1944 ein Herr Michael Bauer als neuer Steiger auf dem Werk angestellt worden ist. Die Belegschaft umfaßte jetzt 52 Mann, davon derzeit 28 russische Kriegsgefangene (40030, Nr. 970).

Das letzte Aktenstück vor dem Kriegsende beinhaltet eine Besichtigung des Flurstückes Nr. 119 mit der Werksleitung und dem Gemeinderat Feist. Letzterer wollte anstelle der vereinbarten 100,- RM pro Jahr und Acker eine höhere Entschädigung für die Zeit, in der er abbaubedingt seine Flächen nicht bestellen kann, von 300,- Mark pro Jahr und Acker (40027, Nr. 1090). Wie dies geregelt wurde, verraten die Oberbergamtsakten nicht mehr, denn im Mai 1945 war bekanntlich der Krieg zu Ende...

   

 
 
 

Die statistischen Angaben in den Jahrbüchern für das Berg- und Hüttenwesen in Sachsen erlauben es uns, die Förder- und Produktionsmengen sowie die Belegschaftszahlen in den einzelnen Betriebsphasen näher anzugeben.

Die früheren Scheffelmaße, die dabei noch bis 1871 Verwendung fanden, sowie die Angaben in Hektolitern (bis 1883) haben wir unter Zugrundelegung des Dresdner Scheffels von zirka 107 Litern Rauminhalt und ‒ aufgrund der als überwiegend mulmig und eher nur untergeordnet lignitisch beschriebene Braunkohle ‒ mit einer Schüttdichte von 1,0 t / m³ für die Rohbraunkohle in metrische Tonnen umgerechnet.

In der Zeit von 1868 bis zum Ende der Gründerzeit Mitte der 1870er Jahre lag das Ausbringen der Alinen- Grube zwischen 11.000 und 20.000 Scheffeln pro Jahr, respektive etwa 1.100 t bis 2.000 t jährlich. Bis in die Mitte der 1890er Jahre ging die Förderung zeitweise auf nur noch 500 t pro Jahr zurück. Möglicherweise hat F. A. Schippan die Braunkohle damals nur für den Brennmaterialbedarf der eigenen Ziegelei abgebaut.

Schon von 1869 beginnend sind auch Produktionsmengen an Naßpreßsteinen bzw. Briketts in den Jahrbüchern ausgewiesen, die zunächst zwischen 50.000 und 700.000 Stück jährlich schwankten. Für diese Mengen reichte eine Belegschaft von 6 bis 12 Arbeitern vollkommen aus.

Bereits ab 1895 stieg die Förderung in der Alinen- Grube dann aber wieder deutlich an und erreichte mit 6.500 t im Jahr 1900 ihren Höhepunkt, der danach nie wieder erreicht worden ist. Das Ausbringen der Alinen- Grube schwankte in den Folgejahren zwischen 2.000 t und 5.000 t jährlich. Aus der Rohbraunkohle wurden jetzt zwischen 1,5 Millionen und bis zu 3,4 Millionen Stück Naßpreßsteine produziert.

Der ab 1898 in der Berginspektion Leipzig für Ragewitz zuständige Berginspektor Herold wies in einem Schreiben vom 11. Mai 1898 an den Oberbergrat Menzel übrigens auf einen Druckfehler in den Jahrbüchern hin: Die Angabe, daß in Ragewitz schon damals Briketts hergestellt würden, sei irrig; vielmehr habe Schippan stets ausschließlich Naßpreßsteine erzeugt (40051, Nr. 597).   

  

Parallel zu dieser Entwicklung wurde ab 1899 der Tageschacht der Flora- Grube niedergebracht, in welchem man im Jahr 1900 erstmals die Förderung aufnahm. Schon im zweiten Betriebsjahr erzielte Schippan in diesem Braunkohlenwerk ein Ausbringen von über 11.000 t, das bis zum Beginn des 1. Weltkrieges auf über 21.000 t pro Jahr anwuchs. Mit einer modernen Preßanlage konnte er aus dieser Menge zwischen 3,4 und 5,6 Millionen Stück Braunkohlenziegel herstellen. Die Gesamtproduktion beider Braunkohlenwerke erreichte im Jahr 1904 mit 6,87 Millionen Stück ihren Höhepunkt.

Während die Grube Aline nach wie vor mit höchstens 8 bis 18 Mann belegt war, waren auf der Flora- Grube nun zwischen 17 und 37 Arbeiter angelegt.

Während des 1. Weltkrieges wurde die Alinen- Grube 1915 stillgelegt. Ein letztes Mal wurden im Jahr 1923 noch einmal 525 t Rohbraunkohle gefördert, dann wurde diese Grube endgültig eingestellt. Ab 1925 ist sie in den Jahrbüchern nicht mehr aufgeführt.

Kaum beeinflußt durch den Tod F. A. Schippan's im Jahr 1905, durch die Umbildung zur Ragewitzer Werke GmbH durch die Witwe M. T. S. Schippan und deren Verkauf 1908 an die Gesellschaft O. R. Hessel und Genossen in Ragewitz, sowie durch die Wirren der Wirtschaftskrisen in den 1920er Jahren, blieben die Förderzahlen der Flora- Grube bis 1932 recht konstant auf einer Höhe von 16.000 t bis 28.000 t pro Jahr.

1920 waren hier maximal 71 Arbeiter angestellt.

Auch nach dem Tod von O. R. Hessel 1929 und trotz des erneuten Verkaufs im Jahr 1931 an die Grube Flora GmbH und weitere Wechsel der Eigentümer und der Besitzverhältnisse in der Folgezeit nahm das Ausbringen der Grube bis zum Kriegsende eigentlich nur wenig ab und schwankte meist zwischen 15.000 t und 20.000 t pro Jahr.

  


Fördermengen der Schippan'schen Braunkohlengruben Aline und Flora zu Ragewitz nach den statistischen Angaben in den Jahrbüchern und für die Folgeunternehmen aus deren Betriebsakten.

   


Belegschaftszahlen der Schippan'schen Braunkohlenwerke zu Ragewitz nach den statistischen Angaben in den Jahrbüchern und für die Folgeunternehmen aus deren Betriebsakten.

  


Produktionszahlen an Naßpreßsteinen bzw. (ab 1939) Briketts der Schippan'schen Braunkohlenwerke zu Ragewitz nach den statistischen Angaben in den Jahrbüchern und für die Folgeunternehmen aus deren Betriebsakten.

   

Schon ab 1933 wurden übrigens in den Jahrbüchern bzw. Bergwerksverzeichnissen die Produktionsmengen an Briketts bzw. Naßpreßsteinen in Tonnen aufgeführt und nicht mehr wie bis dahin in Stückzahlen. Die Umrechnung der Angaben der letzten Jahre, die in den Jahrbüchern bzw. Bergwerksverzeichnissen dokumentiert sind, zurück in Stückzahlen haben wir auf Basis einer mittleren Dichte von Briketts von 785 kg / m³ und einer üblichen Größe der Naßpreßsteine von 21 x 10,5 x 6 cm (ähnlich normalen Ziegelsteinen) vorgenommen. Man kommt dabei auf etwa 963 Stück pro Tonne Naßpreßsteine.

Summiert man die dokumentierten Förderzahlen über den gesamten Betriebszeitraum, so hat die Grube Aline von 1868 bis 1915 eine Menge von 111.341 t Braunkohle geliefert; die Flora- Grube von 1900 bis 1941 von 753.877 t. In Summe haben diese beiden Schippan'schen Braunkohlenwerke in Ragewitz von 1868 bis 1945 also wenigstens 867.556 t Braunkohle ausgebracht, denn die Überlieferung der Fördermengen hat ja einige Lücken.

Das für das Scheunert'sche Werk im Zeitraum von 1869 bis 1877 dokumentierte Ausbringen summiert sich auf gerade einmal 2.338 t und trägt somit zur Gesamtförderung der Braunkohlenwerke in Ragewitz nur knapp 0,3 % bei. Auch zur Förderung weiterer Vorgängerbetriebe, wie des Ulbricht’schen und des Gerber’schen, liegen uns leider kaum Angaben vor.

  


Kummulatives Gesamtausbringen der Braunkohlengruben in Ragewitz nach den statistischen Angaben in den Jahrbüchern und für die Nachfolgeunternehmen aus deren Betriebsakten.

  

 
 
 

Zum Braunkohlenbergbau in Ragewitz nach 1945

  

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges hatte die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) mit ihrem Befehl Nr. 124 „Über die Beschlagnahme und provisorische Übernahme einiger Eigentumskategorien in Deutschland“ vom 30. Oktober 1945 das Vermögen zahlreicher Industriegesellschaften und Fabrikanten unter Zwangsverwaltung – man sprach von „Sequestrierung“ durch einen Treuhänder – gestellt.

Mit dem Befehl Nr. 126 vom 31. Oktober 1945 wurde auch das Vermögen der Amtsleiter der NSDAP, führender Mitglieder und einflußreicher Anhänger, sowie das der aufgelösten nationalsozialistischen Organisationen dagegen sofort enteignet.

Mit dem Befehl Nr. 154/181 über die „Übergabe des enteigneten und beschlagnahmten Eigentums in Besitz und Nutznießung der deutschen Selbstverwaltungen“ vom 21. Mai 1946 wurde der enteignete Besitz zunächst in das Verfügungsrecht der Landes- und Provinzialverwaltungen überführt (wikipedia.de).

Eine erste Befahrung der Grube Flora nach dem Kriegsende fand am 7. Dezember 1945 durch den Bergrat Löwe statt (40027, Nr. 1090). Er berichtete an das Oberbergamt, daß der vormalige Besitzer Herr Hesse nach Frankfurt/Main geflüchtet sei. Auch der Steiger Bauer habe sich in die westlichen Besatzungszonen abgesetzt. Die Grube werde auf Grundlage des Befehls 154 der SMAD momentan als „Notkohlenbetrieb“ durch die Stadt Mutzschen verwaltet.

  

Die Förderung der Grube Flora lag nach Kriegsende bei etwa 70 t am Tag, wovon allerdings rund zwei Drittel ( !! ) für die eigene Feuerung benötigt wurden. Dennoch wurden im Zeitraum von Mai bis Dezember 1945 rund 15 t Briketts täglich erzeugt und für reichlich 53.000,- Mark verkauft (40064, Nr. 383). Dem standen jedoch auch Ausgaben von rund 36.000,- Mark für Löhne und Gehälter und über 17.000,- Mark für Material gegenüber – wie man leicht nachrechnen kann, war es wirtschaftlich gesehen eigentlich eine „Nullnummer“.

Im Bericht der Kreisverwaltung Grimma, Abteilung Handel und Versorgung, an die im März 1946 gebildete Arbeitsgemeinschaft der mitteldeutschen Braunkohlenwerke vom 14. Mai 1946 liest man zur Situation nach dem Kriegsende: „Der Winter …1945 konnte aufgrund der zurzeit noch immer bestehenden Kohlenkrise nur unter den größten Schwierigkeiten und unter Ausschöpfung aller vorhandenen Möglichkeiten nur teilweise überbrückt werden…“ und „Waggonlieferungen sind fast gänzlich ausgefallen.“ Der Gesamtbedarf im Landkreis Grimma belief sich auf allein über 138.000 t Briketts, respektive mehr als 10.000 t im Monat; die tatsächliche Zuteilung aber nur auf höchstens 900 t (20233, Nr. 1477). Unter diesen Umständen ist nur allzu verständlich, daß man händeringend versuchte, alle überhaupt noch bestehenden Kohlengruben so schnell wie möglich wieder in Betrieb zu setzen und um finanzielle Unterstützung nachsuchte, um den Betrieb der Gruben aufrechterhalten zu können.

Einem Aktenvermerk über eine Sitzung im Landratsamt am 5. Juni 1946 ist zu entnehmen, daß daher sämtliche „lokal erzeugte“ Kohle ausschließlich dem Landkreis zufalle. Die Steigerung der Eigenproduktion entlaste vor allem auch „unseren größten Engpaß, den Verkehr…“ Bezüglich der Grube Flora wurde beschlossen – da eine Akku-Lok nach wie vor nicht beschaffbar war – stattdessen Zugpferde anzuschaffen, um die Streckenförderung zu beschleunigen. Außerdem wurden „Wohnungen sichergestellt“, damit man die Belegschaft bald wieder vergrößern könne – Bergleute aber waren ohnehin nicht zu finden. Die Leitung der 1946 gebildeten Arbeitsgemeinschaft der mitteldeutschen Braunkohlenwerke lehnte die Entsendung von Bergleuten und die Neuaufnahme derzeit stilliegender Gruben glatt ab, damit die gelernten Häuer in den Großbetrieben produktiv in der Förderung eingesetzt werden konnten. Man hoffte daher im Landkreis auf den Zuzug von Bergleuten aus Schlesien und dem Sudetenland (20233, Nr. 1477).

 

Am 19. Dezember 1945 fand dann eine weitere Besprechung mit der Bergbehörde zum Weiterbetrieb auf der Flora- Grube statt (40030, Nr. 970 und 40027, Nr. 1090). Bergrat Ermisch war nach wie vor hier zuständig.

Über den Vorbesitzer Hesse wird notiert, daß er zwar nominell Mitglied der NSDAP gewesen sei, „sonst aber nicht weiter belastet.“ Momentan noch werde das Werk durch die Stadt Mutzschen treuhänderisch verwaltet und vom Betriebsrat geführt. Die Verwaltung solle aber an den Landkreis Grimma übertragen werden, weil die Stadt Mutzschen völlig damit überfordert war, die Betriebskosten für das Bergwerk aufzubringen.

Da nicht zu erwarten sei, daß der Steiger Bauer zurückkehre, hatte ab 1. Juli 1945 der Steiger Hugo Lössel, vorher Reviersteiger auf der Braunkohlengrube Britania VI bei Teplitz / Teplice, dessen Funktion übernommen. Seine Anstellung wurde im Januar 1946 von der Bergbehörde bestätigt.

Ende 1945 waren auf dem Werk 42 Arbeiter angestellt. Die Brikettpresse wurde zwar gerade repariert, die Nachfrage aber war so groß, daß man zwischenzeitlich auch die Rohkohle vollständig absetze. Man beabsichtigte, mit dem Aufschluß der östlich und nordöstlich gelegenen Feldesteile fortzufahren, der ja schon vor dem Krieg betrieben worden ist. Da diese näher am Förderschacht lagen, seien voraussichtlich auch die Gestehungskosten geringer, als bei den letzten Neuaufschlüssen während der 1940er Jahre.

Bei der nächsten Grubenbefahrung am 11. Februar 1946 wird festgehalten, daß die Verwaltung von der Stadt Mutzschen nunmehr an den Landkreis Grimma übergegangen sei (40030, Nr. 970 und 40027, Nr. 1090).

  

Am 21. Februar 1946 beantragte die Grubenleitung außerdem beim Bergamt, den schon vor längerer Zeit ins Auge gefaßten Neuaufschluß der östlichen Lagerstättenteile, bei dem es um den sogenannten „Lappen“, den 1943 erkundeten und nach Osten bis Nauberg reichenden Abschnitt des Flözes ging, in Angriff nehmen zu dürfen und reichte dafür einen Betriebsplan ein. Dazu fand einen Monat später eine Erörterung mit dem Oberbergamt in Ragewitz statt, in deren Ergebnis die Bergbehörde zunächst das Treiben von Erkundungsstrecken nach Osten genehmigte. Da natürlich die Aus- und Vorrichtung erst einmal nur in begrenztem Umfang Kohlenförderung aus dem Streckenvortrieb bringen konnte, drängte die Bergbehörde zugleich darauf, die noch bestehenden schachtnahen Restpfeiler im Nordwesten bis zum Wetterschacht 2 zügig zum Abbau vorzurichten. Aufgrund der kürzeren Förderwege könne man dadurch kurzfristig auch das Ausbringen erhöhen. Um die Förderung weiter zu erleichtern, empfahl das Bergamt auch, den Förderschacht bis ins Liegende des Flözes zu verteufen, um den Umweg über den Haspelberg untertage einzusparen. Jedenfalls würden schon die im bestehenden Baufeld gesicherten Vorräte von noch etwa 220.000 t Kohle einen Betrieb über etwa 11 Jahre absichern und daher auch finanzielle Unterstützung der Grube durch das Land Sachsen rechtfertigen (40064, Nr. 383).

Am 22. März 1946 genehmigte das Oberbergamt diesen ersten neuen Betriebsplan (40030, Nr. 970 und 40027, Nr. 1090).

   


Anlage 1 zum Gutachten der Bergbehörde vom 26. Juli 1946 mit der Darstellung des 1943 erkundeten „Lappens“ nach Osten. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40064, Nr. 383, Gesamtansicht. Die dunkel eingefärbten Flächen sind diejenigen, in denen die Grube Flora bereits vor 1922 Abbaurechte besaß oder für die sie der Grube zwischen 1922 und 1945 übertragen worden sind. Das Gesetz über das staatliche Kohlenabbaumonopol von 1919 war ja nicht außer Kraft gesetzt. Nach Osten und Südosten wurde die Ausdehnung des Flözes bereits während der Kriegsjahre 1940 bis 1943 erkundet, die hier eingetragenen Bohrpunkte stammen aus dieser Zeit. Die damals vorgesehene Mitgewinnung von Kaolin als Aluminium- Rohstoff hatte man dagegen wieder fallengelassen.

   

In dieser schwierigen Zeit kam es erneut zu einem tödlichen Unfall auf der Floragrube: Am 8. Juli 1946 hatte sich ein Hunt im Wipper (der Entladevorrichtung übertage) verklemmt. Der Abzieher Reinhold Thierbach ist beim Herausziehen des Huntes dann abgerutscht und durch den Trichter bis auf die Hoffläche gestürzt, wobei er sich einen Schädelbruch zuzog. Er wurde zwar noch ins Krankenhaus gebracht, ist dort aber verstorben (40064, Nr. 389).

  

Auf Anordnung der Landesverwaltung Sachsen vom 12. März 1946 wurden dann alle Braunkohle abbauenden und verwertenden Unternehmen in Sachsen zunächst zu einer „Arbeitsgemeinschaft des sächsischen Braunkohlenbergbaus“ zusammengeschlossen. Die von den Kriegshandlungen zum Teil schwer getroffenen Anlagen der AG Sächsische Werke wurden von der sowjetischen Besatzungsmacht nach umfangreichen Demontagen zunächst als Sowjetische Aktiengesellschaften betrieben und nach und nach in Volkseigentum umgewandelt (40128).

Im Juni 1946 fand in Sachsen der Volksentscheid über das „Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes“ statt. Der zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf legte im Artikel 1 fest, diese Vermögen als enteignet zu erklären. Der Artikel 2 des Gesetzentwurfs bestimmte es zum Eigentum der Landesverwaltung Sachsen oder der Selbstverwaltungen der Stadt- und Landkreise sowie der Stadt- und Dorfgemeinden oder auch der Genossenschaften oder Gewerkschaften. In Vorbereitung der Abstimmung wurden Kommissionen aus Partei- und Gewerkschaftsvertretern gebildet, die über die 4.700 in Sachsen beschlagnahmten Betriebe zu befinden hatten. Dabei wurden die Betriebe auf drei Listen verteilt:

  • Liste A: Unternehmen, deren Besitzer durch den Volksentscheid enteignet werden sollten. Von den anfänglich 2.169 in dieser Liste geführten Betrieben standen am Tag des Volksentscheides 1.861 Betriebe zur Abstimmung.
  • Liste B: Unternehmen, die an ihre Eigentümer zurückgegeben werden sollten, weil die Eigentümer als „nicht in erheblichen Maße belastet“ galten. Von den anfänglich 1.931 Betrieben in dieser Liste standen am Tag des Volksentscheides 2.239 Betriebe zur Abstimmung.
  • Liste C: Unternehmen, die vorläufig (meist für Reparationsleistungen) im Besitz oder unter Kontrolle der SMAD verbleiben sollten. In dieser Liste standen 600 Betriebe zur Abstimmung.

Da zahlreiche Parteimitglieder sowie die Parteispitzen von CDU und LDP sicherzustellen suchten, daß nur die „wirklich Schuldigen“ bestraft würden, wurden im Laufe des Monats Juni bis zum Tag des Volksentscheids noch 308 Betriebe von der Liste A auf die Liste B umgesetzt. Bei einer Wahlbeteiligung von über 93% stimmten am 30. Juni 1946 dann mehr als drei Viertel der stimmberechtigten Sachsen für die Enteignung (wikipedia.de).

In einer Niederschrift zu einer Besprechung im Oberbergamt am 21. Juni 1946 wurde in diesem Zusammenhang von Bergrat Ermisch festgehalten, daß die Grube Flora nicht in die Listen A und B der nach dem Volksentscheid zu enteignenden Betriebe aufgenommen werden solle; allerdings sei auch noch ungeklärt, wer sonst die Verwaltung übernehmen solle. Vorläufig habe das Landratsamt Grimma am 24. Juni 1946 den Herrn Herbert Wenk und den Ing. Hermann Barth, beide aus Grimma, zu kommissarischen Treuhändern bestimmt und mit der Verwaltung des Werkes beauftragt (40027, Nr. 1090 und 40175, Nr. 1).

   

Die technische Lage des Werkes verbesserte sich durch die neuen Eigentumsverhältnisse natürlich nicht. Im Oktober 1946 war der noch von Hesse auf durch die Stadt Mutzschen gewährten Kredit angekaufte, neue Dampfkessel noch immer nicht nach Ragewitz geliefert. Stattdessen hatte die Betriebsleitung zwei andere Kessel in Bad Schmiedeberg aufgetrieben, verfügte aber nicht über die nötigen Transportmittel und hatte sich deshalb an die Abteilung Kohle, Treibstoff und Energie bei der Sächsischen Landesverwaltung gewandt. Die hatte aber auch keine Lösung und verwies weiter an die Deutsche Zentralverwaltung der Brennstoffindustrie... (40027, Nr. 1090) Landrat Mädler bemühte sich zwar, einen Kredit von 250.000,- Mark zu beschaffen, um neue Kessel zu finanzieren und die Grube insgesamt auf Vordermann zu bringen, hatte damit bislang aber keinen Erfolg (40064, Nr. 383).

Das erinnert mich beim Lesen der Akten irgendwie an „Karbid und Sauerampfer“...

   

 
 
 

Zum „Notkohlenbetrieb“ 1947 bis 1949

  

Bei weiteren Ortsterminen im Mai und Juni 1946 wurde dem Bergamt berichtet, daß man die Verteufung des Förderschachtes in Angriff nehmen wolle, zunächst aber die Liegendstrecke heranbringe. Mit dieser stehe man bereits knapp 10 m vor dem Schacht. Die dort befürchteten Schwimmsande habe man bisher nicht vorgefunden. Dagegen kam es auf der Erkundungsstrecke nach Osten zu einem Wassereinbruch (40064, Nr. 383).

All dieser Probleme unbenommen forderte die Arbeitsgemeinschaft des sächsischen Braunkohlenbergbaus eine Verdreifachung ( !! ) der Förderung, um die Versorgungsprobleme endlich in den Griff zu bekommen. Das ist angesichts der dokumentierten Situation bei der Floragrube natürlich eine völlig utopische Forderung gewesen…

  

Dieses handgezeichnete Plakat mit dem Aufruf des Gemeinderates zur Mithilfe stammt zwar nicht aus Ragewitz, sondern aus Höfgen und bezieht sich auf die dortige Grube „Franz“. Er illustriert aber anschaulich, wie groß die Not auch zwei Jahre nach Kriegsende noch gewesen ist. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40064, Nr. 490, Abschnitt Höfgen, darin Blatt 10.

  

In dieser Zeit machten sich viele Gedanken, wie der schwierigen Situation Herr zu werden sei. Auch der zu dieser Zeit noch treuhänderisch tätigee Betriebsleiter Wenk wies den Kreistag Grimma in einem Schreiben vom 1. Juni 1947 darauf hin, daß in Ragewitz – nämlich bei der Alinengrube – ein freilich zurzeit ersoffener Schacht existiere, den man wieder in Betrieb nehmen könne (40064, Nr. 594). Eine Abschrift ging an die Landesregierung Sachsen und von dort an die Verwaltung der Kohlenindustrie, die sich am 11. Juli dazu dahingehend äußerte, daß tatsächlich noch je ein Restpfeiler nördlich und südlich der Straße nach Papsdorf bestehe. Die Haspelstrecke war noch intakt, jedoch bis 10 m unter Gelände abgesoffen.

Daraufhin stellte der Kreistag Grimma bei der Verwaltung der Kohlenindustrie am 30. August 1947 den Antrag, diese Restpfeiler abbauen zu dürfen. Der Antrag wurde auch am 29. September genehmigt und am 21. November 1947 von der Landesregierung bestätigt, dabei jedoch auf den Restpfeiler der Alinengrube nördlich der Papsdorfer Straße von etwa 30.000 t Vorrat begrenzt. Die anderen Vorräte sollten später durch die Grube Flora abgebaut werden. Zugleich wurde in diesem Schreiben der Förderzins erlassen.

Da aufgrund des Kammerbruchbauverfahrens mit etwa 40% Verlust gerechnet werden mußte, waren davon eigentlich nur rund 18.000 t gewinnbar. Trotzdem begann die Stadt Mutzschen im Rahmen der Selbsthilfeaktion mit einem „Notkohlenbetrieb“. Dieser Abbau auf dem Flurstück 69d im Tagebau Aline- Nord wurde am 25. November 1947 genehmigt und auch hier war kein Förderzins an das Land Sachsen zu entrichten.

Nach einem Fahrbericht der TBBI vom 12. Januar 1949 erfolgte der Abbau im Tagebau Aline- Nord ausschließlich von Hand und die Abfuhr mit dem Pferdegeschirr. Als Betriebsleiter war Alfred Greiff zuständig, den Steigerdienst versorgte Herr Lössel von der Floragrube mit. Einem weiteren Befahrungsbericht vom 7. April 1949 zufolge bot der Abbau „das typische Bild eines Notkohlenbetriebes.“ Zwar besaß das Kohlenflöz hier mit zwischen 8 m und 9 m recht ansehnliche Mächtigkeit, doch um 5.000 t Kohle zu gewinnen, müßten schon jetzt rund 20.000 m³ Abraum bewegt werden. Da die Abraummächtigkeit nach Norden noch zunahm, wurde die Sache bald zu aufwendig. Schon am 2. Februar 1949 beantragte die Stadt Mutzschen daher bei der Braunkohlenverwaltung in Borna die Schließung des Tagebaus, jedoch ging der Abbau zunächst noch weiter.

Bei einer Befahrung am 13. April 1949 konstatierte ein Inspektor Assmann dann, daß das Abbaufeld ja eigentlich zur Grube Flora gehöre. Am 20. April 1949 beantragte die Stadt Mutzschen daraufhin „infolge der Beanspruchung durch den zonal gesteuerten Betrieb Ragewitz“ (die frühere Flora- Grube) die Einstellung des Betriebes. Die Abbaugenehmigung von 1947 wurde daraufhin zurückgezogen, der Betrieb durch die Stadt Mutzschen per 31. Mai 1949 eingestellt und das Gelände der Floragrube übergeben (40064, Nr. 594).

  


Lageplan des Flurstücks 69d mit dem 1947 begonnenen Notkohlenabbau durch die Stadt Mutzschen. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40064, Nr. 594, Abschnitt Aline-Nord, darin Blatt 46.

   


Ausschnitt aus dem Grubenrißwerk des Braunkohlenwerks Grube Flora auf dem Stand von 1948. Mit Ausrichtungsstrecken hatte man inzwischen auch den Nauberger Weg unterfahren und näherte sich von Nordosten der in Richtung Leipnitz führenden „Landstraße I. Ordnung“ und westlich von dieser der alten Grube Aline; den Durchschlag unter der Straße hindurch dorthin gab es aber noch nicht. Links unten sind einige alte Strecken von der Alinengrube aus nach Norden verzeichnet; dort findet man die Eintragung „Tagebau Stadt Mutzschen“. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40093, Nr. 1036, Aktenbeilage.

   

Zum Abbau des anderen Restpfeilers südlich der Papsdorfer Straße wurde am 1. Januar 1948 ein Kreiseigenes Braunkohlenwerk Ragewitz gebildet und den kommunalen Wirtschaftsunternehmen des Landkreises (KWU) eingegliedert. Nach einem Fahrbericht vom 7. April 1949 waren hier 9 Arbeiter angelegt, die technische Aufsicht versorgte auch hier der Steiger Lössel von der Floragrube mit (40064, Nr. 594). Die technische Ausstattung war höchst bescheiden: Man verfügte gerade einmal über acht der alten Hunte mit je 0,5 m³ Fassungsvermögen.

Nach ihrer Befahrung am 13. April 1949 wurde durch die Herren Weiske und Assmann festgehalten, daß diese Grube seit Januar 1948 wieder in Betrieb stehe und aus dem 6 m bis 8 m mächtigen Flöz 20% Stück- und 80% Klarkohle ausbringe. Eine Betriebssteigerung sei schon aus Mangel an Arbeitskräften nicht möglich.

Auch nach dem Betriebsbericht von Herrn Wenk vom Juli 1949 konnte die Rohkohle nicht mehr abgesetzt werden und es lag bereits so viel auf Halde, „daß ein ungehindertes Auskippen der vollen Wagen nicht mehr möglich war.“ Zeitweise mußte daher der Abbau ganz eingestellt werden (40064, Nr. 490).

Da auch die Förderkosten mit 29,59 M/t ausgesprochen hoch waren, die geförderte Rohbraunkohle 1949 nicht mehr verkäuflich war, andere Verarbeitungsmöglichkeiten hier aber nicht bestanden, beantragte der Kreis Grimma am 14. November 1949 auch die Schließung dieser Grube. Die noch verbliebenen rund 6.000 t anstehender Kohle sollten ebenfalls von der Floragrube abgebaut werden (40064, Nr. 594, 490 und 492). Dabei hatte man erst am 1. August 1949 noch einen Abbauvertrag mit dem Grundbesitzer des Flurstücks 186, Fritz Grieger, geschlossen. Damals wurden übrigens für den Ausfallzeitraum der Fläche 120,- Mark pro Hektar und pro Jahr gezahlt. Die Abwicklung dieser Kosten erfolgte über Herrn Wenk von der Floragrube (20233, Nr. 2198).

Am 14. Dezember 1949 befürwortete auch der Kreistag die Schließung der kreiseigenen Braunkohlengrube in Ragewitz innerhalb der KWU Grimma. Die Einebnungskosten für das aktuelle Bruchfeld solle aber die Flora- Grube übernehmen. Schließlich sei im Gegenzug der nächste Abbau ja schon vorgerichtet, so daß die Flora- Grube nur zum regulären Abbau schreiten müsse (20233, Nr. 2198).

In der letzten eigenständigen Betriebsphase vom 1. November 1948 bis zur Stillegung im Mai 1949 hat man bei Aline- Nord noch einmal knapp über 2.000 t Kohle gefördert und am Ende davon 1.977 t verkauft. Darin enthalten waren auch reichlich 147 t Deputate für die Beschäftigten. Damals konnten übrigens Ledige 4 t und Verheiratete 10 t Kohle im Halbjahr kostengünstiger erhalten (40064, Nr. 492).

Die Stützungsmittelabrechnung durch den Landkreis wurde 1950 von einer Prüfungskommission beurteilt. Deren Bericht vom 25. Juli 1950 kann man entnehmen, daß im letzten Betriebsjahr 1949

Aufwendungen von über 15.000,- Mark nur

Erlöse in Höhe von            4.111,- Mark

gegenüberstanden. Die ungedeckten Beträge wurden damals jedoch innerhalb des Unternehmensverbundes der KWU und in diesem Fall mit den Erträgen der Grube Thierbaum verrechnet (40064, Nr. 490).

   


Rißwerk der Grube Flora aus dem Jahr 1950. Am oberen Bildrand ist der Tagebaueinschnitt des Notkohlenbetriebes Aline- Nord zu sehen. in der Bildmitte die frühere Grube Aline mit der Haspelstrecke nach Süden. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40067, Nr. 1202, Aktenbeilage, Ausschnitt.

   


Ausschnittsvergrößerung aus obigem Grubenbild. Nur die beiden südwestlichsten Bauflächen sind mit den Jahreszahlen 1948 und 1949 beschriftet und wurden in diesen beiden Jahren vom KWU des Landkreises Grimma noch abgebaut. Sie enden nach Süden an der Unbauwürdigkeitsgrenze des Flözes. Nach Südwesten grenzten die früheren Tagebaue an, deshalb stoppte man den Abbau in diese Richtung etwa 10 m vor der Flurstücksgrenze.

  


Braunkohlenkleinstbetriebe Land Sachsen 1948, Betriebe West- und Ostsachsen, Rohbraunkohle. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40064-2 (Risse des Technischen Büros des Bergbaus und der Brennstoffindustrie des Landes Sachsen), Nr. B21920, Gesamtansicht. In der 2.Zeile, Diagramm ganz rechts ist das Ausbringen des Tagebaus Aline Nord im Jahr 1948 dargestellt.

Link zum Digitalisat:  archiv.sachsen.de

   


Ausschnittsvergrößerung aus den Diagrammen oben: mit der monatlich aufgeschlüsselten Förderung einiger Gruben in Westsachsen, u. a. Grube Aline Nord, im Jahr 1948.

   

Die Grafik oben zeigt, daß es 1948 allein in Westsachsen (unter Ostsachsen sind entsprechende Kleinbetriebe in den Lausitzer Revieren aufgeführt) insgesamt 23 solcher Notkohlenbetriebe gegeben hat. Davon hatte nach dieser Statistik nur das Werk in Nenkersdorf kein Ausbringen zu verzeichnen. Die einzelnen Diagramme sind freilich nicht auf den ersten Blick vergleichbar, da die Abszissen unterschiedlich skaliert und an die jeweiligen Fördermengen angepaßt sind. Die grauen Säulen stellen jeweils die Planvorgaben dar, die roten Säulen die tatsächliche Förderung. Wenn wir die Zahlen addieren, kommen wir für den Tagebau Aline Nord und für das gesamte Jahr 1948 auf eine Förderung von 2.934 t Rohkohle.

Es gibt im Staatsarchiv noch eine zweite, gleichartige grafische Zusammenstellung, wie für das Jahr 1948, aus dem Jahr 1950: Braunkohlenkleinstbetriebe Land Sachsen 1950, Betriebe West- und Ostsachsen, Rohbraunkohle. (40064-2, Nr. B21920, Link zum Digitalisat:  archiv.sachsen.de). Da der Abbau aber 1949 eingestellt worden ist, ist die Aline darin schon nicht mehr enthalten.

  

 
 
 

Zum letzten Kapitel bis 1964

  

1951 kam das Braunkohlenwerk Grube Flora bei Ragewitz als Betriebsteil zur Gewerkschaft Leipzig- Dölitzer Braunkohlenwerke, der darüber hinaus auch der VEB Braunkohlenwerk Leipnitz eingegliedert war (40184).

Bereits infolge des Gesetzes über die Überführung von Bergwerken und Bodenschätzen in das Eigentum des Landes Sachsen vom 8. Mai 1947 wechselte auch die Gewerkschaft Leipzig- Dölitzer Kohlenwerke, der das Werk in Ragewitz, zusammen mit dem ebenfalls noch in Betrieb stehenden Werk in Leipnitz zugeschlagen wurde, ihren Rechtsträger. An die Stelle des Rates der Stadt Leipzig trat hier sofort die Verwaltung der Kohlenindustrie Sachsen, später die Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Braunkohle in Borna (40128).

Unter Berufung auf den Befehl Nr. 124 wurde das Braunkohlenwerk Grube Flora bei Ragewitz am 1. Juli 1948 dann doch noch enteignet und zum 8. Januar 1949 in Volkseigentum überführt (40184). Bis zum 28. Juni 1948 haben die Herren Wenk und Barth ihre Funktion als Treuhänder ausgeübt (40175, Nr. 1). Danach mußten die im April 1948 gebildete VVB Braunkohle die Betriebsleiterfunktionen ‒ hinsichtlich der Bestellung als verantwortliche Personen gegenüber der Bergbehörde ‒ neu regeln. Herr Barth schied daraufhin 1948 aus seiner Funktion aus, während Herr Wenk zum Betriebsleiter bestimmt wurde. Die kaufmännische Leitung übernahm Herr Friedrich (40175, Nr. 5).

  

Die in diesen Quellen zu findenden Betriebspläne für die folgenden Jahre umfassen leider in erster Linie die Kostenrechnungen ‒ wofür der kaufmännische Leiter (wie wir das auch von unseren Recherchen zur Braunkohlengrube in Tettau schon kennen) sage und schreibe 54 Formulare auszufüllen hatte ‒ und sagen dagegen so gut wie nichts über die technische Betriebsführung aus (40175, Nr. 5 bis Nr. 8). Immerhin ist diesen zu entnehmen, daß die Rohkohle 1949 zu einem Preis von 9,86 Mark pro Tonne gefördert und daraus für 24,67 Mark die Tonne Briketts erzeugt worden sind. Die Verkaufspreise waren dagegen staatlich festgelegt und lagen dagegen bei 3,19 Mark pro Tonne Rohkohle und bei 15,08 Mark pro Tonne Briketts.

Die Ergebnisrechnung für das Jahr 1949 sagt demzufolge aus, daß man in diesem Jahr bei Selbstkosten von etwa 314.600,- Mark einen Erlös nach Abgabepreisen von gerade einmal 126.800,- Mark erzielte, was selbst unter Einrechnung von staatlichen Preisstützungen einen Verlust von 197.200,- Mark bedeutete. Wäre die Kohle ‒ besonders in den sehr kalten „Hunger- Wintern“ ‒ nach 1945 nicht so dringend benötigt worden, niemand hätte wohl diese kleinen Braunkohlenwerke noch weiter betrieben...

  

Näheres zur technischen Betriebsführung ist in den Unterlagen der Bergbehörde Borna zu finden (40067, Nr. 1202). Der Betriebsplan der Flora- Grube für das Jahr 1949 paßte damals noch auf eine A4-Seite, wurde am 24. März 1949 abgesandt und am 14. Mai des Jahres zugelassen. Endlich sollte es nun zum Einbau des neuen Dampfkessels kommen. Dagegen hatte man noch immer keine Akku-Lok für die Streckenförderung auftreiben können – die einzige maschinelle Förderung war nach wie vor die am Haspelberg und im Förderschacht der Flora- Grube. Die Gewinnung erfolgte noch immer nur „von Hand.“

Der Fahrbericht vom 16. Juli 1949 sagt aus, daß man bereits begonnen hatte, eine Doppelstrecke in Richtung Süden zu treiben, mit der man den Anschluß der Grube Aline- Nord beabsichtigte. Da damit die Ragewitz- Leipnitzer Straße unterfahren werden mußte, wofür noch gar keine Genehmigung der Bergbehörde vorlag, wurde der Weiterbetrieb dieser Streckenörter erst einmal untersagt. Vom Tagebau aus habe man ferner ein Gegenort angeschlagen, das noch völlig ohne Ausbau sei. Auch das war natürlich dem Mangel geschuldet, aber so nicht zulässig.

Zum Tagebau Aline- Nord heißt es in diesem Fahrbericht, er werde noch immer von der Stadt Mutzschen betrieben, sei jedoch „bis zum letzten Stadium ausgekohlt.“ Die fast senkrechten Tagebaustöße dort seien unverzüglich abzuschrägen und eine Absperrung zu errichten. Außerdem stellte man fest, daß die angrenzenden Feldeigentümer auf eigene Rechnung Sand abbauten. Auch das wurde aus Sicherheitsgründen sofort untersagt.

Ein weiterer Fahrbericht vom 1. August 1949 gibt an, daß bei Flora 6 Brüche und 5 Streckenörter belegt waren. Die Erkundungsstrecke nach Osten hat leider keinen Erfolg erbracht: In diese Richtung keilte das Flöz aus. Beanstandungen hinsichtlich des Grubenbetriebes gab es nicht.

Bei der Besichtigung der „Abbaustelle der Stadt Mutzschen“ war dagegen zu bemängeln, daß die inzwischen angelegten Bermen in den Tagebaustößen noch immer zu schmal waren. Angelegt waren hier 7 Arbeiter, die noch etwa 150 t Rohkohle pro Monat gewannen.

Weiteren Fahrberichten der Bergbehörde Borna vom Oktober und November 1949 ist zu entnehmen, daß eine weitere Kesselreparatur erforderlich war und bis zum 18. Oktober 1949 abgeschlossen werden konnte. In der Zwischenzeit stand nicht nur die Grube, sondern auch die Brikettpresse praktisch still. Als Notbehelf beschaffte sich die Betriebsleitung eine alte Drainagerohrpresse ohne Mittelbolzen, mit der man runde Preßlinge herstellte.

Inzwischen war auch die Genehmigung der Straßenunterfahrung nach Süden eingegangen und die Strecke in Richtung Aline zum Durchschlag gebracht worden. Damit verbesserte sich besonders die Bewetterung der Grube deutlich. Im Bereich der Straßenunterquerung wurde die Förderstrecke noch ausgemauert.

Der Notkohlenbetrieb der Stadt Mutzschen wurde – wie oben schon zu lesen stand – 1949 eingestellt. Am 11. Januar 1950 teilte die VVB Braunkohle Borna der Technischen Bergbauinspektion (TBBI) mit, daß man nun die Grube Aline- Nord übernommen habe. Da sich die Flözverhältnisse bei Flora sehr verschlechtert hätten, sei man gezwungen gewesen, nun auch wieder bei Aline in zwei Brüchen untertage abzubauen, um die Förderung aufrechterhalten zu können und bat dafür um vorläufige Betriebsgenehmigung. Die Arbeiter von Aline- Nord habe man übernommen, ein Betriebsplan werde noch nachgereicht (40067, Nr. 1202).

Aus den Fahrberichten der Bergbehörde aus dem Jahr 1950 erfährt man noch, daß das Flöz bei Aline rund 3 m tiefer als bei Flora lag, wodurch man beim Durchhieb auf das Gegenort das Hangende angefahren habe. Die Strecke verlief in diesem Bereich in etwa 13 m bis 19 m Tiefe unter Gelände; darunter lagen noch 2,0 m bis 3,5 m Kohle. Sonst war bergbaulich aber am Grubenbetrieb nichts auszusetzen.

Allerdings gab es Ende 1949 gleich wieder einen Kesselschaden, weswegen der Betrieb bis 17. Januar 1950 erneut zum Stillstand kam. Anfang Januar 1950 erfolgte dann endlich auch der Umbau der Dampfkessel (40093, Nr. 189 und 40067, Nr. 1288).

  

Bei Aline waren 1950 zwei Brüche und ein Streckenort belegt. Der Abbau dort erwies sich als besonders schwierig, weil überall „eine ziemlich starke Holzdurchsetzung“ in der Braunkohle bestand, ganze Baumstämme die Gewinnung erschwerten und verstärkten Ausbau notwendig machten.

Der Betriebsplan für 1950 (40067, Nr. 1202) sah eine Förderung von 28.000 t und die Erzeugung von 6.000 t Briketts vor. Bei Aline werde derzeit nur Klarkohle für die Briketterzeugung ausgebracht. Auf der rund 800 m langen Verbindungsstrecke zwischen der Flora- und der Alinen- Grube sollte ab Herbst nun endlich Lokbetrieb eingerichtet werden. Ein eigener Generator sollte zukünftig auch die Probleme ständiger Schwankungen im Elektroenergie- Versorgungsnetz lösen. Als Aufsichtspersonal waren benannt:

  • Betriebsleiter: Herbert Wenk
  • Steiger: Hugo Lössel
  • Fahrgehilfen: Ernst Greif, Arno Schuricht und Otto Altenburger

   

Nicht zuletzt plante man auch den Umbau des Brikettstapelschuppens, um für die Belegschaft eine neue Kaue mit Sozialräumen zu schaffen (40067, Nr. 1202). Das war auch im Investitionsplan verankert. Damit käme nun auch das schon 1944 von der Bergbehörde beklagte Fehlen vernünftiger Waschgelegenheiten für die Kohlekumpel endlich zur Erledigung. Schließlich waren jetzt wieder 58 Mann auf der Grube angelegt, davon 15 Häuer untertage (40175, Nr. 4 und Nr. 5).

  


Teilausbau des vorhandenen Stapelschuppens auf dem Werksgelände. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40067, Nr. 1202, Aktenbeilage, Gesamtansicht.

    

Unter diesen Bedingungen wurden im Jahr 1950 in Ragewitz von am Ende sogar 67 Mitarbeitern, davon 14 Häuer untertage (nach dem Formular für den Arbeitskräfteplan) wieder 29.100 t Rohbraunkohle gefördert. Sie setzte sich jetzt zu 4% aus „Knorpelkohle“, zu 21% aus „Brennereikohle“ und zu den übrigen 75% aus Siebkohle zusammen. Letztere wanderte in die Brikettpresse und ergab 6.300 t Briketts. Die Planvorgaben konnten damit übererfüllt werden (40175, Nr. 5 bis Nr. 8).

  


Betriebsplan des Braunkohlenwerkes Grube Flora in Ragewitz 1950, gut zu sehen der mit rot- weiß unterbrochener Linie eingezeichnete Verlauf der E-Lok-Strecke und die geplanten Abbaufelder für 1950 (rot schraffiert). Man erkennt gut, daß der Abbau jetzt von den (abgebauten) Feldgrenzen her rückschreitend auf den Flora- Schacht zu fortschritt. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40067, Nr. 1202, Aktenbeilage, Gesamtansicht.

   

Ferner beabsichtigte man, ab 1950 nun auch eine Erkundungsstrecke von der Aline aus nach Süden in das „Nauberger Feld“ vorzutreiben. Um diesen Feldesteil mit der Lok vom Floraschacht aus erreichen zu können, sah der Betriebsplan vor, eine Förderbrücke über den Tagebau Aline zu errichten.

Dieser schon lange angedachte Neuaufschluß des Nauberger Felds sollte 1950 nun endlich in Angriff genommen werden (40093, Nr. 1036). Dr. Oelsner von der Geologischen Landesanstalt in Leipzig hatte 1947 ein weiteres Gutachten erstellt, nach welchem die abbauwürdige Fläche zwischen Ragewitz und Nauberg 429 ha umfasse und das Braunkohlenflöz innerhalb dieser Fläche im Durchschnitt 3,54 m Mächtigkeit besäße. Daraus errechnete sich ein wahrscheinlich gewinnbarer Vorrat von 15 Millionen Tonnen. Das Verhältnis zwischen der Mächtigkeit der Hangenddecke und der Flözmächtigkeit war mit im Mittel 7:1 dabei aber zu groß, um die Kohle im Tagebau rentabel fördern zu können.

Wie die daraufhin im Jahr 1949 erfolgten Bohrungen zeigten, war dieses potentielle Abbaufeld jedoch in der Mitte durch eine etwa Nord- Süd- streichende Aufwölbung in zwei Teilmulden unterteilt. Während man innerhalb der Mulden bis zu 5,3 m mächtig anstehende Braunkohle erbohrt hatte, sank die Mächtigkeit des Flözes auf dem Sattel dazwischen bis 2,7 m ab, was sie dort unbauwürdig machte. Von den 1947 ursprünglich erwarteten 15 Millionen Tonnen seien aber immerhin 3,94 Millionen Tonnen wirtschaftlich gewinnbar.

  


Lageplan zu den 1949 vom Oberbergamt in Freiberg veranlaßten Bohrungen südlich und östlich der ehemaligen Grube Aline. Darin rot umrandet sind wieder diejenigen Flächen dargestellt, in denen das Abbaurecht ursprünglich von F. A. Schippan erworben wurde oder ab 1922 der Grube Flora übertragen worden ist. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40093, Nr. 1036, Aktenbeilage, Gesamtansicht. 

  


Beilage zur Aufschlussplanung für das Nauberger Feld aus dem Jahr 1950. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40093, Nr. 1036, Aktenbeilage, Gesamtansicht. 

  

Auf diesen Grundlagen plante die Braunkohlenverwaltung Borna 1950 den Aufschluß dieses Baufeldes (40093, Nr. 1036). Zuerst sollte nur die westlich des Sattels gelegene Mulde abgebaut werden und parallel die Vorrichtung der östlichen Mulde erfolgen. Für diese wäre ein Paar neuer Förderstrecken notwendig, welches dann aber den untertägigen Transportweg vom Flora- Schacht aus auf 2,23 km verlängert hätte. Schon jetzt waren die beladenen Züge mit je 10 Hunten von Aline bis Flora, einschließlich des Umsetzens der Zuglok, bei 9 km/h volle 36 Minuten unterwegs. Die Leerzüge zurück fuhren mit bis zu 18 km/h etwas schneller. Deshalb sollte im Ostteil des Nauberger Feldes in jedem Falle mindestens ein neuer Schacht geteuft, vielleicht sogar ein ganz neues Brikettwerk errichtet werden, oder aber zumindest die Umsetzung der Technik aus Ragewitz dorthin erfolgen, so daß man diesen doch ziemlich aufwendigen Plan noch hintenanstellte.

Die westliche Mulde wollte man aber noch von der früheren Grube Flora aus abbauen. Alternativ zur Streckenförderung untertage wurde auch an eine übertägige Lorenbahn oder gar an eine Hochseilbahn gedacht. Die erforderlichen Investmittel für die Erschließung der Westmulde mit den bestehenden Mitteln wurden mit gerade einmal 75.000,- Mark unseres Erachtens auch für damalige Verhältnisse ziemlich knapp berechnet.

Bei weiterhin etwa 30.000 t Förderung jährlich rechnete man mit einer Betriebsdauer dieses Feldes von 72 Jahren. Sie wäre also just im Jahr 2022 zu Ende gegangen…

  

Herr Friedrich ist schon im Vorjahr zum Oberbuchhalter und 1951 zum „Planungsleiter“ befördert worden. Als Hauptbuchhalter stand ihm jetzt ein Herr Harnisch zur Seite. Die Belegschaftszahl insgesamt ist jedoch wieder auf nun 59 Mitarbeiter etwas abgesunken. Davon waren

  • 41 Produktionsgrundarbeiter, davon wiederum
  • 34 untertage tätig, davon
  • 12 ausgebildete Häuer.

Der Abbau erfolgte im Jahresdurchschnitt jeweils zeitgleich auf 5 Streckenörtern und 5 „Arbeitsörtern“. Das Ausbringen hatte sich auf 5,7 t bis 6,4 t pro Mann und Schicht erhöht. Auch die Batterieloks waren inzwischen in Betrieb.

Dabei handelte es sich um eine Lok des Typs GB 1/II/a/420 mit 420 mm Spurweite und 2,5 t Eigengewicht. Angetrieben wurde sie von zwei 76 Volt- Motoren mit je 2,6 kW Leistung. Sie erreichte im (beladenen) Zugbetrieb eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 km/h. Ab April 1951 war sie zum Routinebetrieb übergegangen und zog auf der inzwischen etwa 900 m langen Strecke zwischen Aline und Flora nun jeweils 10 Hunte.

Die Fahrberichte der Bergbehörde Borna aus diesem Jahr blieben ohne nennenswerte Beanstandungen des Grubenbetriebes. Bei Aline waren zwei Arbeiter mit der Gewältigung der alten Schippan’schen Straßenunterfahrung nach Süden beschäftigt. Dies wurde von der Bergbehörde zunächst aber wieder gestoppt, da die Investitionsmittel für den Neuaufschluß ja noch gar nicht genehmigt waren (40067, Nr. 1202).

Mit 31.886 t Rohkohleförderung und einem Ausstoß von 7.847 t Briketts hatte das Werk in diesem Jahr den absoluten Höchststand seiner Produktion erreicht. Die Vorgabe der staatlichen Plankommission von 33.000 t Förderung und 8.000 t Briketts wurde damit jedoch nicht ganz erreicht und für das Folgejahr wieder etwas gesenkt (40067, Nr. 1202). Im Folgejahr 1952 lag die Förderung mit 30.283 t zwar weiter im selben Niveau, der Spitzenwert des Jahres 1951 wurde aber nie wieder erreicht (40175, Nr. 5 bis Nr. 8).

   

Um die Förderung auf hohem Niveau zu halten, machte man sich auch über die Art und Weise der Gewinnung Gedanken. Ein Betriebsplannachtrag für das Jahr 1951 sagt aus, daß man bisher die Brüche nur einseitig jeweils zum alten Mann hin angelegt habe. „Wie im Meuselwitzer Revier seit langem üblich,“ wolle man sie nun zweiseitig aushauen, wodurch die Brüche zwar eine kürzere Lebensdauer hätten, aber auch größer angelegt werden könnten. Dadurch verringerten sich auch Abbauverluste durch die notwendigerweise stehenzulassenden Pfeiler, die während des Abbaus die Last des Hangenden aufnehmen müssen (40067, Nr. 1202).

  


Anlage zu einem Betriebsplannachtrag für das Jahr 1951: Schemazeichnung des zweiseitigen Bruchbaus, oben Schnitt, unten Grundriß. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40067, Nr. 1202, Aktenbeilage, Gesamtansicht.

   

Da der Neuaufschluß des Nauberger Felds vorerst zurückgestellt blieb, befand sich der Abbau bei der Flora- Grube schon seit Anfang der 1950er Jahre im Rückbau (40067, Nr. 1202). Von den äußeren Ausrichtungsgrenzen her baute man rückschreitend auf die Schachtanlage zu die noch vorhandenen Restpfeiler ab. Dabei näherte man sich den bebauten Flurstücken in der Ortslage zum Teil bis auf nur noch 10 m. Die VVB Kohlenindustrie beantragte daher am 13. Januar 1953 bei der TBBI Festlegungen zur Ausdehnung der Sicherheitspfeiler. In diesem Antrag kann man lesen, daß der Abbau sich nun „in Richtung zum Ort Ragewitz, dessen östlicher Teil auf Kohle steht,“ bewege. Der Abbau erfolge wie bisher im Kammerbruchbau- Verfahren in einem Verhieb (ohne zweite Sohle) bei einem Flözausbringen von 60% und: „Die Auswirkungen des Abbaus auf die Tagesoberfläche bestehen zum geringen Teil aus Pingen, zum größeren Teil in Absenkungen mit terrassenförmigen Rissen.“

Bei der Bestimmung der Breite der Sicherheitspfeiler wurde zugrundegelegt, daß beispielsweise in der Nähe der Ragewitzer Kirche die Geländehöhe 225,18 m beträgt und die Streckensohle dort in 207,01 m Höhe liegt. Würde die gesamte Flözmächtigkeit von hier 7,10 m ausgehauen, läge die Firste der Abbaue bei 214,11 m über NN; folglich verbleiben nur noch 11,07 m Deckgebirge. Das ist wahrlich nicht viel und zudem ist das Hangende ja nur aus Lockergestein zusammengesetzt. Deshalb wurde ein – für die Art des Hangenden nicht untypischer, gegenüber dem Erzbergbau jedoch sehr flacher – Bruchwinkel von 55° angesetzt und daraus die Breite der Sicherheitspfeiler bestimmt (40067, Nr. 1202).

  

Da der Braunkohlentiefbau, in dem die drei Werke der Gewerkschaft Leipzig- Dölitzer Kohlenwerke abbauten, zunehmend unrentabel geworden war, verfügte der Ministerrat der DDR Anfang der fünfziger Jahre deren Stillegung, die aber erst Mitte der 1960er Jahre überall abgeschlossen war (40184).

Bereits 1950 hatte die Hauptverwaltung Kohle in Berlin diesbezüglich entschieden, daß für den Braunkohlenabbau im Tiefbau wegen Unrentabilität gegenüber den Tagebau- Großbetrieben keine Investitionsmittel mehr bereitgestellt werden sollen (40093, Nr. 1093). Die Braunkohlenverwaltung in Borna nahm deshalb am 4. Januar 1954 zu den Plänen zum Neuaufschluß des Nauberger Feldes erneut Stellung und verwarf diese unter Berufung auf den Beschluß aus Berlin nunmehr endgültig. Für den vorläufigen Fortbetrieb der Grube Ragewitz spreche ausschließlich die Brennstoffarmut der umliegenden Landkreise Oschatz, Döbeln und Grimma in Verbindung mit dem immer noch unzureichenden Transportnetz. Deshalb sollte der Tiefbau Ragewitz – jedoch erst nach vollständiger Auskohlung – stillgelegt werden. Auch die Vorratsberechnung für das benachbarte Werk in Leipnitz reiche nur noch für weitere sechs Jahre.

   

Die Betriebspläne für die folgenden Jahre bis 1956 (40067, Nr. 1202) stimmen fast wortgleich miteinander überein – lediglich die Lage der noch abzubauenden Restpfeiler auf den Kartenbeilagen wanderte immer weiter nach Norden. 1953 wurden noch einmal 30.282 t Rohkohle gefördert; für die weiteren Jahre sind aber leider nur noch Angaben zur Planerfüllung in den Akten angeführt. Da die dazugehörigen Planvorgaben nicht auch aufgeführt sind, kann man leider daraus nicht auf die tatsächliche Förderung zurückrechnen und es ergeben sich wieder einmal Lücken in unserer Statistik.

Ein Fahrbericht des Bergrevierinspektors Burkhardt vom 23. März 1955 blieb ohne bemerkenswerte Beanstandungen.

  


Rissbeilage zum Betriebsplan 1955, darin wieder rot schraffiert die für den Abbau im Jahr 1955 vorgesehenen Feldteile. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40067, Nr. 1202, Aktenbeilage, Gesamtansicht. 

   

Die offizielle Mitteilung über die Stillegung des Werkes in Ragewitz vom VEB Braunkohlenwerk Dölitz an die TBBI in Zeitz erfolgte am 11. August 1955. Der Stillegungsplan sah vor, daß alle Straßenunterfahrungen zu versetzen waren, Streckenkreuze mit Holzpfeilern ausgesetzt werden müssen und alle sonstigen Strecken geflutet werden können. Wie in der DDR üblich, wurde danach das Bergwerkseigentum an die örtlichen Kommunalverwaltungen rückübertragen. Um dies der Ortschaft schmackhaft zu machen, enthielt der Stillegungsplan noch den Vorschlag: „Die auf dem Werksgelände befindlichen Schächte werden mit einem Rost versehen und der Gemeinde zur Asche- oder Müllabfuhr zur Verfügung gestellt. Sollte davon kein Gebrauch gemacht werden, sind sie zu verfüllen.“ (40067, Nr. 1202) So einfach ging das damals…

  

Das Ende kam in Ragewitz jedoch noch nicht gleich:

Am 19. Mai 1956 informierte der jetzige VEB Braunkohlenwerk Dölitz nämlich die TBBI, daß das Werk in Ragewitz auf eine Anweisung der Hauptverwaltung Kohle in Berlin hin der „Versuchsstrecke Freiberg“ übergeben werden solle. Dabei handelte es sich eigentlich um das Zentralinstitut für Explosionsbekämpfung im Bergbau und in der Industrie, damals mit Sitz auf der Reichen Zeche in Freiberg. Ragewitz sollte eine Außenstelle des Instituts werden. Institutsdirektor war 1957 der Herr Dr. Hanel.

Am 25. Juli 1956 wurde der Grube Flora in Ragewitz auch von der TBBI bestätigt, daß die Brikettfabrik der Versuchsstrecke Freiberg „für Verpuffungs- und Explosionsversuche“ übereignet werden solle. Um die benötigte Einsatzkohle zu gewinnen, übernehme diese auch den Grubenbetrieb. Für das Jahr 1957 waren hier u. a. folgende Forschungsvorhaben geplant:

  • Untersuchungen über den Einfluß des Wasserdampfgehaltes der Raumluft auf die Entstehung und Ausbreitung von Braunkohlenstaub- Verpuffungen,
  • Untersuchungen über die Entzündlichkeit von Brikettierkohle in einem Röhrentrockner bei verschiedenen Trocknungsbedingungen und
  • Untersuchungen über das Eindämmen und Ersticken von Aufflammungen und Verpuffungen in den Fördereinrichtungen von Braunkohlen- Brikettfabriken.

Nicht wenige Unglücksfälle der zurückliegenden Jahrzehnte in den Großanlagen machten solche Forschungen notwendig und so etwas konnte man nun mal nicht nur theoretisch am Schreibtisch erforschen, sondern mußte es auch mal praktisch im Großversuch ausprobieren.

Daraufhin teilte am 9. August 1956 der VEB Braunkohlenwerk Dölitz, Betriebsabteilung Ragewitz, der TBBI mit, daß die Versatzarbeiten im Süden bei Aline noch beendet worden seien. Die weiteren Versatzleistungen würde man in Anbetracht der beabsichtigten Übergabe jedoch aussetzen.

Wahrscheinlich saßen im Institut in Freiberg zu dieser Zeit wirklich nur Theoretiker und Maschinenbauer, denn sonst wäre die Anfrage an die TBBI unterblieben, ob man für den verbleibenden, bescheidenen Untertagebetrieb eigentlich einen Betriebsplan brauche. Die Antwort der TBBI fiel entsprechend aus und kam am 18. Februar 1957 an. Am 5. April d. J. traf man sich zu einer Besprechung zu den Inhalten des neuen Betriebsplanes. Zu dieser Zeit war schon festgelegt, daß Herr Wenk Betriebsleiter bleiben solle und daß 15 Arbeiter übernommen werden. Der Betriebsplan für 1957 wurde dann bis zum 10. August 1957 wieder von Herrn Wenk erstellt und gleicht dem vorangegangenen daher auch wieder fast wörtlich. Neu war nur das Kapitel „Planung“, in dem kurz auf die Forschungsvorhaben „in der Brikettfabrik und Untertage“ eingegangen wurde (40067, Nr. 1202).

Außerdem beantragte man vorsichtshalber eine Ausnahmegenehmigung für den Transport von Verletzten in der Förderschale. Könnte in Anbetracht der Art der Forschungen ja mal nötig werden… Die weiteren Akten der Bergbehörde in Borna befassen sich naturgemäß nur mit bergbaulichen Fragestellungen, so daß wir über den Umfang und die Ergebnisse der danach in Ragewitz durchgeführten Forschungsarbeiten hier nichts berichten können.

  

Der Abbau ging jedenfalls von vorher bis zu 30.000 t jährlich auf nun unter 5.000 t im Jahr zurück und wurde nur noch für den Eigenbedarf und für Deputate verwendet. Laut dem Betriebsplan für das Jahr 1958 wurden damals noch Restpfeiler unter den Flurstücken 48 und 49, etwa 500 m entfernt vom Förderschacht, abgebaut (40067, Nr. 1120).

Der geringe Umfang und die drastisch gesunkene Untertagebelegschaft führte unweigerlich auch dazu, daß Probleme auftraten. So war am 10. April 1958 ein Wassereinbruch in der Grube zu vermelden. Als Ursache stellte sich in diesem Fall aber heraus, daß der Bauer Otto Stein aufgestautes Tauwasser einfach mittels eines Grabens in das Bruchfeld geleitet hatte. Das suchte sich natürlich einen Weg und lief in die Grube, wo eine Förderstrecke auf etwa 50 m Länge völlig verschlammt wurde. Wieder einmal hatte die Grube aber Glück im Unglück, da der Wasserdurchbruch in der nicht belegten Nachtschicht eingetreten ist. Bei der Kontrolle durch die TBBI wurde konstatiert, daß die übertägige Absperrung des Bruchfeldes in Ordnung und auch das Betretungsverbot ausgeschildert war. Für den Verursacher ging es mit einer Ermahnung ab.

Bei der turnusmäßigen Befahrung im Mai 1958 fand Inspektor Burkhardt dann aber auch, daß das Dach des Schachtgebäudes Sturmschäden aufwies, der Schacht selbst unverschlossen war und die Schachtklappen Löcher hatten, was natürlich des geringen Bergbauumgangs unbenommen von der Betriebsleitung in Ordnung zu halten war.

Im Februar 1960 kam es zu einer Absenkung im Bereich des Nauberger Wegs. Bis April war die Straße gesperrt, dann war die Ausbesserung abgeschlossen.

Am 8. April 1960 mußte die Betriebsleitung dann an die TBBI melden, daß man im Mannschaftsraum übertage Mauerrisse festgestellt und daraufhin die darunter liegenden Grubenbereiche kontrolliert habe. Dabei war zu konstatieren, daß die Sumpfstrecke am Schacht gar nicht, wie eigentlich in den Unterlagen ausgewiesen, vollständig ausgemauert war. Unmittelbar neben der Hauptwetterstrecke und unweit des Förderschachtes hatte sich ein rund 18 m³ großer Hochbruch gebildet und die Massen hatte es in die Sumpfstrecke gespült. 1961 sollte der Hohlraum angebohrt und verfüllt werden.

1960 wurden für den Eigenbedarf noch 4.354 t Kohle abgebaut. Der Betriebsplan für 1961 sah noch Abbau von Restpfeilern an der Nordostseite der Nauberger Straße in etwa 375 m Entfernung vom Schacht vor.

Der Fahrbericht des Inspektors Burkhardt vom 13. Juli 1961 machte wieder auf eine Reihe von groben Mängeln aufmerksam: Da der Versatz nicht zügig genug durchgeführt werde, seien bereits Streckenbrüche eingetreten. „Der Abziehboden liegt voller Gerümpel,“ monierte Herr Burkhardt, die Seilscheiben seien voll altem Fett und die anfahrende Mannschaft trüge keine feste Kopfbedeckung. Bis Ende des Jahres hatte die Betriebsleitung „Schachtkappen“ für alle zu besorgen (40067, Nr.1120).

Anfang der 1960er Jahre wurde das Zentralinstitut für Explosionsbekämpfung im Bergbau und in der Industrie in Freiberg umstrukturiert und die Versuchsstrecke wurde um 1962 dem Institut für Grubensicherheit (IfG) in Leipzig angegliedert (40067, Nr. 219). Unter dessen Zuständigkeit wurde der Betrieb zunächst fortgeführt.

So ganz klar, wie lange noch, ist das aber nicht, denn aus der Akte geht hervor, daß die Versuchsstrecke Freiberg ihre Forschungsarbeiten in Ragewitz schon am 24. August 1962 eingestellt habe. Am 3. September 1962 ist es danach zu einer vorläufigen Nutzungsübertragung an den Landkreis Grimma gekommen. Während die Brikettfabrik schon abgeworfen war und die Übertageanlagen anderweitig genutzt worden sind, blieb der Tiefbau für die „Eigenbekohlung“ – offenbar jetzt also wieder unter der Rigide des Landkreises – noch weiter bestehen.

1961 hat man dabei nochmals 4.158 t Kohle ausgebracht und 160 t Briketts produziert.

   


Betriebsriß zum Betriebsplan für das Jahr 1962. Rot umrandet das für dieses Jahr vorgesehene Abbaufeld. Es handelte sich nur noch um einen weiteren Zwickel beiderseits der Lokstrecke zwischen dem abgebauten Feld östlich und der Bebauung westlich. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40067, Nr. 219, Aktenbeilage, Ausschnitt.

    


Eine kleine räumliche Zusammenfassung: In dieser Grafik haben wir kurz vor dem Ende der historischen Kapitel unseres Beitrages einmal versucht, die (außer der oben schon mehrfach verwendeten Verleihkarte aus den 1920er Jahren) noch vorhandenen Grubenrisse in die heutige Topographie einzupassen. Wie immer gelingt dies nur bedingt, gibt uns aber doch eine ganz gute Übersicht, wie weit sich der Braunkohlentiefbau rund um Ragewitz bis Ende 1955 ausgedehnt hatte und was die Planung im Jahr 1950 (rechts unten hinterlegte Karte) noch vorgesehen hatte.

   

Jedenfalls wurde die Grube in Ragewitz per 30. Juni 1964 endgültig stillgelegt.

Zuvor hatte das IfG im zweiten Halbjahr 1963 beim Volkspolizei- Kreisamt sogar noch eine Sprenggenehmigung beantragt, um insgesamt 7 Streckenkreuze abseits der Ortslage – statt sie zeitaufwendig zu versetzen – zubruch zu schießen. Am 1. Juli 1964 meldete das IfG der Bergbehörde in Borna dann, daß alle Versatzarbeiten untertage nun beendet seien. Beide Schächte habe man mit Asche verfüllt, der Wetterschacht habe zudem eine Abdeckung durch ein Schienengitter und eine Betonplatte erhalten. Beim Förderschacht habe man nur ein Schienengitter eingebaut, da hier für die Nachnutzung des Gebäudes Umbauten vorgesehen seien. Am 26. August 1964 hat das IfG schließlich der Bergbehörde in Borna auch noch mitgeteilt, daß alle Bruchfelder eingeebnet und damit auch der übertägige Rückbau nunmehr abgeschlossen sei.

Daraufhin wurde das Gelände an den Landwirtschaftsrat des Kreises Grimma übertragen. Der wiederum bestätigte der Bergbehörde am 8. September 1964, daß „das Versatzkommando Ragewitz verlassen hat… und keine Materialien oder Gerätschaften des IfG in Ragewitz mehr vorhanden sind.“ Die Rechtsträgerschaft habe man der LPG „Frischer Mut“ in Ragewitz übertragen.

  

Am 7. Mai 1968 meldeten die Gemeinde Ragewitz und die Kreisplankommission des Kreises Grimma dem IfG in Leipzig Absenkungen, verbunden mit Tümpelbildung, auf den Feldflächen östlich der Nauberger Straße. Auch meldeten einige Bewohner Wasserzutritte in ihren Kellern.

In seiner Stellungnahme vom 21. Juni 1968 antwortete das IfG zwar, „es ist nicht ausgeschlossen, daß die Absenkungserscheinungen auf den früher… dort vorgenommenen Abbau zurückzuführen sind.“ Gegenüber der Bergbehörde Borna wies man jedoch sogleich am 7. Mai alle Verantwortung von sich: „Dem können wir uns nicht anschließen, zumal die Versatzarbeiten unter Ihrer Überwachung stattgefunden haben und die Bergbehörde diese Arbeiten ordnungsgemäß abgenommen hat.“

Wie diese Sache ausgegangen ist und wer die Fläche erneut eingeebnet hat, geht aus der Akte leider nicht mehr hervor.

   


Eintragung der Lage des Senkungskessels von 1968 (im Ausschnitt rechts an der Nordostseite des Nauberger Wegs) auf dem Betriebsriß. Die Bleistifteintragung neben der römischen
III lautet „neu gebildeter See“, die Zahl gibt vermutlich die Fläche 2.180 m² an. Bei der Zone I mit zirka 5.100 m² heißt es: „geringfügige Absenkungen etwa 1.00 m tief“, und bei der mit 6.360 m² größten Zone II steht „Absenkung z. T. 2 - 3 m tief“. In diesen beiden Teilbereichen fand nach den Eintragungen im Grubenriß zwischen 1961 und 1964 der letzte Abbau statt. Bildquelle: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40067, Nr. 219, Aktenbeilage, Ausschnitt. 

   

Wie schon einmal oben, haben wir auch für den Zeitraum der Nachkriegsjahre bis zur Betriebseinstellung in den 1950er Jahren die uns vorliegenden Förder- und Produktionsmengen grafisch aufbereitet.

Mit über 30.000 t Jahresförderung hatte der VEB Braunkohlenwerk Grube Flora in Ragewitz die früheren Privatgesellschaften noch einmal deutlich überholt. Dazu war mit bis zu 67 Arbeitskräften auch ein erheblicher Personaleinsatz nötig, der von den früheren Ragewitzer Werken nur einmal vorher ‒ während in der Wirtschaftskrise nach dem Ende des 1. Weltkrieges ‒ schon erreicht worden ist. Auf Grundlage der gesteigerten Förderung sowie der maschinellen Modernisierung konnte auch der Ausstoß an Briketts noch einmal deutlich erhöht werden.

Allerdings kam man damit dem Ende auch umso schneller näher. Bereits in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre waren die wirtschaftlich gewinnbaren Vorräte eigentlich gänzlich abgebaut.

  


Zur Ergänzung der Fördermengen nach dem 2. Weltkrieg haben wir die Betriebspläne des VEB herangezogen (Bestände 40175, Nr. 4 bis Nr. 8 sowie 40067, Nr.1120 und 1202) und die in mehreren Akten verstreuten Angaben zum Notkohlenbetrieb. Leider sind auch diese Angaben nicht vollständig.

  


Die Grafik ergänzt um die in den gleichen Quellen angeführten Belegschaftszahlen im Zeitraum 1945 bis 1960.

   


Da das Werk seit 1939 nicht mehr Naßpreßsteine, sondern Briketts produzierte; wir aber den Vergleich mit den vormals Schippan'schen Werken beibehalten wollen, haben wir die angegebenen Tonnagen in der oben schon einmal erläuterten Weise wieder in Stückzahlen rückgerechnet.

   


Die anhand von Unterlagen nachweisbare, kummulative Gesamtförderung der Ragewitzer Braunkohlenwerke addiert sich hieraus auf 
973.848 t oder - unter Berücksichtigung der zeitlichen Lücken in der Aktenüberlieferung - wohl auf rund eine Million Tonnen.

   

 
 
 

Erhaltene Zeugnisse

Die Flora- Grube

  

Im Frühjahr 2020 sind wir das erste Mal an der Ausfahrt Mutzschen abgebogen.

Man kann die folgenden Strecken alle recht bequem erwandern. Vom Pendler- Parkplatz unweit der Ausfahrt aus braucht es etwa 1 km zu Fuß entlang eines Wirtschaftsweges bis nach Ragewitz und über die Straße Zum Schacht hinauf zur früheren Flora- Grube. Vom zentralen Parkplatz im Dorf ist es mit rund 300 m Entfernung nur ein Katzensprung dorthin.

  


Vom Pendler- Parkplatz gleich südwestlich der Ausfahrt kann
man einfach den Wirtschaftsweg, den früheren Cannewitzer Graben, bergauf wandern. Man kann aber auch gleich bis ins Dorf fahren und in dessen Mitte am Dorfplatz parken. Quelle der Hintergrundkarte: geoportal.sachsen.de.

  


Ein Kartenausschnitt aus früherer Zeit zeigt noch die Übertageanlagen des Flora- Schachtes und (vertikal schraffiert) die Bruchfelder östlich dieses Wirtschaftsweges, unter denen der Abbau damals umging. Die Autobahn gab es damals noch nicht... Quelle der Hintergrundkarte: geoportal.sachsen.de.

 


Schick herausgeputzt: Eine Buswendeschleife und ein paar Parkplätze am Dorfplatz von Ragewitz machen es Wanderern von außerhalb leichter. Die Gebäude rechts im Hintergrund dürften noch auf das Schippan'sche Bauerngut zurückgehen.

  


Nur ein paar Schritte zurück in Richtung Autobahnausfahrt und man hat den Abzweig erreicht.

   


Das alte Pflaster auf dieser Straße stammt vielleicht noch aus der Betriebszeit der Kohlengruben.

  


Biegt man hier kurz links ab, gelangt man zum Friedhof von Ragewitz. Dort an der westlichen Umfassungsmauer besteht bis heute die Grablege der Familie Schippan. Ganz bescheiden rechts daneben befindet sich auch die Grabstätte der Kinder Oskar Reinhard und Aline Selma Hessel, geb. Schippan.

   


Auch auf der Gedenktafel findet man vermerkt, daß Friedrich August's Gattin Marie Theresie Selma Schippan eine „geb. Schippan“ gewesen ist.

    


Die Namenstafel am Grab der Nachfahren.
Ob der schlichte, schwarze  Stein mit Bedacht gewählt wurde und für die schwarze Kohle sprechen soll ? 

  


Zurück zur Schachtstraße: Es geht hinauf zum Rohrberg und hinter den Häusern sieht man schon das Ziel.

   


Von hier aus sieht man auch die hübsche Kirche in ihrer ganzen Größe.

   


Da sind wir schon da...

   


Am Giebel fallen uns gleich erstmal zwei Buchstaben ins Auge: A und S - für August Schippan.

   


Die Baustellen- Schilder respektieren wir natürlich und werfen nur einen Blick über den Zaun
auf das massive Schachtgebäude.

  


Hier kann man auch hindurch schauen...

  


...und erkennt einen massiven Sockel aus Bruchstein- Mauerwerk am Fuß des Treibehauses.

   


Von den historischen Fotos oben wissen wir, daß das Gebäude einst ein
halbrundes Dach besessen hat.

So sah es  früher aus...

   


Was an dieser Seite früher gestanden hat, kann man nur noch ahnen: Das rechte,
offenbar später zugemauerte breite Fenster dürfte einst der Ausgang der Förderbrücke gewesen sein.

   


Die Schachthalde von ihrer Nordostspitze aus gesehen. Rechts neben dem Weg hat einst der Trockenschuppen gestanden.

   


Die Straße führte früher bis nach Prösitz weiter. Heute unterquert sie nur als Wirtschaftsweg die Autobahn.

   


Also drehen wir hier um und schießen auf dem Rückweg noch ein Foto...

  

 
 
 

Die Alinen- Grube

  

Zur anderen Grube geht es südwärts aus dem Ort hinaus. Auch diese Strecke vom zentralen Parkplatz bis zur früheren Alinen- Grube ist nur knapp 1 km lang. Man kann aber bis Pöhsig weiter talwärts wandern, über die Straße Zum Gutewasser bergauf und dann oberhalb der Ziegeleigruben wieder zurück nach Ragewitz wandern ‒ besonders bei klarer Sicht ein Rundweg mit sehr schönen Aussichtspunkten.

  


Zur Orientierung auch hier die Lage der früheren Alinen- Grube südwestlich von Ragewitz. Quelle der Hintergrundkarte: geoportal.sachsen.de.

  


Auch hier ein Kartenausschnitt aus früherer Zeit, in dem die Alinen- Grube und die Schippan’sche Ziegelei noch verzeichnet sind. Quelle der Hintergrundkarte: geoportal.sachsen.de.

 


Zurück in Ragewitz passieren wir wieder den Dorfplatz und dann linkerhand die Kirche.

  


Weil wir uns noch nicht auskennen, biegen wir erstmal hier ab.

  


Am Ortsausgang steht man im Grünen...

   


...und blickt nordwestwärts in den sogenannten „Kessel“. Hier sind wir falsch !

  


Wir müssen entlang der Leipnitzer Straße weiter südwärts aus dem Ort hinaus.

   


Rechts von der Kirche schaut noch einmal das Treibehaus der Flora- Grube über die Bäume...

    


Nach Nordosten geht der Blick weit über´s Land...

  


...und man entdeckt am Horizont den Collm- Berg. Auch ein markanter Geländepunkt. Hier zwischen dem Nauberger Weg im Norden und der Leipnitzer Straße hätte nach den Plänen aus dem Jahr 1950 der Abbau noch über 70 Jahre andauern können.

Von welchem Punkt aus mag der Fotograf wohl  früher den Collmberg fotografiert haben ?

  


Rechts der Straße fiel uns dieses gerade schön sanierte Haus ins Auge.

  


An seiner Südseite sitzt eine Gaube auf dem Dach und in deren Giebel entdecken wir wieder ein liebevoll restauriertes Signet: A und S. Dies müßte das Wohnhaus von August Schippan gewesen sein ?

 


Noch ein paar Schritte weiter verrät uns dann das Straßenschild, daß wir hier richtig sind.

   


Um die Ecke herum blickt man schon auf die Schippan'schen Tagebaue.

   


Wir entscheiden uns zunächst nicht für die nach Pöhsig führende Straße, sondern für den linken Weg, der oberhalb der Tagebaue am Feld entlang in Richtung Papsdorf führt. Mit rund 230 m Seehöhe liegt er fast so hoch, wie der Rohrberg an der anderen Seite des Ortes.

    


Er verläuft direkt oberhalb der Abbaukante der Ziegeleigruben und erlaubt einige Blicke nach unten, wo das Unterholz noch nicht emporgewachsen ist. Die Abraumböschung ist hier rund 18 m hoch.

  


Leider zog sich jetzt der Himmel zu... Doch in südwestliche Richtung kann man hier noch einen anderen markanten Geländepunkt entdecken.

  


Mit Zoom und etwas Photoshop haben wir ihn so gut es ging herangeholt: Der Rochlitzer Berg.

  


Auch auf der anderen Seite vom Weg waren die Landwirte schon fleißig... Und weil wir damals gerade besch...eidenes Wetter hatten, sind wir im nächsten Frühjahr noch einmal hierhin abgebogen.

  


Diesmal ist die Fernsicht besser: Der Blick nach Nordosten reicht von hier bis zu den Kühltürmen des letzten Braunkohlenkraftwerkes südlich von Leipzig bei Lippendorf. Der Hügel hinter den drei Windrädern links ist die Hochkippe der schon stillgelegten und größtenteils gefluteten Braunkohlengruben bei Borna.

   


Seit die A72 über Borna hinaus und inzwischen fast bis Markkleeberg führt, gibt es auf Höhe des Hainsees - natürlich: ein ehemaliger Braunkohlentagebau - einen Rastplatz und wenn man hier mal auf den Lärmschutzwall klettert, sieht man es besser. Eine gewaltige Anlage und vielleicht nicht nur das modernste, sondern bald auch das letzte Kohlekraftwerk in Sachsen. Immer, wenn ich hier vorbeikomme, beruhigt es mich, zu sehen, daß hier noch Dampf aus den Kühltürmen kommt...

  


Aber wieder zurück zur Straße mit dem Namen der Grube Aline und jetzt nehmen wir die auch... Gleich der erste der Tagebaue muß der Schippan'sche gewesen sein.

  


Von hier aus sieht man die Abbaukante im hangenden Lößlehm besser.

   


Weiter in Richtung Pöhsig...

   


Die ebene Geländestufe beim Blick zurück links der Straße ist markant: Dort haben die Schippan'sche Ziegelei und das Braunkohlenwerk Aline gestanden. Von den Bauwerken ist aber nichts mehr bis auf unsere Zeit überkommen.

  


Der Blick rückwärts in Richtung Ragewitz auf die rechte Straßenseite...

  


Die Abraumböschung zieht sich hier über etwa 200 Meter parallel zur Straße hin.

   


Dann schiebt sich in den Talgrund eine Halde vor. Wir vermuten, daß dort zuletzt die Grenze zwischen der Gerber'schen (vormals George) und der Schippan'schen Grube verlief.

  


Wir sind hier schon an der Gemarkungsgrenze... Die Familie George stammte ja dazumal auch aus Pöhsig.

  


Ah, ja. Das Schild von der anderen Seite. Und die Abraumkante der südlichen Talseite dahinter.

   


Am nördlichen Talgehänge fällt uns auch aus der Ferne wieder die horizontale Geländestufe unterhalb der Häuser auf: Auch auf der nördlichen Seite des Mühlbachs grub man einst nach Lehm und schob den Abraum einfach ins Tal. Später wurden dort die Schippan'sche Ziegelei und die Tagegebäude der Alinengrube errichtet und noch im Jahr 1948 wurden dort als Notkohlenbetrieb Restvorräte an Braunkohle im Tagebau abgebaut.

   


Der Blick zurück ein Stück weiter talwärts in Richtung Pöhsig.

  


Die Straße windet sich im Grund entlang.

  


Gegenüber schaut hier die Kirchturmspitze von Ragewitz durch die Bäume im Talgrund.

  


Hier zweigt ein Waldweg ab.

  


Das schauen wir uns nochmal genauer an...

  


Nach links... Oberhalb scheinen hier wieder Abraumhalden zu liegen.

  


Zwischen dem Weg und der Straße liegt dagegen ein tiefer und für einen Straßengraben viel zu breiter Einschnitt. Vielleicht das Niveau einer tieferen - heute mit Abraum wieder aufgefüllten - Sohle des Tagebaus ?

  


Wenig weiter biegt der Weg nach Süden ab.

  


Hier geht es zwischen den Abraumhalden hindurch...

  


Dann öffnet sich der Einschnitt...

   


...und man steht mitten in der nächsten der Gruben. Bei dieser hier könnte es sich um das Große Lager des George'schen Braunkohlenwerks gehandelt haben.

  


Zurück an der Straße: Die Konturen der Abraumhalden am sonst recht ebenmäßigen Talgehänge sind schon auffällig.

  


Am Horizont schauen jetzt die ersten Häuser von Pöhsig herüber.

  


Auch dieser baumbestandene Hügel paßt nicht so richtig zur natürlichen Talform... Sicher sind hier noch mehr Sand- und Lehm- Gruben gewesen und haben ihre Abraumhalden hinterlassen.

  


Gleich sind wir in Pöhsig...

  


Da steht es wieder angeschrieben...

  


Durch den Straßennamen wird die Erinnerung an die früheren Lehm- und Braunkohlen- Gruben sicher weiterleben.

  


Wir haben jetzt das Wichtigste gesehen, was von den einstigen Bergwerken in Ragewitz noch zu sehen ist; kehren zurück zum Auto und halten noch einmal am Pendler- Parkplatz vor der Autobahn: Dieses Motiv ist trotz des bedeckten Himmels einfach zu schön.

  

1964 ist nach rund 110 Jahren des Betriebes der Braunkohlenabbau in Ragewitz zu Ende gegangen.Beinahe hätte er noch über 70 Jahre länger angedauert, aber der Braunkohlen- Tiefbau war selbst der stets auf Autarkie in der Rohstoffversorgung bedachten Partei- und Staatsführung der DDR zu unwirtschaftlich. Inzwischen sind seit dem Ende des Bergbaus in Ragewitz noch einmal fast 60 Jahre vergangen. Die Reste der einstigen Tagebaue hat sich die Natur längst zurückgeholt und nur anhand der Geländekonturen sind sie überhaupt noch auffindbar. Die Schächte sind verfüllt und was von den Tagesanlagen noch existiert, wird anderweitig genutzt.

Schon aufgrund des Abbauverfahrens kann man davon ausgehen, daß die unterirdischen Abbauhohlräume inzwischen sämtlich zusammengegangen sind. Vielleicht steht irgendwo noch ein Stück Strecke offen, das irgendwann zubruchgeht ‒ aber aufgrund der Art des Deckgebirges ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß es an diesem ist, eher gering. Aber man weiß es ja nicht... Also immer schön aufpassen auf den Feldern und wenn irgendwo ein Loch auftaucht, gibt es dafür eine Notrufnummer beim  Sächsischen Oberbegamt.

Die Probleme, die der Bergbau der Vorfahren den Ragewitz'ern hinterlassen hat, sind heute eher anderer Natur: Nachdem mit dem Abteufen des Flora- Schachtes auch der Grundwasserspiegel abgesenkt worden war, nivelliert sich dieser heute allmählich wieder auf sein ursprüngliches Niveau ein. Zugleich aber hat sich ‒ zumindest außerhalb des schon damals bebauten Ortsgebietes ‒ die Oberfläche um bis zu 3 m abgesenkt. Die Folge sind Feuchtigkeitszutritte in den Kellern (Information von W. Höhne, Ragewitz).

Hier in Ragewitz sind vielleicht keine bedeutenden Kapitel der sächsischen Montangeschichte geschrieben worden; dennoch ist die Geschichte der Schippan'schen Gruben, ihrer Vorgänger und Nachfolger so breit gefächert, daß sie uns diesen Beitrag unbedingt wert war.

Wir wünschen uns, daß sich die Einwohner der kleinen Gemeinde auch ihrer bergbaulichen Geschichte bewußt bleiben und daß das markante Treibehaus des Flora- Schachtes noch lange über die Felder hinweg die Vorbeifahrenden grüßt.

Glück Auf!

J. B.

   

 
 
 

Weiterführende Quellen

Hinweis: Die verwendeten Digitalisate des Sächsischen Staatsarchives stehen unter einer
 Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz.

   

         Allgemeine Quellen

  1. wikipedia.de

  2. hov.isgv.de (Digitales Ortsnamen- Archiv)

  3. heimatverein-haubitz-poehsig-ragewitz-zaschwitz.de

  4. Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher e. V. Sitz Herne (agoff.de)
    - Archiv ostdeutscher Familienforscher (AOFF), Neunter Band, 1. Lieferung, Herne, 1983
    - Archiv ostdeutscher Familienforscher, Neunter Band, 17. Lieferung, Herne, 1985
    - Archiv ostdeutscher Familienforscher, Zehnter Band, 4. Lieferung, Herne, 1986
    - Archiv ostdeutscher Familienforscher, Zehnter Band, 13. Lieferung, Herne, 1987
    - Archiv ostdeutscher Familienforscher, Elfter Band, 6. Lieferung, Herne, 1989
    (zur Familie Schippan)

  5. C. F. Naumann: Erläuterungen zur geognostische Charte des Königreiches Sachsen und der angränzenden Länderabtheilungen. Erstes Heft, Geognostische Skizze der Gegend zwischen Taucha, Strehla, Bräunsdorf und Altenburg. Dresden und Leipzig, in der Amoldischen Buchhandlung, 1836

  6. Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB), Dresden, u. a.
    - August Schumann: Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungslexikon von Sachsen, Band 8, 1821
    - G. A. Poenicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösse im Königreiche Sachsen, II. Section: Leipziger Kreis, Leipzig, 1860
    - historisches Kartenmaterial

  7. Universitätsbibliothek der TU Bergakademie Freiberg: Kalender für den Berg- und Hüttenmann bzw. Jahrbücher für das Bergwesen im Königreiche Sachsen, Bergwerksverzeichnisse, Ausgaben 1827 bis 1942 (Digitalisate)

  8. C. F. Zincken: Die Braunkohle und ihre Verwendung, Erster Theil: Die Physiographie der Braunkohle, Verlag Carl Rümpler, Hannover, 1867

  9. Dingler's Polytechnisches Journal: (polytechnischesjournal.de)
    - HH. Colladon und Championnière: Aus den Annales de Chimie et de Physique: LXXXII. Über Saverys Dampfmaschinen, Band 57, 1835, S. 409ff
    - Anonymus: Nach dem Scientific American: XVI. H. Hall's Dampfpumpe oder „Pulsometer“, in: Band 210, Nr. XVI, S. 101f
    - Müller-Melchiors: Notizen von der Weltausstellung in Philadelphia 1876, darin:  69. Vacuum- Dampfpumpen, in: Band 223, 1877, S. 557-567
    - Miscelle: Hall's Pulsometer, in: Band 225, 1877, S. 102

  10. Th. Siegert: Erläuterungen zur geologischen Specialkarte des Königreichs Sachsen, Section 29: Mutzschen, 1. Auflage, Leipzig, 1884

  11. A. Penck: Erläuterungen zur geologischen Specialkarte des Königreichs Sachsen, Blatt Nr. 28: Grimma- Trebsen, 2. Auflage, Leipzig, 1897

  12. Dr. O. Herrmann, Lehrer der Technischen Staatslehranstalten zu Chemnitz: Steinbruchindustrie und Steinbruchgeologie – Technische Geologie nebst praktischen Winken für die Verwertung von Gesteinen unter eingehender Berücksichtigung der Steinindustrie des Königreiches Sachsen, Verlag Gebr. Borntraeger, Berlin, 1899

  13. E. Danzig: Erläuterungen zur geologischen Specialkarte des Königreichs Sachsen, Blatt Nr. 29: Mutzschen, 2. Auflage, W. Engelmann, Leipzig, 1912

  14. F. Etzold: Die Braunkohlenformation Nordwestsachsens, in: Erläuterungen zur geologischen Spezialkarte des Königreichs Sachsen, W. Engelmann, Leipzig, 1912

  15. H. Bahlow: Schlesisches Namenbuch, Kitzigen/Main, 1953, S. 73

  16. G. Standke et al.: Das Tertiär Nordwestsachsens - Ein geologischer Überblick, in: Publikationen des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (Hrsg.), Dresden, 2010

  17. H. Galle: Historischer Braunkohlenbergbau entlang der Mulde um Colditz, Grimma und Wurzen, Sax-Verlag Beucha/Markkleeberg, 2018
     
     
    Hauptstaatsarchiv Dresden
      

  18. Bestand 10079 (Landesregierung Sachsen), Loc. 13893/11: Die Gärtner aus Döben, Dorna, Deditz, Grottewitz, Thümlitz, Ragewitz, Pöhsig und Brösen, Gottfried Heßel und Konsorten, gegen den Landkammerrat Christoph Ehrenreich von Arnim wegen Dienstdifferenzen (Kanzleiakten) , dat. 1783-1784

  19. Bestand 11605 (AG Sächsische Werke (ASW) Dresden), Bestandserläuterungen
     
     
    Staatsarchiv Chemnitz
      

  20. Bestand 30110 (Amtsgericht Frankenberg), Nr. 250: Erbrichter Moritz Theodor Schippan, Ebersdorf, gegen den Grafen Vitzthum von Eckstädt auf Lichtenwalde wegen Streit um das Kohleabbaurecht auf dem Grundstück des Klägers , dat. 1856

  21. Bestand 33005 (Muldenwassergenossenschaft Chemnitz), Nr. 813: Gemeinde Ragewitz und VEB Braunkohlenwerk Dölitz, Betriebsabteilung Ragewitz im VVB Kohlenindustrie, vormals Braukohlenwerk Grube Flora, dat. 1946-1953 
     
     
    Staatsarchiv Leipzig
      

  22. Bestand 20027 (Amtshauptmannschaft Grimma), Nr. 2679: Errichtung einer Dampfkesselanlage im Braunkohlenwerk des Gutsbesitzers Schippan in Ragewitz (bei Mutzschen), dat. 1876-1903

  23. Ebenda, Nr. 2166: Bauarbeiten in der Ziegeleianlage des Gutsbesitzers Schippan in Ragewitz (bei Mutzschen), dat. 1876-1908

  24. Ebenda, Nr. 2680: Nasshausumbau im Braunkohlenwerk Ragewitz (bei Mutzschen), dat. 1938-1939

  25. Ebenda, Nr. 4018: Braunkohlenwerk Hessel & Co. in Bröhsen, dat. 1877

  26. Ebenda, Nr. 2669: Bauangelegenheiten des Braunkohlenwerkes Max-Schacht von Dr. Köttwitz in Bröhsen, dat. 1897-1899

  27. Bestand 20092 (Gerichtsamt Grimma/Amtshauptmannschaft Grimma), Nr. 3982: Acta, das Braunkohlenwerk in der Flur Ragewitz betreffend, dat. 1856-1861

  28. Ebenda, Nr. 129: Abtrennung eines zur Altgemeinde Ragewitz gehörigen Parzellenteils und Verkauf an den dortigen Grundbesitzer Friedrich August Schippan, dat. 1868

  29. Bestand 20092 (Gerichtsamt Grimma), Nr. 3970: Braunkohlenwerk von Johann Gottlob Leberecht Hesser bei Bröhsen, dat. 1862

  30. Bestand 20229 (Revisions- und Treuhandanstalt Leipzig), Nr. 14: Stützungsmittelprüfung Braunkohlenkleinstvorkommen Aline-Nord, Mutzschen, dat. 1949

  31. Ebenda, Nr. 1089: Klage von Sigismund August von Arnim, Rittergutsbesitzer, gegen die Pferdner in Pöhsig und Ragewitz, wegen verweigerter Holzfuhren zur Mühle in Golzern, dat. 1736-1738

  32. Ebenda, Nr. 610: Klage von Christoph Ehrenreich von Arnim, Rittergutsbesitzer, gegen einige Pferdner in Bröhsen, Gastewitz, Ragewitz, Deditz, Pöhsig, Grottewitz und Golzern wegen verweigerter Frondienste, dat. 1766-1767

  33. Bestand 20233 (Kreistag/Kreisrat Grimma), Nr. 1477: Berichte über die Brennstoffversorgung im Landkreis, dat. 1946

  34. Ebenda, Nr. 2198: Schließung der Braunkohlengrube Aline des KWU Grimma in Ragewitz, dat. 1949

  35. Bestand 20370 (Rittergut Döben), Bestandserläuterungen
     
     
    Bergarchiv Freiberg
     

  36. Bestand 40003 (Geognostische Landesuntersuchungs- Kommission beim Oberbergamt Freiberg), Nr. 51: Relation über die zwischen Leisnig und Grimma befindlichen Braunkohlenlager, dat. 1817

  37. Ebenda, Nr. 59: Zusammenstellung sämmtlicher, in dem Königreiche Sachsen bei dessen geognostischer Untersuchung aufgefundener Lagerstätte gemeinnützlicher und besonders brennlicher Fossilien, auf allerhöchsten Befehl entworfen von C. A. Kühn, Obereinfahrer, dat. 20. August 1818

  38. Ebenda, Nr. 60: Drei Tabellen über die im Herzogtum Sachsen bei den geognostischen Landesuntersuchungen bekanntgewordenen Lagerstätten nutzbarer Fossilien, dat. 1818

  39. Ebenda, Nr. 97: Beschreibung der im Königreich Sachsen neu aufgefundenen Lagerstätten brennbarer Fossilien, besonders der Braunkohlen und Darstellung des jetzigen Standes der schon früher bekannten, dat. 1824

  40. Ebenda, Nr. 125: Geognostische Beschreibung der östlich von Colditz und Grimma vorkommenden Braunkohlenpartien, dat. 15. Februar 1833

  41. Ebenda, Nr. 177: Gesuch der Gebrüder Friedrich August und Carl Heinrich Bernhardt um Erlaubnis zur Untersuchung der Mügelner Amtswirtschaftsfluren auf Steinkohle, darin Blatt 73a: Zeichnung des eingesetzten Bohrgerätes, dat. 1803-1816

  42. Bestand 40010 (Bergamt Freiberg), Nr. 3350: Acta, die Besichtigung von Steinkohlenwerken in Sachsen betreffend, dat. 1851-1857

  43. Bestand 40024 (Landesbergamt Freiberg, gewerbliche Gruben), Nr. 14-312: Acta, Kohlenbergbaurechte in der Flur Ragewitz bei Grimma betreffend (ausschließlich der Grundbuchauszüge), ergangen vor dem Bergamt Freiberg, dat. 1851

  44. Ebenda, Nr. 7-194: Ragewitz bei Grimma, Braunkohlenwerk Alinengrube von Friedrich August Schippan, dat. 1871-1898

  45. Ebenda, Nr. 7-195: Ragewitz bei Grimma, Braunkohlenwerk Alinengrube von Friedrich August Schippan, dat. 1897-1932

  46. Ebenda, Nr. 7-196: Ragewitz bei Grimma, Braunkohlenwerk Alinengrube von Friedrich August Schippan, Berechtigungsangelegenheiten, dat. 1884-1922

  47. Ebenda, Nr. 7-207: Acta, das Braunkohlenwerk von Friedrich Wilhelm Scheunert in Ragewitz betreffend, später Ernst Louis Neustadt gehörig, dat. 1871-1881

  48. Ebenda, Nr. 7-100: Braunkohlenwerk von Eduard Hessel, Bröhsen bei Grimma, dat. 1870-1899

  49. Ebenda, Nr. 7-431 und 7-432: Braunkohlenwerk von Dr. Max Köttwitz, später Max- Schacht, dat. 1897-1910

  50. Ebenda, Nr. 5-123: Ragewitz bei Grimma, Klage gegen Schippansches Braunkohlenwerk wegen Trinkwasserentziehung, dat. 1900-1909

  51. Ebenda, Nr. 20-18: Überwachung des staatlichen Kohlenbergbaurechts durch das Bergamt Leipzig, dat. 1928-1935

  52. Ebenda, Nr. 20-117 und 20-218: Feststellung einer Ausnahme vom staatlichen Kohlenbergbaurecht für Braunkohlenwerk Grube Flora in Ragewitz, dat. 1918-1931

  53. Ebenda, Nr. 20-271: Grube Flora in Ragewitz, dat. 1919-1928

  54. Ebenda, Nr. 20-272: Grube Flora in Ragewitz, dat. 1924-1934

  55. Ebenda, Nr. 20-273: Kohlenwerke "Schippan" Ragewitz (Grube Flora) , dat. 1923-1924

  56. Ebenda, Nr. 23-410: Ragewitz, Grube Flora, Unfallprotokolle, dat. 1927-1936

  57. Ebenda, Nr. 7-453: Ragewitz und Prösitz bei Grimma, Braunkohlenwerk Floragrube von Friedrich August Schippan, dat. 1903-1919

  58. Ebenda, Nr. 7-454: Ragewitz und Prösitz bei Grimma, Braunkohlenwerk Floragrube von Friedrich August Schippan, später Grube Flora GmbH, dat. 1919-1937

  59. Ebenda, Nr. 14-73: Depositenangelegenheiten, dat. 1932-1934

  60. Ebenda, Nr. 3-648: Ragewitz bei Grimma, dat. 1942-1943

  61. Ebenda, Nr. 19-K21787: Grubenfeld der Ragewitzer Werke zu Ragewitz, dat. 1919

  62. Ebenda, Nr. 19-K21788: Grubenfeld der Ragewitzer Werke zu Ragewitz, dat. 1919

  63. Bestand 40027 (Oberbergamt Freiberg), Nr. 1894: Ragewitz, Braunkohlenwerk Friedrich August Schippan, Grube Flora, Berechtigungsangelegenheiten, dat. 1898-1942

  64. Ebenda, Nr. 1090: Ragewitz, Braunkohlenwerk Grube Flora, dat. 1939-1947

  65. Ebenda, Nr. 1911: Übertragung staatlicher Kohlenbergbaurechte an das Braunkohlenwerk Grube Flora GmbH in Ragewitz, undatiert

  66. Ebenda, Nr. 1912: Übertragung staatlicher Kohlenbergbaurechte an das Braunkohlenwerk Grube Flora GmbH in Ragewitz, dat. 1944-1948

  67. Ebenda, Nr. 278: Bewertung von Bergwerksfeldern, dat. 1938-1948

  68. Ebenda, Nr. 505: Grubenrettungswesen, Betriebsplan und Erste Hilfe, Grube Flora, Ragewitz, dat. 1943-1946

  69. Bestand 40028 (Oberbergamt, Staatliche Bergwirtschaftsstelle), Nr. 3-484: Ragewitz bei Grimma, Braunkohlengrube Flora, undatiert

  70. Ebenda, Nr. 3-485: Ragewitz bei Grimma, Braunkohlengrube Flora, Förderhaspel, undatiert

  71. Ebenda, Nr. 2-H169: Abbaue des Braunkohlenwerkes Floragrube in Ragewitz (bei Mutzschen) , dat. 1936

  72. Bestand 40030 (Oberbergamt, Staatliche Lagerstättenforschungsstelle), Nr. 1-909: Nordwest-Sachsen, zwischen Ragewitz und Dürrweitzschen östlich von Grimma, Bohrungen auf Braunkohle und Ton, Programm 1, dat. 1942-1944

  73. Ebenda, Nr. 1-910: Nordwest-Sachsen, zwischen Ragewitz und Dürrweitzschen östlich von Grimma, Bohrungen auf Braunkohle und Ton, Programm 2, dat. 1943-1945

  74. Ebenda, Nr. 1-970: Ragewitz, Braunkohlengrube Flora, dat. 1937-1946

  75. Ebenda, Nr. 1-1204: Braunkohle im sächsischen Revier, dat. 1937-1939

  76. Ebenda, Nr. 1-1022 und 1-1023: Ragewitz und Dürrweitzschen, Kaolin- und Braunkohlenvorkommen, dat. 1943-1948

  77. Ebenda, Nr. 2-K24470: Braunkohlengrube Flora bei Ragewitz, Feldmark Ragewitz , dat. 1849

  78. Ebenda, Nr. 2-K24585: Kaolinvorkommen Ragewitz, undatiert

  79. Ebenda, Nr. 2-I24469: Braunkohlengrube Flora bei Ragewitz, undatiert

  80. Bestand 40038 (Deponierte Risse zum Braunkohlenbergbau), Nr. 1-I16465: Braunkohlengrube Ulbricht zu Ragewitz bei Grimma, Grund- und Saigerriß, 1853

  81. Ebenda, Nr. 2-84: Ragewitz bei Mutzschen; Aline und Flora Grube; Winkelbuch, dat. 1901-1918

  82. Ebenda, Nr. 1-C16871: Braunkohlenwerke Schippan, Grube Aline zu Ragewitz bei Grimma, Grund- und Saigerriß, 1897, gegenwärtig aufgrund des Erhaltungszustandes für die Einsichtnahme gesperrt.

  83. Ebenda, Nr. 1-K16872: Braunkohlenwerke Schippan, Grube Aline zu Ragewitz bei Grimma, Grundriß, 1905

  84. Bestand 40041 (Fiskalische Risse zum Braunkohlenbergbau), Nr. K16156: Ragewitz; Braunkohlenwerk Grube Flora, Grubenfeld, dat. 1945-1947

  85. Ebenda, Nr. K16258: Kohleabbauberechtigungen links der Elbe; Flur Ragewitz, dat. 1924-1947

  86. Ebenda, Nr. I16259: Kohleabbauberechtigungen links der Elbe; Flur Prösitz, dat. 1924

  87. Ebenda, Nr. K15894: Braunkohlenwerk Eduard Hessel und Compagnie, Bröhsen bei Grimma, dat. 1863-1887

  88. Bestand 40044 (Generalrisse), Nr. 1-I20781: Bergbauflächenkarte der Braunkohle, Sektion Mutzschen, dat. 1894

  89. Bestand 40051 (Bergamt/Berginspektion Leipzig und Vorgänger), Nr. 103: Akten der königlichen Berginspektion, Fahrberichte der k. Hilfsarbeiter, dat. 1899-1906

  90. Ebenda, Nr. 107: Fahrberichte über Grubenbefahrungen im Braunkohlenbergbau, dat. 1934

  91. Ebenda, Nr. 109: Fahrberichte des Bergassessors Löwe, dat. 1936-1938

  92. Ebenda, Nr. 117: Sammelmappe, betreffend Grube Flora GmbH in Ragewitz, dat. 1934-1938

  93. Ebenda, Nr. 275: Arbeiterbewegung (Streiks) Betriebsstilllegung, dat. 1927-1930

  94. Ebenda, Nr. 292: Arbeitskräfteeinsatz, dat. 1942

  95. Ebenda, Nr. 597: Acten der Königlichen Berginspektion Leipzig, Schippan'sche Braunkohlenwerke zu Ragewitz betreffend, Band 1, dat. 1896-1905

  96. Ebenda, Nr. 598: Acten der königlichen Amtshauptmannschaft Grimma, das Schippan'sche Braunkohlenwerk in Ragewitz betreffend, dat. 1899-1915

  97. Ebenda, Nr. 599: Acten der Königlichen Berginspektion Leipzig, Schippan'sche Braunkohlenwerke zu Ragewitz betreffend, Band 2, dat. 1905-1934

  98. Ebenda, Nr. 600: Ragewitz und Prösitz bei Grimma, Braunkohlenwerk Grube Flora GmbH, dat. 1931-1937

  99. Ebenda, Nr. 600a: Ragewitz und Prösitz bei Grimma, Braunkohlenwerk Grube Flora GmbH, dat. 1899-1931

  100. Ebenda, Nr. 601: Ragewitz bei Grimma, Braunkohlenwerk Grube Flora GmbH, dat. 1938-1943

  101. Bestand 40064 (Technisches Büro des Bergbaus... des Landes Sachsen), Nr. 1-383: Braunkohlenwerk Grube Flora, dat. 1946

  102. Ebenda, Nr. 1-750: Übertragung staatlicher Kohlenbergbaurechte, dat. 1940-1948

  103. Ebenda, Nr. 1-1001: Schachtkarten der Braunkohlengruben im Bundesland Sachsen, dat. 1945-1946

  104. Ebenda, Nr. 2-I21955: Kaolinvorkommen Ragewitz, Lagerstättenberechnung, dat. 1944

  105. Ebenda, Nr. 1-235: Bergwerkscharakteristiken über die Braunkohlenwerke im Bundesland Sachsen, dat. 1946-1947

  106. Ebenda, Nr. 1-389: Unfälle in der Braunkohlengrube Flora, Ragewitz, dat. 1946

  107. Ebenda, Nr. 1-445: Gutachten über das Kaolin-Kohlevorkommen Ragewitz - Dürrweitzschen von Dipl.-Berging. Dr. O. Oelsner, dat. 1947

  108. Ebenda, Nr. 1-490: Braunkohlenkleinstvorkommen Bubendorf, Höfgen/Kaditzsch und Aline-Ragewitz, dat. 1948-1952

  109. Ebenda, Nr. 1-492: Braunkohlenkleinstvorkommen Frisch Glück in Brandis und Aline Nord in Mutzschen bei Grimma, dat. 1948-1951

  110. Ebenda, Nr. 1-548: Braunkohlenvorkommen und betriebliche Angelegenheiten, Kreis Grimma, dat. 1947

  111. Ebenda, Nr. 1-594: Braunkohlenkleinstvorkommen im Kreis Grimma, dat. 1947-1949

  112. Bestand 40067 (Bergbehörde Borna), Nr. 1-1202: Braunkohlenwerk Ragewitz,  Grube Flora in Ragewitz, dat. 1949-1957

  113. Ebenda, Nr. 1-1142: Wasserverhältnisse und Schwelwasserversenkung, dat. 1949-1957

  114. Ebenda, Nr. 1-1070 und Nr. 1-1071: Jahresbetriebspläne Mutterbodenwirtschaft   (Wiederurbarmachnung / Rekultivierung), dat. 1955-1956

  115. Ebenda, Nr. 1-1073: Jahresbetriebsplan Mutterbodenwirtschaft (Wiederurbarmachnung / Rekultivierung), dat. 1953

  116. Ebenda, Nr. 1-1288: Brikettfabrik Ragewitz, dat. 1949-1955

  117. Ebenda, Nr. 1-1120: Versuchsstrecke Freiberg, Zentralinstitut für Explosions- und Brandbekämpfung im Bergbau und der Industrie, Außenstelle Ragewitz, dat. 1958-1961

  118. Ebenda, Nr. 1-219: Bergschäden im ehemaligen Braunkohlentiefbau Ragewitz bei Grimma, dat. 1962-1968

  119. Bestand 40085 (Revierausschuß Freiberg), Nr. 431: Bohrungen auf Braunkohle und Ton im Raum Ragewitz und Dürrweitzschen, dat. 1944-1946

  120. Bestand 40093 (VVB Braunkohle (Z) Leipzig, Sitz Borna), Nr. 189: Investitionsplan 1950 Werk Ragewitz, Fertigstellung Kesselhaus, dat. 1948-1950

  121. Ebenda, Nr. 682: Geschichtliche Daten zur Entwicklung der Werke, dat. 1949-1954

  122. Ebenda, Nr. 1036: Tiefbau Ragewitz, dat. 1949-1968

  123. Bestand 40128 (Braunkohlenwerke des Leipzig- Bornaer Reviers), Bestandserläuterungen

  124. Bestand 40184 (Braunkohlenwerk Dölitz bei Leipzig), Bestandserläuterungen

  125. Ebenda, Nr. 1-12: Bau von je vier Wohnungen in Ragewitz und Leipnitz, dat. 1953-1955

  126. Bestand 40175 (Braunkohlenwerk Grube Flora bei Ragewitz), Bestandserläuterungen (Dieser Bestand wurde unter der vormaligen Nummer 20653 im Staatsarchiv Leipzig bewahrt und inzwischen an das Bergarchiv Freiberg übergeben.)

  127. Ebenda, Nr. 1: Überführung des Braunkohlenwerks Grube Flora in Volkseigentum, dat. 1948-1949

  128. Ebenda, Nr. 2: Ankauf des Flurstücks Nr. 105f in Ragewitz, dat. 1952-1954

  129. Ebenda, Nr. 4: Bilanzen, dat. 1949-1950

  130. Ebenda, Nr. 5: Betriebsplan, dat. 1950

  131. Ebenda, Nr. 6: Betriebsplan, dat. 1951

  132. Ebenda, Nr. 7: Betriebsplan, dat. 1952

  133. Ebenda, Nr. 8: Betriebsplan, dat. 1953

  134. Ebenda, Nr. 9: Investitionen, dat. 1955

  135. Ebenda, Nr. 10: Bauleistungen, dat. 1953-1955

  136. Ebenda, Nr. 11: Statische Berechnungen, Umbau Kesselhaus, 1949

  137. Ebenda, Nr. 12 bis 14: Wettbewerb, dat. 1950-1952

  138. Ebenda, Nr. 15: Betriebskollektivvertrag, dat. 1951

  139. Ebenda, Nr. 16 bis 18: Industriegewerkschaft Bergbau, dat. 1953-1955

  140. Ebenda, Nr. 19 und 20: Protokolle der Betriebsgewerkschaftsleitung, dat. 1946-1954

  141. Ebenda, Nr. 21: Revisionsberichte der Betriebsgewerkschaftsleitung, dat. 1953-1954