Ein Beitrag von www.unbekannter-bergbau.de Online seit November 2016, letzte Ergänzung im Dezember 2021. Sie können diesen Beitrag auf dem Recherchestand vom November 2016 vom Qucosa-Server der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden im PDF-Format herunterladen. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-78836 Wir bedanken uns für die Unterstützung bei der Erstellung dieses Beitrages beim Geithainer Heimatverein, namentlich bei Herrn Dr. G. Senf.
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Teil 1: Zum Abbau des Plattendolomits bei Geithain Zur Lage und Regionalgeschichte Noch ein Nachtrag: Zum Dolomitabbau bei Frohburg
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Zum Abbau des Plattendolomits nördlich von
Geithain in der Region um Tautenhain und Ebersbach |
Zur Lage und regionalen Geschichte
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Der folgende Beitrag ergänzt unseren Bericht
über die Montangeschichte und über die Verarbeitung des Plattendolomits bei
Geithain. Tautenhain ist
ein nördlicher Nachbarort
von Geithain und liegt im Tal der Kleinen Eula.
Die Ausbißlinie des Plattendolomits verläuft von Geithain in nördlicher Richtung einige 100 m östlich der Tautenhainer Straße. Durch den Taleinschnitt der Kleinen Eula bedingt, biegt die Ausbißlinie südlich von Tautenhain nach Westen ab, quert das Tal der Kleinen Eula etwa am nordwestlichen Ortsrand von Tautenhain und verläuft dann zunächst nordostwärts. Nach Querung des Tales des kleinen Bachlaufes aus Ebersbach biegt sie wieder in nordwestliche Richtung ab. Nördlich der Hopfgartener Straße sind keine übertägigen Aufschlüsse mehr vorhanden.
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Der Ort Tautenhain
wird erstmals im Jahr 1287 als „Tutenhayn“ urkundlich erwähnt. Bis
1827 war er amtsunmittelbare Ortschaft im
Amtsbezirk Colditz (20007). Den Ortsnamen gibt es mehrfach in Sachsen und Thüringen und August Schumann erwähnt „unser“ Tautenhain erst 1833 im 18. und letzten Band des Vollständigen Staats-, Post- und Zeitungslexikons von Sachsen, Supplemente, 5. Band. Dort kann man lesen: „Tautenhain liegt nur 2 St. v. Colditz u. Rochlitz, 1 ¾ SSOlich v. Lausigk, mit den Aemtern Borna u. Rochlitz rainend, am NWlichen Ende des Ottenhains u. Ebersbacher Forstes, etwas versteckt, am Elbisbache (der Kleinen Eula), der aus mehreren Teichen in Südost kommt. Man findet hier ziegelrothen Opaljaspis mit bräunlichroth. Streifen. Die hies. Holzhändler fahren bis nach Leipzig hinab. Den Ort soll Wiprecht v. Groitzsch mit Franken bevölkert haben.“ Tautenhain ist heute ein Ortsteil der Stadt Frohburg (frohburg.de).
Das Rittergut Hopfgarten nennt A. Schumann im Band 4, 1817: „Hopfgarten, Hopfgarthen, Dorf in dem Königr. Sachsen, im Leipziger Kreise, im Amte Borna, 1 Stunde südl. von Lausick, 3 Stunden östl. von Borna, am Elbisbache gelegen. Es gehört dem hiesigen schrifls. Rittergute, hat eine Schwesterkirche von 0ber-Frankenhain, 24 Hufen, 8 Pferde, 50 Kühe und 30 Schaafe. Zu dem Rittergute gehört auch das Dorf Elbisbach, und eine Mahlmühle bei Hopfgarten am Elbisbache gelegen.“ Anfang des 19. Jahrhunderts erwähnt Schumann also bereits bei keinem dieser Orte mehr Kalksteinabbau. In der Neubelehnung des Heinrich Hildebrand von Einsiedel (*1497, †1557) durch Kurfürst Moritz von Sachsen nach Übernahme der Kurwürde heißt es im Jahre 1548 über Hopfgarten: „Dorf Hopfgarten mit dem Vorwerk daselbst mit allem Zubehör...“ und mit der oberen und niederen Gerichtsbarkeit. In Untersuchungen der kurfürstlichen Lehnskanzlei 1681 bis 1682 über die Schriftsässigkeit heißt es eindeutig: „Hopfgarten war ein stets als schriftsässig gehaltenes Vorwerk.“ (20425). Das Gut war über viele Jahrhunderte im Besitz der Familie von Einsiedel. Das heute noch eindrucksvolle Schloß Hopfgarten, gebaut vom Leipziger Ratsbaumeister Christian Richter, stammt aus den Jahren 1677-1679. Hopfgarten bildete aber eines der kleinsten Güter innerhalb ihres Besitzes. Gottlob Innozenz von Einsiedel (*1683, †1738) schließlich hinterließ nach seinem Tod eine solche Schuldenlast, daß seine beiden Rittergüter Hopfgarten und Großzössen durch das Amt Borna sequestriert wurden und der Konkurs eröffnet wurde. Infolge eines Rezesses kam es „...in usufructuarischen Besitz der Frau Gräfin von Ronnow auf Ottenhain, welche dem Einsiedel'schen Geschlechte angehört.“ (Poenicke, 1860). Im Jahr 1801 gehörte das Gut daraufhin ihrem Neffen, Herrn Hauptmann Gottlob Johann August Friedrich von Schindler (204525, Nr. 754). Erst Georg Detlev Abraham von Einsiedel (*1764, †1847) und seinem Sohn Detlev Haubold von Einsiedel (*1805, †1880) gelang es schließlich, Hopfgarten Anfang des 19. Jahrhunderts durch Abfindungszahlungen wieder in den alleinigen Besitz der Familie von Einsiedel zu bekommen (20425). Hopfgarten ist heute ebenfalls Stadtteil von Frohburg (frohburg.de).
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Links zur Originaldatei: http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90000001
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Amtsunmittelbare Ortschaft war ebenfalls der
Ort Ebersbach. Er wird 1384 erstmals
urkundlich erwähnt. Das Ortsbild ist geprägt von denkmalgeschützten
Fachwerkgebäuden, dem in der Renaissance um 1500 errichteten Rittergut und einer
rund 150 Jahre alten Bockwindmühle. Die Landwirtschaft hat den Ort über
Jahrhunderte geprägt.
Auch diesen Ortsnamen gibt es mehrfach in Sachsen. August Schumann schreibt dazu im Band 2, 1815: „Ebersbach, unmittelbares Amtsdorf im Leipziger Kreise, im Amte Colditz, 1 Stunde südwestl. von Colditz gelegen. Es bestehet aus 47 Häusern, hat 216 Einwohner, eine Filialkirche von Tautenhain, ein geistliches Gebäude. Unter den Einwohnern sind 8 Pferdner, 15 Gärtner, 22 Häußler; sie haben 12 Pferde, 105 Kühe, 12 19/24 Hufen, 723 ½ volle, 648 gangbare, 19 moderirte, 20 decremente 16 ½ caducke Schocke und 4 Thaler Quatemberbeitrag. Hier ist auch ein königl. Vorwerk, mit 18 Einwohnern.“ Ebersbach gehört heute zu Bad Lausick (bad-lausick.de). Der Ort Thierbaum schließlich findet erstmalig 1290 als „Tyrebome“ Erwähnung. Thierbaum entwickelte sich als Straßenangerdorf entlang einer vermutlich älteren Straßenverbindung. Etwa ab 1800 und noch bis 1958 spielte der Braunkohlenabbau eine wichtige Rolle. 1824 schreibt A: Schumann im Postlexikon, Band 11: „Thierbaum, ein kleines Kirchdorf des Amtes Colditz im Leipziger Kreise Sachsens, ist unmittelbar Königlich, und liegt 1 ½ Stunden südwestlich von Colditz, zwischen Lausigk und Rochlitz fast mitten innen, am südlichen Rande des Colditzer Waldes, gegen 600 Fuß über dem Meere, an einem unbedeutenden Bächlein, welches eine nicht unangenehme Niederung bildet. Aus dieser hebt sich das Land gegen Süd, d. i. gegen den Ebersbacher Forst hin, sehr merklich, ohne doch einen Berg zu bilden… Gegen Süd und Südost raint Th. mit wechselburger, leißniger und rochlitzer Amtsgebiet. Es hat unter etwa 20 Wohnungen eine Schule, in welcher der Schwarzbacher Schulmeister lehrt, 4 Güter und eine Windmühle, welche westlich vom Dorfe auf einem geringen Hügel steht. 1801 gab man 119 Consumenten an, und die Seelenzahl ist nicht viel höher; 1754 zählte man 12 Gärtner und (?) Häusler; 1789 aber 5 Pferde und 67 Kühe. Der Ort hat 13 Hufen nur mittelmäßigen Feldes, nährt sich zum Theil auch vom Holzhandel und dem Beeren- und Schwämmesuchen…“ Es ist nicht klar, warum Schumann in dieser Region die Steinbrüche und die Kalkindustrie überhaupt nicht der Erwähnung für wert hält. Auch Thierbaum ist heute Ortsteil von Bad Lausick (bad-lausick.de).
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Zur Geologie
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Bereits auf Tautenhainer Flur liegen auch die
Tagebaue der Geithainer Kalk-, Sand- und Ziegelwerke, über die wir schon in
unserem Beitrag zu
Geithain berichtet haben.
Wir interessieren uns im Weiteren aber für die „Kalklöcher“ westlich von Tautenhain und zwischen Ebersbach
und Hopfgarten. Wenn auch immer wieder vom „Kalkstein“ und der „Kalkbrennerei“
die Rede ist, sollten wir im Hinterkopf behalten, daß eigentlich vom Plattendolomit
die Rede ist.
Das Blatt No. 60 der Geologischen Specialkarte des Königreichs Sachsen reicht nach Norden gerade bis zur Ortslage Tautenhain. Für die nördlich liegenden Dolomit-Steinbrüche schlagen wir deshalb noch in den Erläuterungen zu Blatt No. 44, Section Colditz-Großbothen nach. In der 2. Auflage von 1901 schreibt der Geologe A. Penck im Kapitel: B. Der obere Zechstein „Von der Zechsteinformation sind auf Section Colditz-Grossbothen, ebenso wie auf den Nachbarsectionen Rochlitz und Frohburg nur die beiden obersten Stufen, nehmlich die der Plattendolomite und der oberen bunten Letten zur Ablagerung gelangt. Dieselben bilden, wie es namentlich die Untersuchung der Section Frohburg gelehrt hat..., mit dem oberen Rothliegenden und mit dem unteren Buntsandstein ein zusammengehöriges engverknüpftes Schichtensystem, welches auf Section Colditz-Grossbothen als jüngste Ablagerung innerhalb der dyasischen Bucht und somit nur in der südwestlichsten Sectionsecke auftritt, hier aber den Bau der Bucht durch seine Lagerungsverhältnisse sehr deutlich hervortreten lässt. 1. Die Stufe der Plattendolomite (zo2) Diese Stufe ist auf der Section Colditz-Grossbothen nur durch zwei, jedoch seit Jahren auflässige Steinbrüche aufgeschlossen. Sie wird hier aus einzelnen, höchstens 5 cm mächtigen Lagen eines feinkörnigen, isabellfarbenen bis schmutzig grauen Dolomits aufgebaut, welche mit minder mächtigen Lagen von Thonen, Brandschiefern, Schieferletten und Sandsteinen wechseln. An organischen Resten fanden sich in den ersteren Schizodus Schlotheimi Geinitz (eine Muschel) sowie undeutliche Reste von Coniferen-Blättern und Tangen (Chondrites virgatus Münster). Die Gesamtmächtigkeit dieser Stufe beträgt nur 4 – 5 m. 2. Die Stufe der oberen bunten Letten (zo3) Auf das engste mit der eben besprochenen Stufe der oberen Plattendolomite verknüpft, erscheint im Hangenden die Stufe der oberen bunten Letten. Dieselbe wird, wie der Name sagt, aus bunten Letten aufgebaut, die sich durch ihren Gehalt an Muscovit-Blättchen auszeichnen und häufig mit Sandsteinen wechsellagern. Sie sind auf Section Colditz-Großbothen in den Ebersbacher Steinbrüchen in 4 – 5 m Mächtigkeit aufgeschlossen.“
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Im Hangenden des Zechsteins beschreibt A. Penck
den Buntsandstein:
III. Der untere Buntsandstein (bs) „Auch der untere Buntsandstein ist in seiner Verbreitung au die Südwestecke in der Section Colditz-Grossbothen beschränkt, wo er concordant über den oberen bunten Letten der Zechsteinformation auftritt. Als oberstes Glied der Frohburg-Ebersbacher Muldenbucht fällt er westlich von Ebersbach flach gegen Nordwesten, östlich von Hopfgarten (Section Lausigk) hingegen gegen Südwesten ein. Diese Stufe wird von Bänken eines weissen bis licht gelben, feinkörnigen bis conglomeratartigen Sandsteines gebildet, welche mit grauen, glimmerreichen Letten wechsellagern. Erstere bestehen vorwiegend aus Quarzkörnern, selten aus Feldspatbrocken, welche durch ein lockeres thoniges Bindemittel verkittet werden. Den conglomeratartigen Charakter bedingen Gerölle von Granulit, Porphyren und Tuffen. Westlich von Ebersbach geht der Buntsandstein an den niedrigen Gehängen der nach Hopfgarten führenden Thäler zu Tage aus; in einer Mächtigkeit von 1,5 m ist er in den verlassenen Kalkbrüchen als Hangendes der Zechsteinformation entblößt.“ Weil wir am Rande dieser Bergbaugeschichte auch noch auf die Thierbaumer Braunkohle als Brennstoff stoßen, zitieren wir hier noch die Beschreibung A. Penck’s dieses Gebietes aus dem Abschnitt: IV. Das Unteroligocän d. Die Mulde von Thierbaum „Bei Thierbaum bildet die Braunkohlenformation eine flache Mulde, deren Achse die Richtung von SO nach NW hat... Daß diese Braunkohlenablagerung eine isolierte ist, geht daraus hervor, dass westlich von Thierbaum an verschiedenen Punkten ältere Gesteine aus der Schwemmlanddecke hervorragen und nördlich von Thierbaum am Saume des Colditzer Waldes durch 16 tiefe Bohrungen, ebenso wie östlich davon durch die bis über 20 m tiefen Brunnen in Leupahn das Fehlen der Kohle constatirt wurde. Aufgeschlossen wurde das Flötz durch zahlreiche Tagebaue unweit Thierbaum am Nordgehänge des Schwarzbaches, von denen jetzt die grosse Mehrzahl auflässig ist, sowie durch eine Grube in unmittelbarer Nachbarschaft des Dorfes und durch zahlreiche Bohrungen in 8 – 10 m Tiefe. Es hat im Allgemeinen eine Mächtigkeit von 4 – 5 m, jedoch nimmt dieselbe nach Norden zu ab, so dass sie in den westlich vom Wege von Thierbaum nach Ballendorf gelegenen Tagebauen schlilesslich nur noch 1 – 1,5 m betrug, weshalb sich das Flötz voraussichtlich in der Nähe unterirdisch auskeilt. Im Allgemeinen ist hier die Kohle von erdiger Beschaffenheit und beherbergt nur selten Fragmente von Stammtheilen, welche von Sequoia Couttsiae Heer (ein Mammutbaum) herrühren dürften. In der unmittelbar am Dorfe gelegenen Pörschmann’schen Grube kommen bisweilen bis über 2 m mächtige Thonschmitzen innerhalb des Flötzes vor, welche jedoch nur eine geringe Ausdehnung besitzen…“
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Die Braunkohlenlager werden aber auch schon
1836 von C. F. Naumann erwähnt: „Am Wege von Lausigk nach Golditz
finden sich bei Ballendorf ein 3- bis 6-elliges Flötz, und weiter südlich bei
Thierbaum ein Paar 2- bis 12-ellige Flötze, deren Kohle zu den vorzüglichsten
der dortigen Gegend gehört, und sich schon sehr der dichten Braunkohle nähert.
Unbedeutend ist das Lager von Nauenhain.“
Fast dasselbe lesen wir noch einmal 1845 bei J. C. Freiesleben über die Braunkohlen bei Thierbaum: „In den mächtigen Lagern der Lausigker Gegend … waltet schwarze und röthlichbraune Erdkohle, mit verhältnißmäßig wenig Holzstämmen, vor; auch liegen letztere meist in den obern Schichten des Lagers, das hier eine Mulde bildet; selten sind Blätter und Saamen… Kleinere Lager sind bei BalIendorf, Nauenhain und Thierbaum. Ersteres ist ebenfalls 5 bis 6 Ellen mächtig; das bei Nauenhain ist das unbedeutendste und nur 3 bis 4 Ellen mächtig; bei Thierbaum aber sind einige Lager von 2 bis 12 Ellen Mächtigkeit, deren Kohlen zu den vorzüglichsten der Gegend gehören, indem sie sich schon der dichten Braunkohle nähern.“
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Zur Montangeschichte
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Auf der südlichen Tautenhainer Flur liegen auch die
ehemaligen Tagebaue der Geithainer Kalk-, Sand- und Ziegelwerke, über die wir
aber schon in
unserem Beitrag zu
Geithain berichtet haben.
Abbau und Verarbeitung des Dolomits haben in der Vergangenheit auch in Tautenhain eine große Rolle gespielt. Die Anfänge der Branntkalkerzeugung in Tautenhain liegen tatsächlich sehr weit in der Vergangenheit und reichen möglicherweise noch weiter zurück, als in Geithain. Der älteste Beleg dazu gehört sogar zu den ersten schriftlichen Nachweisen über die Existenz des Ortes Tautenhain überhaupt: In einer Urkunde vom 7. März 1396 nämlich bezeugten der Bürgermeister, der Richter, ein Schöffe, der alte Bürgermeister und der Stadtschreiber zu Eilenburg die Richtigkeit der ihnen von Peter Sparnow, Dompropst zu Merseburg, abgelegten Rechnung über die in den Jahren 1394 und 1395 für den Bau des Eilenburger Schlosses gemachten Ausgaben. In der Auflistung der zu bezahlenden Leistungen in dieser Urkunde heißt es: „...Darnach calk czu dem gemure, den man holte czu Ackin, czu Kalbe unde czu Tutenhayn...“ Also sinngemäß: Darüber hinaus den Kalk für das Gemäuer, den man aus Aken, aus Calbe und aus Tautenhayn holte... (Ermisch, 1898). Nun wird sich mancher fragen, wieso gerade Tautenhainer Kalk mit Pferd und Wagen mühsam bis nach Eilenburg gekarrt wurde. Die Antwort ist aber einfach: Tautenhain war zu dieser Zeit im Besitz der Colditzer und diese besaßen einige Jahre lang auch das Schloß Eilenburg. Ein kleiner zeitlicher Widerspruch existiert jedoch: Während nach obiger Urkunde der Markgraf zu Meißen das Schloß schon 1396 umbaute, steht in anderen Quellen, daß Sigmund von Colditz es erst 1404 an Markgraf Wilhelm I. verkauft habe. Nun ja, die Bemerkung zum Kalk ist für die Tautenhainer Montangeschichte wichtiger, als die Immobiliengeschäfte dieser hohen Herrschaften (G. Senf). Der Kalkabbau war grundeigen, stand also den Bauern bzw. Gutsbesitzern zu, auf deren Grund und Boden sich die Steinbrüche befanden. Der Abbau des hier meist dünnplattigen und daher leicht zu lösenden Dolomits erfolgte einfach mit Hacke und Schaufel. Wurde das Loch zu tief, verwendete man neben der Schubkarre wohl auch Loren und Seilwinden für den Transport. Aus dem Dolomit wurde der Kalk in unmittelbarer Nähe der Steinbrüche gebrannt. Der Branntkalk wurde als Baukalk und Dünger verwendet, per Pferdefuhrwerk abgefahren und verkauft. Erst an der Baustelle erfolgte das Löschen (das Einsumpfen) und die Herstellung des Mörtels. Als Brennmaterial diente ursprünglich ausschließlich Holz. Ab etwa 1800 wurde der Braunkohleabbau in Thierbaum intensiviert. Vorher verwendete man die Kohle nur zum Eigenbedarf. Ab 1820 wurden in Thierbaum sogenannte „Torfziegel“ im Handstrich hergestellt, getrocknet und kommerziell vertrieben. In den folgenden Jahren wurde Thierbaumer „Torf“ auch in den Tautenhainer Kalköfen, aber auch umgekehrt Dolomit aus Tautenhain zur Beschickung der Öfen in Thierbaum verwendet. Während aber die Geithainer Kalkindustrie weiter südlich ihren Höhepunkt erst nach 1870 erreichte, war in der Tautenhainer Flur der Dolomitabbau zur gleichen Zeit schon nahezu zum Erliegen gekommen. Die „Kalklöcher“ und die daneben befindlichen Abraumberge – Blume‘s, Krötzsch'ens und Weber‘s Kalklöcher südlich der Bahnlinie, aber auch die zwischen Tautenhain und Hopfgarten nördlich der Bahn – wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts sukzessive aufgegeben (G. Senf).
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Quelle: Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, Bestand 12884, (Karten und Risse), Schr. 000, F.145, Nr. 001. Die Kartendarstellung ist gegenüber heutigen Gewohnheiten leicht verdreht: Oben ist Nordosten.
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Anhand weiterer Akten des Staatsarchives läßt sich belegen, daß der Dolomitabbau bei Tautenhain auch im 18. Jahrhundert intensiv betrieben wurde. Einträge haben wir aus der Zeit ab 1713 gefunden (20007, Nr. 297). Im Jahr 1723 suchten David Bastian in Ebersbach sowie David Liebing und Hans Adam Naumann in Tautenhain um die Konzession zum Bau von Kalköfen nach (10036, Loc. 35261). Im gleichen Zeitraum beantragten auch die Herren Andreas Frauendorff und Jeremias Hunger aus Tautenhain Konzessionen zum Kalkofenbau (20007, Nr. 521, 522). In Ebersbach ersuchte 1754 der Hintersasse Daniel Jentzsch um die Konzession zum Kalkofenbau (20007, Nr. 510). Auch das von Einsiedel'sche Rittergut Hopfgarten betrieb um 1732 eine Kalkbrennerei (20006, Nr. 690). In den um 1780 entstandenen Meilenblättern des Königreichs Sachsen sind daher die meisten der noch heute zu findenden Steinbrüche bereits verzeichnet.
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Über ihre geognostische Untersuchung der „zwischen
Colditz, Penig und Borna liegenden Gegenden“ im Jahr 1799 ist folgender
Bericht aus der Feder der damaligen Bergakademisten Wilhelm Gottlob Ernst
Leiter und Friedrich Traugott Michael Haupt erhalten geblieben
(40003, Nr. 006). Die beiden damaligen
Bergakademisten haben uns in ihrem Bericht auch recht ausführliche Notizen
über die Kalksteinbrüche bei
Geithain
hinterlassen. Zuvor liest man aber Tautenhain darin (ab Blatt 45, Rückseite):
§55. Porphir. „Ohngefähr ¼ Stunde von Tautenhayn gegen Morgen (Osten) liegen 2 Steinbrüche in Porphir... Dergleichen Porphir findet man auch in dem unteren Theil desjenigen Hohlweges, welcher sich von Tautenhayn gegen Mittag Abend (SW) erhebt...“ Anmerkung: Die Schreibweise mit „Y“ für das Gestein Porphyr setzte sich erst in späterer Zeit durch. §56. Flözschichten. „Besonders merkwürdig wird der vorgedachte Hohlweg durch die Flözschichten, welche in ihm, zwischen den Tautenhaynschen Kalkbrüchen, wohin er führt, und dem soeben erwähnten Porphir zu Tage ausgehen...“ Ein von Tautenhain nach Südwesten führendes Seitental erkennen wir auch auf dem obigen Ausschnitt aus dem Meilenblatt wieder und können nun ziemlich sicher sein, wo sich die beiden Bergakademisten anno 1799 gerade befanden. Weiter heißt es dann (ab Blatt 48, Rückseite) in der Akte zu dem uns hier interessierenden Thema: §57. Kalkbrüche. „Die obersten Flözschichten kommen eigentlich in den vier, im Eingange des vorstehenden § bemerkten Tautenhaynschen Kalkbrüchen vor, worin der Kalkstein unter einem 8-15 Ellen (reichlich 4 bis 8 m) hohen Abraume, der größtentheils aus aufgeschwemmtem Gebirge, unten aber aus mehreren mit einander abwechselnden Schichten von rothem Sandstein und grauem Schieferthon besteht, 5-6 Ellen (also über 2,5 m und bis zu 3,20 m) mächtig seyn und auf grauem Sandstein aufliegen soll. Der Kalkstein hat daselbst verschieden graue mit Gelb vermengte Farben, zeigt einige hohle Abdrücke von kleinen Greifsmuscheln (vielleicht sind Brachiopoden gemeint ?), liegt söhlich, und ist höchstens 12 Zoll stark geschichtet. In ihm kommen mehrere kleine zuweilen 6 Zoll mächtige Lagen von Schieferthon, Sandstein und einem Gemenge aus beyden vor. Auch finden sich in seinen obersten Schichten einige 1-1 ½ Ellen weite Höhlen, welche mit Kalkbruchstücken, Thon und schwarzer Erde ausgefüllt sind. §58. Kalkbrüche. In den übrigen beyden nach Tautenhayn gehörigen Kalkbrüchen, welche etwa 500 Schritte von diesem Dorfe nach Mitternacht Abend (NW) abliegen, ist der Kalkstein von dem vorherigen nur in seiner Lage verschieden. Er geht daselbst zu Tage aus, hat daher nur 3-9 Ellen (1,6 m bis 4,8 m) Abraum über sich, neigt sich etwas gegen Mitternacht, und wird übrigens auch nur 9-10 Ellen (maximal etwas über 5,3 m) tief, aber nicht bis auf seine unterliegenden Schichten benutzt. Das dortige aufgeschwemmte Gebirge zeigt noch die besondere Eigenschaft, daß es ungemein viele, zuweilen 1 Elle im größten Durchmesser habende Eisennieren führt.“ Insgesamt standen anno 1799 also sechs Kalksteinbrüche in Tautenhain in Betrieb. Die Mächtigkeit des Abraums über dem Plattendolomit lag in einer ähnlichen Größenordnung, wie in Geithain, nur bei den nordwestlich gelegenen und weiter unten in dem dortigen Seitental angesetzten Brüchen war sie deutlich geringer. Anders als im betreffenden Kapitel ihres Berichtes zu den Kalkbrüchen bei Geithain führten die Verfasser hier leider keine Angaben zu den Besitzern der Steinbrüche und den Produktionsmengen auf.
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Dann folgt noch ein weiterer Paragraph:
§59. Kalkbrüche. „In den zwischen Ebersbach und Hopfgarten liegenden, nach erstgenanntem Dorfe gehörigen zwey Kalkbrüchen, beträgt die Höhe des aufgeschwemmten Gebirges 1-12 Ellen, und der Kalkstein, welcher sich daselbst in 1-15 Zoll starken Schichten 5° gegen Mittag verflächt, soll 12 Ellen (bis zu 6,4 m) mächtig seyn. Er enthält ebenfalls einzelne, gegen 6 Zoll starke Lagen von Schieferthon und Sandstein, zeigt viele von verwitterten kleinen Greifsmuscheln (vielleicht sind Brachiopoden gemeint ?) entstandene, zuweilen wieder mit Kalkstein ausgefüllte Höhlen, und hat wie der vorherige Kalkstein, einen matten, erdigen, zuweilen etwas splittrigen Bruch, sowie verschieden graue mehr und weniger mit gelb gemengte Farben, welche ihm nicht selten im Querbruche ei besonderes Ansehen geben. Er kommt häufig mit Bleyglanz vor, braust sehr wenig mit Scheidewasser, scheint besonders in den untersten Schichten, die wir aber nicht entblößt antrafen, sehr mit Thon gemischt zu seyn, und soll eben daselbst viele Stücken von Steinkohle enthalten. In den vielen herumliegenden Kalksteinstücken fanden wir kleine Stücken von Steinkohle, ingleichen mehrere Abdrücke von Blättern wovon einige hohl und mit Eisenocker überzogen, andere aber mit Steinkohle ausgefüllt waren. Auch trafen wir Kalkstein mit inne liegender Holzkohle, und den vorgedachten stark mit Thon gemischten Kalkstein mit eingesprengtem Schwefelkies daselbst an. Über die unter der Sohle des Flözkalks vorkommende Gebirgsart konnten wir nichts gewisses erfahren, indem einige Sand, andere aber Thon daselbst gefunden haben wollten.“ Mit dem Scheidewasser ist sicherlich Salzsäure gemeint. Der einfache Test auf die Anwesenheit von Calziumkarbonat, welches durch die Verdrängung der Karbonationen durch die Chloridionen aus der Salzsäure Kohlendioxid abgibt und dadurch aufschäumt (oder eben „braust“), wird bis heute von den Geologen unterwegs angewandt. Die von Leiter und Haupt besuchten Steinbrüche bei Ebersbach, von denen damals also zwei in Betrieb standen, sind ebenfalls in den Meilenblättern zu finden, wie folgender Ausschnitt zeigt. Die großen Unterschiede in der Abraummächtigkeit sind aus ihrer topographischen Lage leicht zu erklären; durchschneidet die Ausbißlinie des Plattendolomits doch hier das östliche Seitental des Tals der Kleinen Eula, das sich nach Ebersbach hinauf erstreckt.
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Aus dem 19. Jahrhundert liegen in den Akten des damaligen Amts Colditz die Namen einger Kalkgrubenbesitzer vor. In Gesuchen um Kalkofenbau sind u. a. genannt:
Es handelte sich offensichtlich fast durchweg um Anträge von ortsansässigen Bauern an das zuständige Amt in Colditz. Gehen wir nach der Anzahl dieser Anträge zum Bau eines Kalkofens, dann war der Höhepunkt des Dolomitabbaus in Tautenhain Anfang des 19. Jahrhunderts erreicht. Allein zwischen 1820 und 1850 wurden noch einmal zehn Anträge gestellt (G. Senf). Für die meisten der genannten Antragsteller und Kalkbrennereibesitzer waren der Dolomitabbau und das Kalkbrennen wohl ein saisonaler Nebenerwerb in denjenigen Zeiten, in denen ihre Landwirtschaftsbetriebe weniger Arbeitskräfte benötigten. Von den zahlreichen, nach gewisser Betriebszeit aber verschlissenen und daher immer wieder zu erneuernden Kalköfen älterer Bauart (Schneller-Öfen) finden wir in den Ende des 19. Jahrhunderts herausgegebenen Äquidistantenkarten nur noch einzelne wieder. Viele Tautenhainer Einwohner fanden in dieser Zeit Arbeit in den Gruben und Ziegeleien der Umgebung. In einer Mitteilung im Tautenhainer Kirchenarchiv von 1840 kann man lesen: „Tautenhain hat 319 Einwohner, die sich in 22 Nachbarn und 30 Häusler, einige Hausgenossen und Auszügler einteilen. Die Einwohner beschäftigen sich zwar mit der Oeconomie, doch finden, da der Erdboden Kalkstein enthält, weshalb auch hier mehrere Kalköfen sind, viele derselben, und namentlich alle Häusler ihre reichliche Nahrung in der Zubereitung dieses Steines, weswegen auch der Tageslohn hier viel höher als an anderen Orten ist.“ Als der Turmknopf der Tautenhainer Kirche 1877 nach einer Reparatur wieder geschlossen wurde, legte man folgende Mitteilung hinein: „Das Dorf hat 500 Einwohner. Man kann wohl sagen, daß es sich in einem leidlichen Wohlstand befindet, denn auch die Handarbeiter haben einen guten Verdienst meist in den Kalkbrüchen. ... Ein halber bis ein Taler den Tag.“ Bei dem angegebenen Lohn sind natürlich die damaligen Lebenshaltungskosten und die Arbeitszeit in den Vergleich einzubeziehen. Es relativiert sich schon, wenn man erfährt, daß „die an den Kalköfen beschäftigten Arbeiterinnen täglich 11 Stunden, auch an den Vorabenden von Sonn- und Feiertagen beschäftigt...“ gewesen sind (G. Senf).
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An der Einmündung des Bachlaufs aus Ebersbach
scheinen vor dem Jahr 1874, in dem diese Kartenauflage gedruckt wurde, noch keine Bergbauaktivitäten stattgefunden zu haben.
Da wir aber heute in diesem Bereich ein regelrechtes Pingenfeld im Relief finden, vermuteten wir, daß eine Unfallmeldung aus dem Jahre 1819 vielleicht doch mit untertägigem Abbau in Verbindung gestanden haben könnte. Da diese Nachricht nach Tautenhain gehört, zitieren wir diesen Text (10036, Loc.35062) an dieser Stelle noch einmal vollständig: „Es hat sich am 21sten August 1819 in dem hiesigen Amtsdorfe Tautenhayn folgender casus tragicus ereignet. Durch den Einsturz eines daselbst befindlichen Kalkbruchs sind von den daselbst angestellt gewesenen Arbeitern
verschüttet, erstgenannter Weiske todt, ohne irgend ein Lebenszeichen, mit zerschmettertem Kopfe, rechtem Arme und Beine und linkem Fuße, dessen Ehefrau mit zerschmettertem rechtem Arme und des Häußlers Jopens Ehefrau mit zerschmettertem rechtem Arme und linken Beine, auch mehreren anderen bedeutenden Kontusionen, beide Weiber jedoch noch lebend herausgezogen worden, die Jopinsche Ehefrau aber ebenfalls nach einigen Stunden an den Folgen der tödtlichen körperlichen Verletzungen verstorben und nur die Weiskische Ehefrau gerettet worden, welche letztere sich dazumahlen unter ärztlicher Behandlung befindet. Bei der hierauf erfolgten ärztlichen Untersuchung der beyden Leichname hat sich dann auch ergeben, daß der Häußler Weiske, welcher gleich todt aus dem Schotter und Steinen herausgezogen worden von dem Einsturze sofort erschlagen worden und ohngeachtet der sofort angestellten Versuche, nicht wieder ins Leben zurückgebracht werden können, die Jopinsche Ehefrau aber unmittelbar an den Folgen ihrer tödtlichen äußerlichen und innerlichen Verletzungen ohne Rettung sterben müssen. In tiefster Devotion lebenslänglich beharrend… Eu. Königl. Majestät
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Aus diesem Text geht leider nicht hervor, ob
dieser „Einsturz“ beim Abbau untertage erfolgte; ja, nicht einmal der
genaue Ort oder der Besitzer des „Kalkbruches“ werden benannt. Der
Umstand, daß auch Frauen zu Schaden gekommen sind, spricht jedoch eher dafür,
daß bei übertägigem Abbau ein Böschungsbruch erfolgt und hier ein „Kalk-Steinbruch“
gemeint war.
In Anbetracht des heutigen Erscheinungsbildes der oben genannten Fläche im Ebersbacher Kirchenholz, zwischen den Tälern der Kleinen Eula und des Ebersbacher Bachlaufs, erschien es nun durchaus möglich, daß hier tatsächlich auch untertägiger Pfeilerbruchbau betrieben wurde. Kleine Steinbrüche geringer Ausdehnung sind an dieser Stelle aber erst in der Kartenausgabe von 1908 verzeichnet. Nachdem wir die Fläche im Herbst 2016 selbst in Augenschein genommen haben, halten wir es aber für weitaus wahrscheinlicher, daß man auch hier aus der angrenzenden Talsohle heraus den Dolomit im Tagebau gebrochen hat. Das einem Bruchfeld heute ähnlich erscheinende Relief wird wohl einfach nur dadurch entstanden sein, daß man den Abraum im Vorfeld abtrug und in den bereits abgebauten Flächen – freilich reichlich unsystematisch – aufhaldete. Die Verfügung des Sächsischen Finanzministeriums vom 21. Oktober 1831, mit der die Bergbehörde zur Prüfung der Rechtslage zum grundeigenen Bergbau aufgefordert wurde: „Hierdurch ergeht an das Oberbergamt die Verfügung, nach vorgänglicher dießhalbiger Erörterung dem Finanz Ministerio mittels Bericht cum actis ... zu prüfen, ob und welche Einschreitung der Bergbehörde ohne Würdigung der Bergregalität in der Folge zu treffen sein möchte...“, könnte hier nordwestlich von Tautenhain tatsächlich zur Ursache haben: „...daß Raubbau geführt oder durch fehlerhaften Bau Kalksteinlager verschüttet worden; daß Veranstaltungen getroffen oder unterlassen wurden, wodurch benachbarten Werken Nachtheil zugefügt oder die Gesundheit und das Leben der Arbeiter in Gefahr gesetzt werden könne... (und) daß die ... Bedingungen nicht erfüllt wurden, unter welchen ihnen die Concession zum Kalksteinbau zugestanden worden ist...“ (40001, Nr. 2975). Genau diesen Eindruck hinterläßt der heutige Zustand dieser Abbaufläche auch auf uns…
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In den Jahrbüchern für das Bergwesen im
Königreich Sachsen sind die gewerblichen Steine- und Erden- Gewinnungsbetriebe
erst seit der Ausgabe 1901 aufgeführt, Braunkohlengruben jedoch schon seit 1870.
Auf diesem Umweg erfahren wir, daß etwa ab 1895 ein Herr C. J. Friedemann,
Guts- und Kalkbrennereibesitzer in Thierbaum, eine der Braunkohlengruben
dort betrieb. Ihm ist wahrscheinlich der in der Kartenausgabe von 1907 an der
Straße von Thierbaum nach Ebersbach eingezeichnete Kalkofen zuzuordnen. Da in
Thierbaum kein Dolomit mehr aufgeschlossen ist, muß Friedemann den Rohdolomit zu
dieser Zeit noch aus Tautenhain oder Geithain geliefert bekommen haben. Deshalb
erlauben wir uns, dahingehend vom eigentlichen Thema abzuschweifen...
Friedemann hatte 1894 von F. E. Sebastian das bis 1875 noch als G. Kupfer’s und J. G. Sebastian’s Braunkohlenwerk bezeichnete und von 1894 bis 1896 stilliegende Werk erworben und bis 1908 fortgeführt (vgl. JB 1874-1908, außerdem 40024-7, Nr. 67 bis 69, sowie 40053, Nr. 165). In den Jahrbüchern sind 1874 darüber hinaus noch wenigstens drei weitere Braunkohlenwerke in Thierbaum im Besitz von:
aufgeführt. Im Jahr 1898 wird Friedemann darüber hinaus als Betriebsleiter bei dem Thierbaumer Braunkohlenwerk von E. J. Perschmann, Ziegeleibesitzer aus Crimmitschau, aufgeführt. Ein Herr C. Pörschmann (oder Börschmann), Oeconom in Thierbaum, war bereits 1872 Teilhaber im vormaligen F. G. Ponisch’schen Braunkohlenwerks geworden. Ob es sich dabei um einen Vorfahren Perschmann’s handelt, bei dem nur die Schreibweise des Namens anders gehandhabt wurde, wissen wir aber nicht. Perschmann jedenfalls verkaufte das Werk 1900 an einen Herrn E. R. Tag, Baumeister aus Chemnitz, der wiederum das Werk bereits im Folgejahr an Frau I. Grahl und Herrn H. H. Mühlberg weiter veräußerte (40024-1, Nr. 129). Danach verliert sich die Spur dieses Unternehmens in den Jahrbüchern. Wir wissen aber aus anderen Quellen, daß es im Jahr 1901 ein schweres Winter-Tauwetter gegeben haben muß, bei dem u. a. die Eulitz’schen Kalkwerke in Ostrau abgesoffen sind. Möglicherweise machten also Wetterereignisse diesem Braunkohlen- Tagebau den Garaus. 1908 erwarben dann die Herren W. Müller, Architekt in Colditz und H. Meier, Maurermeister in Thierbaum, das vormals Friedemann’sche Braunkohlenwerk und führten es als „Braunkohlenwerk Thierbaum“ weiter. Bereits zu diesem Zeitpunkt wird es als einziges noch in Betrieb stehendes Werk in Thierbaum in den Jahrbüchern benannt, hatte danach aber noch wenigstens bis 1941 Bestand (BWV1940-41). Für die beiden Werke von Friedemann sowie von Perschmann (mit bekannten Vorgängern und Nachfolgern) haben wir die in den Jahrbüchern angegebenen Förderzahlen einmal grafisch zusammengestellt.
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Wie man aus obiger Grafik ersieht, wurden im
Mittel jährliche Fördermengen zwischen 1.000 und 4.000 Tonnen Braunkohle
erreicht, was für den Bedarf des eigenen Kalkwerks oder auch einer Ziegelei in
Crimmitschau sicherlich auskömmlich war.
Im Jahr 1935 produzierte das Braunkohlenwerk in Thierbaum nur noch ganze 0,033% der Gesamtfördermenge an Braunkohle im damaligen Bezirk Leipzig (zu dieser Zeit zirka neun Millionen Tonnen). Die großen Tagebaue in der Halle- Leipziger Tieflandsbucht hatten die kleinen gewerblichen Gruben am Rand dieses Tertiärbeckens längst überholt. Dennoch wurde hier noch bis 1958 Braunkohle gefördert (bad-lausick.de, sowie 40067-1, Nr. 1083). Dem Braunkohlenbergbau im Ausstrich der Tertiär- Überdeckung in Tettau in Westsachsen gehen wir in diesem Beitrag nach.
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Der südlichste der Kalksteinbrüche bei Tautenhain war zuletzt im Besitz des
Bauern Franz Blume (genannt „der große Blume“ im Unterschied zu Franz,
„dem kleinen Blume“). Nördlich der Steinbrüche sind heute noch die Reste zweier
kleiner Trichteröfen zu finden. Wann dieser Blume auf das Gut kam, ist nicht
genau bekannt. Es war aber mit Sicherheit spätestens 1900. Die Tochter von Franz
Blume lebt noch heute in Tautenhain auf dem Gut am westlichen Kirchberg.
Der mittlere der Kalksteinbrüche auf der Südwestseite von Tautenhain war Weber‘s Kalkloch und befand sich nachweisbar lange im Besitz ein und derselben Familie. Erich Weber (geboren um 1910) war als „Mühlenweber“ (vgl. auch 20007, Nr. 0513) bekannt und einer von drei Tautenhainer Bauern mit diesem Namen. Die anderen beiden waren Richard Weber und Alfred Weber, letzterer wiederum der Nachfolger von Bauer Gnäupel, dessen Vorfahren schon um 1847 selbst auch eine Kalkbrennerei betrieben. Auch Erich Webers Großvater Johann Gabriel Weber tauchte schon in Anträgen zum Bau eines Kalkofens von 1833 auf. Der Sohn von Erich, Erhard (geb. 1937) lebt noch heute auf dem Gut. Während man übrigens in Tautenhain bei Blume‘s und Krötzsch‘ens von deren „Kalkloch“ sprach, war in Tautenhain „Weber‘s Kalkloch“ eher als „Weber‘s Berge“ bekannt. Die Abraumhalden waren für viele Tautenhainer ein markanter Geländepunkt, für den die Regel galt: „De Sonne geht bei Weber‘s Bergen unter! Jatzt hamm`er gewonn.“ Es begann nämlich der Frühling... Vermutlich zwischen 1910 und 1920 heiratete Oswin Krötzsch in das vormals Thalmann’sche Gut ein. Auch die Thalmann’s sind wenigstens ab 1837 selbst in der Kalkbrennerei aktiv gewesen. Unter dem Namen Krötzsch’ens Kalkloch ist der nördlichste der noch vorhandenen Steinbrüche am südwestlichen Talhang noch heute bekannt. Zwischen dem Ebersbacher Kirchenholz und der Bahnstrecke Tautenhain – Hopfgarten befand sich früher außerdem „Dennhart‘s Kalkloch“. Der dazugehörige Abraumberg wurde in den 1960er und 70er Jahren abgetragen. Ältere Einwohner erinnern sich aber noch, daß man in den letzten Monaten des 2. Weltkrieges in den Abraumhügel einen kleinen Gang als „Luftschutzkeller“ vorgetrieben hatte (Mitteilungen von Herrn G. Senf). Aus den Akten der jetzigen Amtshauptmannschaft Borna erfahren wir außerdem, daß nach 1900 noch Kalksteinbrüche und Brennereien im Besitz von
um Tautenhain, wahrscheinlich östlich der Straße nach Geithain, in Betrieb gestanden haben müssen. Die Blütezeit des Dolomitbergbaus um Tautenhain war jedoch jetzt endgültig vorbei. Großunternehmen wie die Geithainer Kalk-, Sand- und Ziegelwerke im Besitz von August Lehmann mit weit günstigeren Lagerstättenbedingungen hatten den Einzelbetrieben den Rang abgelaufen. A. Rothpletz und E. Dathe schrieben schon 1896 in der ersten Auflage der Erläuterungen zr Geologischen Karte, daß „die früher in grossem Maaßstabe betriebenen Brüche bei Ottenhain fast vollständig, die bei Tautenhain und Ebersbach sämmtlich auflässig und z. Th. ganz verbrochen sind.“ Auch A. Penck schrieb 1901 über die Steinbrüche bei Ebersbach, daß sie „seit Jahren auflässig“ seien.
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Erhaltene Zeugnisse
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Nun suchen wir einmal nach den verbliebenen Zeugnissen des
einstigen Dolomit-Bergbaus.
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Wir beginnen unseren Rundgang im Norden
zwischen Ebersbach und Hopfgarten. Von Ebersbach aus kann man die
Hopfgartener Straße – die eigentlich unmittelbar hinter dem Ortsrand nur
noch ein Feldweg ist – nutzen, um diese Steinbrüche zu erreichen.
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…teils, so wie hier, dünnplattig mit nur wenigen Zentimetern Mächtigkeit, wie auch A. Penck den Ebersbacher Dolomit im Jahr 1901 beschrieben hat. |
Dann muß man ein wenig querfeldein und macht diese Wanderung daher am besten im
Herbst, wenn die Felder abgeerntet sind.
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Nachdem wir den umrundet haben, finden
wir gegenüber noch einen kleinen Steinbruch am Gegenhang.
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Bevor wir wieder zurück nach Tautenhain
fahren, werfen wir noch schnell einen Blick von Ebersbach hinüber bis nach
Thierbaum, um zu sehen, ob von Friedemann’s Kalkofen noch etwas
übriggeblieben ist.
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Nebenbei fällt uns hier die Bezeichnung „Pe.“ an dem Steinbruch am Ortsrand von Ebersbach auf. Tatsächlich ist damit „Pechstein“ gemeint. Wir schlagen deshalb schnell nochmal die Erläuterungen zur Geologischen Karte auf. Darin schreibt A. Penck im Kapitel Das obere Tuffrothliegende: Der Pechstein (Vitrophyr) von Ebersbach (Pe) „…Der Pechstein von Ebersbach besitzt eine schwarze, glasglänzende Grundmasse, welche unter dem Mikroskope als ein durchsichtiges Glas erscheint, jedoch durch eingestreute schwarze Mikrolithen getrübt ist, die zu einer deutlichen, oft jäh abbrechenden Mikrofluctuationsstructur angeordnet sind. In der so beschaffenen Grundmasse liegen Krystalle, vorwaltend Orthoklas, spärlicher von Plagioklas, Dihexaeder von rauchbraunem Quarz, sowie Täfelchen von Magnesiaglimmer, selten von Augit. Das Gestein ist säulenförmig abgesondert; die Säulen haben einen fünf- oder sechsseitigen Querschnitt und erfahren in ihrer Längsausdehnung eine Reihe von Einschnürungen, so dass sie bald stärker, bald schwächer werden. Auf den feinen Klüften zwischen ihnen haben sich oft Häute und millimeterdicke Lagen von Achat angesiedelt, welche auf ihrem Querbruche einen zierlichen Aufbau aus lauter einzelnen, verschieden gefärbten Schichten erkennen lassen. …Der beschrieben porphyrische Pechstein (Vitrophyr) ist ausser durch einige Brunnen am östlichen Ende von Ebersbach dortselbst durch einen ausgedehnten Steinbruch und zwar hier bis zu 15 m Tiefe aufgeschlossen. An der Westseite des letzteren stehen die Säulen des Pechsteins vertikal, nach Osten zu aber wird ihre Stellung eine im Allgemeinen immer geneigtere, bis sie schließlich horizontal liegen, ohne dass sich hieraus Rückschlüsse auf die Lagerungsverhältnisse ziehen lassen. Der Pechstein von Ebersbach liefert ein sehr geschätztes Strassenschottermaterial.“
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Südlich der Einmündung des Ebersbacher
Bachlaufs in die Kleine Eula ist uns auf dem Reliefbild ein ausgedehntes
Pingenfeld ins Auge gefallen, wie es auch über untertägigem
Pfeilerbruchbau entstanden sein könnte. Das müssen wir uns anschauen !
Dazu fahren wir zurück nach Tautenhain und biegen von Ebersbach kommend im Ort rechts ab.
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Zurück nach Tautenhain halten wir uns
wieder rechts in Richtung Hopfgarten und finden gleich hinter der
Eisenbahnbrücke die nächsten Steinbrüche.
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…der das Restloch in zwei Teiche teilt (Blick von Süden über den Damm – in der Bildmitte – hinweg). Vielleicht waren es also ursprünglich einmal zwei eigenständige Kalkgruben.
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Der nächste liegt gleich südlich daneben:
Man muß dem Gewerbeweg bis zum Firmengelände und dann dem Feldweg
geradeaus folgen.
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Zurück nach Tautenhain, ein Stück in
Richtung Geithain und dann wieder rechts in Richtung Frankenhain. Von der
Straße biegt außerorts in einer Rechtskurve ein Feldweg nach Süden ab,
über den man Nr. 7 erreicht.
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Einen haben wir noch: Dazu geht es wieder zurück in den Ort, weiter in
Richtung Geithain, hinter der Bahnbrücke an der Linkskurve hält man an dem
hier abzweigenden Feldweg an und spaziert dann per pedes weiter.
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Damit wären wir einmal rund um Tautenhain herum. Vom einstigen Dolomitabbau hier in Tautenhain sind leider nur noch wenige Zeugnisse erhalten geblieben, unter denen eigentlich nur die schon sehr verfallenen Reste des Blume’schen Doppelkalkofens hervorzuheben sind. Die Restlöcher der früheren Steinbrüche und Tagebaue hat sich dagegen längst die Natur zurückerobert und dabei aus den Geotopen schicke Biotope gemacht: Wir haben selbst nebenbei Enten, Schwäne und Reiher beobachten können und sicher fühlen sich hier im Sommer auch Frösche, Molche oder Libellen pudelwohl. Wenn es also geologisch und montanhistorisch heute auch nicht mehr viel zu sehen gibt, hat sich diese Wanderung deshalb trotzdem für uns gelohnt. Für alle, die wir neugierig gemacht haben, folgt eine Liste mit Quellen, aus denen man noch mehr erfahren kann. Glück Auf! J. B.
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Weiterführende Quellen
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Wo wir außerdem schon nach der Geschichte des Kalkbergbaus und der Kalkverarbeitung recherchiert haben, haben wir einmal in einem Sammelband zusammengestellt. Sie finden diesen auch in unserer Rubrik Technik unter Baudenkmale.
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Allgemeine Quellen
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