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Ein Beitrag von www.unbekannter-bergbau.de
  

 

 

Zum Kalk- und Marmorabbau im Hahnrücker Gebirge zwischen Geyer und  Ehrenfriedersdorf

Erstellt November 2016, letzte Ergänzung Juli 2022. 

Sie können diesen Beitrag auf dem Recherchestand vom November 2016 vom Qucosa-Server der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden im PDF-Format herunterladen.

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-78849

An dieser Stelle sei den nachstehend genannten Personen für Hinweise, Ratschläge und Beteiligung an praktischen Arbeiten im Gelände, wie auch an der Recherche in den Archiven, sowie letztlich bei der Umsetzung der Dokumentation gedankt:

  • Herrn S. Glau, Zwönitz,
  • Herrn Dr. L. Baldauf, Flöha, sowie
  • Herrn G. Mühlmann, Ehrenfriedersdorf.

 

Lage des Bergbaugebietes

 

Nur wenig ist heute noch über ein kleines Bergbaugebiet zwischen Geyer und Ehrenfriedersdorf bekannt: Der Kalkbergbau auf dem Bergrücken, der auf älterem Kartenmaterial als „Hahnrück“, „Hahnerück“ oder auch „Hahnrücker Gebirge“ verzeichnet ist. Dieses Bergbaugebiet liegt in südlicher bis südwestlicher Richtung vom Ehrenfriedersdorfer Westfeld.

Durch die SDAG Wismut wurde es in den 1960er Jahren noch einmal mit umfangreicher Bohrerkundung untersucht.

 


Lage des Hahnrücker Gebirges – rote Markierung - in einer topografischen Karte.
Quelle: www.geoportal.sachsen.de

  

Was der Name „Hahnrück“ oder „Hahnerück“ in den verschiedenen Schreibweisen genau bedeutet oder wie er entstanden ist, läßt sich heute nur schwer nachvollziehen. Es gibt nur sehr wenige Informationen zu diesem Landstrich mit dem markanten Bergrücken. Einige Nachrichten finden sich in Zusammenhang mit geologisch-mineralogischen Beschreibungen aus der Zeit der Landesuntersuchung.

Weitere detaillierte Informationen zum Kalkbergbau auf dem „Hahnrück“ finden sich nur im Zusammenhang von Streitfällen zwischen Bürgern und Grundeigentümer in den Aktenbeständen der grundherrschaftlichen Verwaltung. Jedoch liegt der Kalksteinzug in einem Bereich des Erzbergbaus und tangiert diesen auch. Weiterhin ist im Kalklager zumindest ein bauwürdiger Erzgang vorhanden. Dieser Umstand führte zu einer Vermischung der bergrechtlichen Aufsicht und letztlich zu der verstreuten und sehr dünnen Aktenlage.

Zum Kalkbergbau auf dem Hahnrücker Gebirge muß man daher eine recht aufwendige Recherche in den Staatsarchiven von Dresden, Chemnitz und dem Bergarchiv Freiberg durchführen. Wir haben damit begonnen und zumindest in den derzeit verfügbaren Beständen einige interessante Details gefunden, die für eine erste Beschreibung des dortigen Kalkbergbaus ausreichend sind.

  


Im Auszug einer Äquadistantenkarte von 1875 ist an der Stelle des Kalklagers nur eine Bezeichnung für Steinbruch an einer größeren Pinge vermerkt. Auch der Name „Hahnrück“ ist nicht vermerkt. Jedoch ist ein Schacht in einer Pinge dargestellt.
Quelle: http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70302464/df_dk_0000669 

  

Weitere Informationen finden sich auf einem Messtischblatt aus dem Jahr 1925. Hier ist wenigstens der Name vermerkt. Aber die Hinweise zum Gesteinsabbau, wie auf der vorher zitierten Karte, sind nicht mehr verzeichnet.

 


Auf diesem Messtischblatt aus dem Jahr 1925 findet sich nur der Name „Hahnrück“ für den erwähnten Gebirgsrücken, jedoch kein Hinweis auf den Kalkbergbau.
Quelle: http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70302466/df_dk_0000671

  

 

 

Geologie und Mineralogie

 

In einem Zwischenbericht von C. A. Kühn, damals noch Obereinfahrer in Freiberg, über erste Ergebnisse der geognostischen Landesuntersuchung, namentlich über die dabei „aufgefundenen Lagerstätten gemeinnützlicher und besonders brennlicher Fossilien,“ aus dem Jahr 1818 (40003, Nr. 59) findet man im Kapitel III. Zwischen der Freyberger und Zwickauer Mulde gelegener Theil des Königreichs Sachsen (Rückseite Blatt 112ff) eine kurze Notiz über die hiesigen Kalksteinvorkommen unter dem Anstrich a) Urkalkstein (Rückseite Blatt 144):

§63.
4. dergleichen am Hahnrück bei Ehrenfriedersdorf.

Ein 2 Ellen mächtiges Kalksteinlager findet sich ferner am Hahnrück bei Ehrenfriedersdorf. Es scheint noch unter dem in vorigen §. Betrachteten, jedoch in demselben Gebirge aufzusetzen und führt einen ziemlich reinen Kalkstein und wird auch bereits abgebaut.“

Der „vorige §“, auf welchen Kühn hier Bezug nimmt, beschreibt in ähnlicher Kürze die Kalkvorkommen bei  Herold,  Venusberg und Grießbach.

  

Genauere Aufschlüsse zum dort umgegangenen Kalkbergbau finden sich erst in der geologischen Beschreibung zur Geologischen Karte von H. Credner von 1899 (2. Auflage). Wir zitieren auszugsweise den entsprechenden Textabschnitt: „Innerhalb der Glimmerschieferformation treten auf Sektion Geyer-Ehrenfriedersdorf zwei Einlagerungen von körnigem Kalke auf, die eine am Hahnrücken bei Schönfeld im Glimmerschiefer selbst, die zweite in den Heroldern chloritischen Hornblendeschiefern.

Das Kalklager vom Hahnrücken wird gegenwärtig nicht mehr abgebaut und sind die Aufschlüsse daher nur sehr unvollkommen. Nach vom früheren Abbau zurückgebliebenen Stücken zu urtheilen, ist das Gestein ein ziemlich reiner, weisser, graugebänderter krystallinisch-feinkörniger Kalk. Einzelne Stücke sind so frei von fremden Beimengungen, dass Salzsäure kaum Spuren eines unlöslichen Rückstandes hinterlässt und die Lösung nur ganz schwach auf Magnesia reagirt. Accessorische Mineralien waren nicht zu beobachten. Hingegen soll nach Blöde während des Abbaues graulichweisser asbestartiger Tremolit, seltener Granat, Talk und gemeiner Strahlstein angetroffen worden sein. In einem der beiden verfallenen Stolln lässt sich die Mächtigkeit des Lagers auf 1,2 bis 1,5 m abschätzen. Am Stollnmundloch des anderen verfallenen Stollns steht im Hangenden das hier in ganzer Mächtigkeit abgebauten Kalkes, die Firste des Stollns bildend, ein harter, feinkörniger, graulicher Quarzit in 0,65 bis 0,75 m Mächtigkeit an.

Darüber folgt ein seiner Beschaffenheit nach ziemlich variirendes Gestein, dessen hauptsächlichste Modification vorherrschend aus hellbräunlichgelben, kleinkörnigem bis dichtem Granat, mit Partien von weissem, blättrigem Kalkspath, und einzelnen Quarz- und Feldspathkörnchen besteht.“  

  


Section 127 der Geologischen Specialkarte von Sachsen, Gesamtansicht. Die Lage des „Hahnrücker Gebirges“ haben wir mit einem blauen Punkt in der geologischen Karte markiert.

  


Die genaue Lage des Kalklagers ist im Kartenausschnitt besser zu erkennen. Unmittelbar neben dem Kalklager sind auch zwei Erzgänge und der „Reich Silbertroster Stolln“ vermerkt.

  

Wie in der geologischen Bechreibung erwähnt, sind auch noch andere Minerale im Kalklager aufgetreten. Diese wurden in früheren Zeiten auch in der entsprechenden Fachliteratur zu Zeiten der Landesuntersuchung publiziert. Zum Tremolit schreibt bereits Abraham Gottlob Werner: „Stänglige Aggregate von weisser, grauer bis blassspargelgrüner Farbe finden sich in Kalksteinen sowie auf den Granat-, Kies- und Blendelagern des Obergebirges. Im Kalkstein zu Lengefeld bei Marienberg; auf Erzlagern bei Magdeburger Glück und Wellners Fdgr. Bei Schwarzenberg, von Idokras begleitet; desgleichen auf Rosenkranz bei Schneeberg, in Begleitung von Granat und Idokras; auf Zweiglers Fdgr. Und Neujahr zu Wildenau und am Fürstenberg bei Schwarzenberg; am Hahnrücker Gebirge bei Ehrenfriedersdorf.“ (aus Frenzel, 1874)

Neben den oben erwähnten Mineralien trat aber auch Farbocker in einem das Kalklager durchziehenden Gang auf. Diese „ockerartige Farberde“, so die Beschreibung von 1799, führte ein Morgengang in der Streichrichtung hora 3,4 mit sich (30859, Nr. 170).

Eine tiefgründige wissenschaftliche Beschreibung zur Geologie des Gebietes findet der interessierte Leser in der Bergbaumonografie „Das Zinnerz-Lagerstättengebiet Ehrenfriedersdorf/Erzgebirge“ von G. Hösel u. a. (LfULG, 1994). Dieser Publikation entnehmen wir auch die folgenden, chemischen Analysen dieser Kalksteine.

  

  Marmor, weiß Marmor, gestreift Marmor, gestreift
CaO 54,4% 54,0% 51,7%
MgO - - 0,2%
CO2 42,3% 41,2% 40,9%
SiO2 2,8% 4,7% 6,2%
Al2O3 n. b. n. b. n. b.
Fe2O3 0,1% 0,1% 0,3%

 

 
 
 

Zurzeit bekannte Bergbaugeschichte des „Hahnrücker Gebirges“

  

In der jüngeren Bergbaugeschichte geriet das Gebiet durch Auftreten diverser Bergschäden wieder ins Blickfeld. Die ersten Nachrichten in den Bergakten finden wir darüber im Jahre 1907, als dem Bergamt ein offener, flach mit 30° einfallender Schacht gemeldet wurde. Dieser Schacht war nach den Angaben in der Bergakte gut 12 m – 15 m tief. Er sollte durch die auf dem Sauberg in Ehrenfriedersdorf tätige Bergbaugesellschaft „Vereinigt Feld“ verfüllt werden (40024, Nr. 12-077).

In der Bergschadenkundlichen Analyse von 1977 (40073, Nr. 55) ist eine ganze Reihe solcher Schadensereignisse vermerkt. Zwischen 1966 und 1976 sind in diesem Gebiet reihenweise Bergschäden im Bereich der beiden Kalklagergänge und den zugehörigen Stolln aufgetreten. Meist handelte es sich um pingenförmige Vertiefungen, die durch das Abrutschen der unkontrolliert eingebrachten Verfüllmassen in die Abbaue und Gangausbisse entstanden sind.

Wie damals üblich, wurden die Brüche wurden nur mit einer Einzäunung aus alten Grubenschienen oder Rohren als Zaunpfähle und mit Stacheldraht versehen, wovon heute nur noch sehr wenig erhalten ist. Als Behinderung zum Erreichen des Pingenfeldes ist anstelle des ursprünglichen Nadelhochwaldes gezielt Laubwald angepflanzt worden!  

Viele der heutigen, neuen Verbrüche treten tatsächlich kaum in Erscheinung, da diese im recht dichten Unterholz des Mischwaldes verborgen liegen und vom Wirtschaftsweg kaum oder nur nach gezieltem Suchen auffindbar sind.

Zwischen 1960 und 1980 sind umfangreiche Bohrarbeiten im Bereich des Hahnrücker Lagers durch die SDAG Wismut ausgeführt worden. Es lag die Vermutung nahe, daß sich einige Gänge der Zinnlagerstätte „Sauberg“ in südwestlicher Richtung fortsetzen. Zwei Bohrungen der SDAG Wismut von 1975 und die Ergebnisse pedogeochemischer Untersuchungen, sowie Hinweise neuerer oberflächenphysikalischer Untersuchungen bestärkten die Vermutung. Das Kalklager auf dem Hahnrück hatte für den neueren Bergbau dagegen überhaupt keine Bedeutung mehr. (LfULG, 1994)

Weiterhin ist auch die Rede von zwei Stolln, die damals noch bekannt waren, auch in der geologischen Beschreibung zu finden sind und unter der Bezeichnung „Hahnrücker Stolln“ und „Max Stolln“ im zur BSA gehörigen Riß vermerkt waren. Während der „Max Stolln“ um 1977 nur an einer schluchtartigen Vertiefung, einer quer zum Stollnverlauf gesetzten Trockenmauer (wohl das versetzte Mundloch) und einem Wasseraustritt zu erahnen war, war der sogenannte „Hahnrücker Stolln“ zur Wassernutzung erschlossen und mit einem Kontrollschrot versehen. Diese schluchtartige Vertiefung am „Max Stolln“ entstand 1966 bei Sicherungsmaßnahmen durch den damaligen VEB Bergsicherung Schneeberg und eine Einböschung. Bis dahin könnte das Mundloch sogar noch offen und fahrbar gewesen sein (40073, Nr. 55).

Die ältesten Nachrichten zum dortigen Kalkbergbau gehen auf das Jahr 1734 zurück (40073, Nr. 55). Demnach wurde „Ein gut 1 m mächtiges Kalkflötz, das etwa parallel zum Reichen Silbertrost Morgengang streicht,…“ bebaut, das „liefert sehr guten Kalkstein, der nach dem Brennen in einem vor Ort befindlichen Ofen einen guten und tüchtigen Kalk ergibt.“ Es ist demnach annehmbar, daß die Grafen von Wallwitz auf Wiesa dieses Lager schon wenigstens seit dem 18. Jahrhundert betreiben (30859, Nr. 312).

Um 1773 erscheinen diverse Nachrichten zum Kalkbergbau auf dem Hahnrück wieder im Zusammenhang mit verschiedenen Streitfällen. Zu dieser Zeit gab es mindestens drei verschiedene Kalkbruchbetreiber auf dem Hahnrück: Zum einen werden ein „Wiesner Kalkbruch“ und ein „Herrmann‘scher Kalkbruch“ genannt, wie leider so oft aber ohne nähere Angaben. Ein weiterer Bruch lag auf den Wiesen (heute alles bewaldet) des Gutsbesitzers und Lehnsherrn von Wiesa, George Reinhard Graf von Wallwitz. Dieser tritt auch als Betreiber des „Wallwitz‘schen Kalkbruches“ laut den Bergakten in Erscheinung. Auch findet sich in den Akten die Bemerkung, daß der Graf den Kalkbruch „schon sehr lange betreibt“ (40001, Nr. 487). Natürlich gehörte zum Kalkbruch des Grafen auch ein Kalkofen auf dem Hahnrück (30859, Nr. 312). Der Kalkofen ist nicht mehr erhalten und auch sein früherer Standort ist heute nicht mehr bekannt.

Graf Wallwitz hatte für seinen Kalkbruch um 1773 den Vortrieb eines Entwässerungsstollns in Auftrag gegeben. Von diesem Stolln sollten auch die benachbarten Kalkbrüche profitieren, da diese dann ebenfalls mit vom Wasser gelöst würden. Diese Arbeit sollte durch die Gewerkschaft von „Reicher Silbertrost“ erfolgen. Doch war dieser Auftrag von allerlei Ärger begleitet und dementsprechend ist die Bergakte heute mit Briefen voller Beschuldigungen gefüllt, die leider nur einige wenige Details zur eigentlichen Montangeschichte enthalten. Wir wollen diese Streitproblematik nur in einigen Stichpunkten beleuchten:

  • Der Schichtmeister von „Reicher Silbertrost“ behauptete, daß der Kalkbruch in seinem Grubenfeld liege und deshalb der Graf den Bruch aufgeben muß, und
  • daß die Wasser des Kalkbruches in den „Bergschacht“ vom „Reichen Silbertrost“ verfallen und deshalb Graf von Wallwitz einen Wasserzins entrichten solle, sowie
  • daß die im Kalklager anzutreffenden Erze dem Bruch einen anderen rechtlichen Status verleihen.
Geschlichtet wurden diese Meinungsverschiedenheiten durch das Bergamt auf Ehrenfriedersdorf. So haben die Gewerken vom „Reichen Silbertrost“ den Stolln letztendlich doch fertiggestellt (40001, Nr. 487). Mit großer Sicherheit handelt es sich dabei um den noch heute bekannten Stolln des Kalklagers. Der Ansatzpunkt liegt auch sehr zentral in etwa der Mitte des Lagerganges.

Weitere Details verraten uns die Lage des gräflichen Kalkbruches und auch die Lage der benachbarten Kalkbrüche. Der heute noch vorhandene Stolln kommt direkt im Kalkbruch des Grafen von Wallwitz ein. Der Wiesner Kalkbruch und auch der Bruch von Herrmann grenzen direkt an den Bruch des Grafen, östlich und westlich in der Streichrichtung des Kalklagers. Eine genauere Zuordnung der beiden Kalkbrüche zu den benannten Besitzern ist momentan nicht möglich.

Weitere Nachrichten vom Kalkbruch der Familie von Wallwitz gibt es wieder 1799 (30859, Nr. 170). Der Kalkbruch wird nunmehr vom Sohn des Grafen George Reinhard Graf von Wallwitz, dem Cammerherrn, Hof- und Justitionsrat Graf Friedrich Lebrecht Sebastian von Wallwitz als Erblehn- und Gerichtsherrn von Wiesa betrieben.

Im Kalkbruch des Grafen wurde im Laufe des Jahres 1799 ein Morgengang mit der Streichrichtung hora 3,4 aufgefunden. Dieser Gang führte ockerartige Farbenerde, welche wohl von der Qualität und Menge als abbauwürdig eingeschätzt wurde. Graf von Wallwitz wollte mit einem Contract vom 21. November 1799 die Gewinnung der Farbenerde für den Zeitraum vom 1. Januar 1800 bis 1. Januar 1801 an Christian Gottlob Richter, Johann Gottlieb Engert und Christian Gotthilf Meltzer verpachten. Der Pachtzins sollte sich auf 22 Taler für diesen Zeitraum belaufen und zu Beginn des jeweiligen Quartals zu 5 Taler und 12 Groschen entrichtet werden.

Doch noch vor Abschluß dieses Vertrages legte ein Bürger aus Geyer namens Johann Gottfried Kühlmann im August des Jahres 1799 für diesen Gang beim Bergamt Ehrenfriedersdorf eine Mutung ein, die vorerst vom Bergamt als solche bestätigt wurde und naturgemäß zum Streit mit dem Grafen von Wallwitz führte. Laut Zeuge hat Kühlmann am Abend des 15. August neben Farbenerde auch gleich Kalkstein mittels Fuhrwerk mitgenommen. Der Zeuge informierte den Gerichtsdiener von Wiesa, Siegismund Mothes und dieser wiederum den Grafen, der gerade in Dresden als Geheimer Rat tätig war. Nunmehr beschwerte sich Graf von Wallwitz nicht nur beim Bergamt über die Bestätigung der Mutung, sondern gleich noch direkt bei den Beamten des „Geheimen Finanzkollegiums“.

Die Mutung des Farbenerdenganges durch Kühlmann bestätigte das Bergamt mit der Begründung:

  • daß die Fossilien (Farberde) des Ganges zwar nicht zum hohen Bergregal gehören, aber auf diesem Gang „mit aller Metall“ einbrechen, und
  • daß die Rechte des Grundherren nicht gefährdet seien.
Der Streit zog sich hin. Die Mutung Kühlmanns verfiel zwischenzeitlich und auf dem Gang versuchten sich neue Muter. So auch ein Steiger namens Johann Gottfried Kempt und immer wieder auch Johann Gottfried Kühlmann. Letzterer hatte mittlerweile einen Schacht im Gangbereich geteuft und den Gang auf den Namen „Ferdinand“ getauft. Das Bergamt bestätigte schließlich auch diese Mutungen. Doch der Graf und seine Fürsprecher übten sehr starken Druck auf das Bergamt in Ehrenfriedersdorf aus, so daß gegen Ende des Jahres 1799 die Mutungsbestätigung für Kühlmann nicht weiter verlängert wurde.

Zum 1. Januar 1802 ist der Morgengang durch den Grafen dann an Johann Gottfried Engert und Christian Gotthilf Meltzer verpachtet worden.

 

 
 
 

Der heutige Zustand des Bergbaugebietes „Hahnrück“

  

Das Bergbaugebiet liegt heute inmitten forstwirtschaftlicher Nutzfläche in Form von Hochwald, im Bereich der Pingenzüge ausgebildet als Nadelwald und als Mischwald mit dichtem Unterholz. Ein inmitten des Bergbaugebietes verlaufender Wirtschaftsweg erschließt das Gelände. Auf die Hinterlassenschaften des Bergbaus wird bei forstwirtschaftlicher Tätigkeit keine Rücksicht genommen.

 


Lage des Arbeitsgebietes in einer Reliefdarstellung.
Quelle: www.geoportal.sachsen.de

  

Betrachtet man das Gebiet genauer, zum Beispiel während unseren Exkursionen vor Ort, fällt der Verlauf zweier parallel verlaufender Pingenzüge ins Auge. Dies läßt den Schluß auf die Existenz zweier Kalklagergänge zu. Diese Lagergänge streichen in Südwest-Nordost- Richtung und fallen im Bereich der teilweise offenen Gangausbisse in einem Winkel von etwa 35° bis 45° nach Norden ein. Im zugänglichen, untertägigen Bereich steht der nördlichere Lagergang steiler und fällt mit etwa 45° bis 50° ein. Der zweite Lagergang ist auf Stollntiefe nicht bebaut und verritzt worden. Viele Schürfe und Pingen sind im Laufe der Zeit systematisch verfüllt worden. Diese Flächen fallen in diesem Bergbaugelände besonders durch ihre anormale Geländestruktur und diverser „fremder“ Verfüllmassen auf.  

Die interessantesten Aufschlüsse der bebauten Lagergänge liegen im dichten Unterholz des Mischwaldes. In relativ flachen Pingen oder Schürfen sind teilweise offene Abbaue erhalten und lassen einen Blick „in den Berg“ zu. Demnach ist dieses Kalklager durch Schürfe und eine Art Strossenbau erschlossen. Der für den Kalkbergbau typische Kammerpfeilerbau ist hier auf Grund der steilen Lagerung nicht zur Gewinnung des Kalkes angewandt worden. Dies liegt auch an der Mächtigkeit der Lagergänge von etwa 30 cm bis 80 cm auf der tiefen Sohle und maximal 1,5 m in den oberen Bereichen.

Vielmehr wurden die gangartigen Lager wie im Erzbergbau von oben nach unten bebaut und die entstandenen Hohlräume wieder von oben her durch Versatz mit Abraum teilweise wieder verschlossen. Aufgrund des Einfallens der beiden Lagergänge kann die Auffahrung von bis zu drei Sohlen angenommen werden. Bisher konnte aufgrund der Unfahrbarkeit der oberen Abbaubereiche aber keine genauere Untersuchung erfolgen.

Das kleine Profil des Entwässerungsstollns von nur etwa 80 cm Breite und 110 cm Höhe im vorderen Bereich läßt kaum Förderung zu. Dieser Stolln bringt etwa 20 m bis 25 m Teufe im Kalklager ein. Die Förderung von Kalkstein und Abraum muß demzufolge über Schächte realisiert worden sein.

 


Skizze Abbauschema Kalklager Hahnrück. Die Darstellung entstand aufgrund von Begehung übertage und Befahrung von Stolln, Rolle und leeren Abbau bis in den Durchschlag zum darüber liegenden verrollten Abbau. Die Gewinnungsmethode stammt aus dem Erzbergbau und ist dem Strossenbau ähnlich. Sie wurde auch für die Gewinnung von Zinn so zum Beispiel auf der Habichtsleithe unweit von Aue angewandt.

 

 
 
 

Ein Streifzug durch das Pingenfeld

  

Wir durchwanderten das Pingenfeld von West nach Ost und haben uns jede Pinge oder auch Gangausbiss angesehen. Dabei entstanden natürlich sehr viele Bilder, von denen wir einige in der nachfolgenden Bildergalerie zusammengestellt haben.

 


Größere Halden und Pingen kennzeichnen die westliche Ausdehnung des Pingenfeldes auf dem Hahnrück.
  


Das Pingenfeld wird hier von unterschiedlich großen einzelnen Pingen...
 


...und um diese herum aufgelagerten Halden geprägt.
  


Diese Pinge liegt in etwa der Mitte des in Ost-West Richtung gestreckten Kalklagers. In dieser Pinge, nur auf entsprechender Teufe, erreicht der Stolln das Kalklager. In dem kleinen Loch links neben dem Baumschatten war dementsprechend starker Wetterzug bemerkbar.
  


Die östlichste Erstreckung des Kalklagers in Richtung Kaltes Feld wird durch relativ flache Pingen markiert. Diese haben eher den Anschein von Schürfen…
 


 …so wie hier zu sehen.

 

Teilweise offene Ausbisse oder Pingen des abgebauten Kalklagers fanden sich nur im mittleren Teil des Bergbaugebietes. Hier waren auch recht große Flächen verfüllter Bereiche zu sehen.

 


Im Bereich des Hangenden bilden sich immer wieder Hohlräume und lassen in einigen auch einen Blick in den Berg zu…
 


…so wie hier schön zu sehen.
  


Ein Blick ins Dunkle...

  

Im dichten Unterholz liegen gut versteckt die Hinterlassenschaften des früheren Kalkbergbaus.

  


Teilweiser offener Abbau.
 


Noch einer...
  


Aufgrund des desolaten Zustandes dieser Zugänge haben wir von einer weiteren Erkundung abgesehen.
  


Wäre zu riskant, hier einzusteigen...
  


Einige dieser Pingen sind auch als Bergschäden registriert und eingezäunt.
  

Diese lagen noch bis vor kurzem im dichten Unterholz verborgen und sind nach einer Rodungskampagne des Forstes wieder vom Wirtschaftsweg aus sichtbar.
 

Im mittlerweile teilweise ausgelichteten Hochwald kommen nunmehr immer mehr Pingen unmittelbar am Wirtschaftsweg zum Vorschein.
 

Aber auch weiter im Unterholz versteckt finden sich solche Hinterlassenschaften.

 

 
 
 

Eine Befahrung des Kalkbruches

  

Das Kalklager auf dem Hahnrück ist über einen Entwässerungsstolln mit entsprechender Ausrüstung zumindest bis in einen tiefen Abbau fahrbar und vermittelt uns so noch einen Eindruck über das Vorkommen und dessen frühere Gewinnung. Die nachfolgende Bildergalerie dokumentiert einige interessante Punkte zu diesem, schon sehr lange auflässigen Kalkbergbau.

 


Das Mundloch des Entwässerungsstollns vom gräflich Wallwitz‘schen Kalkbruch. In der BSA wird dieser Stolln auch als „Max Stolln“ bezeichnet.
 

Das Profil der Auffahrung ist recht eng und niedrig und größtenteils mittels Schlägel und Eisen aufgefahren.
  

Das Markscheidekreuz läßt einige Streitursachen seitens der Gewerken von „Reicher Silbertrost“ in einem anderen Licht erscheinen!
 

Das Profil der Auffahrung wechselt sehr häufig.
  

Ein Quartalswinkel. Eher untypisch für den Kalkbergbau. Hier galten bis vor 1883 keine Vorgaben der Bergämter. Dieser Stolln ist jedoch nachweislich im 18. Jahrhundert entstanden und als Lohnarbeit durch die Gewerkschaft von „Reicher Silbertrost“ aufgefahren worden.
  

Mal ein etwas geräumigeres Stollnprofil. Aber wesentlich mehr als 1,60 m Profilhöhe beträgt die Auffahrungshöhe auch hier nicht. Im Schnitt liegt sie etwa bei 1,30 m!
  

Als Markscheide geht dieses Kreuz wohl nicht so recht durch, eher steht es für ein anderes Ereignis.
  

Kurz vor Erreichen des Kalklagers wird das Profil richtig niedrig.
  

Der Durchschlagspunkt vom Stolln in das Kalklager aus dem Lager heraus in Richtung Mundloch gesehen.

  

 
 
 

Der Entwässerungsstolln erreicht das Kalklager und den ersten Lagergang. Ein zweiter, bauwürdiger Lagergang wurde aber nicht auf diesem Niveau nicht angefahren.

  


Vor Ort.
  

Mittels Bohr- und Schießarbeit hergestellter Stollntrakt kurz vor der Endschaft des Stollns.
  

Im Bereich des Kalklagers ist der weiter verlaufende Stolln wieder mittels Schlägel und Eisenarbeit hergestellt. Hier wieder in Blickrichtung Endschaft.
   

Anstehender Lagergang unmittelbar nach dem Durchschlagspunkt des Stolln in das Kalklager.

  

Nach links (Ost) führt ein kurze Strecke in einen versetzten Abbau mit einer Rolle für die Fahrung zu den weiter oben gelegenen Abbaubereichen. Die oberen Bereiche waren aber infolge von Ablösern, Verbruch und von Tage herein gestürzter Verfüllmassen nicht mehr fahrbar.

 


Am Zugang der Rolle diverse Inschriften früherer Befahrer.
  

Abgebaute Gangfläche mit Versatz und den Resten des Rollenausbaus…
  

 …wie hier schön zu sehen ist.
  

Blick vom Stolln aus in den leeren Kalkabbau Richtung Westen.
  

Der Kalkabbau weißt eine Dimension von gut 10 m im Streichen und reichlich 10 m abgebaute Fläche im Fallen auf. Wobei unter dem Schutthaufen im Bereich der Sohle die Abbaugröße nur erahnbar ist und wohl noch einige Meter weiter gehen könnte.
 

Blick aus dem Kalkabbau im Streichen in Richtung Stolln mit dem anstehenden Kalkstein.
 

Die Dimension des Abbaus ist für das Kameraobjektiv nicht gänzlich erfassbar.
 

Gut zu sehen der Durchschlag in der Abbaufirste in den darüber liegenden nicht mehr fahrbaren Kalkabbau.
 

Der hintere Teil des Kalkabbaus wird erst in diesem Bild sichtbar. Es gibt keinen weiteren Durchschlag zu einem eventuell benachbarten Abbau im westlichen Stoß. Daher kann man heute die Größe und Tiefe des abgebauten Kalklagers nicht mehr nachzuvollziehen.
 

Das letzte Bild noch einmal im Streichen in Richtung des Zuganges vom Stolln – wo die Fotolampe
positioniert ist.

  

 

  

Wir hoffen, daß wir unseren Lesern hier wieder etwas Unbekanntes zeigen konnten. 

Weitere Kalkwerke befanden sich nördlich von Ehrenfriedersdorf bei  Herold.

Glück Auf!

L. M.

  

Weiterführende Quellen

   

Wo wir außerdem schon nach der Geschichte des Kalkbergbaus und der Kalkverarbeitung recherchiert haben, haben wir einmal in einem  Sammelband zusammengestellt. Sie finden diesen auch in unserer Rubrik Technik unter Baudenkmale.

  

         Allgemeine Quellen

  1. Deutsche Fotothek: Historisches Kartenmaterial, Äquidistantenkarten und Meßtischblätter
    http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70302464/df_dk_0000669
    http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70302466/df_dk_0000671

  2. Modernes Kartenmaterial:
    www.geoportal.sachsen.de 

  3. H. Credner: Erläuterungen zur geologischen Specialkarte des Königreichs Sachsen, Sektion Geyer-Ehrenfriedersdorf

  4. F. Schalch: Erläuterungen zur Geologischen Specialkarte des Königreichs Sachsen, Blatt 127: Sektion Geyer-Ehrenfriedersdorf, 2. Auflage, Leipzig, 1900

  5. August Frenzel, Mineralogisches Lexicon für das Königreich Sachsen, Leipzig, 1874

  6. Günter Hösel: „Das Zinnerz-Lagerstättengebiet Ehrenfriedersdorf/Erzgebirge“, in: Bergbaumonographie „Bergbau in Sachsen“, Band 1, LfULG und SOBA (Hrsg.), Radebeul / Freiberg, 1994
    http://www.qucosa.de/recherche/frontdoor/?tx_slubopus4frontend[id]=7888


    Staatsarchiv Chemnitz
     

  7. Bestand 30859 (Grundherrschaft Wiesa bei Annaberg), Nr. 170: Verpachtung des sogenannten Farbenerdenbruches auf dem Hahnrück, dat. 1799 – 1801

  8. Ebenda, Nr. 312: Der auf dem Rittergut Wiesa gehörige sogenannte Hahnrück befindliche Kalkbruch und Ofen und dessen Verpachtung, dat. 1776 und 1783 – 1791 (wegen Schimmelbefall gesperrt)


    Bergarchiv Freiberg
     

  9. Bestand 40001 (Oberbergamt Freiberg), Nr. 487: Graf Wallwitzischer Kalkbruch am Hahnrücken, dat.  1773 – 1776

  10. Bestand 40003 (Geognostische Landesuntersuchungskommission), Nr. 59: Zusammenstellung sämmtlicher, in dem Königreiche Sachsen bei dessen geognostischer Untersuchung aufgefundener Lagerstätte gemeinnützlicher und besonders brennlicher Fossilien, auf allerhöchsten Befehl entworfen von C. A. Kühn, Obereinfahrer, dat. 20. August 1818

  11. Bestand 40024 (Landesbergamt, gewerbliche Gruben), Nr. 12-077: Ehrenfriedersdorf, Tagebruch eines auflässigen Kalkwerkes am Hahnrücken, dat. 1901

  12. Bestand 40073 (Bergschadenkundliche Analysen), Nr. 55: Ehrenfriedersdorf, Geyer, Thum, Markscheider Dipl.-Ing. Wolfgang Jobst (†) im Auftrag des Rates des Bezirkes Karl-Marx-Stadt und VEB Bergbau- und Hüttenkombinat „Albert Funk“ Freiberg, 1977