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Ein Beitrag von www.unbekannter-bergbau.de

Erstellt September 2016, letzte Ergänzung Januar 2018. 

  

Einführung
Typen und Bauformen
Bekanntes zur Geschichte der Bergkeller in Geithain
Ein Rundgang in den Kelleranlagen
Weiterführende Quellen 

  

Sie finden diesen Beitrag in einem Sammelband auf dem Qucosa- Server der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden im PDF- Format.

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-172572

    

Die unterirdischen Gänge unter dem Kirchberg in Geithain

Einführung
 

Ein Keller stellt in unserer heutigen Vorstellung zunächst einmal einen geschlossenen Gebäudeteil dar, der sich ganz oder zumindest teilweise unterhalb der Erdoberfläche befindet.

Unser deutsches Wort „Keller“ leitet sich aus dem mittelhochdeutschen keller, althochdeutsch kellari ab und wurde dem lateinischen Wort cellarium für „Vorratsraum“ entlehnt, welches seinerseits aus dem Wort cella für „Raum, Zelle“ gebildet wurde. Im heutigen Sprachgebrauch hat sich noch die Ableitung (ein-) kellern für „Vorräte einlagern“ erhalten.

Der historische Ursprung der innerstädtischen Kelleranlagen liegt oft im Dunkel der Geschichte und natürlich entwickelten sie sich zusammen mit der Bebauung immer wieder weiter, wurden aufgegeben, vergessen, stürzten ein oder wurden verfüllt, wieder erneuert oder untereinander verbunden. Aber es liegt nahe, daß solche Kelleranlagen bereits von Beginn der Stadtentwicklung an, zusammen mit der oberirdischen Bebauung entstanden sind, auch wenn ihre urkundliche Erwähnung oft erst viel später erfolgte.

Im Gegensatz zur ländlichen Bevölkerung, die ihre Erzeugnisse häufig gar nicht selbst weiter verarbeitete, das Getreide in der Scheune lagern konnte und das Vieh dann schlachtete, wenn dafür Bedarf bestand, hatte die städtische Bevölkerung nämlich gar keine anderen Möglichkeiten, als sich auf den Märkten „auf Vorrat“ zu versorgen und die Vorräte dann so zu lagern, daß man sie auch eine gewisse Zeit lang verwenden konnte.

Bis zur Erfindung des Kühlschrankes bildeten tief angelegte Keller die einzige Möglichkeit, Waren mehr oder weniger gut gekühlt zu lagern. Das betraf natürlich schon immer in erster Linie Lebensmittel, die nach der Ernte oder nach ihrer Herstellung nicht nur über den Winter und bis zur nächsten Vegetationsperiode aufbewahrt werden mußten.

Zusammen mit dem Stadtrecht wurde auf den Grundstücken innerhalb der Stadtmauer oftmals auch das Brau- und Schankrecht vergeben. Dieses Privileg war über Jahrhunderte für die Bürger und die Stadt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Vorallem die untergärigen Biere konnten aber nur in den kühlen Wintermonaten gebraut werden. Für eine kühle Lagerung in den Sommermonaten reichte das tagesnahe Hauskellerniveau nicht aus und daher benötigte man auch dafür tiefliegende Kellerräume, in denen konstante Temperatur und gleichbleibende Luftfeuchtigkeit herrschten ohne tägliche und jahreszeitliche Witterungseinflüsse.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß in nahezu allen historischen Stadtkernen Mitteleuropas – manchmal, wo es die Topographie nicht anders zuließ, auch außerhalb der ursprünglichen städtischen Bebauung – solche tief liegenden Kelleranlagen existierten und zum Teil noch heute existieren. Auch in Sachsen gibt es eine Vielzahl solcher Kelleranlagen oder „Höhler“.

Die Sächsische Hohlraumverordnung stuft auch derartige Keller als „unterirdische Hohlräume“ – kurz „UiH“ – ein, wenn sie:

  • künstlich angelegt wurden,

  • ein Volumen über 50 m³ besitzen, und

  • nicht in offener Bauweise (sondern bergmännisch) errichtet wurden
    (vgl. SächsHohlrVO, §2 (1), 3.).

Besonders in Westsachsen (u. a. in Plauen, Auerbach, Chemnitz, Glauchau, Meerane, Waldenburg), aber auch im gesamten mitteldeutschen Raum (Gera, Zeitz, Geithain, Kohren-Sahlis, Colditz, Lommatzsch u. v. a.) häufen sich solche Anlagen, was sicher auch unseren klimatischen Bedingungen geschuldet ist. Zum Teil wurden sie in späterer Zeit zu großen Kellereien ausgebaut. Andere wurden noch bis in jüngste Vergangenheit – z. B. als Luftschutzanlagen – weiter genutzt.

Schon nach der Aufhebung des Brau- und Schankprivileges wurden aber viele dieser inzwischen umfangreich angewachsenen Kellersysteme aufgegeben, verfielen oder setzten sich mit eingeschwemmten Sedimenten zu. Zunehmend kam es – besonders in Zusammenhang mit Leitungsbrüchen – zu Staunässe, zu Ausbauschäden und in der Folge auch zu Tagesbrüchen auf den Straßen.

Die regionale Häufung in Zusammenhang mit den Besonderheiten des geologischen Untergrundes führte vorallem im mitteldeutschen Lößgebiet in der Vergangenheit bereits mehrfach zu massiven Schäden an Straßen, Gebäuden und Medienleitungen. Löß nämlich besitzt im trockenen Zustand eine recht gute Standfestigkeit und ist darüber hinaus mit einfachsten Mitteln zu bearbeiten, so daß sich solcher Untergrund für die Anlage von Tiefkellern hervorragend eignete. Löß verliert leider aber auch rapide an Standfestigkeit, sobald er Wasser aufnimmt, wie es etwa bei einem Bruch einer in der Nähe verlegten Wasserleitung vorkommt.

 


 
Gebäudeschäden infolge von Kellerverbrüchen in der Inneren Meißner Straße 1926, Bildquelle: Dr. G. Meier.

      

Aus diesem Grund gibt es unter den oben aufgezählten Orten Städte, für die das Bergamt Bergschadenkundliche Analysen erstellen ließ, ohne daß dort jemals Bergbau umgegangen wäre (40073-1, Nr. 117). Besonders diese Kommunen können sich glücklich schätzen, daß auch ihre umfangreichen, historischen Kelleranlagen dem alten Bergbau ohne Rechtsnachfolger gleichgestellt wurden, damit unter die bergbehördliche Aufsicht fallen und aus ihnen resultierende Gefahren für die öffentliche Sicherheit daher auch auf Kosten des Landes Sachsen saniert werden.

  

 

 

Typen und Bauformen
  

Die Größe von „normalen“ Hauskellern beschränkt sich üblicherweise auf die Grundfläche des darüber stehenden Gebäudes. Hauskeller sind naturgemäß sehr dauerhafte Bauwerke und wurden deshalb beim Wiederaufbau nach einer Zerstörung der oberirdischen Bebauung – z. B. nach Stadtbränden – häufig wieder in neue Gebäude integriert. So können die Keller den Archäologen noch heute Aufschluß über die ursprünglichen Grundrisse von Häusern und Straßen in mittelalterlichen Städten geben, selbst wenn diese Häuser später nicht mehr oder mit ganz anderen Grundrissen wieder aufgebaut wurden.

Die Sohlen solcher Hauskeller weisen selten mehr als 4,0 m Tiefe unter Gelände auf. Der Gewölbescheitel liegt dann gewöhnlich zwischen 1,0 m und 1,5 m unter der Geländeoberfläche bzw. unter dem Fußboden des Erdgeschosses.

Gegenüber diesen im unmittelbaren Fundamentbereich eines Hauses angelegten Hauskellern unterscheidet man nach ihrer Anlageweise im Wesentlichen zwei weitere Bautypen, nämlich:

  • Tiefkeller und

  • Bergkeller.

Bot die Geländemorphologie keine andere Möglichkeit, wurden die Keller unterhalb des Fundamentniveaus (bei zirka 3 m bis 4 m Teufe beginnend) in das Gelände eingetieft und dann spricht man von „Tiefkellern“. Oftmals wurden sie direkt aus den Hauskellern heraus erbaut.

Einfacher gestaltete sich der Bau von tiefliegenden Kelleranlagen, wenn sie aus Taleinschnitten heraus quasi „zu ebener Erde“ – einem Stollen vergleichbar – angelegt werden konnten. In diesem Fall wurden sie auch besonders häufig mit bergmännischen Mitteln aufgefahren und man bezeichnet sie auch aus diesem Grund als „Bergkeller“.

 


Prinzipskizze der beiden Haupttypen von Kelleranlagen: Tiefkeller in ebenem Gelände mit schachtähnlichem Zugang (links) und Bergkeller an Talhängen mit stollnähnlichem Zugang (rechts).

 


Beispiel eines Tiefkellers: Während der Sanierung des Bergamtshauses in Wolkenburg wurde der Zugang zu dem in das Gelände außerhalb des Gebäudegrundrisses eingetieften Keller von oben sichtbar.

 


Von innen sieht man den steilen Treppenzugang und ein flaches Tonnengewölbe als Ausbau. Alles wurde in diesem Fall aus Ziegelmauerwerk errichtet.

 


Zu ebener Erde gelangte man dagegen (ursprünglich durch die heute hier nicht mehr vorhandene Scheune hindurch) in diesen Bergkeller, der quasi „geradeaus“ von der Talsohle aus in den Hang des Hügels am Bergamtshaus in Wolkenburg gegraben wurde. Er ist mit einem Tonnengewölbe aus Naturstein ausgebaut.

 

Hinsichtlich der Bauform sind ferner zu unterscheiden:

  • Gewölbekeller, mit Naturstein- oder Ziegelmauerung als Ausbau, meist als Tonnengewölbe, mit größerer zusammenhängender Grundfläche bis zu 120 m² und mehr (überwiegende Bauform der Tiefkeller) und

  • streckenförmige Kellergänge, bei standfestem Gebirge gänzlich ohne Ausbau, oft netzartig mit geringem Profil aufgefahren, auch zur Verbindung benachbarter Keller (überwiegende Bauform der Bergkeller).

Die gewölbeförmigen Tiefkelleranlagen sind in den mitteldeutschen Städten die häufigste Bauform. Sie können mehrere „Etagen“ in unterschiedlichen Tiefen besitzen. Nach 1870 wurden die Kellerdecken auch als preußisches Kappengewölbe ausgeführt. Ab 1930 kam als weitere Ausbauform die Stahlbetondecke hinzu.

Nicht zu vergessen war, daß bei im Baugrund anstehendem, undurchlässigem Fels zu jedem Tiefkeller zudem auch eine Entwässerungstrecke (Anzucht oder Steinschleuse) im Höhenniveau der Kellersohle angelegt werden mußte, über die das unvermeidbar hypodermisch zulaufende Wasser abgeleitet werden konnte. Bergkeller besaßen in dieser Hinsicht Vorteile, da die zulaufenden Sickerwässer wie bei einem Stolln einfach über den Zugang nach Übertage ablaufen können.

  


Typische Anlageweise eines Gewölbekellers (aus Meier, 1999)

 

Durch die Nutzungsänderungen über die Jahrhunderte entstanden außerdem zahlreiche Mischformen. Bei Dr. G. Meier fanden wir z. B. folgende Fallbeispiele.

 


Beispiel gangförmiger Tiefkeller in Annaberg (aus Meier, 1999)

 


Ein weiteres Beispiel aus Lommatzsch (aus Meier)

 

In jüngerer Zeit wurde der touristische Wert dieser Anlagen entdeckt und so gibt es inzwischen acht „begehbare unterirdische Anlagen“, die den Besucher-Bergwerken gleichgestellt und im Rahmen von Führungen öffentlich zugänglich sind. Der Jahresbericht des Sächsischen Oberbergamtes auf das Jahr 2015 benennt im Einzelnen:
  1. Gangsysteme Kellerberge, Penig, Gesamtlänge etwa 2 km,
  2. Diener’sche Gänge, Glauchau, zirka 460 m zugänglich,
  3. Gangsystem Schloß Hinterglauchau 
  4. Gangsystem Schloß Lichtenstein
  5.  Hohlraumsystem Burgberg, Meerane, zirka 350 m zugänglich,
  6. Hohlraumsystem Kaßberg, Fabrikstraße und Pfortenstraße, Chemnitz,
  7. Schaukellerareal Markt 4 bis 6, Lommatzsch, zirka 125 m zugänglich,
  8. Tiefkellersystem Wurzener Straße in Grimma, zirka 700 m zugänglich.

Aufgrund seiner ursprünglich bergbaulichen Entstehung findet man in der Liste der gegenwärtig 52 sächsischen Besucherbergwerke außerdem die

Nr.19: Kellerberg in Waldheim, zirka 200 m zugänglich*).

Dieser geht auf Abbau von Serpentinit zurück und wurde erst später zum Lagerkeller erweitert. In dieser Auflistung sind die „Unterirdischen Gänge“ in Geithain seltsamerweise nicht aufgeführt. Aber auch andere Städte besaßen umfangreiche Lagerkeller (beispielsweise die Brauerei in Eilenburg, von denen zirka 2 km als museale Anlage erschlossen werden) und die hier ebenfalls (noch?) nicht aufgeführt sind (sachsenschiene.net).

*) In der offiziellen Liste (bergbau.sachsen.de) sind die begehbaren Höhler ohne unmittelbar bergbaulichen Ursprung in Abgrenzung zu den Besucherbergwerken mit römischen Ziffern nummeriert.

  

 
 
 

Bekanntes zur Geschichte der Bergkeller in Geithain
  
Es besteht Grund zu der Annahme, daß die Anfänge des allmählichen Ausbaus des unterirdischen Gangsystems sogar schon in der bewegten Zeit vor der Stadtgründung im 12. Jahrhundert liegen. Genaue Jahreszahlen sind aber nicht überliefert. Vermutlich war ein Keller schon zu dieser Zeit eine völlig „normale“ Anlage, so daß man sie nur in besonderen Fällen einer Erwähnung für wert hielt…

Die heute zugänglichen unterirdischen Gänge unter dem Kirchberg Geithains wurden notwendig, als vor etwa 450 Jahren die „Mittelzeile“ der Altstadt bebaut wurde. Das sind die Gebäude auf den Innenseiten der Katharinen- und der Chemnitzer Straße. Es war möglich geworden, nachdem man 1564 den Friedhof vor der Katharinenkirche aufgehoben und eingeebnet hatte. Diese Flächen wurden mit kleinen Häusern bebaut, denen aber große Höfe fehlten und die deshalb nur kleine Gruben zur Aufbewahrung von Lebensmitteln wie Milch, Butter oder Eiern im Hausflur erhielten. Ein Faß Bier hatte dort keinen Platz, obgleich es ein wesentliches Getränk früherer Zeit war, da das Brunnenwasser oft von schlechter Qualität war. Also ließ der Rat der Stadt Bergknappen von Freiberg oder von Schneeberg kommen (Reuter, 2015).

Daß man hier in Geithain durchaus auch selbst über bergmännischen Sachverstand verfügen konnte, ist nicht allein durch den jahrhundertlangen Dolomitabbau bedingt. Auch in dieser Region gab es daneben mehrfach Versuche, nach Gold und Silber zu schürfen… (20425, Nr. 754)

Die Hügellage der Altstadt Geithains bot für die Anlage von Bergkellern auch besonders günstige Möglichkeiten. Die meisten dieser unterirdischen Räume waren zunächst nicht miteinander verbunden, sondern bildeten einzelne Gänge, Keller und Nischen. Erst in jahrzehntelanger Nutzung wurden sie mehr und mehr miteinander verbunden und dadurch auch allmählich vergrößert.

An der Westspitze des Hügels, auf dem die Altstadt errichtet wurde, streicht zudem der Rochlitzer Porphyr zutage aus. Dieses Effusivgestein ist gegenüber Wasserzutritten erheblich widerstandsfähiger als der Löß, so daß auch eine langfristige Standsicherheit gewährleistet war.

  


Ausschnitt aus der Geologischen Karte des Königreichs Sachsen, Blatt No. 60, Section Rochlitz-Geithain,1898, mit dem Stadtgebiet von Geithain. Rot eingetragen: Ausstriche des Porphyrs unter der quartären Bedeckung (Ockertöne).

 


Schematische geologische Schnitte durch den Höhenrücken der Altstadt Geithains, stark überhöht dargestellt, nach Handzeichnungen von H. J. Diederichs. Nach der geologischen Karte steht auch unterhalb der Marienkirche im Osten im Talgrund wieder Porphyr an.

  

Die teilweise niedrigen Gänge haben von ihrer Entstehungszeit an sowohl als Flucht-, als auch als Vorratsräume gedient. Für die Nutzer der Höhler waren die klimatischen Bedingungen ideal, denn während des Sommerhalbjahres herrscht in den Hohlräumen eine konstante Temperatur von rund +12°C, im Winter liegt sie ebenfalls gleichbleibend um etwa +7°C. Der Gang unter dem Zollhaus in Geithain ist mit Sicherheit der geschichtlich interessanteste Teil, da dieser Gang unter der Stadtmauer hindurch in das Stadtinnere führt und bei Stadtbelagerungen als Ausfall gedient hat.

Der Hauptzugang zu den Höhlern befand sich lange gegenüber dem Eingang zur Kantorgasse. Später gruben auch hiesige Handwerker in das weniger harte Gestein neue Gänge oder schufen Nischen, immer mit dem Zweck, hier Vorräte aufzubewahren. Der Rat der Stadt verpachtete auch bis in die jüngste Vergangenheit Teilstücke an die interessierten Bürger. Glücklicherweise wurden im Zweiten Weltkrieg die Räume nicht für militärische Zwecke genutzt; wohl aber als Luftschutzkeller. Denn viele Gebäude der Innenstadt hatten ja keinen Keller. So konnten ab Oktober 1943 die eingerichteten Luftschutzräume bei Fliegeralarm von 200 Personen in Anspruch genommen werden. Benachbarte Gänge bzw. Schutzräume wurden vorsorglich mit Durchbrüchen für die Belüftung und zur Personenrettung versehen. (Reuter, 2015)

 


Grundriß der Stadt Geithen, Handzeichnung, um 1680. Der Mauerring ist noch geschlossen und Teiche boten zusätzlichen Schutz gegenüber Angreifern. Bildquelle: SLUB, Fotothek, Kartenforum.

Der Link zur Originaldatei http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70301956  

  


Blatt No. 105, datiert 1799, des Berliner Exemplars der Meilenblätter von Sachsen, aufgenommen vom Sächs. Ing.-Korps 1780 bis 1806 unter Leitung von F. L. Aster: Noch hat sich der Stadtgrundriß kaum verändert.

Georeferenzierter Ausschnitt vom www.geoportal.sachsen.de

  


Wie der Ausschnitt aus Blatt: 60d, Geithain, der Äquidistantenkarten von Sachsen, bearb. i. Auftr. der Kreishauptmannschaft Leipzig vom Sächsischen Landesvermessungsamt, Dresden, 1929, zeigt, hat sich der an die Topographie gebundene Grundriß der Altstadt kaum verändert. Bildquelle SLUB, Kartenforum. Die Mühlteiche sind inzwischen trockengelegt und der Bahnhof (rechts oben) ist hinzugekommen.  

http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90065531 

  

Auf Vorschlag des Geithainer Heimatvereins e. V. hat sich die Stadtverwaltung Geithain entschlossen, die unterirdischen Hohlräume zu erhalten und einer musealen und stadtgeschichtlichen Nutzung zuzuführen. Aber zunächst wurde im Auftrag der Geithainer Stadtverwaltung von der Bergsicherung Leipzig GmbH im Jahr 1991 eine Erfassung der unterirdischen Hohlräume im Stadtgebiet durchgeführt. Dabei mußte eine Gefährdung der Oberfläche und der Bebauung ausgeschlossen werden; erst danach stand die Erhaltung der unterirdischen Hohlräume an.

Die Bergsicherung Leipzig (heute BSL Tunnel- & Montanbau GmbH, Bad Frankenhausen) und die Stadtverwaltung Geithain haben daraufhin einen geschlossenen Besucherweg in den unterirdischen Gängen unter dem Kirchberg und dem Zollhaus hergestellt. Von den gegenwärtig bekannten zirka 1.100 Metern Gesamtlänge der unterirdischen Gänge ist seit Juni 1994 ein Weg von 412 Meter Länge bis hinüber zur Dammühle für Besucher begehbar (sachsentip.de, geithain.net). Nach unserer Zählung besteht zwischen dem Zugang in der Kantorgasse und dem Ausgang Dammühle eine Höhendifferenz von zirka 10,5 m – die man als Besucher angenehmerweise aber nur bergab steigen muß.

Das Hochwasser der Eula im Juni 2013 richtete in den Unterirdischen Gängen in Geithain beträchtliche Schäden an. Dabei wurden auch größere Mengen an Schlamm, Unrat und Treibgut durch die Zugänge entlang des Dammühlenwegs eingespült. In Folge des Wassereintrittes der Eula waren außerdem Schäden an der elektrischen Anlage und an der geologischen Substanz der Gänge festzustellen.

Die Schadenregulierung konnte im Rahmen des Programms des Freistaats Sachsen zur Hochwasserschadensbeseitigung 2013 erfolgen. Die dabei erforderliche Erneuerung der Beleuchtungstechnik wurde nebenbei auch dazu genutzt, alle Leuchten und Strahler auf moderne, energiesparende LED-Technik umzustellen. Seit Mitte Mai 2016 sind die Arbeiten nun beendet und die Unterirdischen Gänge können wieder in vollem Umfang besichtigt werden (geithain.net).

  

 
 
 

Ein Rundgang in den Kelleranlagen in Geithain
  
Wo wir auf der Suche nach dem historischen  Dolomitabbau bei Geithain schon mal hier waren, interessierten wir uns natürlich auch für diese Zeugnisse der Geschichte.

 


Man erreicht Geithain mit der Bahn, inzwischen aber auch recht bequem über die BAB 72 und die B7. Direkt unterhalb der Altstadt befindet sich ein Parkplatz, von dem aus man die Höhler im Kirchberg zu Fuß bequem in wenigen Minuten erreichen kann. Hinterlegte Reliefkarte vom Geoportal.Sachsen.de

  


Die einst vollständig ummauerte Altstadt von Geithain liegt auf einem schmalen Hügelrücken zwischen der Eula und dem Beutelwasser, Blick vom Parkplatz an der B7.
  

Beim Fußweg in die Altstadt findet man direkt unterhalb der Stadtmauern in unterschiedlichen Höhenniveaus mehrere Zugänge in die Kelleranlagen. 
  

Schon unterhalb der Stadtmauern wurden am Abhang – vorallem ab Mitte des 16. Jahrhunderts – mehrere Bergkeller angelegt.
  

Kurz vor dem Untertor noch einer direkt unter der Stadtmauer…
 

Hinter dem Untertor (rechts im Bild) bildet die Kirche St. Nikolai (links) eine weithin sichtbare, bauliche Dominante des Stadtbildes.
  

Und auch hier, direkt am Fuß der Ummauerung der St. Nikolai Kirche in der Kantorgasse liegt ein weiterer Zugang in den für Besucher zugänglich gemachten Abschnitt der Tiefkeller.
 

Der eigentliche Zugang befindet sich aber heute hier in der Kirchgasse.
 

Muß man auch mal erwähnen.
  

Aber nun hinein: Es geht erstmal auf neuen Stufen aus Porphyrtuff bergab.
  

Die Gänge stehen im Quarzporphyr zumeist ohne Ausbau und sind nach stellenweisem Nachstrossen der Sohle heute bequem begehbar.
  

Überall gibt es Nebenräume. Einige Fundstücke konnte man nach der Sanierung direkt wieder als Ausstellungsstücke nutzen.
  

Der Weg führt überwiegend ebenerdig und nur ab und zu weiter nach unten. Manche Durchschläge zu der nächsten Kelleranlage sind etwas enger und man muß schon den Kopf einziehen…
 

 Die Stöße der Strecken und Kellerräume wurden zwar im Laufe der jahrhundertelangen Nutzung immer wieder nachgerissen, doch ab und an erkennt man noch Schlägelspuren, die auf die Auffahrungsmethodik im harten Porphyr verweisen.
 

Wieder geht´s nach unten…
 

Mancherorts ist auch Spritzbeton zur Sicherung hineingekommen. Nischen werden heute als Ausstellungsflächen genutzt.
  

Da die Keller von verschiedenen Besitzern genutzt und auch verpachtet wurden, finden sich immer wieder massive Türgewände aus Porphyrtuff zwischen einzelnen Gängen.
  

 Die dicken Angeln haben wohl massive Türen halten müssen.
  

In Kluftbereichen im Porphyr findet man an mehreren Stellen solche Jaspis-ähnliche Einschlüsse.
  

Die graugrüne Farbe ähnelt jedenfalls sehr dem Bandjaspis aus Gnandstein.
  

Manche Strecken hat man zu „richtigen“ Kellern verbreitert. Hier wurden aber sicherheitshalber in den 1990er Jahren ein paar Anker eingebracht.
 

Lichtspiele an einem der Ausgänge – jetzt sind wir schon unterhalb der Stadtmauer.
  

In diesem, wieder etwas verbreiterten Raum fällt uns links der glatte Stoß auf...
 

…der sich als Kluftfläche im Porphyr erweist. Die haben die Vorfahren natürlich beim Lösen des Gesteins gern genutzt.
 

Und hier finden sich dann auch ein paar kleine Sinterbildungen. Sonst ist der Höhler an den meisten Stellen ziemlich trocken.
 

Wieder ein Türgewände aus Porphyrtuff. Möglicherweise wurden die gar nicht in jedem Fall für die Kellertür angefertigt, sondern „recycelt“.
  

Wieder ein enger Durchhieb mit Höhenversatz zum nächsten Keller.
 

Hier fallen auf dem schwarzvioletten Porphyr wieder farbenprächtige Sinter auf...
  

…auch schick.
  

Der nächste Durchgang weist eine unscheinbare Besonderheit auf.
  

Für diesen Rahmen wurden nämlich spezielle „Formsteine“ gebrannt, in die das Türblatt hineinpaßte, so daß es nicht ausgehebelt werden konnte. Diebstahlsicherung früherer Zeiten…
  

Wieder ein geräumiger Kellerraum mit ausgehauenen Nischen, in denen wohl einst die Bierfässer lagerten und heute Ausstellungsstücke zur Geologie zu sehen sind.
  

Dann entdecken wir quer durch Stoß und Firste eine mehrere Zentimeter breite Lettenkluft. Weil sie aber an den Stößen aussetzt, handelt es sich bei dem roten Material wahrscheinlich um von Übertage eingeschwemmten Lehm.
 

Der tagesnahe Abschnitt am Ende hat in den 1990ern wieder frische Ausmauerung bekommen.
  

 …und dann stehen wir auf der anderen Seite des Kirchbergs wieder draußen.
  

Auch an der Südseite des Kirchbergs gab es noch mehr Zugänge in die Kelleranlagen.
  

Der massive Stahlverbau am Hang, der die Fotomotive zurzeit beeinträchtigt, macht sich übrigens als temporäre Sicherungsmaßnahme erforderlich, bis die Stadtmauer wieder saniert ist.
 

Ein Abstecher auf dem Rückweg: Neben dem Untertor steht das alte Zollhaus und in dessen Erdgeschoß…
  

… befindet sich ein weiterer Zugang zu den Höhlern.
  

Da schauen wir natürlich auch noch hinein.
 

Die vielen Weggabelungen sind verwirrend… Aber zum Glück gibt es ja ortskundige Führer. Hinter den Ziegelmauern liegen verfüllte Abschnitte unter der Bebauung.
  

Diesen Abstieg unter der Straße hindurch kennen wir vom Titelbild des Informationsblattes zur Höhleranlage. Leider war hier wieder viel Spritzbeton nötig, um diesen besonders hohen Raum zu sichern.
  

Auf der anderen Seite bergan geht es in den bereits besichtigten Abschnitt.
  

Anhand der Skizze auf dem Informationsblatt des Heimatvereins und des selbst Gesehenen haben wir mal versucht, aufzuzeichnen, wie die Kelleranlagen ungefähr unter dem Kirchberg verlaufen. Die Besucherwege in den einzelnen Höhenniveaus haben wir nach ihrer Höhenlage unterschiedlich eingefärbt. Die übrigen Höhlerabschnitte mußten aus Standsicherheitsgründen der darüber stehenden Bebauung zum großen Teil verfüllt werden. Wie man sieht, handelt es sich hier in Geithain um ein nicht grundstücksbezogen angelegtes und sukzessive erweitertes System gangförmiger Bergkeller.
  

Unsere Bilddokumentation vervollständigen wir mit einigen Impressionen ohne Blitzlicht, die die Stimmung untertage natürlich viel besser einfangen (Foto F. Boeck).
  

Wir sind natürlich (fast) immer ordentlich vorbereitet und haben Helm und Geleucht dabei, was seltsamerweise hier nicht Vorschrift ist… (Foto F. Boeck)
  

Viele der Ausstellungsstücke wurden bei der Sanierung in den 1990er Jahren vorgefunden und brauchten einfach nur wieder museal drapiert zu werden, denn bis heute werden noch einzelne Kellerräume privat genutzt.
(Foto F. Boeck)
  

Engstelle mit Stützmauer. (Foto F. Boeck)
  

 Nur für die Besucher hat die Bergsicherung hier auch auf ein paar Metern Länge Türstockausbau eingebaut. (Foto F. Boeck)
  

Notizen für unsere Zeichnung… (Foto F. Boeck)
  

Rumtopf und Sauerkraut… (Foto F. Boeck)

  

Übrigens hat der Bund Heimat und Umwelt in Deutschland die „Historischen Kelleranlagen  zum Kulturdenkmal des Jahres 2018 gewählt (BHU, 2018). Erklärtes Ziel ist, damit alljährlich auf gleichermaßen erhaltenswerte, wie gefährdete Kulturlandschaftselemente aufmerksam zu machen.

Gerade bei Kellern ist ihr ursprünglicher Nutzungszweck heute nur selten noch gegeben. Selbst ihre oftmals letzte Funktion als Luftschutzkeller ist heute in Europa nicht unbedingt mehr aktuell. Oberirdisch nicht sichtbar, verschwinden sie oft schnell aus der Erinnerung der Menschen und verfallen. Oft fehlen auch die Mittel für eine fachgerechte Instandsetzung, denn Keller sind durch viele Gegebenheiten gefährdet: Durch den Druck des Deckgebirges, durch Grundwasser oder auch durch Baumaßnahmen.

Wir hoffen jedenfalls, daß wir unseren Lesern wieder etwas Unbekanntes zeigen konnten und bedanken uns für die sehr informative und in Anbetracht der sommerlichen Temperaturen ganz besonders angenehme Führung untertage. Schauen Sie sich´s doch auch einmal an!

Glück Auf!

J. B.

 

   

 

 

Weiterführende Quellen
  

          Allgemeine Quellen

  1. wikipedia.de

  2. bergbau.sachsen.de, u. a.:
    - Jahresberichte des Sächsischen Oberbergamtes,
    - Polizeiverordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr über die Abwehr von Gefahren aus unterirdischen Hohlräumen sowie Halden und Restlöchern (Sächsische Hohlraumverordnung – SächsHohlrVO), Stand 20.02.2012

  3. dr-gmeier.de, Onlineartikel, u. a.:
    - Historische Tiefkelleranlagen unter urbaner Bebauung,
    - Gebäudeschäden in der Stadt Lommatzsch (Sachsen) durch Verbruch von Tiefkelleranlagen, veröffentlicht in: Berichte zur 12. Nat. Tagung f. Ing.-Geol., Halle, 1999 (Abruf jeweils 2016)

  4.  geithain.net

  5. sachsentip.de/museen/geithain3.htm

  6. lommatzsch.de

  7. stadt-waldheim.de

  8. grimma.de

  9. stadt-penig.de

  10. glauchau.de

  11. lichtenstein-sachsen.de

  12. meerane.eu, meerane.de  

  13. chemnitzer-gewoelbegaenge.de

  14. sachsenschiene.net

  15. team-bunkersachsen.de

  16. Dr. W. Reuter: Geithains unterirdische Gänge – Ein Rundgang unter dem Kirchberg, Faltblatt des Geithainer Heimatvereins e. V., 2015

  17. Bund Heimat und Umwelt in Deutschland (BHU), Bundesverband für Kultur, Natur und Heimat e.V. (Hrsg.): Unterirdisches Kulturerbe - Historische Keller, Dokumentation der Tagung am 16. und 17. Januar 2018 in Mittweida, Bonn, 2018, ISBN 978-3-925374-52-4


    Staatsarchiv Leipzig
     

  18. Bestand 20425 (Rittergut Hopfgarten), Nr. 754: Beabsichtigte Anlegung eines Stollens bei dem sogenannten Goldborn im Alt-Ottenhainer Revier, dat. 1801-1802


    Bergarchiv Freiberg
     

  19. Bestand 40073-1 (Bergschadenkundliche Analysen, Akten), Nr. 117: Lommatzsch, Landkreis Meißen, Stadtgebiet Lommatzsch Teil 1: Kirchplatz, Döbelner Straße - Probleme mit Hohlräumen, verursacht durch alte Kellergewölbe, zugehörige Risse: Bestand 40073-2, Nr. 2944-2952, dat. 1987