Ein Beitrag von www.unbekannter-bergbau.de Erstellt September 2014, letzte Aktualisierung Juli 2015.
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1.Etappe:
Wiederaufbau der Schmiede 2008
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Ein nur scheinbar unscheinbares Baudenkmal: Das "Bergamtshaus" in Wolkenburg
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Wir fangen einmal hinten an:
Nachdem die letzten Bewohner Anfang der 1990er Jahre ausgezogen waren, stand der kleine Hof im Tal des Herrnsdorfer Baches südwestlich von Wolkenburg, heute das Haus Zur Papierfabrik 10, leer. Wie das immer so ist, wenn sich kein Nutzer mehr darum kümmert, drohte es zu verfallen. Die Scheune wurde bald schon abgerissen und auch der Rest des kleinen Gebäudeensembles war nicht gerade in bestem Zustand. Im Dezember 1997 begann die Nutzung des früheren “Bergamtshauses“ in Herrnsdorf als "Huthaus" des Vereins Altbergbau/Geologie Westsachsen e.V. Im April 2000 erfolgte die provisorische Übernahme des ehemaligen Bergamtshauses “ Zur Papierfabrik 10“ durch den Verein. Inzwischen ist das Gebäude im Besitz der Stadt Limbach-Oberfrohna, deren Ortsteil nach mehreren Kreis- und Gebietsreformen Wolkenburg geworden ist. Seit 2008 wird es schrittweise rekonstruiert. Ab 2012 wurden dafür Fördermittel in Höhe von 44.000 Euro von der Stadt und weitere 116.000 Euro aus dem EU-Programm für ländliche Entwicklung (EPLR) bereitgestellt. Die Arbeiten am Haus erfolgten unter fachlicher Leitung eines Architekten und soweit erforderlich durch Fachfirmen (u. a. Elektroarbeiten, Zimmermannsarbeiten, Dacheindeckung). Allein von Frühjahr 2012 bis September 2013 steckten aber auch fast 1.000 ehrenamtliche Arbeitstunden der Vereinsmitglieder im Haus (u. a. Abriss- und Abputzarbeiten, Ausschachtarbeiten usw.). Im Herbst 2013 wurde das Amtshaus im Rohbau fertig. Weitere Arbeiten hinsichtlich Innenausbau, Wiedereinrichtung der Vereinsräume und der ständigen Ausstellung folgten noch nach.
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Link zum
Digitalisat:
archiv.sachsen.de/archiv
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Was wir bisher herausgefunden haben: Das Gebäude weckte schon länger unser Interesse, wird doch ein "Amtshaus" im Wolkenburger Revier mehrfach in alten Akten erwähnt. Die früheste Erwähnung findet sich in den alten Wolkenburger Gerichtsbüchern. Der Wolkenburger Richter Andreas Claß (auch Kloss geschrieben) erwarb das Amtshaus 1613 vom Bergamt Marienberg, nachdem der Bergbau in diesem Gebiet wieder einmal zum Erliegen gekommen war. Das “Berg-Amts-Haus” wird darin als ein Lehen des Bergamtes Marienberg und zusammen mit einer Schmelzhütte genannt. Der Kaufverschreibung zwischen dem Marienberger Hüttenmeister Christoff Herzog und dem Richter Andreas Claß zu Wolkenburg vom 7. Juli 1613 wegen des Berg- und Zechenhauses zu Wolkenburg ist zu entnehmen, dass sich die Schmelzhütte auf Michael Specks Gütern und das Berg- und Zechenhaus daneben auf Paul Riedels “Reynungen”, befindet. Bestandteil dieses Kaufvertrages ist ein Vorbehalt, der den künftigen Gewerken bei Wiederaufnahme des Bergbaus das Rückkaufsrecht gegen Erstattung des Zu- und Erbegeldes wieder einräumen soll. Deshalb wurde dieser Kaufkontrakt in das Marienberger Bergbuch hinterlegt. Am 8. Oktober 1613 verkaufte Andreas Claß danach das Amtshaus, ”... so in Herrnszdorffer Fluer vnd zvnegst an der Bach doselbst gelegen”, an Hans Petzl (oder Petzolt) von Kaufungen für 18 neue Schock. Aus einer unter Bergmeister Hans Mittelbach am 5. Oktober 1625 in das Bergbuch eingetragenen Nachricht zum Kauf der Zechenhäuser zu Wolkenburg ist zu entnehmen, dass der Richter Andreas Kloß im Auftrag seines Lehnsherrn Georg Haubold von Ende von den vormals bauenden Gewerken unter Hans Löser und Georg Heinrich von Ende das auf Michael Specks und Paul Riedels Gütern gelegene Amtshaus für gute 20 ßo (Schock), die alte Schmelzhütte (Hüttenstadt) für 8 ßo und das Schmiedehäuslein für 4 ßo Bargeld, also insgesamt 32 gute Schock, gekauft hat. 1637 kauft Michael Goldhain das Amtshaus für 6 ½ neue Schock von Haubold von Ende, die Kaufurkunde behält sich wieder eine mögliche Wiederbelebung des Bergbaus vor. Peter Tost kaufte schließlich am 17. Mai 1650 das “Berghäuslein“ und heiratete die Witwe Goldhains. "In Herrnsdorfer Flur und nah am Bach daselbst gelegen" - dabei konnte es sich also nur um dieses Gebäude handeln. Es stand folglich mit Sicherheit schon vor 1613 und ist damit vermutlich eines der ältesten, noch erhaltenen Häuser in Herrnsdorf. |
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Sanierung der Schmiede ab 2008
Viele Fotos haben wir dabei nicht gemacht... Aber auch an dieser Stelle sei allen Sponsoren, die uns dabei mitgeholfen haben, noch einmal herzlich gedankt !
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Ein Haus entsteht neu: Sanierung des Amtshauses ab 2011
Impressionen vom Wiederaufbau des Amtshauses...
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Aber auch innen ging es natürlich weiter: Der alte Putz ist hier schon runter und jetzt wird der Rest vom Fußboden rausgepickert... (Februar 2013) |
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Versuch einer
Bauwerksbeschreibung... Wir sind alle weder Bauingenieure noch Historiker. Da wir unser Bergamtshaus aber - hoffentlich - nie wieder derart "nackt" sehen werden, versuchen wir uns mal an einer kleinen Beschreibung dessen, was uns beim Auseinandernehmen und wieder Aufbauen aufgefallen ist.
Die erhaltenen Gebäude: Auf den ersten Blick sieht es aus, wie viele kleine Bauernhäuser in der Region. Auf einer Grundfläche von zirka 9,5 m x 5,5 m steht ein Erdgeschoß mit - ursprünglich - dicken Bruchsteinmauern. Darauf war ein Obergeschoß aus Fachwerk aufgesetzt und oben ein einfaches Satteldach. An der Westseite ist das Erdgeschoß auf zwei Drittel seiner Breite um einen kleinen Anbau erweitert. Die nur rund 2,5 m x 3,5 m kleine "Schmiede" daneben weist eine völlig identische Bauweise auf - entstammt also ähnlicher Bauzeit, ist aber hinsichtlich des Fachwerk-Obergeschosses besser erhalten geblieben. Wie der Kartenausschnitt ganz oben zeigt, gehörten noch in den 1930er Jahren außerdem eine größere Scheune und weitere Nebengebäude zum Gebäudeensemble und bildeten zusammen einen kleinen "Vierseitenhof". Liebe Wolkenburger ! Falls Sie wieder einmal in Ihren alten Fotos kramen sollten und dabei zufällig alte Fotos des Bergamtshauses entdecken, würden wir uns sehr freuen, diese einmal einscannen und hier verwenden zu dürfen. Melden Sie sich doch bitte an den Öffnungstagen bei uns ! Damit uns jeder versteht, zuerst ein paar "Aufzeichnungen" und Grundrisse.
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Auffälligkeiten im Erdgeschoß: Das Mauerwerk im Erdgeschoß ist aus den in der Umgebung vorhandenen Gesteinen und überwiegend aus Bruchsteinen zusammengesetzt. Das Erdgeschoß der Schmiede blieb bis Herbst 2013 unverputzt und konnte so noch einen Teil davon zeigen. Insbesondere an Fenster- und Türeinfassungen weist das Bruchsteinmauerwerk aber zahlreiche "Reparaturstellen" auf. Dabei wurden vorrangig "normale" rot gebrannte Ziegel mit "DIN-Maßen" verbaut. Im westlichen Teil des Obergeschosses an der Hofseite wurden aber auch größere Beton-Formsteine vermauert, wie es sie kaum vor den 1930ern gab. Daneben hat man an mehreren Stellen - u. a. an den etwas konisch aufgehenden, inneren Fenstergewänden - auch Lehmziegel verwendet. Vielleicht konnte man so diese Schrägen leichter formen. Unter dem Westgiebel hindurch führt eine - allerdings miserabel überwölbte - Treppe in einen Tiefkeller mit zirka 2,0 m x 3,5 m Grundfläche. Das aus Ziegeln gesetzte, flache Tonnengewölbe hat (in der Gewölbemitte) nur 1,85 m Höhe. Die Kellersohle aus gestampftem Lehm liegt im Höhenniveau des Mittelpegels des kaum 30 m entfernt fließenden Herrnsdorfer Baches und steht - besonders nach Starkregen - mit schöner Regelmäßigkeit unter Wasser (aufsteigendes Grundwasser). Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, daß Tief- oder Bergkeller außerhalb des Gebäudegrundrisses liegen; dafür gibt es besonders in Westsachsen sehr viele Beispiele. Erinnert sei hier nur an die Dienerschen Gänge in Glauchau oder die "Kellerberge" in Penig. Das Bruchsteinmauerwerk ist nur im Sockelbereich noch umlaufend erhalten. Besonders am Ostgiebel und an der (nördlichen) Hofseite ist es von der Höhe der Sohlbänke der Fenster an fast überall durch jüngeres Mauerwerk ersetzt. An der Südseite fällt eine Zweiteilung auf, welche annähernd mit der Trennwand zwischen Flur und dem großen Raum an der Ostseite zusammenfällt. Vermutlich hatte das Gebäude also einen Vorgängerbau auf ähnlichem Grundriß, der umgebaut, erweitert bzw. ergänzt wurde. Vielleicht im 16. Jahrhundert, als der Bergbau um Wolkenburg seine zweite Blütezeit erlebte. Beachtet man dann, daß die einzigen architektonischen "Schmuckelemente" die Fenstereinfassungen aus Rochlitzer Tuff darstellen, die aber nur an der Tür und an fünf der sechs Fenster dieses großen Raumes im Erdgeschoß eingebaut wurden, kann man zu der Meinung gelangen, daß hier tatsächlich ein repräsentativer "Amtsraum" - zumindest aber die "gute Stube" des Bauernhauses - eingerichtet war. |
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Bauweise des Obergeschosses: Das Obergeschoß wurde als Rähmfachwerk errichtet. Allerdings ist wohl schon früher auf der sonnenarmen Nordseite (zum Hof hin) der Hausschwamm eingezogen, so daß man es auf dieser Seite (vermutlich in zwei Abschnitten, denn nur die Westseite der dem Hof zugewandten Seite beinhaltet die "modernen" Betonformsteine) schon vor längerer Zeit durch Ziegelmauerung ersetzen mußte. An der Südseite und an den beiden Giebeln ist es dagegen altersentsprechend gut erhalten - inzwischen jedoch schon wieder unter einer hinterlüfteten Lattung und einer Dachschiefer- Verkleidung verschwunden. Aber auch an der Südseite waren der Rähmbalken und etliche Balkenköpfe stark verfault und mußten durch unsere fleißigen Zimmerleute ersetzt werden. Gut erhalten und zu sehen ist die Rähmfachwerk- Bauweise noch an der Schmiede. Deren Obergeschoß ist in nahezu identischer Bauweise wie das Hauptgebäude errichtet. Einziger Unterschied: Die viel kleinere Schmiede besitzt nur einen umlaufenden Brustriegel, das Amtshaus dagegen Brust- und Halsriegel. Ungewöhnlich sind daneben die beiden Giebelseiten der "Schmiede": Deren schräge Eckverstrebungen weisen nämlich nach innen. Da wir die Balken und Pfosten des Amtshauses bei der Rekonstruktion sämtlich freilegen mußten, fielen uns weitere Details auf: An vielen Stellen wurden ganz offenbar Balken "recycelt" . Sie weisen Aussparungen für Verblattungen auf, die einfach nicht zueinander passen können, selbst wenn man den einen oder anderen Umbau von Trennwänden annimmt. Ausgefacht hat man übrigens überall mit krummen Brettern und Lehm. Sehr ungewöhnlich ist in dieser Hinsicht auch das Fachwerk der Trennwand im östlichen Raum des Obergeschosses. Auf einen kurzen Blick sieht es ganz normal aus, weist zwei Riegel auf und nach außen weisende Streben. Aber spätestens beim zweiten Blick fällt ins Auge, daß die Brust- und Halsriegel zwar zueinander parallel, aber ansonsten völlig schief eingebaut sind. Das aber wiederum mit schöner Symmetrie (in der Mitte gab es vermutlich schon früher mal eine Tür). Analog waren auch die Zwischendecken gebaut. In die Balken hat man Nute eingeschlagen und Bretter eingeschoben. Darüber kamen Lehmwickel als Dämmung und obenauf die Dielung. (Leider nur) einen der ersetzten Balken haben wir mit dankenswerter Unterstützung der Bergsicherung Sachsen GmbH, Schneeberg, dendrochronologisch datieren lassen. Es handelte sich dabei laut Gutachten um eine Tanne, die um 1580 zu wachsen begann und im Winter 1672 - 1673 im Alter von rund 90 Jahren geschlagen wurde... Wenn das Gebäude als Amtshaus tatsächlich vor 1613 (Verkaufserwähnung in den Bergbüchern des Bergamtes Marienberg) errichtet wurde, hatte es 1672 folglich schon wenigstens 60 Jahre auf dem Buckel und offenbar die ersten Ausbesserungen nötig - oder es machten sich wegen geänderter Nutzung Umbauten erforderlich.
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Zum Vergleich: Bauart und Fachwerkkonstruktion der Schmiede:
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Ein letztes Fundstück: Beim Abriß des morschen Schornsteins kam u. a. an der Innenwand des Obergeschosses unter dem neuzeitlichen Putz ein Rußfleck zutage. Da er scharf begrenzt ist, kann man wohl davon ausgehen, daß nicht das Haus zwischendurch einmal gebrannt hat, sondern daß hier ein offener, im Erdgeschoß bis zu 4 m breiter ( !! ) Kamin gestanden hat. War das vielleicht einmal ein "Probierofen", in dem der Bergmeister Erzproben auf ihre Silbergehalte untersuchte ? Wir werden Vieles nicht mehr genau herausfinden können. Aber dieser Rußfleck ist immerhin ein Indiz mehr dafür, daß genau dieses Gebäude tatsächlich einmal als Amtssitz eines Bergmeisters gedient hat.
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Ein Nachwort: Unser kleines Wolkenburger Revier ist bislang eigentlich nur Fachleuten näher bekannt. Wir freuen uns trotzdem jedes Jahr über einige Hundert neugierige Besucher an unseren - zugegebenermaßen - recht wenigen Öffnungstagen ( www.wolkenburger-bergbaurevier.de). Wir hätten gern auch mehr Besuchstage, aber irgendwann muß ja auch die Arbeit getan werden und dummerweise hat der Tag nur 24 Stunden. Der Wiederaufbau des Bergamtshauses hat uns jedenfalls sehr viel Arbeit und Freizeit gekostet und dadurch sind auch andere Projekte zwischenzeitlich wieder auf der Strecke geblieben. Aber wir hoffen, daß das rekonstruierte Haus nun ein "Eye-Catcher" nicht nur für die Nachbarn, sondern auch für die Radler und Wanderer auf dem Muldetal-Radweg geworden ist und daß in Zukunft noch einige mehr auch einmal bei uns anhalten. Es mag vielleicht unscheinbar aussehen - ist aber ein richtig spannendes Mosaiksteinchen unserer Geschichte. Also, lassen auch Sie sich doch einmal bei uns sehen ! Bis dahin noch einmal ein herzliches Dankeschön allen, die Fotos und Fachwissen zu diesem Beitrag beigesteuert haben und... Glück Auf ! J. B.
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