schließen

 

Ein Beitrag von www.unbekannter-bergbau.de

Erstellt Juni 2015, letzte Ergänzung im Juni 2019 .

Wir bedanken uns bei allen, die uns bei unseren Recherchen unterstützt haben, insbesondere aber bei Herrn M. Och, Meerane, für die Bereitstellung eines Sammlungsstückes aus der Produktion der Zwitterstocksgewerkschaft für Fotoaufnahmen.

Sie können diesen Beitrag auf dem Recherchestand vom Juli 2015 vom Qucosa-Server der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden im PDF-Format herunterladen.

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-162876

  

Wo das Wasser herkam: Altenberger Wasserwege - Teil 1
Wasserwege Teil 2: Grenz-, Ascher- und Hanggraben

  

 
 

Die Letzte ihres Standes:
Die IV. zwitterstocksgewerkschaftliche Wäsche in Altenberg

Während die Bergwerke im Erzgebirge im wahrsten Sinne des Wortes „in Stein gemeißelt“ wurden, sind die übertägigen Anlagen der Aufbereitung und Verhüttung nur an wenigen Stellen überhaupt erhalten geblieben. Das liegt daran, daß es schon zu ihren Bauzeiten reine „Zweckbauten“ waren, wie heute die ALDI-Halle nebenan. Wurden sie nicht mehr gebraucht, wurden sie im besten Falle umgenutzt, häufig aber auch abgerissen oder sie fielen einfach dem Zahn der Zeit zum Opfer.

So erging es gleichermaßen sowohl den modernen Flotationsanlagen des VEB Zinnerz Altenberg nach 1991 als auch den früheren Pochwäschen der Gewerkschaft Vereinigt Feld im Zwitterstock zu Altenberg.

Nur eine der einst zahlreichen Pochwäschen – zu Hochzeiten des Abbaus waren es einmal bis zu 17 – ist in Altenberg bereits 1953 zum technischen Denkmal avanciert und so erhalten geblieben.
 

Wir haben die Schauanlage 2015 wieder einmal besucht. Zur Geschichte der Anlage zitieren wir in diesem Beitrag zunächst aus der Internetseite des Bergbaumuseums Altenberg:

„Der Altenberger Zwitterstock gilt als bedeutendste Zinnerzlagerstätte des Erzgebirges. Sie besitzt an der Tagesoberfläche einen Durchmesser von etwa 350 m und reicht bis in eine Tiefe von zirka 240 m. Ihre Flanken fallen nach allen Seiten steil mit etwa 70° ein. Das Zinnerz (überwiegend Kassiterit) ist im gesamten Greisenkörper, den man in Altenberg auch als "Zwitterstock" bezeichnete, fein verteilt in unterschiedlichen Konzentrationen vorhanden. Die Zinngehalte betrugen durchschnittlich 0,3% bis 0,4% der gesamten vererzten Gesteinsmasse, stiegen aber in Ausnahmefällen lokal bis auf 10% an.“

Anmerkung: Die bergmännische Bezeichnung „Zwitter“ resultierte daraus, daß sowohl feindisperse Imprägnationen, als auch pneumatolytische Trümer im gesamten Greisenkörper auftraten. Es war also ein „Zwischending“ – weder nur massives Festerz, noch ausschließlich Erzgänge.

Diese wenigen Prozente des nutzbaren Minerals mußten man nun aber aus dem harten Zwitter erst einmal herausholen. Dazu dienten die Pochwäschen. Ursprünglich besaßen die einzelnen Gewerkschaften eigene, später wurden sie unter dem Dach der Zwitterstocksgewerkschaft „fusioniert“ und durchnummeriert – beginnend mit der I. Wäsche unmittelbar am Römerschacht. Aber zunächst weiter im geschichtlichen Rückblick:
  

„Der Bergbau in der Gegend von Altenberg begann in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit der bergbaulichen Erschließung des Gebietes vom böhmischen Graupen aus (heute: Krupka, Tschechische Republik). Bebaut wurden anfänglich Zinnseifen, durch die schließlich die primären Lagerstätten in Altenberg und Zinnwald entdeckt wurden. Die Erschließung der Altenberger Lagerstätte erfolgte um 1440 durch eine Vielzahl kleiner Bergwerke. Bereits 1451 verlieh Kurfürst Friedrich II. von Sachsen der jungen Ansiedlung Stadtrecht, verbunden mit der Gewährung städtischer und bergbaulicher Privilegien.

Schon bald nach Beginn des Festerzabbaus wurde das Erz vorwiegend mit der Methode des Feuersetzens gewonnen. Dadurch kam es zu einem planlosen Weitungsbau, der ab 1545 zu mehreren, teilweise beträchtlichen Tagebrüchen führte. Ungeachtet dieser Brüche wurde der unkontrollierte Erzabbau bis zum großen Pingenbruch 1620 fortgesetzt. Dieser Pingenbruch erreichte an der Tagesoberfläche eine Ausdehnung von etwa 2 ha sowie eine Tiefe von fast 70 Metern und zerstörte mehrere Schächte mit ihren Göpeln und ein Großteil des Grubenfeldes.

Für die Wiederaufnahme des Bergbaus nach dem großen Bruch vereinigten sich 36 zentral gelegene Gruben und bildeten daraus unter Hinzuziehung von alten Grubenfeldern, von Aufbereitungsstätten, Wäldern und wasserwirtschaftlichen Anlagen im Jahr 1663/64 die Gewerkschaft "Vereinigt Feld im Zwitterstock zu Altenberg".

Schon beginnend ab dem zweiten Pingenbruch 1578 ging man stellenweise zur Methode des Bruchortbaus über, bei der das Brucherz aus der Pinge untertägig abgebaut wurde. Ab 1845 wurde der Erzabbau im Festgestein mittels Feuersetzen eingestellt und nur noch Brucherz aus der Pinge gewonnen.

Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich der Schubortabbau durch. Hierzu wurden Strecken unter Tage im festen Gestein bis in den Brucherzbereich hinein vorgetrieben, in die nun die ständig nachrutschenden Bruchmassen hereingezogen werden konnten.

Der in der Erzgewinnung bis dahin dominierende Schubortbetrieb wurde ab 1976 nach und nach durch die Technologie des Teilsohlenbruchbaus verdrängt, mit dem man den Grubenbetrieb sicherer und leistungsfähiger gestalten konnte. In den letzten zwei Jahrzehnten des Betriebes wurde ein vollmechanisierter und automatisierter Abbau mit einer weiterentwickelten Methode des Teilsohlenbruchbaus eingeführt, sowie die Aufbereitung durch den Aufbau moderner Anlagen wesentlich verbessert. Dadurch konnten in den achtziger Jahren Jahresfördermengen von über 1 Mill. Tonnen Roherz erreicht werden, aus denen reichlich 2.100 Tonnen Reinzinn pro Jahr gewonnen wurden. Damit war die Altenberger Grube der Hauptlieferant von Zinn für die ostdeutsche Wirtschaft.

Nach reichlich 550 Jahren Bergbautätigkeit und dem Abbau von 37 Millionen Tonnen Roherz wurde am 28. März 1991 mit der Förderung des "Letzten Huntes" der Altenberger Zinnerzbergbau aus Rentabilitätsgründen eingestellt.“
 

Über die Vorgeschichte der 1953 wieder aufgebauten und 1990 rekonstruierten IV. Wäsche lesen wir relativ wenig, was wohl auch dem Umstand geschuldet ist, daß man ja nicht alles schon ins Netz stellen will, was man eigentlich bei der Führung vor Ort erzählen möchte: Deshalb zitieren wir hier auch noch einmal aus der Internetseite des Bergbaumuseums:

„Die erste urkundliche Erwähnung des heutigen Museumsgebäudes stammt aus dem Jahr 1577, als ein Hieronymus Naumann die bereits bestehende Erzwäsche kaufte. Demgemäß trug das Gebäude in früheren Jahrhunderten den Namen "Naumann-Mühle". Mit der Bildung des Grubenunternehmens Vereinigt Feld im Zwitterstock zu Altenberg 1663 wurde sie umbenannt in IV. zwitterstocksgewerkschaftliche Wäsche. (…)

Auf Initiative und unter Leitung des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen wurde die ehemalige "IV. Wäsche" in den Jahren 1953-57 zu einer technischen Schauanlage ausgebaut. Hauptziel war die Erhaltung der einmaligen hölzernen Pochwerksanlagen von Altenberg, die bis 1951 in Betrieb waren. Deren jahrhundertealtes Konstruktionsprinzip wurde bereits von Georgius Agricola 1556 in seinem Buch "De re metallica" für Altenberg beschrieben. Mit der Einrichtung eines Museums sollte dieses wertvolle technische Kulturgut geschützt werden. 1957 begann der öffentliche Besucherbetrieb in der alten IV. Wäsche.

Im Dachgeschoß der Zinnwäsche entstand 1976 die Museumsausstellung "Zinn in Natur, Geschichte und Technik". Mit der Eröffnung des Schaustollens in direkter Nachbarschaft der Zinnwäsche im Jahr 1971 war nach der 1953 erfolgten Schließung des eindrucksvollen Schaubergwerks "Heinrichsohle" endlich wieder eine untertägige Besichtigung möglich. Schwere Schäden an der Bausubstanz und der technikhistorischen Einrichtung durch übermäßige Nässe und Verschleiß zwangen 1983 zur Schließung der technischen Schauanlage.

Dank finanzieller Unterstützung durch die Europäische Union, die Bundesrepublik Deutschland, den Freistaat Sachsen und die Stadt Altenberg konnte die Historische Zinnwäsche vor dem Verfall gerettet und nach jahrelangen umfangreichen Sanierungsarbeiten 1994 wiedereröffnet werden. Der Projektierung der Sanierungsarbeiten ging ab 1983 ein fundiertes Archiv- und Quellenstudium durch die Museumsmitarbeiter mit Unterstützung durch die Bergakademie Freiberg voraus. Auf der Basis dieser wissenschaftlichen Forschungen wurden in Eigenleistung nach historischen Befunden Entwurfszeichnungen erstellt sowohl für den Wiederaufbau der schwer geschädigten maschinellen Einrichtung als auch für den originalgetreuen Nachbau nicht mehr erhaltener Aufbereitungsanlagen. Nach einer Investition von rund 2,5 Mill. DM ist die Historische Zinnwäsche seit Oktober 1994 wieder zur Besichtigung zugänglich. …

Der gesamte Aufbereitungsprozeß für das Altenberger Erz in seiner technischen Entwicklung kann im Museum anschaulich an historischen Aufbereitungsanlagen demonstriert werden. Das 40-stemplige Pochwerk für die Gesteinszerkleinerung sowie die Langstoßherde mit Wasserradantrieb und weitere Anlagen für das Auswaschen des Erzes machen die frühere Arbeit in den Erzwäschen für Auge und Ohr erlebbar.“

 www.bergbaumuseum-altenberg.de  
   

Weil wir schon einige interessante Touren Über- und Untertage im Altenberger Revier gemacht haben, versuchen wir mal, noch etwas mehr zur Zwitterstocksgewerkschaft herauszufinden und zusammenfassend aufzubereiten.

  

 

 

Auszüge zur Geschichte des Zinnerzbergbaus
im Zwitterstock zu Altenberg

Eine sehr ausführliche Beschreibung der gesamten Lagerstätte einschließlich Geologie und Abbaugeschichte findet man im der Lagerstätte Altenberg gewidmeten Band 9 der Bergbaumonographie (Ausgabe 2002, kann man downloaden). Weil wir das auch nicht besser könnten, entnehmen wir daraus folgende Auszüge:

  

Die Anfänge des Bergbaus und seine erste Blüte
bis zum großen Pingenbruch 1620

Der Beginn des Bergbaues auf Altenberger Fluren ist zeitlich nicht exakt nachweisbar. Er dürfte um 1440 seinen Anfang genommen haben. Auf böhmischer Seite wurde Zinnstein nachweislich seit etwa 1230 aus den Erzgebirgsbächen ausgewaschen. Größere Zinnsteinkörner, sog. „Zinngraupen“, wurden ausgelesen, sie gaben dem Ort Graupen (Krupka, Tschechien) den Namen. (…)

Für das Betreiben des Bergbaues und der Aufbereitung der Erze war besonders in der Gebirgskammgegend, in der Altenberg liegt, die Erfassung und der Stau des Wassers bereits in früher Produktionszeit von großer Bedeutung. Sachzeugen aus dieser ersten Etappe sind der Aschergraben (1452-1458), der das Wasser aus den Böhmischen Hochmooren über 7 km nach Altenberg an die Pochwerke heran führte und die Walkteiche, die Aufschlagwasser für die Gruben zur Wasserhebung lieferten. Zur Deckung des steigenden Bedarfs an Betriebswasser legte man zwei Dämme für die Galgenteiche (1530-1553) an und zog den Neugraben und Quergraben (1550-1559) zur Heranführung des Wassers westlich und östlich vom Kahleberg. In den Jahren 1730, 1855-1865 und 1940-1944 vergrößerte man die Galgenteiche durch Dammerhöhungen auf ihr heutiges Volumen. Sie sind die höchst gelegenen Kunstteiche im Erzgebirge und waren bis in jüngste Vergangenheit für die Versorgung des Betriebes Zinnerz Altenberg mit Betriebswasser von eminenter Bedeutung. (…)

Das notwendige Kapital für die nun immer dringender erforderlichen technischen Einrichtungen liehen den „Altenberger Zinnern“ u. a. Nürnberger und Augsburger Zinnkaufsgesellschaften, die dafür Zinn unter dem Handelspreis erworben haben (Verlegersystem bis 1570).

Sichtbar wurden in dieser Zeit auch immer deutlicher die Bestrebungen der Fürsten das kurfürstliche Bergregal - juristisch fundiert später im sächsischen Direktionsprinzip - auch im Altenberger Zinnbergbau mehr und mehr durchzusetzen. Durch Kauf der gesamten Herrschaft Bärenstein werden Herzog Albrecht und Herzog Georg 1491 Grund- und Bergherren von Altenberg. Gleichzeitig wird eine neue Bergordnung geschaffen. Für die Bergleute treten Erleichterungen ein; der Lohn wird nicht mehr in Graupen, sondern in Altenberg ausgezahlt. Ende des 15. Jahrhunderts und im 16. Jahrhundert war der Bergbau in Altenberg zu einer bedeutenden Blüte gekommen. Um 1480 sollen etwa 3.000 Bergleute in Altenberg tätig gewesen sein. In 100jähriger Bergbautätigkeit wurden bis 1546 etwa 19.100 Tonnen Zinn gewonnen.

Der Bergbau wurde so intensiv betrieben, dass 1576 auf einer Fläche von knapp fünf Hektar 124 Grubenfelder standen. Die Oberfläche des Zwitterstockes war somit in viele kleine Grubenfelder eingeteilt, deren Besitzer Schächte niederbrachten, von diesen aus seitlich und nach der Tiefe zu Weitungen durch Feuersetzen anlegten und die gewonnenen Zwitter mit Handhaspeln und Pferdegöpeln zutage förderten. Somit wurde der Zwitterstock durch eine Vielzahl von Weitungen bis zu 20 m Durchmesser und bis zu einer Teufe von etwa 200 m ausgehöhlt. Die Pfeilerstärke zwischen den Weitungen betrug oftmals  kaum einen Meter. Infolge der unregelmäßigen Weitungsbaue mit stark geschwächten Pfeilern kam es am 15.11.1545 zu einem ersten Zusammenbruch, bei dem 10 Gruben unmittelbar betroffen waren. Es entstand somit das wichtigste seitdem sich ständig vergrößernde Altenberger Bergbaudenkmal des 16. Jahrhunderts, die Pinge.

Neben der fortschreitenden Gewinnung von Erzen durch Feuersetzen in den Weitungsbauen wurden nach dem ersten Bruch auch die sog. „Brucherze“ in die Gewinnung mit einbezogen. Ein zweiter Bruch erfolgte 1578, bei dem wiederum 4 Zechen betroffen waren. Da Verdacht bestand, dass „die Schächte absichtlich zum Gehen gebracht wurden“, um leichter den Zinngreisen gewinnen zu können, wurden die hiesigen Bergbeamten ihres Dienstes enthoben.

In den Jahren 1583-1619 folgten weitere Pingenbrüche, wobei 12 Zechen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Der dritte und größte Pingenbruch ereignete sich am 24.01.1620 über eine Fläche von 3.822 Quadratklafter (etwa 15.100 m², ca. Ø 140 m), es wurden 24 Zechen unmittelbar durch Brucherscheinungen beeinträchtigt.

Der große Pingenbruch von 1620 machte einen weiteren Bergbau zunächst nahezu unmöglich. Zwischenzeitlich verlagerte sich der Bergbau auch etwas in die nähere Umgebung von Altenberg, wo etwa 40 Zechen in Betrieb waren.

  

Niedergang und Stagnation von 1620-1662 und die frühkapitalistische Wiederbelebung von 1663-1849

Nicht nur die gewaltigen Schäden, die der große Pingenbruch für den Bergbau in Altenberg auslöste, sondern auch die Gebrechen der Zeit, Vernichtung, Krankheit und Teuerung durch den Dreißigjährigen Krieg, brachten den Menschen und dem Land für mehrere Jahrzehnte eine schwere Zeit.

Eine Zwittergewinnung war bis auf wenige förderfähige Randgruben von untertage kaum möglich. In geringem Umfang förderte man tagebaumäßig Erze aus der Pinge. 1638 wurde die Zwitterförderung gänzlich eingestellt. Die Bergleute fordern die Lohnrückstände und Lohnerhöhung wegen der Teuerung. Kaiserliche Truppen (1632) und schwedische Truppen (1639) bedrängen Altenberg. Pochwerke und Wasserkünste wurden zerstört. Die Pest grassierte 1633 in Altenberg. 1633, 1648 und 1653 kommt es zu Verbrüchen im Tiefen Erbstolln, so dass das Wasser bis 80 m über den Stolln steigt.

Im Jahre 1660 war der Umbruch im Tiefen Erbstolln abgeschlossen, doch zwei Jahre dauerte allein die Entwässerung des brüchigen Grubengebäudes mit seinen zahlreichen Weitungen. Nach erfolgter Wasserlösung konnte im Jahr 1663 die Zwittergewinnung wieder aufgenommen werden. Maßgeblich für die Belebung des Bergbaues zu dieser Zeit agierte der Bergmeister Balthasar Rösler. Die Pingenbrüche zogen entscheidende Wandlungen sowohl in der Altenberger Bergbautechnik als auch in den Produktionsverhältnissen nach sich. Die Fortführung des Bergbaus zur Gewinnung der Zwitterbruchmassen aus der Pinge zwang die vielen Kleinbetriebe (Zechen) zu einer Vereinigung, die schon in den Jahren 1620 (36 Zechen) und 1645 (51 Zechen) angestrebt wurde. Am 04.08.1663 bildete sich aus diesem Komplex von Zechen unter Einbeziehung der Pochmühlen, Hütten, Wäldern und wasserwirtschaftlichen Anlagen die große „Gewerkschaft des Zwitterstocks zu Altenberg“. Sie verfügte über 26 Pochwerke mit 301 Stempeln, über den Aschergraben und 5 Teiche, erwarb 1697 Rittergut und Eisenwerk in Schmiedeberg und besaß viele Waldungen. Sie stellte für das 17.-18. Jahrhundert bereits eine außergewöhnlich große Kapitalgesellschaft dar. (…)

Durch die Einführung der Freiberger Langstoßherde im Jahr 1781 wurde nun auch in der Aufbereitung der Erze eine bessere Effektivität sichtbar.

Zur Zerkleinerung der Zwitter waren um 1840 15 Pochwerke mit je 90 Stempeln in Betrieb. Der Bergbau in Altenberg hatte nun eine neue Blüte erreicht. Im Jahr 1840 waren in Altenberg insgesamt 560 Bergleute und Aufbereiter tätig. Die Zinnausbeute erreichte mit 117 Tonnen (cirka 2.340 Ctr.) pro Jahr einen neuen Höchststand.

Das Altenberger Zinn war durch den Importstopp von englischem Zinn im Rahmen der Kontinentalsperre im Kurs bedeutend gestiegen. Die Prosperität des Zinns hatte zur Folge, dass die Gewerkschaften in Altenberg bis zu 100 Taler Ausbeute pro Kux im Jahr zahlen konnten.

Durch die steigende untertägige Brucherzgewinnung blieben Bewegungen und Erweiterungen des Pingenraumes nicht aus. Zu Pingenbrüchen und Pingenrandabbrüchen kam es auch nach dem großen Bruch von 1640, besonders in den Jahren 1688, 1714, 1716, 1776 (Peptöpfer Schacht vernichtet), 1785, 1817, 1829 (Saustaller Schacht gefährdet) und 1844 (Wassergöpel des Creutzer Schachtes vernichtet).

   

Die Periode der technischen Erneuerung seit 1850 bis zur Stagnation 1930

Die fortschreitende Vergrößerung der Pinge und die damit verbundene Beeinträchtigung und Zerstörung von Schächten mit ihrer Förderung und Wasserhaltung zwangen zur Anlage eines neuen Schachtes im nicht bruchgefährdeten Bereich südlich des bis dahin wichtigen Saustaller Schachtes. Durch den von 1837-1850 geteuften Römerschacht - benannt nach dem von 1804-1828 tätigen Bergkommissionsrat und Zwitterstockinspektor Jobst Christoph von Römer - konnte die Produktion wesentlich gesteigert werden. Der Einbau einer Wassersäulenmaschine als Ersatz für das Kunstrad am Saustaller Schacht von 1686 erfolgte im Jahr 1862. Sie stellte ein wichtiges Zeugnis der Maschinentechnik im 19. Jahrhundert dar. An Stelle des Kehrrades wurde 1907 im Römerschacht eine Dampffördermaschine eingebaut, die Wassersäulenmaschine wurde 1909 bereits wieder durch eine Turbine mit einem 100 kW-Generator ersetzt.

Zur Streckenförderung führte man Eisenschienenbahnen mit Förderwagen ein; das maschinelle Bohren untertage fand ab 1916 Anwendung.

Nach dem durch Brandstiftung gelegten Großbrand im Jahr 1889, bei dem 7 Pochwäschen, eine Schmelzhütte und das Brennhaus vernichtet wurden, errichtete man 1892 eine neue Zentralwäsche, die ab 1909 mit modernen Humboldt-Schnellstoßherden ausgestattet wurde. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann man aus dem Altenberger Zinnerz auch Wismut (1854) und Arsenmehl (1861), im Zuge der Kriegswirtschaft des 1. Weltkrieges wurden auch verstärkt Maßnahmen zur Wolframgewinnung getroffen.

Im Jahr 1905 wurden die letzten Altenberger Zinnschachtöfen durch Flammöfen ersetzt, gleichzeitig ging man von Holzkohle auf Stein- und Braunkohle über.

Unter den spezifischen Altenberger Bedingungen der sich immer mehr erweiternden Pinge brachten die seit 1850 mit finanziellen Belastungen durchgesetzten technischen Neuerungen eine Steigerung der Arbeitsproduktivität; insgesamt trat jedoch durch zahlreiche äußere Umstände bedingt, bald ein gravierender Rückgang des Altenberger Zinnbergbaues ein.“

   

 

 

Über diese Phase ab 1827 und bis 1944 liefern uns auch die Online-Ausgaben der Kalender bzw. Jahrbücher für den Berg- und Hüttenmann viele zusätzliche Informationen. Altenberg ist als eigenständiges Revier mit mehreren Grubenbetrieben darin sehr oft erwähnt. Wir suchen hier vor allem nach Angaben zur Aufbereitung und lesen zum Beispiel in der Ausgabe von 1847:

„Der Betrieb bei Vereinigt Feld im Zwitterstocke zu Altenberg fand im Jahre 1845 zum Behuf der Zwittergewinnung vor 29 Bruch-, 4 Schub-, 2 Brenn- und 7 Versuch- Oertern im Bruche statt, wobei ein Zwitterquantum von 395 ßo* 92/9 Fuhren erlangt und durch den noch übrigen einen, in möglichst schwunghaftem Gange erhaltenen Wassergöpel der unteren Revier zu Tage ausgebracht wurde.

Die Verminderung der ausgeförderten Zwitter gegen früher hat zur Folge gehabt, daß die vier untersten Pochwerke am Mühlberge außer Gang gekommen sind, indem die oberen 11 dergleichen Aufbereitungs-Anstalten für den jetzigen Bedarf hinreichen, bis der neue Treibeschacht hergestellt oder auf sonstige Weise die Möglichkeit vorhanden ist, wieder ein höheres Zwitterquantum zu schaffen. Durchgepocht wurden incl. der Vorräthe 414¼ ßo. Fuhren*, und aufbereitet 420½ ßo., woraus 1.709 Ctr. reiner, schmelzfähiger Zinnstein erlangt wurde.

Zum Verschmelzen kamen 1.730 Ctr. Probenzinnstein, der 911¼ Ctr. 12¾ Pfd. Zinn gab. Ueberdieß aber brachte man noch 132⅞ Ctr. 12¾ Pfd. Abgangzinn, 81⅜ Ctr. 12¼ Pfd. Schwärzezinn, 53⅝ Ctr. 5 Pfd. Härtlingszinn und Gekrätzzinn aus, so daß dieses gesammte Ausbringen noch die Höhe von 1.179½ Centner erreichte. Dabei berechneten sich die Productionskosten auf jeden Centner zu 24 Thlr. 14 Ngr. 6 pf. incl. der Holzbezahlung an die gewerkschaftliche Forstcasse, wogegen der Zinnpreis die Höhe bis zu 34 Thlr. pro Centner erstieg.“

*) Anmerkung: Das Kürzel „ßo. Fuhren“ steht für ein „Schock Fuhren“. Das Schock meint üblicherweise fünf Dutzend – also 60 Stück (In Hannoveraner und Breslauer Torfabbaugebieten sind aber im Gegensatz dazu 50 Soden gemeint). Die „Fuhre“ wiederum steht für ein Volumen, welches ein zweispänniger Wagen befördern konnte und entspricht in etwa dem „Fuder“. Dieses wiederum ist eine regional und verwendungsbezogen völlig verschiedene Größe (abhängig davon, was befördert werden sollte –es leuchtet sicher ein, daß ein Fuder Torf oder ein Fuder Getreide ein ganz anderes Gewicht, als ein Fuder Eisen- oder Zinnerz hat).

In Leipzig hatte ein Fuder 756 Kannen oder 45.900 Pariser Kubikzoll ≈ 9091/3 Liter. Bis zur Einführung des metrischen „Zollpfunds“ in Sachsen im Jahr 1839 hatte außerdem der Zentner im Bergbau 112 Pfund á 467,589 Gramm oder 52,37 kg. Wie obendrein im Jahrbuch 1854 zu lesen steht, „hält der Bergcentner im hiesigen Revier (gemeint ist das „Bergamtsrevier Altenberg samt Berggießhübel und Glashütte incl. ehemaliger Bärensteiner, Lauensteiner und Naundorfer Vasallenrevier“) 114 Leipziger Pfunde.“

Das Fuder wurde v. a. im Eisenerzbergbau als Gewichtseinheit benutzt. Das Gewicht eines Fuders schwankte dabei aber je nach dem Eisengehalt des Erzes erheblich. Es betrug im Jahre 1829 in:

Berggießhübel:

etwa 22 Zentner
(zu je 112 Pfund)

oder 2.464 Pfund

≈ 1.152 kg

Schwarzenberg:

je nach Bergwerk zwischen
16 Zentner 7 Stein und
24 Zentner 3 Stein 8¾ Pfund

oder 1.890 bis 2.738¾ Pfund

≈ 884 bis 1.281 kg

Johanngeorgenstadt:

je nach Bergwerk zwischen
16 Zentner 7 Stein 5 Pfund und 25 Zentner 5 Stein 7½ Pfund

oder 1.895 bis 2.877½ Pfund

≈ 886 bis 1.345 kg

Eibenstock:

je nach Bergwerk zwischen
16 Zentner 2 Stein 10 Pfund und 26 Zentner 1 Stein 11¼ Pfund

oder 1.830 bis 2.937¼ Pfund

≈ 856 bis 1.373 kg

…respektive irgendetwas zwischen knapp 0,9 und über 1,3 Tonnen.

   

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der neue Römerschacht abgeteuft, an dessen Fertigstellung sich große Hoffnungen hinsichtlich – wenn schon nicht einer Steigerung, so doch wenigstens der Kontinuität des Erzbergbaus in Altenberg knüpften. Darüber lesen wir z. B. in der Ausgabe von 1850:

„Ohnerachtet im Römer-Treibeschacht bei Vereinigt Feld im Zwitterstocke zu Altenberg im Jahre 1850 bloß etwa in 4 Schichten jede Woche aus der halb ersten Gezeugstreckensohle getrieben werden konnte und daselbst auch die Zwitter, wegen ihres ansehnlichen Arsenikkiesgehalts mehr arm als reich zu nennen gewesen sind, so wurde doch dadurch dei der Grube ein Steigen von 134¼ Ctr. 7¼ Pfd. Zinn gegen das vorherige Jahr herbeigeführt, was eine vermehrte Einnahme von circa. 4.000 Thlr. mit sich brachte. Es bestärkt sich dadurch natürlich die Hoffnung gar sehr, welche sich für das Wiederemporblühen des Altenberger Stockwerks an den Römerschachtsplan knüpft, welcher auch im letztvergangenen Jahre in seiner Ausführung kräftig vorwärts schritt; indem nicht nur der Schacht um 11,5 Lachter tiefer niedergebracht, sondern auch die erste Gezeugstrecke damit erreicht und mit letzterer durchschlägig gemacht worden ist, wornach beide bis dahin förderbar hergestellt worden sind, so daß nunmehro schon täglich eine ganze Schicht mit dem Wassergöpel des Römerschachts Zwitter gefördert werden können.“

Ein wesentliches Problem des Bergbaus und der nachgeschalteten Aufbereitung bildete hoch oben auf dem – eigentlich sehr regenreichen – Kamm des Erzgebirges aber erstaunlicherweise immer die Aufschlagwasserversorgung. Die reichlich fallenden Niederschläge haben keinen Platz, sich zu sammeln und flossen schnell talwärts ab, wie man erst jüngst beim „Jahrhunderthochwasser“ im August 2002 wieder einmal vor Augen geführt bekam. Oben in Zinnwald oder Altenberg dagegen fehlte oft das Wasser, auch wenn bereits beginnend im 15. Jahrhundert aufwendige Wasserbauwerke (wie der Ascher- und der Neugraben sowie die Galgenteiche) angelegt wurden. Deshalb liest man immer wieder, wie hier 1856:

Bei Vereinigt Feld im Zwitterstock zu Altenberg wurden im Jahre 1854 600 Schock Fuhren Zwitter in den vorhandenen 15 Pochmühlen und Wäschen aufbereitet und daraus 1.728¾ Ctr. 12¼ Pfund Zinn oder 274Ctr. 4½ Pfund mehr als im Jahre 1853 ausgebracht.

Das Ergebniß des Jahres 1854 würde noch ungleich günstiger ausgefallen sein, wenn nicht durch die anhaltende Trockenheit des vorjährigen Herbstes die Aufbereitung wesentliche Störungen erlitten hätte.“
  

In  Prof. Wagenbreths „Technischen Denkmalen“ kann man lesen, daß „…die dem Kleinbürgertum und dem Landadel angehörenden Gewerken die Folgen ihrer schlechten Betriebswirtschaft (…) zu spüren (bekamen). (…) Kapitalmangel, Angst vor Investitionen und krampfhafte Versuche, die jahrhundertelange Gewinnzahlung um jeden Preis beizubehalten, (führte) zur Beibehaltung der veralteten Technik.“ Beim Quellenstudium ergibt sich ein davon etwas abweichendes Bild. Insbesondere der Wassermangel zwang die Gewerken schon immer zum Handeln, wie man z. B. in der Ausgabe von 1859 nachlesen kann:

Da sich bei Vereinigt Feld im Zwitterstock ein immer fühlbarerer Wassermangel zur Aufbereitung am Mühlberge herausgestellt hat, so wurde von der gewerkschaftlichen Inspection im vorigen Jahre zu Beseitigung dieses, auf die Zinnproduction höchst nachtheilig einwirkenden, Uebelstandes, sowie zugleich zu Verstärkung der nassen Aufbereitung und zur Steigerung des Ausbringens die Anlage einer Dampfmaschine beschlossen.

In Folge dessen wurde auch bereits im vorigen Jahre mit allem Schwunge zu den dieserhalb erforderlichen Bauausführungen verschritten, die vollständige Herstellung der betr. Maschinenanlage jedoch, und zwar wegen verspäteter Anlieferung der einzelnen Dampfmaschinentheile bis Schluß vorigen Jahres nicht ermöglicht.

Die Anlage der fraglichen Dampfmaschine, welche mit Niederdruck auf eine Kraft von 50 Pferden berechnet ist, und zu deren Feuerung man sich böhmischer Braunkohle bedienen wird, ist so erfolgt, daß sie nicht nur die constante Umtriebskraft für ein ganz neu erbautes und mit 120 Stempeln armirtes Pochwerk, sondern auch bei vorhandenem Wassermangel die Auxiliarkrast für das bereits zuvor erbaute und ursprünglich nur auf Wasserkraft eingerichtete erste stocksgewerkschaftliche Pochwerk am Mühlberge mit ebenfalls 120 Stempeln liefern und sonach bei mangelnder Wasserkraft im Ganzen 240 Pochstempel in Bewegung setzen wird.

Um für die noch in Gang zu setzende Dampfmaschine sich bedeutend steigernde Menge von Wäschschlämmen ausreichende Gelegenheit zur Aufbereitung zu erhalten, ist übrigens im vorigen Jahre auch noch die Herstellung einer neuen Stoßheerdwäsche gleich unterhalb der schon vorhandenen ersten stocksgewerkschaftlichen Wäsche erfolgt und sind in solcher, außer der nöthigen Anzahl von liegenden Heerden und Schlämmgräben, 8 Stoßheerde eingebaut worden.“

Und ein Jahr später (1860):

Bei Vereinigt Feld im Zwitterstock wurde der bereits im Jahre 1857 zur Verstärkung der nassen Aufbereitung, sowie zur Steigerung des Zinnausbringens begonnene Bau eines Dampfpochwerkes in unmittelbarer Nähe des Römer-Treibeschachtes im vorigen Jahre zur Vollendung gebracht, so daß die auf eine Kraft von 50 Pferden berechnete Dampfmaschine am 15. April 1858 angelassen und in Gang gesetzt werden konnte.

Der bezügliche Bauaufwand, mit Einschluß der Kosten für gleichzeitige Herstellung einer neuen Wäsche, eines Kohlenhauses, für Grundauskauf etc., hat im Ganzen 49.494 Thlr. 25 Ngr. 1 Pf. betragen.“

Fast fünfzigtausend Taler! Das nenn ich mal eine Investition und es war keineswegs die einzige in zeitgemäße Technik. Die hat sich auch ausgezahlt, wie man im folgenden Jahr 1861 nachlesen kann:

Bei Vereinigt Feld im Zwitterstock, als dem wichtigsten und umfangreichsten Berggebäude des hiesigen Reviers, wurden im vorigen Jahre 27 Bruch-, 19 Schub- und 2 Versuchs-Oerter, ingleichen 5 Hilfsörter im Betriebe gehalten und dabei überhaupt 739½ Schock Fuhren Zwitter gewonnen und zu Tage gefördert.

Von diesem Quantum sind dem Zwitterstocks tiefen Erbstolln 82 Schock 10 Fuhren Zwitter als Neuntel in natura gestürzt worden, so daß dem Zwitterstockwerke 657¼ Schock 5 Fuhren Zwitter verblieben.

Dieses Zwitterquantum wurde, unter Hinzunahme des am Jahresschlusse 1858 verbliebenen Bestandes, mit zusammen 804 Schock Fuhren Zwitter bei den Pochmühlen angefahren.

Bei letzteren wurden im vorigen Jahre, einschließlich der vom Jahre 1858 verbliebenen Bestände, 820 Schock Fuhren Zwitter eingepocht, und bei der weiteren Verarbeitung der hierbei gewonnenen und eines Theiles der am Jahresschlusse 1858 in Vorrath verbliebenen Zwitterschlämme, sowie aus den hiernächst noch aufbereiteten Abgängen, ingleichen der erfolgten Zugutemachung verschiedentlicher Vorräthe an Schlacken, Gekrätz und Härtlingen, sind im vergangenen Jahre im Ganzen 2.118 Ctr. 12 Pfd. Zinn, also gegen das Jahr 1858 393 Ctr. 78½ Pfd. Zinn mehr, beim Zwitterstockwerk ausgebracht worden, zu welcher Steigerung des Zinnausbringens das im vorigen Jahre mit nur wenigen Unterbrechungen im Betriebe erhaltene Dampfpochwerk wesentlich beigetragen hat.

Der Gehalt der Zwitter hat sich auch im vorigen Jahre nicht verändert und wie zeither im Durchschnitt nur 2½ bis 3 Centner Zinn pro Schock Fuhren* betragen.“

*) Anmerkung: Setzen wir mal voraus, daß wir 1861 bereits von metrischen Zentnern reden und das eine Fuhre Zwitter unwesentlich leichter als eine Fuhre Eisenerz im benachbarten Berggießhübel war (also zirka 1,1 t), so resultierte1859 also ein mittlerer Metallgehalt im geförderten Roherz von:
2,5 Ct. / (20 Ct./t) Zinn in 60 Fuhren x 1,1 t Erz = 0,125 t Zinn in 66,0 t Erz
oder
0,19 % Zinngehalt im Zwitter.

Eine Vergleichszahl liefert uns auch das Jahrbuch von 1920: „Bei den Zinnzwittern der Altenberger Zwitterstocks-Gewerkschaft wurde durch die Aufbereitung ein Durchschnitts-Zinngehalt von 0,223 % ausgebracht.“ So schlecht ist unser obiger Überschlag also nicht. Zum Vergleich sei außerdem angeführt, daß der Clarke-Wert (mittlerer Elementgehalt in der Erdkruste) für Zinn bei gerade einmal 2,3 ppm (also 2,3 Gramm pro Tonne oder 0,00023 %) liegt. Mit einer Anreicherung um einen Faktor von ≈ 1.000 gehört Altenberg somit tatsächlich zu den metallreichsten Festerz-Zinnlagerstätten.

Eine weitere spannende Zahl liefert uns die Ausgabe 1862:
  

„Bei Vereinigt Feld im Zwitterstock, als der wichtigsten und umfangreichsten Zinngrube des Altenberger Reviers, wurden im vorigen Jahre 20 Bruch-, 25 Schub- und 2 Versuchs-Oerter, ingleichen 5 Hilfsörter im Betriebe gehalten und dabei überhaupt 983¾ Schock Fuhren Zwitter gewonnen und mit Hilfe des Wassergöpels beim Römerschachte zu Tage gefördert.

Von diesem Quantum sind dem Zwitterstocks tiefen Erbst. 109¼ Schock 3⅓ Fuhren Zwitter als Neuntel in natura gestürzt worden, so daß dem Zwitterstockwerke 874¼ Schock 11⅔ Fuhren Zwitter verblieben sind.

In den am Mühlberge vorhandenen und mit zusammen 1.019 nassen Stempeln armirten 17 Pochmühlen wurden im vorigen Jahre, einschließlich der vom Jahre 1859 verbliebenen Bestände, 1.010 Schock Fuhren Zwitter eingepocht und bei dem Verwaschen von 980 Schock Fuhren Zwitterschlämmen und dem nachfolgenden Verschmelzen des daraus gewonnenen Zinnsteines sind im vergangenen Jahre 2.170 Ctr. 93 Pfd. Zinn erlangt; unter Hinzurechnung derjenigen 106 Ctr. 58 Pfd. Zinn aber, welche noch überdies bei der Zugutemachung der Schlacken, des Gekrätzes und der Härtlinge gewonnen worden, im Ganzen 2.277 Ctr. 51 Pfd. Zinn, und gegen das Jahr 1859 159 Ctr. 39 Pfd. Zinn mehr, beim Zwitterstockwerk ausgebracht, hiernächst auch noch aus einer Parthie Wismuthschlämmen 195 Pfund Wismuthmetall erlangt worden.

Der Gehalt der Zwitter hat sich auch im vorigen Jahre nicht verändert und wie zeither im Durchschnitt nur 2½ bis 3 Ctr. Zinn pro Schock Fuhren betragen.

Die im vorigen Jahre beim Zwitterstockwerke an Zinnproduktions- und General-Kosten, sowie bei der Unterhaltung der Grubenbaue und Tagegebäude erwachsene Ausgabe hat 74.777 Thlr. 25 Ngr. 9 Pf. betragen, und da, wie gedacht, das Ausbringen in 2.277 Ctr. 51 Pfd. Zinn bestanden hat, so belaufen sich demnach die Produktionskosten Eines Centners Zinn auf 32 Thlr. 24 Ngr. – Pf.“

Insgesamt 17 Pochwäschen! Die Anzahl von 1.019 Stempeln wurde in den folgenden Jahren sogar noch gesteigert und erreichte 1865 ihren Spitzenwert mit 1.505 Pochstempeln – gewöhnlich in Sätzen zu je 5 Stempeln und in drei Gruppen angeordnet durch je ein Wasserrad angetrieben – das waren also schon mal rund 100 Wasserräder allein für die Pochsätze (abzüglich der bereits von der Dampfmaschine angetriebenen) !

Wie diese Anlagen aussahen, illustriert – neben dem Technischen Museum heute – auch ein Anlagsriß zum Umbau der I. und II. Wäsche von 1853.
  


Anlagsriß zum Umbau der I. und II. zwitterstockgewerkschaftlichen Wäsche von 1853. Im Gebäudeflügel rechts die Pochsätze, links die Spitzkästen, Schlämmgräben und ganz links vier Stoßherde. Das Bauprinzip entsprach dem der IV. Wäsche. Quelle: Sächs. Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Bestand 40170 (Grubenakten des Bergreviers Altenberg mit Berggießhübel und Glashütte), Archivnr. 337 (Betriebsangelegenheiten und Haushalt bei Vereinigt Feld im Zwitterstock zu Altenberg), verfilmt, Blatt 257a, Teilaufnahmen 266 bis 274 wieder montiert.

  

Dann kam die Bergrechtsreform, das 1. Allgemeine Berggesetz für das Königreich Sachsen und dabei wurde das Bergamtsrevier Altenberg im Jahre 1867 mit dem Bergamtsrevier Freiberg vereinigt. Trotzdem wird es in Jahrbüchern immer noch separat aufgeführt. Im Gegensatz zur Silbererzförderung, die schon mit dem Zollverein, spätestens mit der Reichsgründung 1871 einen schweren Dämpfer bekam, lesen wir aber über die Zinnerzförderung in Altenberg in der Ausgabe von 1873 noch:

Im verflossenen Jahre 1871 wurden im Ganzen zwar nur 2.344,3316 Centner Zinn, d. i. gegen das Jahr 1870 134,2934 Centner weniger ausgebracht, da die Zwitteraufbereitung durch den gänzlichen Wassermangel im Spätsommer und Herbst, sowie durch das frühzeitige Eintreten anhaltenden Frostes wesentliche Störungen und Unterbrechungen erfuhr; es ist jedoch dieses nicht unerhebliche Zurückbleiben der Zinnproduction, in Folge der andauernd guten Zinnpreise, welche sich im vorigen Jahre zwischen 45 Thaler und 52 Thaler pro Centner bewegt, im Durchschnitte aber 44 Thlr. 29 Ngr. 6 Pf. pro Centner betragen haben, für die betreffenden Gruben weniger empfindlich gewesen.“

Dies hielt noch etwas an, aber schließlich hielt auch in Altenberg der Welthandel Einzug. Wir lesen im Jahrbuch 1876:

„Die Zinnpreise zeigten im vorigen Jahre leider eine fortdauernd rückgängige Bewegung. Der Verkaufspreis schwankte pro Ctr. Zinn zwischen 33 und 42 Thalern und betrug im Durchschnitt nur 35 1/2 Thlr. Zu diesem weiteren Herabgehen der Zinnpreise hat nicht nur die allgemeine Ungunst der Handels Verhältnisse und die fortdauernde Geschäftsstockung in den meisten Industriezweigen, sondern vorzugsweise die große Concurrenz mit beigetragen, welche durch die eingetretene massenhafte Zinnproduction Australiens entstanden ist.“

Und im Jahrbuch 1878 steht dann sogar:

„Zufolge dieser für den Zinnhandel so äusserst misslichen Verhältnisse sind daher auch beim Altenberger Zwitterstockwerke am Schlüsse des Jahres 1.083,76 Centner Zinn unverkauft geblieben und machten sich daher bei demselben zu Bestreitung der Betriebsausgaben abermals nicht unbedeutende Zuschüsse aus dem Reservefond erforderlich.“
  

Aber auch diese Schlappe überstand der Zinnerzbergbau noch, denn die Industrialisierung in der Gründerzeit und vor allem die Verbreitung der Elektrizität führten auch wieder zu einer steigenden Nachfrage nach Metallen. Natürlich wurden nun aus Zinn keine Teller und Kannen mehr gegossen, sondern zum Beispiel Spezialbronzen. Deshalb kann man im Jahrbuch 1887 lesen:

Bei der Preissteigerung des Zinns auf 94 bis 106 M. für den Centner und bei der sehr lebhaften Nachfrage nach Zinn hätten sich bei Vereinigt Feld im Zwitterstocke zu Altenberg die geschäftlichen Verhältnisse günstig gestalten können, wenn nicht die Aufbereitung der Zwitter fast ausschließlich auf unsichere Wasserkräfte angewiesen gewesen wäre. Verkauft wurden 1.485,63 Centner Zinn (25,28 Centner weniger als 1885), 576 kg Wismut (120,5 kg mehr als 1885) und 1.287,5 kg Phosphorzinn* (1.090,5 kg weniger als 1885).“

*) Anmerkung: Als „Phosphorzinn“ wurde ein Halbprodukt bezeichnet, welches zur Herstellung phosphorhaltiger Bronzen („Phosphorbronze“) verwendet wurde:

Phosphorbronce; ein seit einigen Jahren in Aufnahme gekommenes ausgezeichnetes Material zur Herstellung von Maschinenteilen, die eine besondre Härte und Festigkeit besitzen sollen, z. B. Achsenlager, Kolbenringe, Schrauben, Dampfschieber, Zahnräder, Druckwalzen etc. Die P. besteht aus Kupfer, Zinn und Phosphor. Je nach der Größe des Phosphorgehaltes sind die Eigenschaften verschieden; mit der Zunahme des Phosphorgehaltes wächst die Härte, nicht aber die Festigkeit; ebenso wächst die Dünnflüssigkeit im geschmolzenen Zustande mit dem Phosphorgehalte. Man kann die P. zäh, wie Schmiedeeisen, oder hart wie Stahl herstellen. An der Luft oxydiert sie sich viel schwieriger als Messing oder gewöhnliche Bronze. Eine am meisten gebräuchliche P. besteht aus 90% Kupfer, 9,0-9,5% Zinn und 0,5-0,75% Phosphor.

Die Darstellung der P. geschieht auf verschiedne Weise; man legt die Phosphorstangen in Kupfervitriollösung, damit sie sich mit einer Schicht Kupfer überziehen und beim Einwerfen in das schmelzende Kupfer nicht zu schnell verbrennen, was immerhin zum großen Teil geschieht, oder indem man das granulierte Kupfer mit phosphorsaurem Kalk, Kieselguhr und Kohle zusammenschmilzt, wobei der Phosphor aus dem phosphorsauren Kalk (Knochenasche) reduziert wird. In beiden Fällen setzt man dann das Zinn später zu; man stellt auch zuerst Phosphorzinn her und schmilzt dieses mit dem Kupfer zusammen.“

(Brockhaus´ Konversationslexikon 1902 – 1910)
  

Inzwischen wird auch der Eisenbahnanschluß geplant (Ausgabe 1888):

Bei Vereinigt Feld im Zwitterstocke zu Altenberg konnte man infolge des fast das ganze Jahr 1887 hindurch andauernden Mangels an Aufschlagwasser sich die Aufwärtsbewegung des Zinnpreises von 100 M. auf 106, ja im letzten Vierteljahre sogar bis auf 160 M. für den Ctr. nicht zu nutze machen; das Zinnausbringen blieb mit 1.278,02 Ctr. sogar gegen das aus demselben Grunde schon sehr niedrig ausgefallene Ausbringen des Jahres 1886 noch um 74,75 Ctr. zurück. Die bessern Preise ermöglichten wenigstens, das Dampfpochwerk in Betrieb zu setzen, dessen weitere Ausnutzung erst möglich sein wird, wenn durch den in Aussicht stehenden Bahnanschluß von Altenberg die Kohlen billiger zu stehen kommen. (…)

In der 8. Wäsche wurde eine Stoßherdwelle von Bessemerstahl eingebaut. (…) Lieferant ist die Maschinenfabrik von Bernhard Nake im Muldenthal bei Freiberg. (…) Die Vortheile dieser eisernen Welle sind folgende: Erstens braucht dieselbe infolge ihrer größeren Leichtigkeit wesentlich weniger Betriebskraft als die frühere Holzwelle, welche bei wasserarmer Zeit nur drei Herde in Betrieb setzen konnte, während die eiserne Welle jetzt unter gleichen Verhältnissen alle vier Herde zu betreiben vermag; zweitens ist der Gang der Letzteren, der immer etwas wuchtenden hölzernen Welle gegenüber, ein weit regelmäßigerer und drittens gewinnt man erheblich mehr Raum zwischen Stoßherd und Welle, was bezüglich des hierorts mit viel Vorsicht vorzunehmenden Anschlagens der Herde sehr in die Wagschale fällt.
  


Eine eiserne Daumenwelle findet man im Freigelände des Bergbaumuseums.

 

Dummerweise aber schlug nun gleich mehrfach „das Schicksal“ zu. Zuerst fehlte wieder einmal das Wasser (Jahrbuch 1889):

Bei Vereinigt Feld im Zwitterstocke zu Altenberg konnte man infolge des fast das ganze Jahr 1887 hindurch andauernden Mangels an Aufschlagwasser sich die Aufwärtsbewegung des Zinnpreises von 100 M. auf 106, ja im letzten Vierteljahre sogar bis auf 160 M. für den Ctr. nicht zunutze machen; das Zinnausbringen blieb mit 1.278,02 Ctr. sogar gegen das aus demselben Grunde schon sehr niedrig ausgefallene Ausbringen des Jahres 1886 noch um 74,75 Ctr. zurück. Die bessern Preise ermöglichten wenigstens, das Dampfpochwerk in Betrieb zu setzen, dessen weitere Ausnutzung erst möglich sein wird, wenn durch den in Aussicht stehenden Bahnanschluß von Altenberg die Kohlen billiger zu stehen kommen.“

Dann brannte auf einen Schlag fast die Hälfte der Pochwäschen und Hütten ab (Jahrbuch 1891):

Am Altenberger Mühlberge wurden den 23. Mai (1889) abends durch Schadenfeuer in wenig Stunden 7 Wäschen nebst Pochwerken und das Holzkohlenhaus des Zwitterstockwerks, desgleichen die der Stollngewerkschaft gehörige obere und Hüttenmühle, sowie Hütte und Röschhaus vernichtet. Der darauf folgende außergewöhnlich trockene Sommer und Herbst brachte den Pochwerksbetrieb überdies beinahe ganz zum Erliegen, und nur der neuen Dampfmaschine war es zu danken, daß im letzten Vierteljahre der größte Theil der vom Brande verschönten Wäschen nicht ebenfalls zum Stillstande kam. …

Der neue Steinbrecher zerkleinert die Zwitter um das Viertel des Kostenaufwandes des früheren Handausschlagens und viel gleichmäßiger als letzteres.

Ein weiterer Fortschritt ist darin zu erblicken, daß, während früher der Zinnschlich der Stoßherde zunächst behufs Zerstörung der Schwefeleisenverbindungen geröstet, das Röstgut auf Einkehrherden verwaschen und aus dem Belage das Wismut mittels Salzsäure in Form von Wismutchlorid ausgelaugt wurde, nunmehr seit dem 2. Halbjahre 1889 das ganze Röstgut mit Salzsäure ausgelaugt wird. Infolge davon ist die Wismutausbeute von 0,7% auf 1,5% des ausgebrachten Zinns gestiegen.“

Wie man hier nebenbei auch erfährt, wurde weiter in Technik investiert. Den Pochwerken kommt nämlich bereits seit 1876 eine erste Brecheranlage zu Hilfe. Wie heute gewöhnlich auch, funktionierte die nicht auf Anhieb optimal. Aber 1895 waren daraus schon fünf Steinbrecher, dazu zwei Erzwalzwerke und bis 1921 sogar 7 Steinbrecher, bis zu 4 Walz- und 14 Mühlwerke und bis zu 37 Setzmaschinen geworden.

Bei der Altenberger Zwitterstocksgewerkschaft wurde an Stelle der im Jahre 1889 durch Feuer zerstörten Pochwerke und Wäschen eine neue Zentral-Erzaufbereitungsanlage errichtet und gegen Ende des Jahres 1891 versuchsweise in Gang gesetzt. Es ergab sich jedoch hierbei, daß die vorhandenen Steinbrecher sowohl als auch die neuen eisernen Pochwerke noch einer Umänderung bedurften, um den an sie gestellten Anforderungen zu genügen. Diese Abänderungen sowie der Einbau noch fehlender Apparate dürften einen Theil des laufenden Jahres noch in Anspruch nehmen, so daß sich ein endgültiges Urtheil über die Gesammtanlage gegenwärtig noch nicht abgeben läßt.“

   

   

 

Damit war die Pechsträhne der Zwitterstocksgewerkschaft aber noch nicht zu Ende, denn 1897 kam schon einmal ein „Jahrhunderthochwasser“. Dem wird im Jahrbuch 1898 ein ganz ausführlicher Bericht gewidmet, aus dem wir hier ausführlich zitieren wollen:

   

Die Wirkungen
der vorjährigen Hochfluth auf den Bergbau der Freiberger
und Altenberger Revier.

Von Gust. Ad. Anshelm, Kgl. Berginspektor in Freiberg.

Das Jahr 1897 war für die Freiberger und Altenberger Bergreviere wohl das verhängnißvollste seit dem Bestehen des Bergbaues überhaupt. Wurden doch durch das am 30. Juli eingetretene Hochwasser mehrere Gruben schwer geschädigt, ja einige größere Werke sogar dem vollständigen Untergange nahegebracht. (…)

In der Altenberger Revier ist es die Grube Vereinigt Feld im Zwitterstock zu Altenberg, die durch die vorjährige Hochnuth namentlich über Tage schwer geschädigt worden ist. In Folge des anhaltenden Regens und eines am Lugstein niedergegangenen Wolkenbruchs vermochten am Freitag, den 30. Juli, die Bergwerkszwecken dienenden Galgenteiche die zufließenden ungeheuren Wassermassen nicht mehr aufzunehmen. Wenn an diesen Teichen Dammüberfluthungen und damit Dammbrüche verhütet worden sind, so ist dies namentlich der Thätigkeit des Obersteigers Schmidt in Altenberg zu verdanken, dem es am gedachten Tage bei der wachsenden Fluth unter den schwierigsten Umständen noch gelungen war, die Teichzuflüsse durch Ziehen der zum Theil weit vom Teiche entfernten Neugraben beziehentlich Quergraben-Schützen wesentlich abzumindern und jene Zuflüsse den natürlichen Wasserläufen zu überweisen. Um die Fluthwassermassen vom Teiche abzuhalten, mußten beim Neugraben, der als Hauptwasserzubringer 'dem Teiche bekanntlich dem Weißeritzgebiete zugehöriges Wasser zuführt, die vorhandenen 4 Grabenschützen, nämlich die Warmbachschütze zur Entlassung von Wasser nach der Warmbach beziehentlich der Wilden Weißeritz, die Eisensteinzecher-Schütze an der Rehefeld-Altenberger Straße zur Wasserentlassung nach der Pöbelbach, die Sanddämmungsschütze und die große Schütze am Teiche bei der Einmündung des Grabens in letzteren zur Wasserentlassung nach der Rothen Weißeritz, gezogen werden. Nicht minder erfolgte die Öffnung der Quergrabenschützen in Georgenfeld und bei der Einmündung des Grabens in den Teich, durch welche Maßnahme der Müglitz Fluthwasser zugewiesen werden konnten. Ebenso mußte am Aschergraben die Schütze in Zinnwald gezogen werden, wodurch eine weitere Wasserabgabe durch das Schwarzwasserthal nach der Müglitz ermöglicht wurde. Trotzdem haben die Grabendämme an mehreren Stellen erhebliche Beschädigungen erlitten.

Beim Werke wurde das Dampfpochwerk und -die große Heerdwäsche in der Centralaufbereitung, indem die Fluthen durch die Fenster eindrangen, durch Geröll- und Steinmassen meterhoch zugeschoben; bei der 4. und 5. Wäsche wurden die Wehre weggerissen, während der für die Centralwäsche erbaute Teich beziehentlich dessen durch die Straße gebildeter Damm an zwei Stellen durchbrochen wurde. Die Zinnschmelzhütte konnte zwar noch benutzt werden, doch hatten die Fluthen der Tiefenbach alle Zugänge zu ihr und ihre Wasserzuleitung weggerissen. Große Verwüstungen hatte das Hochwasser auch am Mühlberge im Bette des Tiefenbachs angerichtet, sodaß der gesammte der Gewerkschaft erwachsene Schaden auf gegen 25.000 Mk zu schätzen ist.

In der Grube waren die Wasser nur gegen 5 m aufgegangen, so daß die tiefste Bausohle, die 1/2 2. Gezeugstrecke, vom Wasser frei blieb.

Bei Vereinigt Zwitterfeld zu Zinnwald haben die Erzwäschen und Gräben durch die Hochfluth ebenfalls erhebliche Beschädigungen erlitten. …“

Anhand der folgenden historischen Kartenausschnitte kann man die Auswirkungen gut illustrieren.

  


Wo wir einmal dabei sind, beginnen wir mit dem Meilenblatt No. 335: Altenberg aus dem Jahr 1784 (Die Digitalisate kann man bei der Deutschen Fotothek herunterladen). Im Tiefenbachtal unterhalb der Pinge (im Ausschnitt links oben) reihen sich die Pochwäschen und Zinnhütten wie an einer Perlenschnur auf.
  


Ausschnitt aus der Topographischen Karte No. 119, Sektion Altenberg, Ausgabe 1880. Gegenüber dem Meilenblatt hat sich wenig verändert – alle Pochwäschen stehen noch an ihrem Platz. Nur die Koordinaten hat man in die Nordrichtung verdreht. Wir übernehmen darin die Nummerierung der Pochwäschen der Zwitterstocksgewerkschaft von 1864 (nach Wächtler, Wagenbreth).
 


Etwa derselbe Ausschnitt wie oben, aber in der Kartenausgabe von 1911. Unterhalb des inzwischen entstandenen Roten Teichs steht noch die V. Wäsche, danach kommt eine weite Lücke – Folge des Brandes von 1889. An der Einmündung des Hüttenbaches aus Geising fehlen auch ein paar Häuser – hier hat das Jahrhunderthochwasser von 1897 zugeschlagen. Dafür gibt es jetzt schon den Bahnanschluß bis nach Geising, der später bis Altenberg hinauf verlängert wurde.

  

Glücklicherweise entwickelte sich aber jetzt die Elektroenergie zum neuen Motor der Industrie und deshalb kann man um die Jahrhundertwende einen neuen Aufschwung verzeichnen (Jahrbuchausgabe 1900):

„In auffallender Weise hat sich die Spekulation im Berichtsjahre dem Zinn zugewandt. Die Londoner Notirungen standen zu Anfang des Jahres bei 174,75 M. (für 100 kg Straits Zinn) - tiefster Stand des Jahres -; mit dazwischenliegenden kleinen Rückschlägen gingen dieselben bis Ende September auf 300,50 M. - höchster Stand - herauf, welcher Preis jedoch nicht lange anhielt; zu Ende des Jahres wurden 226,00 M. notirt. Das Jahresmittel der Londoner Notirungen stand bei 246,70 M. Dieser hochgespannten und stark schwankenden Marktlage entsprechen auch die Preise, die der Altenberger Zinnbergbau für seine Produkte erzielt hat. Im Durchschnitt des Jahres erzielte das Zwitterstockwerk zu Altenberg für 100 kg verkauftes Zinn 252,34 M. gegen 145,00 M. im Vorjahre.“  

Und ein Jahr später liest man:  

Die Gewerkschaft in Vereinigt Feld im Zwitterstocke zu Altenberg konnte trotz des über die ersten drei Monate hinaus und von Mitte Sommer bis tief in den Herbst hinein herrschenden Mangels an Aufschlagwasser mit Befriedigung auf das Jahr 1900 zurückblicken. Infolge des ständig fortschreitenden Aufschwunges der heimischen Industrie besonders auf dem Gebiete der Elektricität blieb die Nachfrage nach Zinn während des ganzen Jahres äußerst rege, so daß die Produktion bei zwar schwankenden, doch guten Preisen einen glatten Absatz fand.“  

Ist ja klar: Kabelverbindungen wurden gelötet und zwar mit Zinn. Dem ist auch zu danken, daß die Hochwasserschäden zügig beseitigt werden konnten (Jahrbuch 1902):

Auf Vereinigt Feld im Zwitterstocke zu Altenberg wurde die im Jahre 1897 durch die Hochfluth zerstörte 620 mm weite Einfallrohrleitung in einen gebrauchsfähigen Zustand zurückversetzt, so daß dieselbe die von der 5. Wäsche abfallenden Wasser wieder aufnimmt und mit 45 m Gefalle der Girard'schen Turbine in der Centralwäsche zuführt. Mit dieser hierdurch gewonnenen Wasserkraft sind in der Centralwäsche die Steinbrecher und das aus 4 Pochwerken zu je 2 Sätzen zu 5 Stempeln bestehende eiserne Naßpochwerk aufs Neue in Betrieb gesetzt. Die aus diesem Pochwerke abfließende Pochtrübe wird vor der Hand den Sümpfen der unter der Centralwäsche liegenden 11. und 12. Wäsche zugeführt, um als Schlämme auf den Herden dieser Wäschen weiter verarbeitet zu werden.“  

Gleichzeitig förderte die Gründerzeitstimmung vor dem 1. Weltkrieg auch die Investitionsfreude, die sich in umfangreichen Neubauten – auch in der Aufbereitung – niederschlug (Ausgabe 1907):

Bei Vereinigt Feld in Zwitterstock zu Altenberg wurde der Bau einer schmiedeeisernen Hochdruckleitung auf die Strecke von den Galgenteichen bis zum Römerschachte mit Anschluß dreier Turbinen, einer 32,4 PS-Förderturbine, 12,6 PS-Brecherturbine und 59,5 PS-Pochwerksturbine für 6 neue Pochwerke, beschlossen. Die Rohrlieferung und Verlegung wurden der Firma A. Löffler-Freiberg und die Turbinenlieferung der Firma J. M. Voith-Heidenheim übertragen. Als Vorarbeiten zu dem Baue wurden vom Werke unter anderem im Römerschachtgebäude die alte Fördermaschine demontiert, ihr Fundament abgebrochen und ein neues für die Förderturbine aufgeführt, im Kesselhause die schwere Transmission demontiert und Platz für die Gründung der neuen Pochwerksturbine gebrochen, zur Abführung der Turbinenabwässer nach der Kehrradstube und nach der 1. Wäsche 3 Sammel- bez. Verteilungsbassins, 1 Tonrohrleitung und noch 2 weitere Leitungen, sowie ein Schutzhäuschen für die Steigleitung am Römerschachte gebaut, ferner die Hochdruckleitung im Damme des kleinen Galgenteiches mit 27 cbm Stampfbeton verrammt, der Einlauf des Rohres mit hölzernem Schieber, eisernem Rechen und Stellvorrichtung in einem ebenfalls neuerbauten Teichhause versehen und das ehemalige Dampfpochwerk für die 6 neuen Pochwerke hergerichtet. Die Rohrverlegung war mit Schluß des Berichtsjahres beendet; ebenso konnten die Förderturbine im Februar und die Brecherturbine im März des laufenden Jahres bereits in Betrieb genommen werden.“

Und schon ein Jahr später profitierte man auch in Altenberg selbst von der neuen „elektrischen“ Technik:

Bei der Zinnerzgrube Vereinigt Feld im Zwitterstock zu Altenberg wurde der im Jahre 1907 begonnene Bau der Hochdruckleitung auf die Strecke von den Galgenteichen bis zum Römerschachte zum Betriebe einer Förderturbine, einer Steinbrecherturbine und einer Pochwerksturbine fertiggestellt. Die genannten Neuanlagen wurden in Betrieb genommen.

Doch konnte das Turbinenpochwerk, das bei Vollbetrieb mit 72 Stempeln arbeitet, noch nicht voll ausgenutzt werden, weil die Wasservorräte in den Galgenteichen bei der außergewöhnlichen Trockenheit des Berichtsjahres nicht hinreichten und in der Hauptsache für die Förderturbine vorbehalten werden mußten.

Zur Beleuchtung eines Teiles der Werksanlagen wurde eine kleine elektrische Lichtanlage für 30 Glühlampen errichtet. Sie besteht aus einer Gleichstrom-Nebenschluß-Dynamomaschine mit 110 Volt und 45 Amp., die von der Pochwerksturbine mittels Riemenübertragung angetrieben wird.“

Die funktionierte ausnahmsweise mal gleich auf Anhieb so gut, daß man sie umgehend erweiterte (Ausgabe 1909):

Auf der Zinnerzgrube Vereinigt Feld im Zwitterstock zu Altenberg hat sich die im Jahre 1908 zur Beleuchtung eines Teils der Werksanlagen errichtete kleine elektrische Lichtanlage für 30 Glühlampen gut bewährt, so daß man auch noch die Wismutwäsche, sowie die III. und IV. Poch- und Stoßherdwäsche an die Leitung angeschlossen hat.

Bei Vereinigt Feld im Zwitterstock zu Altenberg litt das Jahr 1909, die 5 Wochen der Schneeschmelze ausgenommen, unter anhaltender Trockenheit, die für den Aufschlag der Pochwerke besonders fühlbar war. Nur dem im Vorjahre in Betrieb genommenen neuen Turbinenpochwerke, das aber auch nicht immer voll mit 72 Stempeln arbeiten konnte, ist es zu danken, daß die Produktion an Zinn und Wismut trotzdem gegen die Vorjahre erheblich gesteigert werden konnte. Um den Waschprozeß der Schlämme zu vereinfachen, wurden in der II. Wäsche Schnellstoßherde mit elektrischem Antrieb versuchsweise aufgestellt, die von dem im vorjährigen Berichte erwähnten Spitzkastenapparate bedient werden.“
  

Noch immer aber bildete die Wasserversorgung das alte Problem (Ausgabe 1911):

Bei der Altenberger Zwitterstocksgewerkschaft mußten wegen des durch die Trockenheit bedingten Mangels an Aufschlag- und Wäschwasser die Zwitterförderung im Römerschachte und der Betrieb der Aufbereitungsanlagen eingeschränkt und zeitweise sogar gänzlich eingestellt werden. Um Ablegung von Arbeitern zu vermeiden, wurden umfängliche Dammausbesserungen am Aschergraben und Schlämmungsarbeiten bei den Galgenteichen vorgenommen.“  

Deshalb wird viel in den Ausbau der elektrischen Antriebe investiert, wovon Förderung und Aufbereitung gleichermaßen profitierten (Ausgabe 1915):

Die Altenberger Zwitterstocksgewerkschaft hat ein neues Kraftwerk „Schneidemühle" zur besseren Ausnutzung der Wasserkraft des Aschergrabens errichtet, welches aus einer Freistrahlturbine für 96 m Gefalle und 200 sl (mit „sl“ sind hier „Liter pro Sekunde“ gemeint) Aufschlagwasser bei einer Umdrehungszahl von 600 und einem mit dieser elastisch gekuppelten Hochspannungsgenerator nebst Zubehör besteht. Der Generator liefert 140 kW Drehstrom in einer Spannung von 5.000 V.

Bei dem untertägigen Kraftwerke am Römerschacht auf dem Stollnfüllorte wurde der alte Generator durch einen neuen ersetzt, welcher Strom von 380 V Betriebsspannung liefert. In einer neu errichteten Umschaltungsanlage wird der von dem Kraftwerk Schneidemühle mittels Hochspannungsleitung zugeführte Strom auf 380 V für Kraft und 220 V für Licht umgeschaltet. Der von dem Überlandstromverband Freiberg-Lichtenberg zur Aushilfe herangezogene Drehstrom von 15.000 V wird in demselben Gebäude ebenfalls auf 880 V für Kraft und 220 V für Licht umgeschaltet. Eine Niederspannungsleitung führt den Strom den zahlreichen Verbrauchsstellen zu. (… ) 

Bei der Altenberger Zwitterstocksgewerkschaft wurde die Leistungsfähigkeit der Aufbereitungsanlagen erheblich verstärkt; namentlich wurde elektrischer Antrieb für eine größere Anzahl von Aufbereitungsmaschinen eingerichtet. Das sog. elektrische Pochwerk, welches bisher 90 Stempel von nur je 120 kg Gewicht besaß und von einem 60 PS-Elektromotor angetrieben wurde, weist jetzt 120 Stempel von je 250 kg Gewicht auf und wird von 2 60-PS-Elektromotoren angetrieben. Die Zahl der Schnellstoßherde in der Schlammwäsche wurde von 7 auf 18 erhöht. Damit ist die Tagesleistung dieser Anlage von 35 auf 80 Tonnen Rohhaufwerk gesteigert. In einem Anbau an der I. Wäsche ist ein elektrisch angetriebenes Heberad zum Emporheben der von dem Pochwerk kommenden Trübe aufgestellt worden. Auch wurde ein zweiter Steinbrecher eingebaut und zur Beschaffung des für das neue Pochwerk nötigen Wassers am Roten Teich eine elektrisch angetriebene Zentrifugalpumpe aufgestellt. …“
  

Und 1918 ist zu lesen:  

Zum Antrieb des Turbinenpochwerkes wurde für wasserarme Zeiten, unter denen die Aufbereitung im Vorjahr zu leiden hatte, ein 30pferdiger Drehstrommotor eingebaut. Die IV. Wäsche wurde mit einem neuen Spitzkasten zur Verarbeitung der von der I. Wäsche kommenden zähen Schlämme ausgestattet. Unterhalb der V. Wäsche wurde im Untergraben ein Zementspitzkasten zum Schlammabziehen eingebaut.“  

Als ob die Pechsträhne aber kein Ende nehmen wollte, tobte nun auch noch der 1. Weltkrieg. Noch wurden keine dieselelektrischen U-Boote in Serie gebaut und deshalb brach der Zinnmarkt wieder ein. Auch drei Jahre nach Kriegsende (1921) hatte sich die Wirtschaft davon noch nicht erholt und man liest erstmals von drastischem Personalabbau und Stundung des Abbaus:  

Bei der Altenberger Zwitterstocksgewerkschaft wurde wegen des starken Sinkens des Zinnerzpreises und der dadurch entstehenden Verluste die Belegschaft gegen Ende August auf rund 69% heruntergesetzt, später ging sie auf rund 59% ihres Bestandes bei Beginn des Jahres zurück, und der Grubenbetrieb mußte der hohen Gestehungskosten und des niedrigen Metallpreises halber während mehreren Monaten bis auf die Instandhaltung der Grubenbaue eingestellt bleiben.“  

Auch nach dem Kriegsende wurde immer noch in neue Technik investiert (Jahrbuch 1927):  

Um das Verwaschen der mittleren und geschmeidigen Zwitterschlämme zu vereinfachen und zugleich die ganze Aufbereitung etwas mehr zusammenzulegen, wurden 2 neue Spitzkästen mit 53 qm Klärfläche aufgestellt, deren Spitzenaustrag auf 4 Humboldt’schen* Schnellstoßherden verarbeitet wird. Der Überlauf wird in Klärsümpfe geleitet, deren Niederschlag ausgeschaufelt und auf Langstoßherden verwaschen wird.“  

*) Anmerkung: Gemeint ist hier nicht Alexander von Humboldt, sondern die Maschinenbauanstalt Humboldt A.G. in Köln-Kalk. Sie war eines der Vorläuferunternehmen der Deutz AG und wurde 1871 als Maschinenbau A.G. Humboldt gegründet, wegen Verschuldung 1884 liquidiert und in die Maschinenbauanstalt Humboldt A.G. umgewandelt.

 


Zwei Schnellstoßherde im Bergbaumuseum
  


Der Antrieb erfolgte bereits elektromechanisch. Man muß sich aber schon mal unter den Herd knien, um diesen Antrieb zu entdecken. Gelagert sind die Herdtische auf Blattfedern.

    

   

 

Der Wiederbelebung des Zinnerzbergbaus nach dem 1. Weltkrieg sollte wohl auch ein ausführlicher Bericht zu Altenberg und Zinnwald dienen, der 1926 in den Jahrbüchern veröffentlicht wurde und den wir hier ebenfalls auszugsweise zitieren wollen, weil er noch einmal eine schöne Zusammenfassung für den Zeitraum vom 30jährigen Krieg bis nach dem 1. Weltkrieg bietet:  

   

Wirtschaftliches vom Altenberg-Zinnwalder
Bergbau unter besonderer Berücksichtigung
seiner Entwicklung seit 1851.  

Von Dr. rer. pol. H. Kromayer in Weimar.

I. Grundlagen. 

Das Erzgebirge tritt spät in die Wirtschaftsgeschichte ein. Erst im 12. Jahrhundert beginnt, hier die Kolonisation, vornehmlich getragen von markgräflichmeißnischen Vasallen, ausgehend vom Schlosse Bärenstein., Das Kammgebiet wurde zwar zuerst durch die Rodungen egerländischer Bauern erreicht, die hier 1241 am Mückenberge Zinn fanden. Die Hauptbesiedlung erfolgte aber von sächsischer Seite aus mit dem Fündigwerden von Zinnerzen am Geisingberge. Der Zeitpunkt für dieses Ereignis dürfte erheblich früher anzusetzen sein, als Voigt und O. E. Schmidt das tun. Hallwich stellt fest, daß im Graupner Stadtbache bereits Ende des 14. Jahrhunderts der „Kölbel aus dem hohen Hause von Geising" als einer durch den Zinnbergbau auf dem Geisingberge reich gewordenen Bürgerfamilie gedacht ist. Meißner erwähnt, daß die Kölbel das hohe Haus schon 1426 besaßen und druckt einen Brief des Walzk von Pernstein (um 1450) ab, in dem bereits von alten und neuen Seifen in Altenberg und von einer Straße nach Freiberg die Rede ist. Man wird der Wahrheit wohl ain nächsten kommen, wenn man annimmt, daß der Bergbau am Geising bereits im 14. Jahrhundert von den Graupnern aufgenommen wurde. Diese trieben einen Zinnhandel mit Freiberg5) und benutzten dabei wahrscheinlich die in dem Pernsteinschen Briefe erwähnte Straße; so kamen sie in das Altenberger Gebiet. Wie lange der Bergbau von Graupen aus betrieben worden ist, wird sich kaum feststellen lassen; mit seiner zunehmenden Bedeutung (die Produktion betrug nach Voigt um die Mitte des 15. Jahrhunderts jährlich bis zu 7.000 Zentner) gewannen die Bärensteiner Interesse an ihm und machten ihn von Graupen unabhängig. 0. E. Schmidt gibt an, daß die Grenze in diesem Gebiet erst im 15. Jahrhundert festgelegt wurde; vielleicht gehörte also der Geising zur Zeit des Fündigwerdens gar nicht ausgesprochenermaßen zu Sachsen. 1451 erhielt dann die Ansiedlung, die noch lange den Namen „auf dem Geisingberge" führte, das Stadtrecht und wurde vielleicht erst damals weiterhin im Lande bekannt.  

Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Gebietes wurde getan, als im 16. Jahrhundert die Wälder in eine geordnete Bewirtschaftung genommen wurden. Der Dreißigjährige Krieg traf auch dieses entlegene Gebirgsland schwer. Der Bergbau hat sich nur langsam von seinen Folgen erholt und auch heute trotz aller technischen Verbesserungen die einstige Produktionshöhe noch nicht wieder erreicht. Unter Zuhilfenahme eines kärglichen Feldbaues und verschiedener schlecht entlohnter Heimarbeiten (Spinnen, Klöppeln, Strohflechten) schlug sich in der Folgezeit die Bevölkerung kümmerlich durch. Erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts kam die wirtschaftliche Entwicklung des Gebietes wieder in Fluß. Die Müglitzbahn brachte die Industrie und später den Fremdenverkehr, dessen wirtschaftliche Bedeutung die der Industrie noch wesentlich übertrifft. Die weite Entfernung von den Brennpunkten des Wirtschaftslebens ließ den Altenberger Bergbau lange Zeit in einem Zustand extensiver Wirtschaft verharren und bewirkte zugleich eine ausgeprägte wirtschaftliche Selbstherrlichkeit.

Der niedrige Zinngehalt des Zwitters macht für das Zwitterstockwerk unverhältnismäßig große Aufbereitungsanlagen nötig. Natürliche Wasserläufe stehen hier auf der Hochebene dicht unter dem Kamm des Gebirges nur in beschränktem Maße zur Verfügung. Daher legte man schon frühzeitig einen großen und mehrere kleine Teiche zur Aufspeicherung des Wassers sowie ausgedehnte Gräben an. Der Betrieb ist damit der Aufschlagswasserverhältnisse halber in erheblichem Maße vom Witterungsverlauf abhängig.

 

II. Die Wirtschaftsführung.

Die Gewinnung des Zwitters vollzieht sich in Altenberg in der Form des Schubortbaues. Die regellose Gewinnungsart der Alten hatte bereits 1547 und später noch mehrmals zu gewaltigen Zusammenbrüchen geführt, in deren Schuttmassen seit 250 Jahren der Abbau fast ausschließlich umgeht.  

Die Aufbereitungsanlage der Zwitterstocksgewerkschaft bestand bis 1889 aus einer Reihe von Pochwäschen, die je eine in sich geschlossene Produktionseinheit bildeten. Die Aufbereitung ist ein durchaus kapitalintensiver Betrieb, dieses Urteil drängt sich namentlich bei einer Betrachtung der Altenberger Anlagen dem Beschauer geradezu auf. So sieht man in den Pochwerken weite Räume, mächtige, reihenweise angeordnete Stempel und nur einen oder zwei Arbeiter, die den Gang des Betriebes überwachen und ihn mit neuen Zwittern beschicken. Für die Weiterverarbeitung des in der Aufbereitung erzeugten Schliches standen um 1850 drei Zinnhütten zur Verfügung. Zwei von ihnen gehörten den Altenberger Gewerkschaften, die dritte war Eigentum des Zinnwalder Bergherrn und diente dem Lohnschmelzen für die kleinen Zinnwalder Betriebe; sie verfiel mit der Umstellung Zinnwalds auf die Wolframproduktion dem Abbruch.

Nach der mechanischen Aufbereitung muß das Altenberger Erz, ehe es auf Zinn verhüttet werden kann, noch durch chemische Verfahren von Arsen und Wismut befreit werden. Der Anteil dieser Arbeiten einschließlich der gelegentlich der Verhüttung vorgenommenen Gewinnung des in dem Erz enthaltenen Wolfram an den Gesamtproduktionskosten beläuft sich auf 7—10%. Als Hilfsbetriebe des Bergbaues kamen früher noch die Forstwirtschaft und die Köhlerei in Frage. 

Der technische Fortschritt mußte, da eine erhebliche Leistungserhöhung weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht möglich war, eine Verminderung der Kosten anstreben. Einem solchen Bemühen stand vor allem die Unbeständigkeit des Betriebes entgegen, wie sie durch die Unbeständigkeit des Wasserlaufes bedingt war. Je unbeständiger sich der Betrieb gestaltete, desto umfangreichere Betriebsanlagen waren nötig, um ein bestimmtes Produktionsquantum zu- erzeugen, desto weniger wurde jede Einheit der Betriebsanlage ausgenutzt und mit einer desto größeren Amortisationsquote war jede Produkteinheit belastet. Zugleich belastete die Unbeständigkeit des Betriebes die Produkteinheit mit einer ihrem Grade entsprechenden Lohnquote. Eine auf Senkung der relativen Produktionskosten bedachte Ökonomie der technischen Vervollkommnung mußte sich das Ziel setzen, bei möglichster Beschränkung der Aufbereitungsanlagen für einen möglichst konstanten Betrieb zu sorgen. Dieses Ziel wurde erreicht durch eine äußerst sparsame und rationelle Wasserwirtschaft.

Die Verwendung der Dampfkraft mußte nach kurzem Versuch wieder aufgegeben werden, weil die Heranbringung der Kohlen zu viel kostete. — Nach kostspieligen, fehlgeschlagenen Versuchen, die Aufbereitungsanlagen umzugestalten, verwertete man noch unbenutzte Gefalle, ersetzte das alte Kehrrad im Schacht durch eine Turbine und legte auf der Sohle des Stollns ein elektrisches Kraftwerk an. Im Kriege brachte man diese Neuerungen mit der Erbauung eines zweiten, vom Wasser des Aschergraben angetriebenen Kraftwerkes zum Abschluß. Die seit 1913 ermöglichte subsidiäre Verwendung fremden Stromes verteuert zwar die Produktion, trägt aber erheblich zur Steigerung der Betriebskonstanz bei. (...)

Der Wasserlösung dient in Altenberg der tiefe Erbstolln, der in einer Teufe von 132 m in das Stockwerk einkommt. In Zinnwald leistet die gleichen Dienste der Bünaustolln. (...)

Die Knappheit des Wasserlaufes führte zu Kämpfen zwischen den verschiedenen an seiner Verwertung interessierten Wirtschaften. Mit dem Verlust seiner wirtschaftlichen Randstellung - ein Vorgang, der der Entwicklung des Altenberger Gebietes in der zweiten Hälfte des 19.  Jahrhunderts das entscheidende Gepräge gibt -, häufen sich die Kämpfe um das Wasser. Der erste größere Konflikt dieser Art ergab sich, als die Zwitterstocksgewerkschaft, durch Maßnahmen bei der Forstkultur in ihrer Wasserversorgung beeinträchtigt, der staatlichen Flößerei auf der Weißeritz die Wasserabgabe aus dem Galgenteich verweigerte.

Andere lange Jahre hindurch fortgeführte Kämpfe knüpften an den Aschergraben an. Einmal wollte der Grundherr jenseits der Grenze, auf dessen Gebiet wichtige Zuflüsse des Grabens entspringen, diese verkaufen, ein andermal wollte er sie durch einen Stolin auf böhmisches Gebiet ableiten. Ein anderer Anlaß zum Streite ergab sich aus der gemeinsamen Benutzung des Asehergrabenwassers durch den Altenberger und den Zinnwalder Bergbau, der erst in jüngster Zeit durch ein Abkommen aus der Welt geschafft wurde. Als sich um die Jahrhundertwende im unteren Müglitztal Papierfabriken und Sägewerke ansiedelten, stießen auch hier die Interessen aufeinander. Die Fabriken, die durch die Schlämme aus der Aufbereitung schwer belästigt wurden, forderten die Einstellung des Bergbaues, der sich schließlich zur Anlage kostspieliger Klärvorrichtungen verstehen mußte.

 

III. Der Altenberger Bergbau im Besonderen.

1. Z w i t t e r s t o c k s t i e f e r E r b s t o l l n.  

Schon im Jahre 1470 begann man damit, vom Geisingtal her einen Stolln in den Zwitterstock zu treiben. Das Unternehmen erwies sich wegen der Härte des Gesteins als außerordentlich kostspielig und wurde von den Gewerken mehrere Male im Stich gelassen. 1491 mußte der Landesherr die „Ziener" unter Strafandrohung anhalten, den Stolln weiterzutreiben, 1553 kam er endlich in die Altenberger Gruben ein. Die wirtschaftliche Existenz der Stollngewerkschaft war seitdem auf zwei Einnahmequellen gegründet, auf das Stollnneuntel und auf den eigenen Bergbau, den sie vom Stolln aus im sogenannten Neufang betrieb. Als bald nach dem Dreißigjährigen Kriege der geordnete Betrieb wieder aufgenommen werden sollte, ging der Stolln auf eine lange Strecke zu Bruch. Der Kurfürst und die Stadt Freiberg ermöglichten damals seine Wiederherstellung, indem sie 45 ins Freie gefallene Kuxe erwarben.

Der Bergbau im Neufang wurde unwirtschaftlich, als die Gänge bis zur Stollnsohle abgebaut waren. Man gab ihn trotzdem nicht auf, da man ja dann für die Arbeiter, die die Neuntelzwitter aufbereiteten, in wasserarmen Zeiten keine Beschäftigung gehabt hätte.

Die Zinnproduktion der Stollngewerkschaft erreichte vor dem Dreißigjährigen Kriege 500 Zentner im Jahr. Im 18. Jahrhundert betrug sie dann wieder etwa 300 Zentner, um in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etwas unter diese Zahl zu sinken, als man sich endlich entschloß, den Betrieb im Neufang wenigstens einzuschränken.

 

2. V e r e i n i g t F e l d im Z w i t t e r s t o c k . 

Vereinigt Feld im Zwitterstock verdankt seine Entstehung den schon erwähnten Brüchen, die die Anlagen der neunzig kleinen im Zwitterstock umgehenden Gruben derartig durcheinanderwarfen, daß ihnen kein anderer Ausweg als der Zusammenschluß blieb; er erfolgte 1545 und 1564. Eine gewisse Betriebsgemeinschaft muß schon vorher bestanden haben, es ist undenkbar, daß auf dem beschränkten Raum des Zwitterstocks neunzig Schächte abgeteuft waren, auch die Aufbereitung muß irgendwie gemeinsam betrieben worden sein, nötigt zu dieser Annahme doch schon die Bemerkung Meißners a. a. 0., daß der Aschergraben bereits 1464 von den „Zienern" dem Müntzer auf Lauenstein abgekauft wurde.

Immerhin dürfte das Jahr 1564 eine bedeutsame Wendung in der Geschichte des Altenberger Bergbaues darstellen. Das planlose Schürfen und Graben, wie es die Frühzeit eines jeden Bergbaues charakterisiert, hörte auf und machte einem wenigstens einigermaßen geregelten Abbau Platz. Von den Störungen, die der Dreißigjährige Krieg mit sich brachte, abgesehen, produzierte man bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts ziemlich regelmäßig rund 1.500 Zentner im Jahr und konnte dabei eine jährliche Ausbeute von 20 Talern pro Kux verteilen.

Während der Zeitspanne 1851/1872 vollzogen sich grundlegende Änderungen in den wirtschaftlichen Bedingungen des Bergbaues. Der allgemeine Aufschwung, den das Wirtschaftsleben um die Jahrhundertmitte erfuhr, ließ die Produktionskosten langsam aber stetig steigen. Die Gewerken vermochten den Anforderungen der kapitalistischen Entwicklung nicht gerecht zu werden. Mannigfache Vorschläge der Bergbehörde für eine „Erhebung" des Bergbaues blieben in ihrer Mehrzahl unberücksichtigt. Dem Rückgang der Ausbeuten begegnete man durch Veräußerung des wertvollen Waldbesitzes an den Staat. Das entschied über das Schicksal des Zwitterstockes. Konnten bisher Fehlbeträge des Bergbaues durch Einkünfte aus dem nichtbergmännischen Eigentum gedeckt werden, so mußte nun das Werk in den kommenden Zeiten der Depression auf dem Zinnmarkt immer tiefer in Verschuldung geraten. Der wichtigste der wenigen Fortschritte dieser Zeit ist die Einführung der Wismutproduktion, die freilich zahlenmäßig zunächst noch ohne große Bedeutung blieb.

Die Periode 1873/1892 bedeutet für den Altenberger Bergbau einen zähen Existenzkampf, der schließlich infolge eines Zusammentreffens widriger Umstände fast zu seinem Erliegen führt. Den Anlaß zu dieser Entwicklung gab die bedeutende Ausdehnung der hinterindischen Zinnproduktion. Begünstigt wurde sie dadurch, daß die aufblühende sächsische Industrie auch die entlegensten Gebirgsgegenden in ihren Bannkreis zog und damit dem Bergbau die Arbeitskraft und die sachlichen Produktionsmittel verteuerte. Nach einer Brandkatastrophe mit großem Aufwand durchgeführte Neuerungen in der Aufbereitung, die sich als verfehlt erwiesen, und eine ganz ungewöhnliche Trockenheitsperiode führten 1893 zum Zusammenbruch. Der Betrieb hätte stillgelegt werden müssen, wenn nicht der Staat eingegriffen hätte. Die Mittel des Bergbegnadigungsfonds wurden Altenberg zur Verfügung gestellt. Der Staat erhielt dafür vorübergehend ein weitgehendes Aufsichtsrecht über Betriebsführung und Finanzgebarung, außerdem wurden ihm Kuxe in der Höhe des gewährten Kredites • zugeschrieben. Zunächst hatte die staatliche Unterstützung nur das Ziel, den Bergbau bis zur Wiederkehr höherer Zinnpreise über Wasser zu halten. Als sich aber die Verhältnisse auf dem Zinnmarkte immer trostloser gestalteten, beschloß man 1896 abzurüsten.

Im Jahre 1898 jedoch begannen die Zinnpreise wieder zu steigen. Die Jahre 1899/1908 sahen infolgedessen den Zwitterstock in einem langsamen und stetigen Wiederaufstieg.

Die Beständigkeit dieser Entwicklung und die anhaltend günstige Lage des Wirtschaftslebens ließen den Wunsch wach werden, das Werk durch Anwendung der inzwischen erreichten technischen Fortschritte umzugestalten und es so wieder rentabel zu machen. Die Jahre von 1908 bis zum Kriegsausbruch stehen unter dem Zeichen der mit Unterstützung des Bergbegnadigungsfonds erfolgenden Durchführung dieser Maßnahmen.

Die Zinnproduktion, die während der Notjahre 1893/96 auf 830 Zentner im Jahre gefallen war, fiel während der Abrüstungszeit weiter auf 340 Zentner.

In dem Zeitraum 1899/1908 stieg sie wieder bis auf 434 Zentner, um in den Jahren 1908/1913 einen Jahresdurchschnitt von 600 Zentner zu erreichen. Die Wismutproduktion stieg bis 1913 auf 18 Zentner Wismutchlorid (seit 1914 verzichtete man auf eine Weiterverarbeitung dieses Halbfabrikates).

Die Kriegswirtschaft brachte für Altenberg neue Verhältnisse. Der Ausnutzung der durch sie gebotenen Möglichkeiten verdankt das Zwitterstockwerk die Mittel zu seiner endgültigen Entschuldung und technischen Vervollkommnung. Die jahrhundertelang als wertlos fortgeworfenen, für Wegebauten und Uferböschungen benutzten Abfallprodukte des Verhüttungsprozesses gewannen ihres Wolframgehaltes wegen einen Wert und ihre Ausbeutung brachte der Gesellschaft hohe Erträge. Zum ersten Male seit vierzig Jahren war es im Jahre 1916 wieder möglich, Ausbeute zu verteilen.

Bald nach dem Kriege wurden durch Veräußerung einer größeren Zahl noch nicht begebener Kuxe neue Gewerken gewonnen. Zugleich wurde damit das Übergewicht des staatlichen Kuxbesitzes, das im Verein mit dem Kuxbesitz der Städte Freiberg und Altenberg dem Unternehmen zeitweise einen gemischtwirtschaftlichen Charakter verliehen hatte, gebrochen. 1923 wandelte man die Gewerkschaft in eine Aktiengesellschaft um. (…)

 

5. Der Absatz. 

Das Altenberger Zinn wurde bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts fast allein in Deutschland abgesetzt. Mit dem Regerwerden der deutschen Welthandelbeziehungen drang später das englische Zinn, das schon vorher den Zinnbedarf Nord- und Westdeutschlands ausschließlich gedeckt hatte, und noch später das überseeische Zinn weiter vor und verdrängte das erzgebirgische, das seitdem seinen Absatz in Österreich fand. Die gegen Ende des Jahrhunderts sich vollziehende Änderung in der Stellung Altenbergs im sächsischen Wirtschaftsleben brachte es dahin, daß sich in zunehmendem Maße sächsische Abnehmer für das Altenberger Zinn fanden, bis der Krieg die Ausfuhr nach Österreich gänzlich unterband.

Die ältesten Nachrichten über den Zinnverkauf stammen aus den Jahren 1667 und 1668). Sie berichten davon, daß größere Posten Zinn an Leipziger Kaufleute verkauft oder in Kommission gegeben wurden,, während ein anderer Teil der Produktion in Mengen zwischen dreiviertel und zwanzig Zentner an einzelne Kannengießer" in Sachsen, aber auch weit jenseits der sächsischen Grenze (bis nach Memmingen im Allgäu), verkauft wurde.

Im 18. Jahrhundert ging man dazu über, Verkaufslager in verschiedenen größeren Städten anzulegen. Gegen Ende des Jahrhunderts begann man mit in der Nähe ansässigen Händlern Lieferungsverträge über ein bis drei Jahre zu schließen. Später, als der Anschluß Altenbergs an die Verkehrsbeziehungen ein engerer geworden war, verschwanden auch diese Händler und die Lieferung geschieht seitdem direkt an die Verbraucher oder an die großen Metallhandelsfirmen. ...“

  

Das folgende historische Bildmaterial aus der Zeit um 1927 haben wir im digitalen Archiv der SLUB – Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (Deutsche Fotothek) gefunden.

 


Blick von Altenberg über den Römerschacht (Treibehaus mit Dachreiter rechts im Bild) in Richtung Zinnwald. Links vom Römerschacht die Gebäude der I. und II. Wäsche. Rechts oberhalb des Dachreiters sieht man am Bildrand die heutige B 170. Auf dem Hang unterhalb der Straße steht heute der Arno-Lippmann-Schacht. Das Foto wurde vermutlich nach dem Brand der Römerwäsche um 1951 aufgenommen.
(Bildquelle: SLUB, Deutsche Fotothek, Bildautor und Datierung nicht angegeben)

Gemäß AGB der SLUB, 5. geben wir den Link zu den Digitalisaten der jeweiligen Bilddateien an:
www.deutschefotothek.de/documents/obj/70005500/df_hauptkatalog_0107151

  


Zum Vergleich ein ähnlicher Blick Anfang der 1950er Jahre: Der Arno-Lippmann-Schacht steht bereits, die Flotationsanlagen noch nicht. Der Schornstein am linken Bildrand gehört zur Römerschacht-Aufbereitung. (Foto: Sammlung S. Püschel)
  


Noch ein ähnlicher Blick über die Pinge hinweg in den 1980er Jahren: Die Pinge hat sich bereits bis an die ehemalige Römeraufbereitung heran ausgebreitet. Neben dem Arno-Lippman-Schacht ist die Flotationsanlage entstanden. (Foto: E. Nosko, Sammlung G. Voigt)
   


Zurück zur Aufbereitung: Der Blick das Tiefenbachtal abwärts zeigt die Gebäude (von rechts nach links) der II., III., IV. und V. zwitterstocksgewerkschaftlichen Wäsche. (Bildquelle: SLUB, Deutsche Fotothek, Foto: Schulz, 1927)

Originaldatei: www.deutschefotothek.de/documents/obj/70001793/df_hauptkatalog_0040545

  


Blick das Tiefenbachtal bergauf, rechts im Vordergrund die IV. Wäsche.
(Bildquelle: SLUB, Deutsche Fotothek, Foto: Schulz, 1925)

Originaldatei: www.deutschefotothek.de/documents/obj/70011324/df_hauptkatalog_0040539

  


Blick das Tiefenbachtal abwärts auf die IV. und V. Wäsche.
(Bildquelle: SLUB, Deutsche Fotothek, Foto: H. Rödl, undatiert)

Originaldatei: www.deutschefotothek.de/documents/obj/70005522/df_hauptkatalog_0078898

   


Die IV. Wäsche von Norden. Von der Mühlenstraße (von links im Bild) eine Brücke zum Transport des Pochguts ins Obergeschoß des Pochwerks. Rechts tief verschneit das Aufschlaggerinne vom Tiefenbach zu den Pochwerksrädern. (Bildquelle: SLUB, Deutsche Fotothek, Foto: Schulz, 1925)

Originaldatei: www.deutschefotothek.de/documents/obj/70005502/df_hauptkatalog_0040541

  


Das Gebäude der IV. Wäsche von Südosten. Rechts am Bildrand der Ablauf in den Roten Teich.
(Bildquelle: SLUB, Deutsche Fotothek, Foto: Schulz, 1925)

Originaldatei: www.deutschefotothek.de/documents/obj/70005501/df_hauptkatalog_0040540

  


Die IV. Wäsche von Südosten – vermutlich zum Zeitpunkt des Anlegens des Roten Teiches, also noch vor 1911.
(Bildquelle: SLUB, Deutsche Fotothek, kein Bildautor angegeben)

Originaldatei: www.deutschefotothek.de/documents/obj/70005520/df_hauptkatalog_0112027

  

Insgesamt erwiesen sich die Jahrzehnte ab 1876 für die Zwitterstocksgewerkschaft als zäher Überlebenskampf gegen immer neue Rückschläge. Weder die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1923, noch Investitionen in neue Technik konnten am Ende verhindern, daß mit der Weltwirtschaftskrise 1929 der Abbau auch in Altenberg zum Erliegen kam. Dies geschah immerhin erst 16 Jahre später, nachdem die Gruben in Freiberg bereits 1913 aufgeben mußten.  

Bereits vier Jahre später kam es zur Wiederaufnahme (Jahrbuch 1934):  

Am 16. Oktober 1933 wurden die Vorarbeiten zur Wiederaufnahme des Betriebs begonnen. Im Rahmen der Bestrebungen für die Wiederaufnahme des sächsischen Erzbergbaues wurde vom Sächsischen Staat ein Darlehn gewährt. Die Maßnahmen zur Betriebsaufnahme umfassen besonders die Aufstellung einer Kugelmühle, die die Pochwerke ersetzen soll, sowie die Einrichtung verschiedener Absetzbecken zur Klärung der Abwässer, deren Erfolg durch Zusatz geringer Mengen von Fällmitteln erhöht wird.“

  


Eine Kugelmühle steht noch im Freigelände des Bergbaumuseums

   

Wieder einmal funktionierte die neue Technik nicht auf Anhieb (Jahrbuch 1935):  

„Infolge vorzeitigen Verschleißes der Panzerung der Kugelmühle mußte diese am 7. Juli 1935 stillgesetzt und das vorhandene elektrische Pochwerk wieder in Gang gesetzt werden. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Klärung der bei Betrieb der Pochwerke größeren Abwassermengen möglich ist, wurde die Kugelmühle nicht wieder in Betrieb genommen. Die Flotations-Großversuche sind noch nicht abgeschlossen.

Auf Veranlassung des Oberbergamts wurde der Bau von zwei neuen Klärteichen begonnen, die als Wechselbecken zum Niederschlagen der feinsten Schlämme der Abwässer dienen werden.“  

Aber immerhin konnte man 1938 dann stolz verkünden, daß die Flotationsanlage im Vorjahr in Betrieb gegangen ist:  

Für die Zwitterstocks A.-G. und die Gewerkschaft Zinnwalder Bergbau wurde eine gemeinsame Zinn-Wolfram-Flotationsanlage mit 300 t Tagesdurchsatz erbaut und in Betrieb genommen. Die Zuförderung der Erze erfolgt durch eine rund 3,5 km lange Seilbahn.

Eine in Freiberg errichtete Wälzanlage übernimmt die Weiterverarbeitung der Zinn-Wolfram-Konzentrate. Sowohl die Flotations- als auch die Wälzanlage arbeiten nach bisher noch nirgends praktisch angewendeten Verfahren.“

Damit enden leider die Jahrbuchausgaben im Kriegsjahr 1944.

  


Im Freigelände am Bergbaumuseum findet man auch diese Rührwerke aus der Flotationsanlage.
  


Ein Blick ins Rührwerk.

 

   

 

Die „Neuzeit“ von 1947 bis zur Einstellung 1991

Über die Wiederaufnahme des Bergbaus ab 1947 und den Betrieb bis zur letzten Stillegung 1991 kann man sich dann wieder sehr gut in dem der Lagerstätte Altenberg gewidmeten Band 9 der Bergbaumonographie informieren. Dort steht auch über die schon oben erwähnte Flotationsanlage zu lesen:

In Altenberg wurde zum ersten Mal in der Welt das Flotationsverfahren zur Kassiterit-Aufbereitung in einer industriellen Anlage angewendet. In einer 35jährigen Entwicklungsarbeit mit Hunderten von Forschungsarbeiten und technologischen Untersuchungen, nach gewaltigen Investitionen entstand hier die größte Kassiteritflotation der Welt mit einem maximalen Jahresdurchsatz von bis zu 850.000 t Roherz.

Nachdem die Anlage eingefahren war, diente sie mit ihren wichtigen Vorbereitungsstufen der Erzvorbehandlung sowie der Fein- und Feinstkornklassierung als Referenzanlage für den Verkauf von Lizenzen und Know-how an internationale Interessenten.“  

Im Jahr 1988 wurde der Höchststand mit einer Jahresproduktion mit 2.178 t Zinn erreicht. Damit (und mit der Produktion in Ehrenfriedersdorf) war die DDR in der Lage, den Eigenbedarf an diesem Metall vollständig aus eigener Produktion zu decken.

Förderzahlen für die Gewerkschaften Vereinigt Feld im Zwitterstock und für Zwitterstocks Tiefer Erbstolln wurden in den Jahrbüchern 1830 und 1831 für die vorangegangenen rund 150 Jahre bereits einmal zusammengestellt. In den Jahrbüchern von 1869 bis 1934 ist das Ausbringen der einzelnen Gruben aufgezeichnet, dazwischen sind die Angaben jedoch lückenhaft. Die Fördermengen von 1947 bis 1991 haben wir Band 9 der Bergbaumonographie entnommen. Aus allem zusammen haben wir folgende Grafik gemacht.

Eine Hochrechnung in der Bergbaumonographie führte auf ein Gesamtausbringen der Altenberger Lagerstätte in zirka 550 Jahren Betriebszeit von 106.000 t Zinn.

  


Die Zinnproduktion in Altenberg von 1663 bis zur Stillegung 1991; der massiven Steigerung der Produktion nach 1945 wegen haben wir die vertikale Achse logarithmisch teilen müssen. Weil man noch bis zur vorletzten Jahrhundertwende stets in (Berg-) Zentnern gerechnet hat, rechnen wir in dieser Darstellung nach bestem Wissen und Gewissen vereinheitlichend die Tonnenangaben jüngerer Zeiten in metrische Zentner um.

   

Es soll auch nicht unerwähnt bleiben, daß die Erzeugung der zirka 2.000 t Zinnmetall eine Roherzförderung von bis zu 1 Mio. Tonnen Zwitter pro Jahr voraussetzte. Die entsprechend gewaltige Menge der Aufbereitungsabgänge mußte irgendwo hin und daher entstanden die Schwarzwasserhalden, die Spülsandhalde im Tiefenbachtal, der Überleitungsstollen und die Halde im Bielatal. Diese „Industriedeponien“ haben (trotz der nach der Einstellung erfolgten Haldensanierung) das Landschaftsbild genauso erheblich verändert, wie die unmittelbaren Bergbaufolgen. Rechnet man übrigens die Aufbereitungsverluste zusammen, enthalten allein diese drei neuzeitlichen Deponien noch immer rund 33.000 t Zinn, die man aber auch mittels heutiger Technik nicht gewinnen kann.

  


Deshalb wurde die Gewinnung mit der Konkurrenz der Weltmarktpreise nach dem Ende der DDR wieder einmal unrentabel. Am 28. März 1991 war Schluß… Der allerletzte (?) Hunt hat einen Ehrenplatz im Freigelände am Bergbaumuseum gefunden.
 


Preisentwicklung für Zinn (Quelle: Deutsche Rohstoffagentur bei der BGR, 2013)

 

Weil inzwischen die Rohstoffpreise weltweit wieder steigen, wird auch über eine Wiederaufnahme des Abbaus in Altenberg nachgedacht. Untertage schlummern immerhin noch rund 27 Mio. Tonnen Erz mit einem mittleren Gehalt von ≈ 2,6 kg Zinn pro Tonne Roherz, respektive rund 72.000 t Zinn. Bei einer Jahresproduktion von 2.000  t Zinn würde der noch vorhandene Vorrat also immerhin für eine Betriebsphase von nochmals 36 Jahren Abbau ausreichen… aber ob sich das rechnet?

2009 wurden neben dem Haupterz Zinn außerdem noch Vorräte von 30.000 t Arsen, 33.000 t Lithium, 46.000 t Rubidium, 4.000 t Wismut, 3.000 t Molybdän und 9.000 t Wolfram errechnet.
  

Neben dem Halbprodukt Phosphorzinn produzierte auch die Altenberger Gewerkschaft schon ab 1870 ziemlich konstant etwa 0,5 t Wismut und Wismutchlorid* und bis zu 23 t Arsenmehl bzw. arsenige Säure* (aus dem Hüttenrauch) pro Jahr. Wahrscheinlich wurde die Wismutchlorid- Herstellung noch bis Ende der 1920er Jahre fortgesetzt, denn auch in den Angaben der Jahrbücher 1933/34 tauchen noch einmal geringe Produktionsmengen an Wismutchlorid auf.

*) Anmerkungen: Wismutchlorid BiCl3 und das Wismutoxychlorid BiOCl entstehen beim naßchemischen Aufschluß von Wismuterzen mit Salzsäure. Sie wurden in der Pharmazie und der Kosmetikindustrie verwendet. Reines Wismutmetall wurde nur bis 1906 in Altenberg erschmolzen, danach wurden nur die o. g. Halbprodukte direkt weiter verkauft.
 „Arsenige Säure“ ist eine in den betreffenden Jahrbuchausgaben verwendete, veraltete Bezeichnung für ein und dasselbe „Giftmehl“ – das Arsen-III-Oxid As2O3. Im heutigen Sprachgebrauch der Chemiker meint der Begriff natürlich die Arsen-III-Säure H3[AsO3].  

Wolfram- und Lithiumerze wurden dagegen vorwiegend von der Gewerkschaft Zinnwalder Bergbau und deren Nachfolgeunternehmen produziert und tauchen bei der Altenberger Zwitterstocksgewerkschaft nicht in den Bilanzen auf.  

  


   


Diese Glasflasche mit einer Probe pulverförmigen, gelblichgrünen Wismutchlorids s
tammt noch aus der Produktion der Zwitterstocksgewerkschaft Altenberg und dient möglicherweise als „Muster“ für Kunden in den 1920er Jahren. Original in der Sammlung M. Och, Meerane.

   

Weil wir nun aber auch nicht voraussagen können, ob überhaupt und wenn doch, wann es vielleicht wieder auf´s Neue mit dem Bergbau losgeht, freuen wir uns so lange an der erhaltenen Denkmalsubstanz. Dazu haben wir außerdem einen Beitrag zum  Neu- und Quergraben im Netz. Und jetzt schauen wir uns auch das einmal an:

  

   

 

Rundgang im Technischen Denkmal
„IV. zwitterstocksgewerkschaftliche Wäsche“

 


Die Mühlenstraße am Zugang zum Bergbaumuseum. Hinter dem Gästeparkplatz schaut das Fördergerüst des Arno-Lippmann-Schachtes über die Bäume.
 


Der erste Blick von der Straße auf das ausladende, schindelgedeckte Dach der IV. Wäsche. Unter den Schleppdächern am Pochwerksflügel befanden sich die Wasserräder. Ein Aufschlaggerinne ist aber nicht zu sehen.
 


Die Wäsche IV 1991 auf einem Foto von Ian Petřik

http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70000404

  


Der zweite Blick sagt uns: Der Bachlauf ist komplett trocken. Die Neuzeit und der Zahn der Zeit haben spätestens seit der letzten Rekonstruktion wohl dafür gesorgt, daß die Technik heute praktisch nur noch elektrisch angetrieben vorgeführt wird…
 


L-förmig grenzt an das Pochwerk das Wäschegebäude an.
  


Gleich neben der Zufahrt steht dieser Gedenkstein an den Beginn der 550 Jahre währenden Abbaugeschichte.
  


Die Abfangmauer neben der Zufahrt bietet bei genauerem Hinsehen einen geologischen Rundgang durchs Revier. Hier der Quarzporphyr…
 


…dann der Granit.
   


Und natürlich fehlt auch der „Zwitter“-Greisen nicht.
   


Erstmal von außen anschauen: Das Wäschegebäude ist teilweise in Umgebinde-Technik errichtet.
  


Das dicke Balkenwerk ertrug die Vibrationen besser als starres Mauerwerk. Die vorgesetzten Ständer tragen - quasi mechanisch "entkoppelt" - das Dachgeschoß.

    


Erste Zusammenfassung: Im breiten, etwa Südwest-Nordost-ausgerichteten Flügel vorn die Erzwäsche, dahinter der Gebäudeflügel mit dem Pochwerk.

Wie von uns schon bekannt, kann man hier das Dach aufklappen.

   


Also hinein: Der Museumseingang liegt an der Ostgiebelseite und führt zum Obergeschoß.
  


In der Ausstellung entdeckt: Das alte Namensschild der IV. zwitterstocksgewerkschaftlichen Wäsche.
  


Neben anderen „bergmännischen“ und mineralogischen Ausstellungsstücken fasziniert das schicke Geländemodell, denn Vieles davon steht 20 Jahre nach der Wende nicht mehr. Hier der Blick von Osten: Vorn im Bild die Bruchkante der Pinge, ganz links am Rand des Modells die IV. Wäsche. Rechts – fast schon am Pingenrand – der Römer-Schacht. Dazwischen die Gebäude der einstigen I., II. und III. gewerkschaftlichen Wäschen nach dem Umbau zur „Centralwäsche“. Schornstein und Kohlenlager gehörten früher zum „Dampfpochwerk“ - später zur "Centralwäsche".
  


Der Blick von der westlichen Seite (leider mit Lichtreflex auf der Glasscheibe…) Links im Vordergrund der Arno-Lippmann-Schacht, rot gestrichen die Gebäude der Flotationsanlage. Dahinter der etwas kleinere Förderturm des Schachts 3. In der Bildmitte am rechten Rand des Modells kann man den Hanggraben erkennen. Der ursprüngliche Verlauf des Aschergrabens führte – quasi unter der Flotationsanlage hindurch – in Richtung Römer-Schacht (im Bild jetzt an der linken hinteren Ecke des Modells) und ist nicht mehr erhalten.
  


Am Westgiebel des Obergeschosses kann man dann von oben in den Spitzkasten hineinschauen.
  


Der Spitzkasten diente der Korngrößen-Klassierung der Pochgänge und wurde mit diesem eisernen Schöpfrad beschickt.
  


Hinter dem Schöpfrad rechts um die Ecke: Hier stehen insgesamt vier Pochsätze zu je zehn Stempeln.
  


Die Daumenwellen sind im Niveau des Obergeschoß-Fußbodens montiert. Im Hintergrund sieht man die Dachunterseite der Radstuben - dort hätten eigentlich die Antriebsräder stehen müssen...
   


Einen Eindruck vom früheren Aussehen geben die Fotos vom Großen Pochwerk, hier die Daumenwelle,
Foto: M. Nowak, vor 1931.

http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70062883

  


Altenberg, Großes Pochwerk, Inneres mit Blick auf die Pochstempel, Foto: M. Nowak, vor 1931.

http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70060740

  


Zwischen den Pochsätzen befinden sich Arbeitsbühnen mit „Rollöchern“ (je eins für je fünf Stempel), über die das Pochgut aufgegeben wurde.
  


Die „Daumen“ auf den Antriebswellen sind aus Eisenbändern gefertigt. Bei jeder Umdrehung der Welle wurden die Stempel dreimal angehoben.

  

Klappen wir das Dach auf: Wo sich wohl einst das Erzlager befand, sind heute die Besucherräume und die Ausstellung untergebracht.

Wie von uns schon bekannt, kann man hier das Dach auf- oder wieder zuklappen.

   


Am Nordende des Pochwerksflügels geht es die Treppe hinab ins Erdgeschoß und nun können wir die Daumenwellen von unten begucken. Im Vergleich mit der Bauhöhe der ehemaligen Radstuben wird nochmals deutlich, daß die Antriebswellen ursprünglich tiefer gelegen haben müssen – die Wasserräder hätten sonst nicht unter die Schleppdächer der Radstuben gepaßt. Die Pochsätze können heute mit Hilfe eines Elektromotors vorgeführt werden.
   

Hier der weitere Weg des Pochgutes: Durch die Roste fällt es zunächst in diese V-förmigen Vorratsbehälter. Mit Wasser aus der – im Bild quer dahinter aufgehängt sichtbaren – Holzrinne wurde es dann unter die Stempel gespült.
   

Von rechts im Bild die „Rollenschnauze“ des Vorratsbehälters. Weil die Pochschuhe von unten in die Stempel eingesetzt sind, werden die Stempel mit eisernen Bändern zusammengehalten, damit die Schläge das Holz nicht auseinandertreiben.
  

Auf der anderen Seite der Pochsätze spülte das Wasser den „fertigen“ Schlich als „Trübe“ in ein Gerinne.
   

Richtig gut gemacht für das Halbdunkel des Gebäudes sind die beleuchteten Schautafeln, die den Besuchern erklären, wie das Ganze funktionierte.
  

Das Gerinne sammelt alles ein und führt in Richtung der Erzwäsche im anderen Gebäudeteil.
 

Blick zurück in den Gebäudeflügel mit dem Pochwerk.
  

Am Ende des Pochwerk-Flügels geht es um die Ecke…
  

…zunächst zur Mehlführung. Der Überlauf sammelt sich dann (ganz links am Bildrand) unter dem Schöpfrad.
  

Die Aufgabetechnik zur Mehlführung.
  

In der Mehlführung setzt sich der Schlich aus der Pochtrübe ebenfalls nach Korngröße und spezifischem Gewicht klassiert ab.
  

Am Ende der Mehlführung noch ein Unterfaß. Hier wird der Rest noch einmal gesammelt und vorne wieder aufgegeben, damit auch keine Zinngraupe verlorengeht…
  

Die beleuchteten Schautafeln sind richtig gut gemacht und sogar „fotografenfreundlich“.
 

Nun das Schöpfrad von unten: Über ein hölzernes Gerinne läuft die Pochtrübe dann hinüber in den Spitzkasten.
  

Das eiserne Schöpfrad wurde schon elektrisch betrieben.
 

Von unten ziemlich gewaltig! Für´s Museum läßt man dann den sortierten Schlich aus dem Spitzkasten direkt auf die Schnellstoßherde laufen.
   

Weil´s so gut erklärt ist, auch dieses Schema noch.
  

Im Museum stehen zwei Schnellstoßherde nebeneinander. Auch die wurden bereits elektrisch angetrieben: Unter dem Gerinne am vorderen Stoßherd sieht man den eingehausten Motor stehen.
  

Der Schwingtisch des einen Schnellstoßherdes mit dem Gerinne zur Aufgabe der Pochtrübe.
   

Vor der Einführung der Schnellstoßherde führte das Gerinne zu zwei Planenherden.
  

Die Planenherde gehörten zu den „liegenden Herden“ – weil sie nämlich „still“ daliegen.
  

Die Aufgabeeinrichtung. Am Krähl ist eine Zinke abgebrochen…
  

Gegenüber wieder „richtige“ Technik: Dort steht der Herdstuhl mit den Langstoßherden.
   

Dahinter zu deren Antrieb das einzige noch vorhandene und betriebsfähige Wasserrad.
  

Die Radwelle schiebt über das Drückelzeug die Stoßherde an. Am vorderen kann man gut drunterschauen und die Mechanik des Drückelzeuges erkennen.
  

Oben in der Bildmitte die Aufgabeeinrichtungen vom Gerinne zu den Stelltafeln.
  

Im Herdstuhl sind drei Langstoßherde eingehängt.
  

Die Langstoßherde von der anderen Seite mit Wasserrad.
   

An den Stellklötzchen scheint mal einer herum gespielt zu haben – die Reihe in „Besucherreichweite“ ist ziemlich verdreht…
   

Vor den Herden noch das Gerinne zum Unterfaß. Das übriggebliebene Armerz wurde noch einmal durchgewaschen, bevor der allerletzte Rest dann auf die Spülhalde wanderte.
   

Bevor wir nun schon rundherum sind, noch ein Blick von ganz unten nach oben auf die Zimmermannsarbeit der Dachkonstruktion.

  


Die Übersicht zum Erdgeschoß. Wir haben unsere Grafik der Übersichtlichkeit halber ein wenig vereinfacht und nur drei Pochsätze und nur zwei Stoßherde eingezeichnet. Außerdem stehen natürlich noch mehr Ausstellungsstücke drin und zwei von den „modernen“ Schnellstoßherde gleich unterm Spitzkasten.

Wie von uns bekannt, kann man hier noch weiter klicken oder alles wieder zuklappen.

   


Wie die historischen Fotos oben in unserem Beitrag zeigten, lag im Winter 1925 der Pfostenfluter zu den Radkammern noch. Zu diesem Zeitpunkt waren also die Wasserräder vermutlich noch in Betrieb und die Antriebswellen der Pochsätze deshalb in passender Höhe – im Niveau des Erdgeschosses – eingebaut. Auf den Fotos ist auch die Brücke zu sehen, über die das Pochgut von der Mühlenstraße direkt ins Obergeschoß des Pochwerks gefahren werden konnte.

Von hier aus kann man nun alles der Reihe nach wieder zuklappen.

 


Noch ein letztes Ausstellungsstück zum Schluß: So sah es aus, das Endprodukt. Altenberger Feinzinn in Barren oder (hinten in der Vitrine) als Lötdraht, den jeder Modellbahnbastler noch gut kennt...
 

Wer möchte, kann hier am Bergbaumuseum außerdem in den Neubeschertglück-Stollen einfahren und sich „den alten Berg“ mal ein Stück weit von innen anschauen.

  

Damit sind wir herum. Ein wenig schade, daß nur noch wenig historische Technik in ihrer originalen Funktion vorführbar ist, wie das in den 1980ern noch möglich war. Aber der Zahn der Zeit nagt nun mal schwer am Holz und es ist einfach nicht möglich, alles zu erhalten. Und den Schlämmgräben und den unterschiedlichen stehenden Herdformen tut es keinen Abbruch.

Auf dem Freigelände findet man noch weitere neuzeitliche Technik, davon haben wir oben schon ein paar Bilder in den Text gesetzt. Vielleicht reicht es irgendwann mal für eine passende Ausstellungshalle – die Rundbogen-Ausbau-Nachbauten bieten zwar ein wenig Schutz vor der Witterung, aber im Freien ist auch der beste Stahl sonst irgendwann verrostet. Also kurzes Fazit: Unbedingt mal anschauen! Denn bei der nächsten Rekonstruktion werden gewiß wieder einige Originalteile ausgetauscht werden müssen…

Glück Auf

J. B.