Ein Beitrag von www.unbekannter-bergbau.de Erstellt Februar 2010, letzte Aktualisierung Juli 2015.
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Bau und Geschichte |
Verlauf des Roten Grabens (rote Linie: erhaltene Abschnitte):
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Verlauf des Roten Grabens |
Baugeschichte: Der Bergbau im Halsbrücker Gebiet nördlich Freibergs ist möglicherweise schon sehr alt. In Münzmeisterrechnungen der Jahre 1438 bis 1442 werden bereits Gruben "Zum Hals" erwähnt. Auch die Form der großen Pingen auf dem Halsbrücker Spatgang (St. Lorenz Gegentrum, Johannesbruch) gab immer wieder zu der Vermutung Anlaß, daß aufgrund des scheinbar ersichtlichen Abbauverfahrens - quasi im "Tagebau" - hier ganz alte Grubenbaue aus der ersten Betriebsperiode vorlagen. Der Halsbrücker Bergbau hatte aber schon immer auch ein großes Problem: Der bis zu 6 m mächtige Halsbrücker Spat mit seinen vielen Nebentrümern bewirkt, daß die Freiberger Mulde in Halsbrücke ihren Lauf verändert, sich den "bequemeren" Weg durch das weichere Gestein suchte und in mehreren Schleifen bis nach Großschirma fast westwärts abbiegt. Der Erzgang unterquert diesen Talverlauf gleich mehrfach. Die Wasserhebung in den Halsbrücker Gruben war deshalb ein besonders Problem, größere Wassereinbrüche in die Gruben kamen öfter vor und führten mehrfach zur Aufgabe ganzer Gruben. Ab dem 16. Jahrhundert gab es zwar technische Lösungen unter Nutzung der Wasserkraft, aber da die meisten Gruben im Tal ansetzten, konnte nur mit großem Aufwand Aufschlagwasser mit genügender Fallhöhe für den Betrieb von Kunsträdern herangeleitet werden. Noch beim Bau des Rothschönberger Stollens 1844 bis 1877 hatte man Sorge, den zu durchörternden Abschnitt des Halsbrücker Spates abgesoffen vorzufinden und mit dem Stollnort gegen Standwasser fahren zu müssen. Um diesem Umstand zu begegnen wurde damals die Grube Beihilfe aufgenommen und ausgebaut und auch der Rothschönberger Stolln biegt zwischen 7. und 8. Lichtloch noch zweimal unter der Mulde ab, bevor man sich durch den Spatgang hindurch wagte. Eine der Lösungen, die die Vorfahren wählten, um Aufschlagwasser heranzuschaffen, kann man noch heute bewundern und glücklicherweise auch in den meisten Abschnitten gut erwandern: Der Rote Graben. Dieser Kunstgraben wurde 1612 / 1613 angelegt, sammelte das Ablaufwasser der Freiberger Gruben an den alten Stollenmundlöchern im Muldental ein und leitete es parallel zum Fluß mit möglichst minimalem Gefälle am Talhang entlang bis nach Halsbrücke. An der Hütte in Halsbrücke hatte dieser Graben nach rund 4 km Länge immerhin mehr als 10 m Höhenunterschied zur Mulde eingebracht - genug für ein leistungsfähiges Kunstrad. Mit seinem Wasser wurden aber nicht nur die Bergwerke (Oberes Neugeschrei und Beihilfe auf dem Südufer der Mulde) versorgt, auch die Erzwäschen und die Halsbrücker Hütte brauchten jede Menge Antriebs-, Kühl- oder Löschwasser. Kurz vor Halsbrücke wurde das herangeleitete Wasser daher nochmals zwischen Hüttenwerk und Beihilfe aufgeteilt. Der Kunstgrabenabschnitt zur Beihilfe und der dahinterliegende Abschnitt bis zum Münzbachtal sind leider nicht erhalten geblieben. Selbst am Ende aber wurde das mühsam herangeschaffte Antriebswasser nicht einfach in die Mulde abgelassen. Das Münzbachtal wurde mit einem Düker unterquert und das Wasser des Roten Grabens in den am Westufer des Münzbaches unterhalb von Loßnitz abzweigenden, Oberen Kunstgraben des Schreiber Schachts in Großschirma eingespeist. Auch das in tieferem
Niveau ablaufende Wasser aus der Hütte und der Grube Beihilfe wurde
weiter genutzt und speiste die Churprinzer Bergwerkskanäle.
Mehrfachnutzung war für unsere Vorfahren beileibe kein Fremdwort und
schlaue Ideen hatten die Alten nicht weniger als wir heute. Anlaß für
uns, einem kleinen Abschnitt der "Freiberger Wasserwege"
einmal nachzugehen und weil der Rote Graben der erste der
"Unteren" Kunstgräben ist und außerdem auch bei Winterwetter
gut zu erwandern, fangen wir bei diesem an... |
Eine Wanderung vom Davidschacht bis nach Halsbrücke
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Verlauf des Roten Grabens |
Clevere Lösung: Die Davider Erzbahn Auch wenn dieser kein "Wasserweg" ist - wie die Überschrift unserer Rubrik lautet - es ist ein Transportweg und wenn man aus Freiberg hinaus und zum Roten Graben ins Muldental hinunter wandertt, kommt man einfach hier vorbei. Bekanntlich liegen die größten der Freiberger Schächte - wie blöd - auf einem Höhenrücken zwischen den Tälern der Freiberger Mulde und des Münzbaches. Dorthin Antriebswasser zu schaffen, war ein besonderes Problem. Ab dem 16.Jahrhundert wurde deshalb ein Kunstgrabensystem bergwärts angelegt und Wasser aus den Oberläufen der Flüsse abgezweigt und nach Freiberg geleitet. Dieses System ist noch eine ganze Beitragsreihe für sich wert... Bleiben wir erstmal hier, wo das mühsam herangeleitete Antriebswasser auf die Schächte aufgeteilt werden mußte und - nicht nur in trockenen Sommern - immer zu knapp war. Auch der David Schacht bekam einen Teil ab, betrieb damit seine Förderanlagen und - schon auf halber Tiefe unten im Schacht - auch das Trockenpochwerk der Aufbereitung. Dann aber mußte das Erz in die Wäsche und in die Hüttenwerke - schon egal, ob nach Halsbrücke oder nach Muldenhütten - beide großen Hüttenwerke lagen unten im Muldental. Wie nun aber schafft man einen voll beladenen Fuhrwagen - vielleicht mit 1,5 Tonnen Roherz darauf - und einem Gespann Pferde oder Ochsen davor einigermaßen sicher den steilen Talhang hinunter ? Gar nicht. Dieses mühselige Verfahren wurde abgelöst durch die von 1854 bis 1857 errichtete Doppel-Rollen-Anlage mit zwei Erzbahn-Tunneln. Klingt kompliziert, ist es aber gar nicht. Vor allem: Nach unten fällt das Roherz in den beiden Rollschächten von allein, dann schiebt man den Hunt unter die Rollenschnauze, Klappe auf, Erz rein - und man muß ihn nur noch ebenerdig bis zum zweiten Rollschacht schieben... Dort wiederholte sich die Prozedur und der zweite Hunt konnte schon direkt hinein in die Naßpochwäsche an der einstigen Mittleren Ratsmühle im Müldental geschoben werden. Unsere Skizze zeigt, wie das funktioniert hat. Alles in allem war dieser
Transportweg mit drei Dämmen, zwei Rollschächten und zwei Stollen 874
m lang und überwand auf dieser Strecke einen Höhenunterschied von 87 m
zwischen David Schacht und Ratsmühle. |
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Verlauf des Roten Grabens |
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Ansonsten geht es weiter in Richtung Halsbrücke... |
Wir passieren den dritten Striegel. Hier wird überflüssiges Wasser nicht mehr in die Mulde, sondern in den Aufschlaggraben der Unteren Ratsmühle abgeleitet. Mehrfachnutzung ? Eben !! |
Der Aufschlaggraben wird oberhalb von Tutendorf aus der Mulde abgezweigt und läuft hier im Bild unterhalb der alten Dresdner Brücke zwischen Tuttendorf und Conradsdorf parallel zur Mulde mit. |
Hinter der alten Steinbogenbrücke steht eine neue Stahlbetonbrücke für den Verkehr. Links unten unter dem ersten Bogen läuft der Aufschlaggraben der Ratsmühle entlang. |
Hier hat der Tuttendorfer Dorfbach den Roten Graben unter- und anschließend den Aufschlaggraben der Unteren Ratsmühle überquert. |
Der vierte Striegel ist erreicht und immer noch ein strahlend schöner Wintertag. |
Stellenweise sind noch Geländer an der steilen Talböschung, aber jetzt liegt der Rote Graben schon weit ab der Uferlinie der Freiberger Mulde. |
Ein paar hundert Meter nördlich von Tuttendorf befindet sich die "Untere" Ratsmühle. |
Der Aufschlaggraben kommt zwischen Talhang und Mühlengebäude an und trieb dort ein oberschlächtiges Wasserrad. Außer dem Mühlgraben und dem Gebäude ist aber von dieser Anlage nichts erhalten. |
Ein schöner Wintertag und weil es saukalt ist, ist man fast alleine unterwegs... |
Rechts unten verläuft der Abzugsgraben der Unteren Ratsmühle immer noch parallel mit, bis er wieder in die Mulde mündet. |
Ähnliches Motiv nochmal mit anderer Beleuchtung. Immer noch rechts unten der Abzugsgraben der Ratsmühle. |
Ein Blick zurück. |
Ein paar kleine Gneisklippen am Talhang. |
Darunter steckt ein halb verschüttetes, namenloses Stollnmundloch. |
Da wir schon ziemlich weit oben sind, wird auch der Galeriewald lichter. Immer noch windet sich der Kunstgraben wie eine Höhenlinie auf der Karte fast ebenerdig am Hang entlang. |
Da hätten wir auch den fünften Striegel erreicht. |
Der Ablauf ist schon ganz schön lang und tief und endet gerade noch im Abzugsgraben der Unteren Ratsmühle. Am linken Bildrand mündet der in die Freiberger Mulde ein. |
In dieser S-Kurve setzt die Aufschlagrösche vom Oberen Neugeschrei an. |
Das gemauerte Mundloch der Rösche. Im Bild fast genau darüber, aber etwas vom Geäst verdeckt, das Treibehaus der Grube. |
Nochmal etwas näher. |
Hinter der S-Kurve kann man um die Bäume am Haldenfuß herum schauen und bekommt dieses schöne Motiv geboten: Das Treibehaus der Grube Oberes Neugeschrei - wir sind gleich in Halsbrücke. |
Im Foto nicht wirklich zu erkennen, aber hinter den Bäumen scheint schon die Halsbrücker "Hohe Esse" durch. |
Der sechste Striegel. Und dieser ist gerade geöffnet. Der letzte Teil des Grabens wird damit trockengelegt, weil an der alten Erzwäsche gebaut wird. |
Kurz vor Halsbrücke ist der Rote Graben deshalb diesmal eine "Weißer Graben"... |
Aber wo der Winterdienst nicht den Schnee hinein geschoben hat, ist er noch gut zu sehen - normalerweise läuft ja auch hier noch Wasser drin. |
Da sind wir am Wasserteiler in Halsbrücke. Der kleine offene Graben nach rechts führt zur Pochwäsche, die große Rösche links unter der Straße hindurch und weiter zur Beihilfe. |
Noch ein paar hundert Meter durch den Ort ist der offene Graben zu verfolgen. Da vorn, wo der Farbklecks des Dixiehäuschens der Bauarbeiter leuchtet, steht rechts die ehemalige Erzwäsche. |
Hier endet dieser Teil des Roten Grabens. Der holzverkleidete Giebel gehört zur Erzwäsche. Und dahinter sieht man nun auch im Foto deutlich das Wahrzeichen des Ortes: Die Hohe Esse - mit rund 140 m zu ihrer Zeit (1888 - 1889 errichtet) das höchste Ziegelbauwerk der Welt. Das Empire State Building stand damals noch nicht... |
Rechts vor dem Gebäude steht die Radkammer, nur das Wasserrad blieb nicht erhalten. Die Erzwäsche aber wird zur Zeit mit Fördermitteln wieder ausgebaut. |
Nochmal die andere Giebelseite. Unter der Radkammer der Abzugsgraben, der von hier weiter in die Hütte führte und danach die Churprinzer Bergwerkskanäle speiste. |
Hinter der heute schneebedeckten Schlackehalde die erhaltenen Gebäude des Amalgamierwerkes, der ersten chemischen Fabrik der Welt (1787 bis 1791 erbaut). Hier wurden noch Armerze und "Gekrätz" verarbeitet, die anderswo auf der Halde gelandet wären. Und auch die erste Gasbeleuchtung der Welt hat der Professor für Chemie an der Bergakademie, W. A. Lampadius hier installiert. Im Hintergrund auf der Halde an der gegenüberliegenden Talseite das Treibehaus des 8. Lichtlochs auf dem Rothschönberger Stolln. |
Ein Teil des Wassers aus dem Roten Graben hat man auch über dieses Aquadukt - ein Teil neben der Straße steht noch - "von oben" in die Hütte geleitet. Damit wurde ein Druckwerk gespeist, das mitten im Hof der Hütte stand und als Löschwasservorrat diente. |
Es gäbe noch viel mehr über die Halsbrücker Hütte und das Amalgamierwerk zu erzählen, aber vielleicht stellen wir dazu mal einen gesonderten Beitrag ins Netz. Wer weiter durchs Muldental wandern will, klicke doch mal in unseren Angeboten oder gleich hier ganz unten weiter zum Churprinzer Bergwerkskanal. |
Verlauf des Roten Grabens |