Ein Beitrag von www.unbekannter-bergbau.de Erstellt Mai 2015, letzte Aktualisierung Juli 2015.
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Sankt Anna oder Sankt Barbara –
Versuch eines „Who is who?“
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Die Bergbau-Schutzheiligen, darunter die heilige
Anna und die heilige Barbara, sind aus dem Bergbau nicht wegzudenken. Der Glaube
der Menschen der damaligen und heutigen Zeit war und ist religiös gebunden. So
entwickelten sich je nach Region, Zeitalter und Glaube der Bergleute
verschiedenste Kulte. Zahlreiche Kirchen, Kapellen und Altäre, aber auch Städte,
wurden daher den Schutzheiligen des Bergbaus geweiht. Gewerken und
Knappenbruderschaften waren zudem auch angehalten, nach Möglichkeit „zu dem
Gotteshaus einen Beytrag zu thuen". Bei der Benennung von Gruben und Stollen tauchen immer wieder Heiligennamen auf, wie etwa St. Johann, St. Georg, St. Martin oder St. Anna. Auch Bezeichnungen wie "unsere liebe Frau" bezeichnen die Gottesmutter Maria und deuten auf die Gläubigkeit der Bergleute hin. Als die bekanntesten Bergbauheiligen gelten heute die heilige Barbara, die heilige Anna und der Prophet Daniel. Warum ausgerechnet diese? Wieso verschiedene? Weshalb Frauen? Steht dies nicht im Widerspruch zum weit verbreiteten Aberglauben, dass Frauen im Bergwerk Unglück brächten? Wir haben einmal nach Antworten gesucht... Auf Basis einer Datenbank, die uns ein Bergbaufreund aus Oederan zur Verfügung gestellt hat, haben wir zuerst einmal durchgezählt, welche Heiligen die Gewerkschaften für ihre Gruben im Erzgebirge denn am häufigsten als Schutzpatrone gewählt haben. Unsere Tabelle erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollzähligkeit, gibt aber durchaus einen ersten Überblick.
Wie man sieht, ist eine ganze Palette von Schutzheiligen in den Grubennamen in Sachsen vertreten. Ein Grund dafür ist auch, dass man sich von anderen Gruben ja unterscheiden musste und deshalb natürlich benachbarte Bergwerke nicht alle denselben Namen wählen wollten – auch wenn der himmlische Beistand gerade dieses Schutzheiligen vielleicht besonders erwünscht war. Die wichtigsten, die ausdrücklich als Schutzpatrone des Bergbaus bekannt sind, sind auch unter den Häufigsten zu finden. Erwartungsgemäß ist im evangelisch reformierten Sachsen auch die hl. Anna (Platz 4) häufiger zu finden, als die hl. Barbara (Platz 10). Aber diese beiden stehen gar nicht an erster Stelle, die ersten drei Plätze teilen sich überraschenderweise Johannes, Michael und Andreas. Wir gehen der Reihe nach und beginnen mit Johannes, der in unserer Tabelle an erster Stelle steht. Neben den Treffern diverser Suchmaschinen im Internet entnahmen wir die folgenden Informationen zu den Heiligen – wir sind halt auch nicht wirklich bibelfest – vor allem www.heiligenlexikon.de (spannende Seite übrigens, die wir allen Interessierten gerne weiter empfehlen).
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Wer waren sie
eigentlich – Die Legenden der Schutzheiligen Johannes Johannes gehört im engeren Sinne nicht zu den gewöhnlich lange posthum seliggesprochenen, katholischen Heiligen, sondern zu den Jüngern Jesu, die u. a. aus den Evangelien bekannt sind. Nach dem Johannes-Evangelium war er der einzige Jünger unter dem Kreuz, wo Jesus ihn als seinen Lieblingsjünger bezeichnete. Mit Petrus war er auch der erste, der nach der Nachricht der Frauen am Ostermorgen zum leeren Grab Jesu eilte, als erster erkannte er den Auferstandenen bei dessen Erscheinung am See Genezaret. In der Frühphase der Urgemeinde in Jerusalem war Johannes zusammen mit Petrus die prägende Gestalt. Beide bewirkten nach Pfingsten die erste Heilung (die eines Gelähmten im Tempel), traten öffentlich predigend im Tempel auf und brachten damit die Autoritäten gegen sich auf. Johannes wurde dann nach den legendarischen Berichten im Jahr 95 – es war die Zeit der Christen-Verfolgung unter Kaiser Domitian – doch noch ergriffen und nach Rom gebracht. An der Porta Latina soll er das Martyrium im Ölkessel erlitten haben, aber das Öl verwandelte sich in ein erfrischendes Bad, er entstieg unversehrt und wurde auf die Insel Patmos verbannt, wo er danach das Buch der Offenbarung schrieb. Nach dem Tod Domitians konnte er nach Ephesus zurückkehren, wo er mit großen Ehren empfangen wurde und sein Evangelium schrieb. Die Überlieferung setzt den Jünger Johannes gleich mit dem Evangelisten Johannes, der in Ephesus wirkte, wo im Kreis der Schüler des Apostels Johannes das nach ihm benannte Evangelium und die drei ihm zugeschriebenen Briefe entstanden. Die theologische Wissenschaft unterscheidet außerdem den Knecht Johannes als selbstgenannten Autor der Apokalypse von dem, der sich als Verfasser des Evangeliums nennt. Alle nach Johannes benannten Schriften im Neuen Testament gehen aber auf dieselbe frühchristliche Denkschule zurück, die sich auf einen Augenzeugen des Kreuzestodes Jesu beruft. Die Verehrung des Johannes verbreitete sich im Westen v. a. nach dem Konzil von Ephesus. Papst Hilarius weihte ihm ein Oratorium in der Taufkapelle des Lateranspalastes; zusammen mit Johannes dem Täufer (noch ein Johannes!) wurde ihm im 6. Jahrhundert die Basilika San Giovanni in Laterano geweiht. Papst Hadrian weihte Ende des 8. Jahrhunderts die Kirche San Giovanni an der Porta Latina. Im deutschen Sprachraum wuchs die Verehrung erst später, gefördert durch die Legenden um Johannes. Namenstag des Johannes ist der 27. Dezember. Wegen seiner hohen Theologie, wird er mit einem Adler dargestellt. Die Schlange im Kelch deutet auf einen Versuch, Johannes zu vergiften. Der Ölkessel, in dem er sein Martyrium erlitten hat, ist ein weiteres Attribut in bildlichen Darstellungen. Diese Attribute in den Heiligenbildnissen dienten dazu, die dargestellten Personen auch für die des Lesens und Schreibens unkundige Bevölkerungsmehrheit des Mittelalters eindeutig zu kennzeichnen. Johannes ist nicht unmittelbar Patron der Bergleute, sondern Beschützer der Bildhauer, Maler, Buchdrucker, Papierfabrikanten, Buchbinder, Buchhändler, Schriftsteller, Schreiber, Beamten, Notare, Theologen, Winzer, Metzger, Sattler, Glaser, Spiegelmacher, Graveure, Kerzenzieher und Korbmacher, sowie der Freundschaft – und die war sicher sowohl unter den Bergleuten, als auch unter den Gewerken erforderlich. Er wurde bei Brandwunden; für gute Ernte; gegen Hagel, Vergiftungen, Brandwunden, Fußleiden und Epilepsie angerufen.
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Michael
Nummer Zwei in unserer Zählung: Auch dieser ist im engeren Sinne keiner der Heiligen, sondern ist bereits aus den alttestamentarischen Überlieferungen als der Erzengel bekannt, der Adam und Eva mit dem Flammenschwert aus dem Paradies vertrieb, wo er den Lebensbaum bewachte. Um ihn ranken sich zahllose Legenden. Michael gilt als einer der drei Männer, die Abraham besuchten, er hinderte Abraham, seinen Sohn Isaak zu töten und er rang mit Jakob. Michael teilte das Rote Meer beim Auszug der Israeliten aus Ägypten, führte das Volk Israel ins gelobte Land und kämpfte mit dem Teufel um die Seele von Moses. Michael erschien den Jünglingen im Feuerofen bei Daniel und rettete sie, er stand Daniel in dessen Kampf gegen das Perserreich bei. In den Darstellungen der Johannes-Offenbarung erfüllt Michael seine besondere Aufgabe beim jüngsten Gericht: Seine Posaune erweckt die Toten aus den Gräbern, er befreit die Frau mit dem Kinde und tötet im endzeitlichen Kampf – gerüstet und mit großen Flügeln – den Drachen zu seinen Füßen. Michael gilt als der Seelengeleiter und hält die Seelenwaage; noch heute wird er deshalb im Totenoffizium der katholischen Kirche angerufen mit der Bitte, dass der Bannerträger Sankt Michael die Seelen ins heilige Licht führe – ein Gleichnis, das vielleicht auch den Bergleuten nahe lag, wenn sie aus der Grube ans Licht ausfuhren. Michael empfängt demnach die Seligen im Paradies, so wie Petrus an der Himmelspforte. Michael wird barmherzig und langmütig genannt, obwohl – oder gerade weil – er als der ranghöchste Engel gilt. Mit Raphael, Gabriel und Uriel ist Michael einer der vier Erzengel. Michaels Verehrung kam im 4. Jahrhundert im Osten auf. Schon Mitte des 5. Jahrhunderts weihte Papst Leo I. ihm die Kirche San Michele in Rom. Europas ältestes Michaelsheiligtum ist Monte Sant' Angelo auf dem Gargano in Süditalien; am 8. Mai 492 soll der Erzengel den dort lebenden Menschen erschienen sein und verkündet haben: „Diese Grotte ist mir heilig, ich habe sie mir erwählt, ich selbst will ihr Beschützer sein. Dort, wo sich der Fels öffnet, werden die Sünden der Menschen vergeben.“ – Wenn das nicht auch als Anspielung auf ein Bergwerk deutbar ist. Michael wurde der Schutzherr der Römisch-Katholischen Kirche, später des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Viele Kirchen und Bergkapellen sind ihm geweiht, die bekannteste ist vermutlich die der Überlieferung nach 709 unter Bischof Autbert von Avranches – angeblich auf Michaels Geheiß – auf dem Mont Tombe, einer Insel vor der Küste der Normandie, entstandene und dann nach ihm benannte Kirche Mont St. Michel. Seit 1984 gehört diese Insel mit ihrem imposanten Bauwerk zum UNESCO-Weltkulturerbe. Auch Michael ist nicht unmittelbar Schutzpatron des Bergbaus, jedoch der katholischen Kirche und der vatikanischen Gendarmerie; der Deutschen – okay, das ist ein Grund, ihn als Schutzheiligen auch in Sachsen zu wählen – ferner der Ritter, Soldaten, Fallschirmjäger, Kaufleute, Bäcker, Waagenhersteller, Eicher, Apotheker, Sanitäter, Drechsler, Schneider, Glaser, Maler, Vergolder, Blei- und Zinngießer – Blei und Zinn waren von Anfang an zwei der wichtigsten Produkte des Bergbaus im Erzgebirge – aber auch der Bankangestellten und Radiomechaniker; der Armen Seelen, Sterbenden und der Friedhöfe. Michael wurde für einen guten Tod und gegen Blitz und Unwetter angerufen. Die Attribute des Erzengels in bildlichen Darstellungen sind das (flammende) Schwert, Helm, Stab und die (Seelen-) Waage. Oft wird er als Ritter, den Drachen durchbohrend, dargestellt. Namenstag ist der 26. September.
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Andreas
Auch Andreas gehörte zu den Jüngern Jesu, war der Bruder des Simon Petrus und wie dieser von Beruf Fischer. Im Kreise der zwölf Jünger wird er an unterschiedlichen Stellen in der Rangfolge genannt. Er war beim Abendmahl in Jerusalem, bei der Himmelfahrt und an Pfingsten anwesend, sonst wird er aber nicht besonders häufig erwähnt. Die Legende lässt Andreas dann das Evangelium in Pontus und Bithynien südlich des Schwarzen Meers, in Kleinasien, in Thrakien, in Epirus und in der Achaia in Griechenland sowie in den Donauländern verkündigen. In Mirmidonia befreite er demnach den gefangenen Matthias und gab dem Geblendeten das Augenlicht wieder. Zahlreiche weitere Wunder, Heilungen und Erweckungen werden berichtet. In Patras heilte Andreas nach der Überlieferung Maximilla, die Frau des Statthalters Ägeas, und bekehrte sie zum Christentum. Er riet ihr zu ehelicher Enthaltsamkeit; daraufhin dem Statthalter gegenüber gestellt, konnte er diesen in einer ausführlich berichteten Disputation aber nicht vom Christentum überzeugen. Der Statthalter ließ Andreas geißeln und zu besonderer Pein und langsamem Tod an ein X-förmiges Kreuz binden – das „Andreas-Kreuz“, das heute unsere Bahnübergänge kennzeichnet. Zwei lange Tage hängend, predigte Andreas dem Volk, himmlisches Licht verhüllte den Sterbenden. Ägeas verhöhnte ihn, wurde daraufhin mit Wahnsinn geschlagen und starb, ehe er sein Haus wieder erreichte. Maximilla ließ Andreas mit großen Ehren bestatten. Andreas' Gebeine wurden 357 in die Apostelkirche in Konstantinopel gebracht. Sie genießen dort eine große Verehrung und haben für die Ostkirche eine ähnliche Bedeutung wie Petrus und Paulus für Rom. Unter anderem in Russland und in Schottland wird Andreas als Landespatron besonders verehrt. Andreas gilt tatsächlich als ein Schutzpatron der Bergleute, wie die bisher angeführten Heiligen auch, jedoch nicht nur für diese. Er schützt auch die Fischer und Fischhändler – er war ja selber Fischer, die Seiler, Metzger und Wasserträger. Er hilft bei der Ehevermittlung und wird für Eheglück und Kindersegen; gegen Gicht, Halsschmerzen, Krämpfe und Rotlauf um Hilfe gebeten. In Bildnissen ist er unbeschuht, mit Fisch, Strick und (seit dem 14. und 15. Jahrhundert) mit dem X-förmigen Kreuz dargestellt. Sein Namenstag ist der 30. November.
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Anna
Die Heilige Anna ist ebenfalls keine „echte“ Heilige – also eine seliggesprochene Märtyrerin – sondern bereits aus den sogenannten Apokryphen (Evangelien des 2. bis 6. Jahrhunderts – erstmals im in Syrien oder Ägypten um 150 verfassten „Protoevangelium“ des Jakobus) bekannt. Sie war verheiratet mit Joachim und die Mutter Marias. Ihre Lebensgeschichte ist geprägt von 20 Jahren Kinderlosigkeit. Aus diesem Grund gelobten Anna und Joachim dem Herrn, wenn er ihnen Nachkommenschaft schenken würde, dann würden sie das Kind dem Dienste des Herren weihen. Sie zogen daraufhin nach Jerusalem. Als jedoch Joachim den Tempel betreten wollte, wurde er vom Tempelschreiber daran gehindert, da seine Frau bislang kinderlos geblieben war. Daraufhin ging Joachim nicht mehr zu seiner Frau zurück, sondern zog ins Gebirge. Nach 40 Tagen und Nächten erschien ihm ein Engel. Dieser verkündete ihm die Geburt einer Tochter, die Maria genannt werden solle und die bereits im Mutterleib vom heiligen Geiste erfüllt wäre. Zur gleichen Zeit hatte auch Anna eine Engelserscheinung. Bald nach der Geburt soll Joachim gestorben sein. Anna soll noch zwei weitere Male verheiratet gewesen sein und soll auch noch zwei weitere Marias geboren haben. Anna und Joachim wurden mit reicher Ausgestaltung in den Legenden schon in frühchristlicher Zeit dargestellt, seit dem 6. Jahrhundert wird Anna als Marias Mutter verehrt. Der Kult wurde besonders durch das Kaiserhaus in Byzanz – dem heutigen Istanbul – gefördert, dort wurde um 550 durch Kaiser Justinian eine der Anna geweihte Kirche errichtet. In Westeuropa wurde die Anna-Legende dagegen zunächst abgelehnt. Im 8. und 9. Jahrhundert verbreitete
Haimo von Halberstadt die Anna-Legende im Westen. Im 10. Jahrhundert waren
die Sachsenkaiser auch an stabilen Verbindungen zum oströmischen Reich
interessiert und so wurde die Byzantinerin Theophania Gemahlin des
deutschen Kaisers Otto II. Der Anna-Kult kam aber besonders durch die
Kreuzfahrer nach Europa, wo er v. a. durch die Franziskaner weiter
verbreitet wurde, die gegenüber den Dominikanern die Lehre von der
Unbefleckten Empfängnis Mariens vertraten. Die Verehrung nahm weiteren
Aufschwung im 13. Jh. und erreichte ihren Höhepunkt, als 1481 Papst
Sixtus IV. den Gedenktag der Anna in den römischen Kalender aufnahm.
Annagürtel sollten gegen Unfruchtbarkeit von Frauen helfen, Glocken wurden
Anna geweiht, die neun Dienstage vor Ostern wurden als „Annadienstage“
begangen. |
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Das bürgerliche Familienideal des späten
Mittelalters förderte noch einmal die Verehrung Annas und der Heiligen
Familie, die Darstellungen der Anna selbdritt breiteten sich daher
besonders im 16. Jahrhundert rasch aus. Die Vorstellung von der mulier
fortis, der starken Frau machte sie zur Patronin von Zünften und von
Handels- und Gewerbetreibenden, sie wurde um die Vermehrung des Reichtums
angerufen. Dies führte zum Schriftwort vom „Schatz im Acker“ und daraus
resultierend dazu, dass Anna auch zur Patronin der Bergleute wurde. Nach
1945 erlebte die Annaverehrung in Westdeutschland noch einmal einen neuen
Aufschwung durch die infolge des Kriegsendes einwandernden Schlesier. Wallfahrten gab es außer in Annaberg in Niederösterreich in fast 100 größeren und kleineren Orten im deutschen Sprachgebiet; dazu in Frankreich und auch in Kanada ist die Verehrung von Anna weit verbreitet und beliebt. Der Annaberg in Schlesien – beim heute polnischen Góra Świętej Anny – ist auch heute noch Zentrum des Annakultes. In Annaberg in Sachsen wurden bis zur Reformationszeit Reliquien verehrt, die aber heute nicht mehr existieren. Anna ist Schutzpatronin gegen Gewitter. Um den Annatag herum (dem 26. Juli) beginnen die sommerlichen „Hundstage“, die bis in den August hinein andauern; diese Jahreszeit wird durch den Aufgang des Hundssterns, des Sirius im Sternbild des großen Hundes bestimmt und zeichnet sich durch große Hitze und die damit einhergehenden Gewitter aus. Selbst Martin Luther, Sohn eines Bergmannes, soll erklärt haben: Sankt Anna war mein Abgott, er rief sie auf seiner Wanderung bei Stotternheim zum Schutz vor Blitz und Donner an. Anna war die Mutter der Jungfrau Maria, die Jesus gebar. Als mittelalterliches Sinnbild Marias galt der Mond, das ihres Sohnes Jesus war die Sonne. Noch heute findet man den Halbmond als Symbol für Silber, die Sonne als jenes für Gold. Die heilige Anna versinnbildlichte somit ein Bergwerk, aus dem diese edlen Metalle hervorgingen. Ihr Schoß war gleichsam ein heiliger Mutterboden, der den Bergleuten Segen spendete. Sie gilt deshalb nicht nur als Beschützerin der Bergwerke und Bergleute, sondern ebenso als Patronin der Mütter und der Ehe, der Hausfrauen, Hausangestellten, Ammen, Witwen, Armen, Arbeiterinnen, Weber, Schneider, Strumpfwirker, Spitzenklöppler, Knechte, Müller, Krämer, Schiffer, Seiler, Tischler, Drechsler und Goldschmiede. Sie wurde für eine glückliche Heirat, für Kindersegen und glückliche Geburt, für Reichtum (auch das ein guter Grund, sie zur Patronin des Bergbaus zu wählen) und für das Wiederauffinden verlorener Sachen, für Regen; gegen Gicht, Fieber, Kopf-, Brust- und Bauchschmerzen und bei Gewitter angerufen. Anna besitzt keine speziellen Attribute, da sie meist mit Kind und Enkelkind auf den Armen („selbdritt“) abgebildet wird. Ihr Namenstag ist der 26 Juli.
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Barbara
Wir überspringen jetzt einige in unserer Tabelle oben und fahren mit einer „waschechten“ Heiligen und der wohl bekanntesten Schutzheiligen der Bergleute weiter: St. Barbara. Sie ist eine historisch eher unwahrscheinliche Figur, dennoch eine der bekanntesten christlichen Heiligen. Barbara soll vor rund 1.600 Jahren in Nikomedia, dem heutigen Izmit in der Türkei gelebt haben. Die Legende erzählt von der Tochter eines heidnischen Kaufmannes namens Dioseuros aus Nikodemien. Das Mädchen soll wegen ihrer außergewöhnlichen Schönheit und ihres scharfen Verstandes hoch angesehen gewesen sein. Die reichsten Jünglinge warben um Barbara, sie aber wies jeden zurück. Immer wieder traf sie sich dagegen mit einer kleinen Gruppe Christen, die damals in ständiger Angst vor den kaiserlichen Christenverfolgern im Verborgenen lebten. Barbara sollte nach dem Willen ihres Vaters mit einem Ungläubigen seiner Wahl verheiratet werden. Diesem Wunsch widersetzte sich die Tochter, indem sie ihr Leben Christus verschrieb und sich taufen ließ. Dioseuros war darüber so erzürnt, daß er die Widerspenstige in einem Turm einschloß. Barbara gelang aber die Flucht und sie kam zu einem Felsen, der sich vor ihr auftat und ihr Schutz bot. Der Verrat durch einen Hirten ermöglichte jedoch ihre neuerliche Festnahme. Vom Vater wurde sie vor den Statthalter geschleppt, der zu den schlimmsten Christenverfolgern zählte. Der ließ Barbara geißeln und mit Keulen schlagen. Von ihrem Glauben rückte sie jedoch nicht ab. Nachts soll ihr Christus erschienen sein, um ihre Wunden zu heilen. Als der Statthalter davon erfuhr, ließ er sie abermals foltern, mit Fackeln brennen und ihr die Brüste abschneiden. Endlich gab er den Befehl, Barbara mit dem Schwert zu töten. Und es war ihr eigener Vater, der dem Befehl nachkam und Barbara enthauptete. Kaum aber hatte der Vater sein Schwert beiseite gelegt, wurde er von einem Blitz erschlagen. Die Entstehung der Legende wird wohl vor dem 7. Jahrhundert im byzantinischen Raum zu suchen sein. Ausgehend von Nikomedia in der nordwestlichen Türkei gelangte die Barbara-Legende bzw. der Barbara-Kult mit dem sich ausbreitenden Christentum von Kleinasien über Konstantinopel nach Europa. Das Martyrologium Romanum parvum berichtet Anfang des 8. Jahrhunderts erstmals über Barbara. Auch ein Pfeilerfresko aus der Zeit um 705/706 in der Kirche S. Maria Antiqua in Rom stellt Barbara dar. Unter den Kreuzrittern erfuhr die Barbaraverehrung eine besondere Ausbreitung und die rückkehrenden Ritter brachten die Legende mit nach Mitteleuropa. Über Spanien und Portugal kam die Barbara-Legende mit den Konquistadoren auch in die neue Welt nach Süd- und Nordamerika. Aufgrund des Blitzschlags gegen ihren Vater wurde Barbara mit dem Blitz in Verbindung gebracht, bei Stürmen werden Gebete an sie gerichtet. Aus demselben Grund ist sie die Schutzheilige der Artillerie. Als eine der 14 Nothelfer wird Barbara besonders zum Schutz vor jähem Tod und als Beistand der Sterbenden angerufen. In Deutschland ist sie eines der drei Heiligen Madl'n oder – auch zusammen mit Dorothea – der Virgines capitales, der „klugen Jungfrauen“. Außer für den Bergbau und die Bergleute gilt Barbara auch als Schutzheilige der Türme, Festungsbauten und der Artillerie; der Geologen, Architekten, Maurer, Steinhauer, Zimmerleute, Dachdecker, Elektriker, Bauern, Metzger, Köche, Glöckner, Glockengießer, Feuerwehrleute, Totengräber, Hutmacher, Artilleristen, Waffenschmiede, Sprengmeister, Buchhändler, Bürstenbinder, Goldschmiede und Salpetersieder; der Mädchen, Gefangenen und Sterbenden. Sie wurde für eine gute Todesstunde und gegen Gewitter, Feuersgefahren, Fieber, Pest und jähen Tod angerufen. Aufgrund ihrer Legende wird sie bildlich stets mit den Attributen Turm (mit drei Fenstern), Schwert oder Kanonenrohr und Kelch oder Hostie dargestellt. Der Namenstag der hl. Barbara ist der 4. Dezember.
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Daniel
Wir interessieren uns an dieser Stelle exemplarisch noch für unsere Nummer 11: Daniel – in unserer Statistik oben zahlenmäßig gleichauf mit Barbara, Donat, Erasmus und Katharina. Daniel ist im engeren Sinne ebenfalls keiner der Heiligen, sondern gehört zu den Propheten. Er ist die Hauptfigur eines im 2. Jahrhundert v. Chr. entstandenen, lehrhaften apokalyptischen Buches, das der Verfasser in der Form eines Selbstzeugnisses aus dem 6. Jahrhundert verfasst hat. Auch er erlangte im Leben der mittelalterlichen Bergleute eine besondere Bedeutung. Aufgrund der sich um seine Person rankenden Legenden wurde er zum Schutzpatron für die Erzsuchenden. Daniel gilt als einer der Großen Propheten des Alten Bundes. Er stammte aus einer vornehmen Familie im Reiche Juda, wurde im jugendlichen Alter 605 v. Chr. nach Babylon weggeführt und dort am Hofe des Königs Nebukadnezar erzogen. Seine Rechtschaffenheit und seine Kenntnisse verschafften ihm eine einflussreiche Stellung unter mehreren Königen. Seine Treue zum Gesetz belohnte Gott mit der Gabe der Prophetie. Seine Weissagungen und Visionen sind im alttestamentlichen Buch Daniel niedergelegt. Daniel deutete auch dem nachfolgenden König Belsazar die sprichwörtlich gewordenen, geisterhaften Zeichen an der Wand, die „Menetekel“. Weil Daniel sich nicht an das Verbot des Betens hielt, das König Darius erlassen hatte, wurde er in die Löwengrube geworfen, blieb aber unversehrt und wurde gerettet. Daniel starb nach 563 und wurde in Babylon oder Susa begraben. Besonders seine seherischen Fähigkeiten prädestinierten ihn als einen Schutzheiligen für die nach Erz Suchenden. Der Legende nach träumte Daniel von einem Nest mit silbernen Eiern im Geäst einer Baumkrone. Als er dort vergeblich suchte, wies ihn ein erschienener Engel auf das „Geäst" des Baumes unter der Erde – sein Wurzelwerk – hin. Daniel begann daraufhin mit dem Schürfen im Boden und fand so tatsächlich ein „Erznest". Diese Legende gilt auch als Gründungslegende der Bergstadt Annaberg im Erzgebirge und ist auf der Rückseite des berühmten Bergaltars in der Annenkirche dargestellt. Er wird bildlich dargestellt als „Jüngling in der Löwengrube“ mit einem vierhörnigen Widder und mit anderen wilden Tieren. Namenstag ist der 21. Juli.
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Neben den schon aufgeführten galten – in
verschiedenen Regionen – noch zahlreiche andere Heilige ebenfalls als
besondere Schutzpatrone für den Bergbau, so zum Beispiel Albertus Magnus,
Antonius von Padua, Bartholomäus, Benedikt von Nursia, Christophorus,
Clemens I., Daniel, David, Dorothea, Eligius, Georg der Märtyrer, Kinga
von Polen, Leonhard von Noblat, Paphnutius von Ägypten, Patrick von
Irland, Raphael oder Vitus (Veit). Wie unsere Beispiele zeigen, sind die Namens- und Schutzpatrone von unterschiedlicher Stellung und nur zum Teil "echte" Heilige. Man kann unterscheiden zwischen:
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Geschichte und
Geschichten um Bergbautraditionen und Heiligenverehrung Die Bergbautradition hat einen langen Ursprung und im religiösen Leben der Bergleute nahm die Heiligenverehrung immer einen breiten Raum ein. In vielen Bergbaugebieten begann die tägliche Arbeit gewöhnlich mit einem kollektiven Morgengebet. Viele Huthäuser verfügten dafür über eine eigens eingerichtete Betstube.
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Die Daniel-Verehrung In mittelalterlichen Darstellungen ist eine Dominanz des hl. Daniel aus dem Alten Testament zu erkennen. Als Schutzpatron der Bergleute ist er ähnlich wie die hl. Elisabeth heute eher in den Alpenländern zu finden. Seine Verehrung ging in der Barockzeit stark zurück. Aufgrund seiner Legende, in der er nach silbernen Eiern in einem Geäst suchte, wurde dieser zum Patron der „Suchenden“. Spätestens seit der Barockzeit übernahm dann die hl. Barbara die Rolle der wichtigsten Bergbauheiligen.
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Die Barbara-Verehrung Im 14. Jahrhundert erreichte die Barbara-Verehrung während der Pesteinbrüche in Europa, bei denen viele Menschen einen unvorbereiteten Tod erleiden mussten, einen ersten Höhepunkt, da sie aufgrund ihrer Fürbitten in der Schar der vierzehn Nothelfer als Schutzheilige der Sterbenden galt. Barbara war schon im 10. Jahrhundert in der Gegend am Niederrhein bekannt, 1161 wird das erste Barbara-Kloster in Trier urkundlich erwähnt, ein erstes Barbarapatrozinium ist im Xantener Barbara-Altar von 1263 nachgewiesen. Im Rheinland ist es ein bekannter Brauch, am Barbaratag, also am 4. Dezember, Kirschzweige in warmes Wasser zu stellen. Erscheinen dann zu Weihnachten die Blüten, bedeutet das für den Bauern eine gute Ernte im kommenden Jahr. Für die Zukunft von heiratsfähigen Mädchen hatte die Anzahl der Blüten eine Bedeutung hinsichtlich der zu erwartenden Freier, deren Aussehen und materiellen Ausstattung. Darüber hinaus zählen in den Gegenden der Barbara-Verehrung Messen und Gebete, Paraden und Umzüge, Salutschießen, die Zubereitung besonderer Speisen und natürlich die Versammlungen der Barbara-Vereine an diesem Tag zu den üblichen Gebräuchen am Festtag von St. Barbara. Aufgrund ihres Martyriums haben zahlreiche Berufe und Organisationen Barbara zur Schutzheiligen gewählt. Beliebt ist sie u. a. bei den Artilleristen, Feuerwehrleuten, Glöcknern, Architekten, Apothekern und Bauern, sowie bei Steinmetzen, Schmieden und Gefangenen. Der geöffnete Berg, der Barbara Zuflucht bot, stellte die Verbindung zu den Bergleuten her, die durch ihren Gruß "Glück auf" das Öffnen des Berges und die Freigabe der Erze erbitten. Barbarafeiern im Bergbau, am 4. Dezember, sind eine alte Tradition, die sich in dieser Legende begründet. Vielerorts erhielten die Knappen im Bergwerk am Barbaratag das vor Unheil schützende „Barbaralicht“. An Bergbauorten findet noch heute am Barbaratag oder dem Sonntag danach oft eine Parade der Bergleute in alten Trachten statt. Selbst im legendären Heimatland von Barbara, in der heutigen Türkei, sollen türkische Bergbau-Absolventen deutscher Universitäten die traditionelle „Barbara-Feier“ schon in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf den Steinkohlenbergwerken eingeführt haben. St. Barbara gilt in der heutigen Zeit als die bekannteste der Bergbaupatroninnen. Die Barbara-Verehrung unter den Bergleuten ist in den christlich geprägten Regionen weltweit verbreitet, da ihr Patronat auch in einem engen Zusammenhang gegen einen plötzlichen, unvorbereiteten Tod steht, der gerade den Bergmann bei seiner gefährlichen Arbeit untertage natürlich jederzeit ereilen kann. Wo genau die heilige Barbara als Schutzpatronin der Bergleute zuerst verehrt wurde, bleibt im Dunkel der Geschichte verborgen. Allgemein werden aber die Silberbergbaugegenden um Freiberg in Sachsen und vor allem um Kuttenberg (Kutná Hora) in Böhmen vermutet. Die Stadt Kuttenberg im Zentrum des einst bedeutendsten Erzreviers Europas, erbaute zwischen 1380 und 1420 als Zeichen der engen Verbundenheit des Bergbaus mit der Heiligen Barbara den berühmten Barbara-Dom. Dabei verdrängte zum Teil die Barbaraverehrung nach und nach die älteren, traditionell dem Bergbau verbundenen Schutzpatrone wie den hl. Andreas im Harz, die hl. Anna im Erzgebirge, den hl. Joachim in Böhmen oder die Heiligen Wolfgang und Daniel in Österreich sowie die hl. Katharina. Dem folgte während der Reformation eine Phase der Abkehr von der katholischen Heiligenverehrung, in der in den lutherisch-evangelisch geprägten Landstrichen auch die hl. Barbara wieder in den Schatten anderer Schutzpatrone trat. Nur in Oberschlesien und Wałbrzych (Waldenburg) wurde Barbara vom Beginn des dortigen Bergbaus im 12. Jahrhundert bis in die heutige Zeit immer als die einzige Schutzpatronin angerufen. Mit dem Zuzug ostpreußischer und oberschlesischer Bergleute vor allem in die „Boom-Region“ der westfälischen Industriegebiete ab dem 19. Jahrhundert gelangte die Barbaraverehrung wieder verstärkt nach Deutschland zurück. Mit der Gründung zahlreicher „polnischer St. Barbara-Vereine“ setzte eine deutliche Wiederbelebung der Barbara-Verehrung im Ruhrgebiet ein, der sich auch viele katholische Knappen- und Arbeitervereine anschlossen. Noch heute konzentriert sich deshalb die größte Anzahl der St. Barbara-Kirchgemeinden in Deutschland auf die niederrheinischen und westfälischen Steinkohlen-Bergbaugebiete. Interessanterweise finden sich aber auch im lutherisch-evangelischen Sachsen mindestens zwei der hl. Barbara geweihte Kirchen (und zwar in Markersbach bei Schwarzenberg und in Lichtentanne bei Zwickau – beides Bergbauregionen). Hinsichtlich der hl. Anna deutet sich dagegen in unserer geographischen Zusammenstellung eine recht „homogene“ Verteilung zwischen Freiburg und Hamburg wie zwischen Saarbrücken und Görlitz an.
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Die Anna-Verehrung Die St. Anna-Verehrung nahm besonders seit der Mitte des 14. Jahrhunderts einen grandiosen Aufschwung, so dass sie bis tief ins 16. Jahrhundert hinein zu den verehrtesten Heiligengestalten überhaupt gehörte, als „Avia Christi", Großmutter Christi und Mutter Marias. Ihr Kult war zu einer allgemeinen Mode geworden, wenn man so sagen darf. Weil Anna der Menschheit den größten Schatz, nämlich Maria, die von der Erbsünde nicht beeinflusste Gottesgebärerin, schenkte und ohnehin die „Gemeinschafts-Meßformulare" der Heiligen überhaupt, die schon vor dem 9. Jahrhundert bestanden haben, kam ihr Fest, auch heute übrigens noch, für heilige Frauen in Betracht. Dieses Meßformular enthält in der Epistel den Schluss des Buches der Sprichwörter, wo uns in orientalischer Farbigkeit das Idealbild einer starken, auf den Vorteil ihres Hauswesens bedachten Frau geschildert wird. Die hl. Anna hatte diesem Ideal Wirklichkeit verliehen, da sie das Himmelsreich über alle irdischen Belange stellte. Auf dieses Idealbild ließen sich eine ganze Reihe ihrer Patronate zurückführen. Betrachtete man dann das Evangelium des gleichen Meßformulares vom 26. Juli, dem Feste der hl. Anna, so redet dieses von einem im Acker vergrabenen Schatz, was uns wieder zum Gegenstand unserer Ausführungen führt. Die Beziehungen der Heiligen zu bestimmten Patronaten wurzeln auch in der Neigung des Mittelalters, den Gegenständen des Kults und selbst des täglichen Lebens eine allegorische, sinnbildliche Bedeutung beizumessen und zu unterlegen. Maria, als Annas jungfräuliche Tochter, verglich man seit alters her gern mit dem Mond. Christus, ihr Sohn, ist die Sonne, von der sie ihr Licht empfängt. Der Mond seinerseits steht für das SiIber, die Sonne für das Gold. Indem man diese Gedanken weiter spann und nach Herkunft dieses Goldes und Silbers forschte, wurde St. Anna zu einem „Bergwerk", aus dem diese edlen Metalle hervor gingen. Aus diesem Grund wählten sich die Bergleute, und insbesondere die Silberbergleute, die in den Bergen nach verborgenen Schätzen suchten, die Mutter Anna zu ihrer Patronin. Vor allem im Silberbergbau erstreckte sich der bergmännische Kult um St. Anna über große geographische Breiten. Auch in Sachsen ist er heute noch präsent. Da Sachsen seit 1539 evangelisch ist, ist hier die heilige Barbara heute praktisch nicht mehr vertreten – obwohl sie überall in katholischen Ländern als die Schutzpatronin der Bergleute überhaupt gilt. An ihre Stelle ist in Sachsen die Heilige Anna getreten. Man macht auch die Erfahrung, dass aus der Zeit vor dem Aufkommen des St. Annakultes Annabildnisse noch selten waren, dann aber wie die Pilze aus dem Boden schießen. Die gerade Anfang des 16. Jh. so überreiche Ausbeute der Bergwerke schrieb man ihrer Hilfe zu. Der Glaube daran ist in Sagen genugsam verbreitet. Infolgedessen finden sich in erzreichen, namentlich silberreichen Gebirgen häufig St. Annakirchen, Kapellen, Statuen und Bilder. So ist die hohe Verehrung der hI. Anna aus dem Leben des Volkes heraus gewachsen, wobei immer das treibende Motiv ist, dass Anna die Großmutter Christi ist. Dass beide Kulte aber schon vorher nebeneinander bestanden haben, zeigt z. B. der Name der nach Silberfunden 1496 – also noch ein Jahr vor Luther´s Thesenanschlag in Wittenberg, der die Reformation erst auslöste – gegründeten Bergstadt Annaberg im Erzgebirge. Die Abkehr von der Heiligenverehrung nach der Reformation bewirkte, daß von den Gewerken häufiger "neutrale" Namen, wie etwa "Heilige Dreifaltigkeit" oder "Christkindel" bei Neuverleihungen für die Gruben gewählt wurden - ein Umstand, der auch bei zeitlichen Einordnung von Gruben und Betriebsphasen helfen kann.
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In Freiberg… Anhand der Siedlungsgeschichte ist davon auszugehen, dass bereits die ersten Freiberger Bergleute der römisch-katholischen Kirche angehörten. Erste steinerne Kirchenbauten sind in Freiberg bereits für die Zeit um 1170/1180 archäologisch nachweisbar. Von Ende des 12. Jh. bis zur lutherischen Reformation in Freiberg von 1539 war das religiöse Leben in Freiberg und im umliegenden Bergbaurevier von den Grundsätzen und den Gepflogenheiten der römisch-katholischen Kirche geprägt. (Zu dieser Zeit war Heinrich der Fromme, der jüngere Bruder Herzog Georgs des Bärtigen mit dem „Freiberger Ländchen“ abgefunden. Er ließ in Freiberg bereits 1537 die evangelische Messe lesen, regierte das albertinische Herzogtum Sachsen jedoch erst nach dem Tod seines Bruders von 1539 bis 1541.) In den Kirchen gab es gewöhnlich eine größere Zahl von Altären, die verschiedenen Heiligen gewidmet waren. Aufgrund ihrer zahlenmäßigen und wirtschaftlichen Bedeutung in der Stadtbevölkerung haben die Berg- und Hüttenleute auf die Ausgestaltung der Kirchen und überhaupt auf das Kirchenleben stets Einfluss genommen. Das kommt beispielsweise in der Stiftung von Altären, Kapellen und Kanzeln sowie durch die Verehrung von berufsbezogenen Heiligen zum Ausdruck. Unter Heiligen versteht man Männer und Frauen, die vom Papst als „Fürsprecher für die Menschen bei Gott“ ausgewählt und anerkannt werden. Durch seine Tätigkeit im Dunkel der Erde ist der Bergmann in besonderem Maße auf Glück und Gnade im religiösen Sinne angewiesen. Das wird schon deutlich bei der Schatzsuche, also dem Auffinden von Erzgängen. Dazu hat man in europäischen Silberrevieren den Heiligen Daniel als Schutzpatron und Nothelfer bemüht. In der bergmännisch geprägten Legende entwickelt sich Daniel vom himmlisch geleiteten Schatzsucher zum praxisorientierten schürfenden Bergmann „Daniel Knappe“. Das ist anschaulich auf dem Annaberger Bergaltarbild von 1521 dargestellt. Auch an der älteren Goldenen Pforte am Dom gibt es eine Daniel-Skulptur. Als „Danielkanzel“ kann man auch die Tulpenkanzel des Doms deuten, wo man einen Kletternden, eine Leiter (Treppe) und „Daniel in der Löwengrube“ sehen kann. Der Bezug zwischen Heiligenkult und Silberbergbau wird auch bei Sankt Anna, der legendären Mutter Marias deutlich. Anna galt bei den mittelalterlichen Silberbergleuten als „Silberbringerin“. Das war begründet in der allegorischen Gleichsetzung ihrer Tochter Maria mit dem Edelmetall Silber. Annas Schoß galt als heiliger Mutterboden, der den Bergleuten Silbersegen bringt. An die Verehrung Annas als bergmännische Schutzpatronin erinnern die Annenkapelle am Beginn des Kreuzganges gleich neben dem Dom oder die Skulpturengruppe Anna selbdritt von 1515 an einem Eckhaus hinter dem Rathaus. Diese Statue hat sich an einem zentralen Punkt im öffentlichen Raum der Stadt bis heute erhalten, obwohl mit der lutherischen Reformation der katholische Heilgenkult eigentlich drastisch reduziert, wenn nicht ganz abgeschafft wurde. Als Folge wurden zum Beispiel die holzgeschnitzten Heiligenskulpturen aus dem Freiberger Dom entfernt. Erst im 20. Jahrhundert kehrten sie wieder zurück! Darunter findet man auch noch andere Bergbauschutzpatrone: St. Christophorus galt als Schutzpatron bei Wassergefahren. An St. Wolfgang glaubte man, wenn man mit der Wünschelrute nach Silber suchte. Grosses Finderglück versprach man sich in der Nacht des St. Wofgangtages.
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Die heilige Anna wird gewöhnlich ohne Attribute, jedoch mit Kind und Enkelkind auf dem Arm bildlich dargestellt (in Form der thronenden „Anna Selbdritt“). Diese Darstellungsform „zu dritt“, gemeinsam mit dem Christusknaben und Maria, war in der Spätgotik besonders nördlich der Alpen weit verbreitet.
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Aus der Schar heiliger Frauen haben sich die mittelalterlichen Bergleute einige als ihre Helfer ausgewählt und entsprechend verehrt. Dazu gehören neben Barbara auch Katharina und Maria Magdalena. Am bekanntesten ist jedoch bis heute Sankt Barbara, die zur Symbolfigur für das Zusammengehörigkeitsgefühl aller Bergleute und „Berg-Verwandten“ geworden ist. Der Barbaratag am 4. Dezember ist heute ein beliebter Anlass für Barbarafeiern, auch in evangelisch geprägten Gebieten und auch außerhalb kirchlicher Bindungen. An der TU Bergakademie Freiberg findet zu diesem Datum bis heute das „Barbara-Kolloquium“ der Geowissenschaftler statt. In Freiberg gab es bereits im 14. Jahrhundert Barbara-Altäre in der Petrikirche und im Dom. In Bergstädten wie Freiberg bildeten sich Bergmannsvereinigungen, die auch als „Berggrabe-brüderschaften“ oder „Löbliche Bergwerksverbrüderung“ bezeichnet wurden. Sie waren der Ursprung der späteren „Knappschaften“ und kümmerten sich um vielerlei Fragen des „Bergvolkes“, beispielsweise um Lohnforderungen, Feiertage, Feste und Bergparaden, Unterstützung von Witwen und Waisen und um „die letzte Schicht“, das bergmännische Begräbnis. Von den Knappschaften wurde auch Geld gesammelt für Berggottesdienste und für die Ausgestaltung von Kirchen. So hat die Knappschaft der Schmelzer einen Altar für die Nikolaikirche gestiftet, der sich heute in der Petrikirche befindet. Der Bergknappschaft wird auch die um 1505 geschaffene und berühmt gewordene Tulpenkanzel im Dom zugeschrieben. Zu den Mitgliedern der Freiberger Knappschaft gehörte damals auch Ulrich Rülein von Calw, der durch „Ein nützlich Bergbüchlein“, das erste deutschsprachige Bergbaubuch, bekannt geworden ist. Man hat, sicherlich irrtümlich, angenommen, dass der Bildhauer, Meister H. W., mit der an der Tulpenkanzel sitzenden Figur ihm ein Denkmal gesetzt habe. Die gleich daneben stehende, jedoch erst 1638 geschaffene „Bergmannskanzel“ lässt durch die Skulpturen eines Steigers und eines Knappen den Bezug zum Bergbau unmittelbar erkennen. Von den Wohnstätten der Bergleute zu den unzähligen Schächten im Revier gab es privilegierte Anmarschwege, die „Häuersteige“. An einem solchen Steig am südlichen Stadtausgang Freibergs existieren noch heute die „Drei Kreuze“ – wohl einst als Kalvarienberg zu deuten – als Andachtsstätte der Bergleute, die über Jahrhunderte hinweg auch die Wartung und Erneuerung der Kreuze übernahmen. Das blieb auch nach der Reformation noch der Fall, so 1570 durch Oberbergmeister Martin Planer. Die „christliche Prägung“ des Bergbaus zeigen auch die vielen christlichen Namen, die man Erzgängen, Bergwerken oder Stollen und Schächten gegeben hat. Auch nach der Reformation ist diese Tradition weitergeführt worden.
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Warum? Wieso? Weshalb? Obwohl im Bergbau stets auch Frauen beschäftigt waren (zum Beispiel in der Aufbereitung), erscheint uns heute vielleicht verwunderlich, dass bereits lange vor dem Zeitalter der Emanzipation die Schutzheiligen der Bergleute oft auch durch Frauengestalten verkörpert wurden. Ihre Rolle in dieser Thematik ist aber eher im Bereich der Symbolik anzusiedeln. Die heute (in katholisch geprägten Regionen) populärste Heilige ist die heilige Barbara, eine der vierzehn Nothelferinnen. Da die Heilige der Legende nach von einem Felsen geschützt wurde, der sich öffnete und sie verbarg, wählten die Bergleute sie zu ihrer Patronin, auch wird sie deswegen mit Blitz und Donner in Verbindung gebracht. Auch ähnelt der Turm unter ihren Attributen sehr einer karbidbetriebenen Wetterlampe. Sie wurde auch von den Glockengießern als Schutzpatronin angerufen, später von den Artilleristen, die mit ihren Kanonen „künstlich“ Blitz und Donner hervorrufen konnten. Mit der Einführung des Schießpulvers in den Bergwerken im 17. Jahrhundert gewann die heilige Barbara auch für die Bergleute erneut an Bedeutung. Heute ist sie die wichtigste und weithin verbreitete Heilige der Knappen. Unter Tage werden daher in vielen Bergwerken noch heute Schreine eingerichtet, in denen die heilige Barbara dargestellt ist.
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Diese Barbara wacht über den Füllort der 3. Sohle in der Grube Teutschenthal. |
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Diese Figur schützt die ehemalige Kali- und Steinsalzgrube Asse südlich von Braunschweig. Im Bild sind ihre Attribute Kelch, Schwert und Turm gut zu sehen. |
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Auch beim Tunnelbau auf der BAB 17 brachten die jugoslawischen Bergleute „ihre“ Barbara nach Dresden mit.
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Die heute (in evangelisch geprägten Regionen) populärste Schutzheilige der Bergleute ist die heilige Anna, Mutter Marias. Maria wird allegorisch dem Mond zugeordnet, der für das Metall Silber steht, sie ist somit der mythologische Ursprung des Edelmetalls. Als Mutter Marias und somit Großmutter Christi verkörpert sie auch den Ursprung der Heilsgeschichte. Die Verbindung der hl. Anna mit dem Bergbau geht auf diese mittelalterlichen Allegorien zurück. Während Jesus als das Licht der Welt mit der Sonne und damit im übertragenen Sinne auch mit dem Rohstoff Gold in Verbindung gesetzt wurde, nahm man in der Marienepik für Maria den Mond und damit das Silber in Anspruch. Die hl. Anna ist somit nicht nur Mutter und Großmutter, sondern auch der Ursprung von Gold und Silber. Daraus ergab sich ihre Personifikation als Bergwerk. R. B.
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