Erstellt 2012, letzte Ergänzung Januar 2018. Wir danken Herrn A. Weiß, Dippoldiswalde, für seine Fotos und die Hinweise zum Text.
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Gedanken zum Bedenken: Tradition, im lateinischen auch „tradere“ (hinüber
geben) oder „traditio“ (Überlieferung) bezeichnet, ist das Überliefern von
Glaubensvorstellungen, Überzeugungen, Handlungen, Konventionen, Bräuchen,
Sitten, Fertigungstechniken, Bauweisen und Pflege von Althergebrachtem. |
Die
heutige Bergbautradition bezieht sich im Wesentlichem auf die
Hinterlassenschaften unserer Altvorderen. Dabei handelt es sich um bedeutende
Bergbauhalden, Stollnmundlöcher, Kunstteiche, Kunstgräben, Röschen, Huthäuser,
Treibehäuser und Pulvertürme. Alles in allem um die von der Arbeitskraft
unserer Vorfahren geschaffenen Gegenstände, die mitunter weithin sichtbar in
der Landschaft zu sehen sind.
Anderen
Sachzeugen unserer Vorfahren ergeht es nicht so gut, sie verschwinden still und
heimlich aus dem Landschaftsbild unserer Zeit, ohne daß es die Gesellschaft
bemerkt. In den letzten 30 Jahren rückte aber nicht nur in Sachsen die
Wichtigkeit der bergbaulichen Hinterlassenschaften unserer Altvorderen wieder
mehr und mehr in das Bewußtsein, wenn auch über dieses Erbe immer wieder von
unterschiedlichen Standpunkten aus, so zum Beispiel im Zusammenhang mit dem
Projekt „Montanregion Erzgebirge“, diskutiert wird und sogar aussortiert
wird, wenn es um wirtschaftliche Interessen geht. |
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Dieser
Teil der bergbaulichen Traditionspflege liegt gewöhnlich völlig im Dunklen –
untertage eben. Viele Hohlräume unter der Erde, zumindest in Sachsen, stehen
prinzipiell als „Technische Denkmale“ unter Denkmalschutz und genießen
daher einen besonderen Schutzstatus innerhalb der Bergbautradition. Sie werden
in Form von Besucherbergwerken, sowie Vereins- und Forschungsobjekten präsentiert.
Wobei eine Einschränkung hier sehr wichtig ist: Wo nämlich keine „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ vorliegt, die nun mal leider immer wieder von zusammenbrechenden Grubenbauen ausgeht, oder wo die Erhaltung nicht neueren wirtschaftlichen Interessen an einer Wiederaufnahme des Bergbaus in Explorationsgebieten im Wege steht. Auch die Wismut - Hinterlassenschaften sind derzeit noch ausgeschlossen. Aktuelles trauriges Beispiel ist da auch wieder das Verhalten der Macher des Projektes „Montanregion Erzgebirge“ im Bereich Geyer – Ehrenfriedersdorf durch die Ausgliederung aus dem Antrag zur Aufnahme in die Welterbeliste.
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Ein
anderer, alljährlich mehrfach sichtbarer Bestandteil der Traditionspflege sind
die regelmäßig stattfindenden
Bergparaden in den bedeutenden, oder auch in den weniger bedeutenden,
verschiedenen Berg-Städten unserer sächsischen Heimat und in der
Landeshauptstadt. Hier soll nun dem Bürger und auch dem ahnungslosen Touristen,
die erfreulicherweise immer sehr zahlreich zu solchen Paraden jubelnd anwesend
sind, die tiefe Verbundenheit der jeweiligen Region zum Bergbau der Altvorderen
vermittelt werden.
Na, zugegeben: Wer feiert nicht schon gern und im Erfinden von Anlässen waren die Sachsen durchaus schon immer kreativ. Viele Bergaufzüge haben auch kirchliche Feiertage zum Hintergrund oder einen Dankgottesdienst zum Bestandteil. Und wer geht schon am Sonntag in Arbeitskleidung in die Kirche... Doch wird hier nicht auch ein Trugschluß vermittelt ? Die Bergarbeit unserer Vorfahren war auf keinen Fall schön und romantisch, wie die Atmosphäre an solch einer Bergparade egal wo diese stattfindet ! Sollte die bergmännische Traditionspflege in Sachsen nicht doch etwas mehr Inhalt und Saft haben ? Ja und ob, schon seit einigen Jahren oder besser schon seit gut einem Jahrzehnt existiert ein Projekt, daß sich mit der realistischen Darstellung des Bergmanns in der Öffentlichkeit befaßt. Als Grund für dieses Projekt sehen die Macher - alles sächsische Bergbaufreunde aus dem Freiberger Land, die selber auch aktiv Montanforschung und Traditionspflege in praktischer Art und Weise betreiben - in der angesprochenen derzeitigen Traditionspflege diverser Verbände und Vereine mit den von ihnen organisierten Veranstaltungen. Dabei werden die sozialen Verhältnisse bei solchen „Berg“-Paraden vollkommen ausgeklammert. Der Bergmann wird als immer schön saubere Lichtgestalt mit schlohweißen Hosen und viel uniformierter Farbe - so wie man die Leuchter kennt, die zur Weihnacht vom Boden geholt werden - in seinem feinen Zwirn und immer lächelnd und wohlgenährt, dem am Straßenrand applaudierenden Bürger vorgeführt. Ein Bild das sich fest und kaum korrigierbar in die Köpfe der Bürger und Touristen eingebrannt hat. Doch wie sah der „arbeitende“ Bergmann überhaupt aus ? Gibt es denn auch Darstellungen außerhalb der berühmten Bildbände mit den Paradeuniformen ? Das sind Fragen, die sich im Laufe der Zeit zu diesem Thema ergaben. Es gibt Darstellungen, doch wird hier schon früh eine Korrektur sichtbar, da man schon in früheren Jahrhunderten lieber die Paradeuniform sehen wollte, als einen schmutzigen, ausgemergelten Bergmann, dem man seinem gesellschaftlichen Stand und seine sozialen Verhältnisse ansah. Die Zahl realistischer, bildlicher Darstellungen ist stark begrenzt. Dabei soll aber nur auf allgemein bekannte Werke zurück gegriffen werden, welche auch publiziert wurden. Die älteste allgemein bekannte bildliche Darstellung finden wir in einem Bildband, der 1830 von G. E. Rost in Freiberg mit dem Titel „Trachten der Berg- und Hüttenleute im Königreich Sachsen“ herausgegeben wurde. Es findet sich nur eine Zeichnung zum Bergmann in Arbeitskleidung und keine Beschreibung dieser, aber äußerst ausführliche Beschreibungen der Paradeuniformen nebst den Unterschieden der einzelnen Bergreviere.
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Auch
hier wird der Bergmann als „schön“ und „wohlgenährt“, entgegen den
eigentlichen Lebensverhältnissen, einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt.
Doch sehen wir hier auch eine der ältesten farbigen bildlichen Darstellungen
der Arbeitstracht des Bergmanns aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. In „Geschichte
und Beschreibung des sächsischen Bergbaus nebst 22 colorierten Abbildungen der
sächsischen Berg- und Hüttenleute in ihren neuesten Staatstrachten“ von
1827 ist wenigstens eine Erwähnung der Arbeitskleidung enthalten:
„Die Kleidung der Bergleute besteht aus einer kurzen Jacke oder Kittel mit weiten Ärmeln, wozu das sogenannte Berg- oder Fahrleder kommt. Vorn am Leibe tragen sie ein Bergtäschchen, worin sich das Feuerzeug befindet, und wenn sie eine gewisse Rangstufe erreicht haben, ein oder zwei Messer, sogenannte Tscherper. Ihre Jacke in der Arbeit ist von grober Leinwand, außer derselben von schwarzer Leinwand, oder dergleichen Tuch. Zum Arbeitskittel gehört die Blende, eine Laterne, welche beim Ausfahren hinten über dem Fahrleder, beim Einfahren aber vorn an der Brust befestigt ist. Alle, zum Berg- und Hüttenwesen gehörige Arbeiter (Bergvolk) müssen diese Kleidung an Fest- und Lohntagen, und wo sie in Gegenwart ihrer Vorgesetzten erscheinen, tragen“. Beim ersten Lesen ist man verdutzt bei der Vorstellung, daß das Geleucht „...beim Ausfahren hinten über dem Fahrleder“ getragen werde. Auch dabei brauchte man schließlich „vorne“ Licht, damit man die Sprossen der Fahrt sicher greifen konnte... Im Jahr 2018 hat uns unser Leser A. Weiß aus Dippoldiswalde aber Fotos einer geschnitzten Figur zur Verfügung gestellt, die tatsächlich die Blende „am Heck“ - über dem Arschleder - trägt. Es muß also wirklich Momente gegeben haben, in denen man sie so trug. Anfang 2019 hat uns Herr C. Beier aus Zschopau darauf aufmerksam gemacht, daß die Signatur am Sockel der Figur richtig Constantin Bach zu lesen ist. Dies war der Schnitzer dieser Figur, der von 1858 bis 1934 lebte und in Elterlein zu Hause war. Wahrscheinlich ist diese Figur also zwischen 1920 und 1934 entstanden, wie die meisten seiner Arbeiten.
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Eine 22 cm hohe, geschnitzte Bergmannsfigur. Der Sockel ist mit „Const. Bach“ signiert, der Name des Schnitzers. Foto: A. Weiß.
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Die Figur scheint ein Gebet aus dem Hut zu lesen... Ganz sicher hat der Schnitzer einen Moment der Andacht dargestellt, in dem es nicht auf das äußere Licht ankam... Foto: A. Weiß.
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Dreht man sie ganz herum, ist es deutlich zu sehen: Diese Figur trägt die Blende „hinten über dem Fahrleder“ - genau so, wie oben im Textzitat beschrieben. Foto: A. Weiß.
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Der Ursprung dieser Arbeitstracht ist aber wesentlich älter und geht auf einen Gedanken des sächsischen Oberberghauptmanns Abraham von Schönberg zurück. Dieser äußerte die Ansicht, daß die sächsischen Bergleute nach militärischem Vorbild eine uniformähnliche Kleidung tragen sollten. Danach sollte der Rang der Berg- und Hüttenarbeiter sowie der dazugehörigen Beamten im Bergwesen (schon 1668) anhand ihrer Kleidung sofort erkennbar sein. Dies sollte auch dem Berufsstand einen erheblichen öffentlichen Respekt verschaffen. Erst 1719 wurden erstmals diese Gedanken umgesetzt und die Bergsänger mit einer uniformen Berufskleidung ausgestattet. Ab 1769 wurde die uniforme Berufskleidung durch das Oberbergamt durchgesetzt und verbreitet. In diese Zeit fällt auch die Entstehung unseres Bergkittels für den untertage arbeitenden Bergmann mit den schon oben erwähnten Utensilien. Unter S. A. W. v. Herder ist um 1827 das Tragen durch ein königliches Gesetz zur Pflicht geworden. Die Mißachtung dessen wurde „als Verleugnung des Standes und bergmännischen Geistes“ mit Abzug eines Wochenlohnes bestraft.
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Dieser
Arbeitskittel bestehend aus bräunlichen Leinen mit Fahrleder, Tzscherpertasche,
Blende und Hut, sowie schweren Stiefel mit Holzsohlen und langen Hosen. Sie
blieben bis zum Ende des Bergbaus in den 1910er Jahren, teilweise aber noch bis
in die 1930er Jahre die Berufskleidung des Bergmanns in Sachsen.
Man kann aus unserer Sicht also von einer über gut 150 Jahre entstandenen - zwar zunächst als zwangsläufig verordnete Berufskleidung - bergmännischen Tracht sprechen. Diese symbolisiert heute den eigentlichen Bergmann, der den Reichtum Sachsen erwirtschaftete und selber karg und arm sein Leben fristete.
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Weitere
Darstellungen der Arbeitstracht finden sich auch bei Eduard Heuchlers
Zeichnungen in „Album für Freunde des Bergbaus“ aus dem Jahr 1851.
Auch hier ist wieder die starke romantische Verklärung der Verhältnisse des
Berufsstandes Bergmann zu sehen und paßt somit gut in unsere heutige Zeit. Dafür
stellen sie aber auch einen Beleg über das Aussehen des „arbeitenden“
Bergmannes dar, zumindest nach seiner Kleidung, die als einheitlich und
gewachsen, ja sogar traditionell dargestellt wird und sich so mit der o. a.
Beschreibung von 1827 deckt.
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Das
Aufkommen der bildlichen Darstellung in Form der Fotografie um die Mitte des 19. Jahrhunderts eröffnete neue Möglichkeiten der Dokumentation. Einer der
bekanntesten Fotografen bergbaulicher Motive war der akademische Maler und
Fotograf Heinrich Börner aus Freiberg. Er hinterließ einige bemerkenswerte
Bilddokumente, die Ende der 1990er Jahre durch die Initiative von Jens Kugler in
einem Bildband wieder veröffentlicht wurden. Börner zeigt hier erstmals die
Arbeitswelt des Bergmanns so, wie sie wirklich war, ohne die Möglichkeit stilistischer
Veränderungen an den Motiven wahrzunehmen. Auffällig ist jedoch die Präsenz
der Steiger in einzelnen Bildern. Hier entsteht der Eindruck eines
„gestellten“ Bildes. Doch war es sicher nur reine Selbstdarstellung der
Steiger, sich in ihrer beruflichen Stellung auch bei diesem neuem Medium in den
Vordergrund zu rücken. Dennoch bleibt der einfache Bergmann und seine Arbeit
Mittelpunkt der Bilder. Gut zu sehen auch die unveränderte Arbeitskluft der
Bergleute wie sie 1827 weiter oben beschrieben wurde. |
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Auch die Freiberger Fotografenfamilie Reimann hinterließ - heute im Besitz des Stadt- und Bergbaumuseums - einen immensen Fundus an historischen Fotodokumenten zur Stadt und Umgebung Freibergs, wie auch zum Bergbau selbst. Auch hier finden sich Darstellungen des Bergmanns in seiner Berufskleidung bis weit in die 1920er Jahre hinein. Auch hier ist ersichtlich, daß sich die einst per Gesetz verordnete Arbeitskleidung unverändert erhalten hat. Trotz vieler Neuerungen wie dem Karbidlicht oder einer Kopfbedeckung in Form eines ledernen Helmes mit kurzem Schild.
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Arbeitsgemeinschaft "Bergkittel" In den letzten zehn Jahren kristallisierte sich eine neu Einstellung in der Bevölkerung heraus. Durch die zaghaft öffentlich werdende Montanforschung seit 1989 und die zunehmende Akzeptanz durch die Behörden, besonders durch das sächsische Oberbergamt Freiberg, wird auch nach den Hintergründen von Bergaufzügen- und Paraden gefragt. Die Beantwortung solcher Fragen erfolgt in der letzten Zeit auch durch die öffentliche Präsenz einiger Bergbaufreunde aus dem Landkreis Mittelsachsen - zwar nicht bei den weihnachtlich- festlichen Bergparaden in den großen Städten, aber bei vielen Heimatfesten in ehemaligen, meist kleineren Bergbaustandorten. Diese Bergbaufreunde fertigten sich nach den originalen Vorlagen aus dem Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg die Arbeitskittel der Bergleute des 19. Jahrhundert nach und tragen diese auch öffentlich zu den entsprechenden Anlässen, wie Heimatfesten und Jubiläen ehemaliger Bergbauorte. Dieses Projekt „Bergkittel“ ist im Verein Altbergbau Freiberger Land e.V. organisiert und steht neben dem Ausbau der Bergwerksanlage an vorderer Stelle. Bei den Festumzügen der letzten Jahre bewies der Applaus der Zuschauer die Richtigkeit und Lehrhaftigkeit des Projektes. Denn der Berufsstand des Bergmannes war auf keinen Fall romantisch und schön, wie es mit den weihnachtlichen Bergparaden vermittelt wird. Die nachfolgenden Bilder zeigen das akribische Vorgehen bei der Nachfertigung der heute fast vergessenen Berufskleidung des Bergmanns aus der Zeit der 18. bis zum 1. Drittel des 20. Jahrhunderts. Die im Bild zu sehende Freiberger Blende ist ein Original, ebenso die im Gehänge mitgeführten Bergeisen. Sämtliches Lederzeug wurde nach originaler Vorlage nachgefertigt. Die schweren Stiefel mit Holzsohlen stammen aus dem letzten Weltkrieg und sind ein Fund auf dem Trödelmarkt, passen aber ganz genau zur Arbeitstracht des Bergmanns.
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Die Kleidung der im Projekt „Bergkittel“
Mitwirkenden wird durch teilweise originale Accessoires ergänzt. Vor über
Hundert Jahren gefahrene Freiberger Blenden, nachgefertigte Tonpfeifen und
teilweise originale Bergeisengehänge über der Schulter
vermitteln
ein realistisches und nachvollziehbares Bild von den gerade aus der Grube
ausfahrenden Bergleuten.
Im Laufe der Zeit vergrößerte sich der Kreis derjenigen, die einen Beitrag zur sächsischen Bergbautradition leisten wollen und sich dem Projekt Bergkittel anschlossen. Inzwischen sind es fast 30 Mitstreiter, die aus weiteren Bergbauvereinen wie Biensdorf, Schönborn, Wolkenburg oder auch ohne Vereinsmitgliedschaft sich dem Projekt angeschlossen haben. Jährlich zwei bis viermal ist das Projekt in der Öffentlichkeit durch Beteiligung an Veranstaltungen wahrnehmbar.
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Zur
850-Jahrfeier in Freiberg gibt es aufgrund der von mehreren Fotografen
vorliegenden Bildmenge noch einen separaten
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